Читать книгу Der Weg zur Promotion - Stephan Schmauke - Страница 5
EINLEITUNG
ОглавлениеDie Idee zu diesem Buch stammt aus meiner Arbeit mit Promotionsstipendiatinnen eines der 13 Begabtenförderungswerke der Bundesrepublik Deutschland. In Seminaren mit durchschnittlich 20 bis 30 Teilnehmerinnen stellen die Promovierenden ihre Promotionsprojekte einer kleineren Gruppe von maximal acht Teilnehmerinnen vor, worauf diese Projekte, begleitet von einem Tutor oder einer Tutorin, diskutiert werden. Die in diesen Gruppen vertretenen Fächer sind heterogen. Zwar berücksichtigen wir bei der Kleingruppenzusammenstellung fachliche Affinitäten, soweit das geht, doch lässt es sich aus logistischen Gründen nicht immer vermeiden, dass die Fächerverteilung manchmal seltsame Konstellationen mit sich bringt. So kann es durchaus passieren, dass eine Juristin ihr Projekt einem Auditorium vorstellt, das aus Kunsthistorikerinnen, Mathematikerinnen, Historikerinnen und Geologinnen zusammengesetzt ist. Was von uns anfangs als notwendiges Übel angesehen wurde, hat sich aber im Verlauf von ein paar Veranstaltungen als segensreich herausgestellt: Zum einen haben Promovierende sonst nur sehr selten die Gelegenheit, ihre Dissertationsprojekte einem fachfremden Publikum vorstellen zu können. In den üblichen Promotionskolloquien bleibt man so gut wie immer unter seinesgleichen; für Fachkongresse gilt dasselbe. Das ist bedauerlich, weil es für die wissenschaftliche Arbeit ungemein produktiv sein kann, wenn man genötigt wird, sie für das Verständnis von Akademikerinnen anderer Disziplinen herunter zu brechen. Zum anderen machen viele Teilnehmerinnen auf unseren Seminaren die Erfahrung, dass bestimmte Schwierigkeiten, mit denen ihr persönliches Dissertationsprojekt konfrontiert ist, Allgemeingut aller Promovierenden sind. Bestimmte Probleme betreffen nämlich nicht nur Juristinnen oder Mathematikerinnen (auf je eigene Weise), sondern alle, die versuchen, an einer deutschen Hochschule den Doktortitel zu erwerben.
Zum Sprachgebrauch eine Anmerkung: Historisch korrekt müsste man sagen: promoviert werden (siehe auch das Kapitel »Die Geschichte der Promotion« in diesem Band). In Anlehnung an den alltäglichen Sprachgebrauch benutze ich hier jedoch die aktive Form (promovieren) gleichberechtigt neben der passiven (promoviert werden).
Einige Fragenkomplexe verdichteten sich in unserer Wahrnehmung zu Dauerbrennern, weshalb wir ein weiteres Seminarformat für die Promotionsstipendiatinnen konzipierten: Die »Strukturwerkstatt«, die ich zusammen mit meinem Kollegen Rainer Fattmann leite. Sie richtet sich an fortgeschrittene Promovierende und thematisiert explizit die Probleme, Krisen und Katastrophen, die in drei und mehr Jahren des Arbeitens an einer Dissertation zusammenkommen können – natürlich nebst den Strategien, diese Probleme zu umschiffen, Krisen auszukurieren und sich auch von Katastrophen nicht anfechten zu lassen. Zu diesen Dauerbrennerfragen gehören: Wie organisiere ich mein Zeitbudget? Wie bringe ich Struktur in meine Dissertation? Wie reagiere ich angemessen auf Schwierigkeiten in der Betreuungssituation?
Den Ausschlag, ein Buch über dieses Thema zu verfassen, gab dann eine Sichtung der vorhandenen Ratgeberliteratur. Promotionsratgeber sind ja nicht gerade rar gesät; von der reich mit Stockfotos bebilderten Broschüre (bebrillte Studentin hält sich an Kaffeebecher fest, Text: »Wie fühlt es sich an, sich für drei Jahre festzulegen?«) bis zur 400-seitigen Bleiwüste gibt es alles, was das Promovierendenherz zu begehren scheint. Was fehlt, ist ein Promotionsratgeber, der sein Problembewusstsein aus eigener Erfahrung, aus der Arbeit mit aktuell Promovierenden bezieht und in seinem Orientierungsanspruch über die bloße Informationsvermittlung hinausgeht (wenden Sie sich bei psychischen Problemen an Ihren Psychiater. Hier eine Adressenliste …).
Klar war aber auch, dass das Buch nicht nur bereits promovierende Leserinnen ansprechen sollte, sondern auch Fragen erörtern muss, die sich schon vor dem Entschluss zu promovieren stellen. Fragen wie: Warum sollte ich mich für (oder gegen) eine Promotion entscheiden? Welche Schritte sind zu tun, wenn die Entscheidung für eine Promotion gefallen ist? Was ist zu beachten, wenn es um die Finanzierung der Promotion geht? Aus diesem Grunde beginnt der Text mit dem Kapitel zum Thema »Organisation«.
Dem ersten Kapitel, das organisatorischen Fragen gewidmet ist, folgen dann jene Abschnitte, in die am meisten von meiner Arbeit mit den Promotionsstipendiatinnen eingeflossen ist. Kapitel 2 bis 4 befassen sich mit den Themen »Literaturrecherche«, »wissenschaftliches Schreiben« und »Problembewältigungsstrategien«. Die Hauptintention meines Schreibens ist dabei immer, ein Gefühl dafür zu wecken, dass es neben dem berechtigten Bedürfnis, effizient und erfolgreich zu promovieren, noch etwas anderes gibt: nämlich mit der Promotion etwas Sinnvolles zu leisten, das sich kaum in ökonomischen Kategorien messen lässt. (Ob man diesen nicht geldwerten »Gewinn« nun mit Aristoteles »nous«, mit Hegel »Geist«, mit Humboldt »Bildung« oder mit Bourdieu »kulturelles Kapital« nennen will, braucht hier ja gar nicht entschieden zu werden.)
Aus meiner Sicht gehört zur Promotion ein reflektiertes Verhältnis zur Tätigkeit des Promovierens. Deswegen finden Sie in diesem Buch auch einen historischen Abschnitt zur Geschichte der Universitäten und der Universitätsabschlüsse. (Aus welcher wissenschaftlichen Tradition stammt die Promotion? Wann wurde der erste Mensch promoviert? Wie veränderte sich im Lauf der Universitätsgeschichte der Stellenwert der Promotion?) Wer sich damit intensiver befassen möchte, dem empfehle ich Hartmut Boockmann: Wissen und Widerstand. Geschichte der deutschen Universität, Berlin 1999, ein Buch, aus dem ich vor allem über die mittelalterliche Universitätsgeschichte viel gelernt habe. Des Weiteren finden Sie (im Kapitel zum Schreiben der Dissertation) einen Abschnitt, der ein paar Stichworte geben möchte, um Ihnen den Versuch zu erleichtern, Ihr eigenes wissenschaftliches Weltbild ein wenig klarer zu umreißen. (Was meine ich eigentlich damit, wenn ich einen »wissenschaftlichen Nachweis« für etwas erbringe?) Meiner bescheidenen Meinung nach sollten Sie sich nicht nur das Knowhow des Promovierens »draufschaffen«, sondern Sie sollten am Ende auch wissen, was Sie da eigentlich tun, wenn Sie promovieren.
Die Grundlage meines Schreibens ist, wie gesagt, die eigene Erfahrung – sowohl die Erfahrung, die darauf beruht, selbst einmal eine Dissertation geschrieben zu haben (mit allen emotionalen Höhen und Tiefen, die das mit sich brachte), als auch die Erfahrung mit der heutigen Generation Promovierender (die im Großen und Ganzen genau dieselben Probleme hat, wie ich sie vor 20 Jahren hatte. Bologna hat da keine neuen Probleme geschaffen, allenfalls ein gesteigertes Problembewusstsein). Erfahrung heißt das Zauberwort – und deswegen ist der hier gewählte Stil essayistisch, manchmal vielleicht salopp, aber er vermeidet den weihevollen Jargon von Ratgebern sowie einer wie auch immer gearteten Fachwissenschaft.
Und noch ein Wort zur Schreibweise: Da ich einerseits im Deutschen die sprachliche Unterrepräsentiertheit von Frauen als Problem ansehe (man redet von Professoren, meint aber damit Professoren und Professorinnen), andererseits aber alle üblichen Formen gendergerechter Schreibweise hässlich finde (Professor_in, ProfessorIn, Professor*in, Professor:in), habe ich mich für die generelle Verwendung des Femininums entschieden. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen weibliche, männliche und Transpersonen sowie alle, die binäre Zuschreibungen für sich ablehnen; alle sind damit selbstverständlich gleichberechtigt angesprochen. Die einzige Ausnahme ist das historische Kapitel, in dem es um die Geschichte der Universitäten geht, bei der es sich bis ins 20. Jahrhundert hinein um ausschließlich von Männern gebildete Organisationen handelt. Gerade dieser Umstand würde durch die generelle Verwendung des Femininums verwischt werden.
Ich danke allen, die mich bei der Planung, Ideenfindung und Abfassung dieses Buches unterstützt haben. Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung: Roland Feicht, Jacob Hirsch, Kathrein Hölscher, Simone Stöhr und Markus Trömmer, ohne die dieses Buch weder entstanden noch gediehen wäre. Ganz besonders danke ich Ursula Bitzegeio, die mit ihrer Begeisterungsfähigkeit und ihrem geradezu übernatürlichen Sinn, die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt zusammenzubringen, die Initialzündung gegeben hat. Schlaubischlumpf! Natürlich habe ich mich auch bei den vielen Promotionsstipendiatinnen der FES zu bedanken, bei denen ich über etliche Jahre hinweg viel gelernt habe – nicht nur über die Leiden der jungen Promovierenden, sondern auch über wissenschaftliche Moden, Konjunkturen und generell über Fachdisziplinen, die mir als Philosophen früher nichts gesagt haben. Stellvertretend darf ich hier Felix Kollritsch, Aymar Koukoubou, Carla Lohmann und Mariam Muwanga nennen, die Liste würde sonst einfach viel zu lang werden. Besonders danke ich auch Rainer Fattmann, meinem Mitstreiter bei der Strukturwerkstatt und dem Menschen mit dem trockensten Humor, den man sich vorstellen kann, ich danke Diana Gohle, die die Figur der »Försterin« erfunden hat, und Peter Gohle, mit dem ich mich immer gerne über Materialismus beziehungsweise Postmaterialismus und über Musik streite, und natürlich danke ich Alexander Behrens vom Dietz-Verlag für sein feinfühliges Lektorat. Vor allem aber danke ich meiner Familie: Flora – Emma – Beda.
Danke!