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3. Es gibt einen Zyklus von Reinkarnationen

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Jeder wird geboren, stirbt und wird wiedergeboren. Es ist ein unendlicher Kreislauf, in dem die Seele, im Buddhismus sagen wir: das Bewusstsein, weiterlebt. Es existiert also keine tiefere Angst vor dem Sterben, denn es ist der Übergang in das nächste Leben. Mit der vollkommenen Erleuchtung enden die Zyklen der Reinkarnationen.

Das Ziel, wenn man es so nennen möchte, ist also nicht das Ende eines Lebens, sondern das Ende vieler Leben. Die günstigste Phase, um sich spirituell zu entwickeln, ist das Alter, indem wir die Pflanzen unserer Seelenlandschaft noch einmal hegen und pflegen, ja vielleicht die Wintersaat ausbringen … für eine reiche Ernte, wenn ein ganzes Leben dann … ja, warum nicht, abgeerntet wird und als Saat für ein neues dient.

Diese Philosophie hat mich von Anfang an fasziniert, und nunmehr beschäftige ich mich seit Jahrzehnten intensiv mit dem Buddhismus. Nach meinem Studium der Theologie, Psychologie und Pädagogik machte ich eine Ausbildung beim Gründer des Neuro-Linguistischen Programmierens NLP, Richard Bandler, in den USA, und war danach der jüngste Lehrtrainer Deutschlands. Seit dreißig Jahren unterrichte ich vor allem Unternehmer und Führungskräfte mit einem Schwerpunkt auf konkrete Führungsstrategien und intensive Persönlichkeitsentwicklung und arbeite seit vielen Jahren auch als buddhistischer Lehrer. Auf meinen vielen Reisen nach Asien und in den Jahren, in denen ich dort lebte, beschäftigte ich mich ausführlich damit, wie die Menschen mit dem Alter umgehen. Ich absolvierte eine dreijährige Ausbildung als buddhistischer Meisterschüler von Patchalie in einem Kloster in Chang Mai, nahm an unzähligen Retreats auch beim Dalai Lama teil, verbrachte Jahre in verschiedenen Klöstern und Ashrams und vollzog zehnmal das Phowa-Retreat, auch mit dem 17. Karmapa – eine buddhistische »Gebrauchsanweisung« für den Tod.

In unserer Kultur führt der Tod ein Schattendasein im Konjunktiv, wenngleich nichts realer ist als er, wie vielen Menschen erst während der Pandemie bewusst wurde. Je angestrengter wir versuchen, den Tod zu verdrängen, desto mehr Lebenskraft rauben wir uns. Wir mögen dann zwar sehr aktiv sein, doch wir spüren nicht, was wir tun, weil es für die Wahrnehmung den ganzen Menschen braucht, keinen seelisch Teilamputierten.

In unserem Alltag werden wir nur selten mit dem Tod konfrontiert. Das hat sich in der Coronazeit geändert, und wir haben gesehen, wie hilflos wir ihm gegenüberstehen. Früher und in vielen Teilen der Welt auch heute noch war der Tod allgegenwärtig, und es starben auch jüngere Menschen: Säuglinge, Kinder, Jugendliche, Mütter, Soldaten. Sie starben durch Hunger, Krankheit, Seuchen und Kriege und mangelnde medizinische Versorgung sowie katastrophale hygienische Bedingungen. Und es ging schnell, häufig durch Infektionen. Heute wird oft langsam und lang gestorben. Das gilt besonders für ältere Menschen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen und chronischen Krankheiten. Früher war der Tod ein vertrauter Zeitgenosse. Familie, Freunde, Nachbarn verbrachten die letzten Stunden am Bett des sterbenden Menschen. Es wurde gemeinsam gebetet und Abschied genommen. Gemeinsam wurde der Verstorbene gewaschen und angekleidet, hergerichtet für die Aufbahrung. Und wieder saßen die Verwandten und Freunde bei ihm und hielten die Totenwache. Sie konnte mehrere Tage dauern, und bei einer Beerdigung wurde der Sarg offen durch das Dorf getragen. Heute sind die Särge von den Straßen verbannt und einige Bestattungsunternehmen verzichten auf alles, was das Dienstfahrzeug als Leichenwagen entlarven könnte. Die Sterbenden und Toten werden aus dem Alltagsleben entfernt und professionellen Kräften zur Bearbeitung, ja vielleicht ein Stück weit sogar zur »Ent-Sorgung« übergeben. Das mündet in eine vermehrte Unsicherheit im Umgang mit Sterben und Tod. Denn den Tod, den wir vor Augen haben – jeden Tag hundertfach oder tausendfach, je nachdem, wie lange wir vor dem Bildschirm sitzen, der ist virtuell, nicht aus Fleisch und Blut. Kühl im Kasten. Echte Tote, vielleicht die Eltern oder Großeltern, wie schlafend im Bett liegend, haben die wenigsten Menschen gesehen, aber Tausende von Toten im Fernsehen. Und sie alle, das sollten wir nie vergessen, werden wiedergeboren, stehen nach ihrer Szene wieder auf und leben weiter, wenn auch in einer anderen Rolle als in diesem Film. Sie haben die Kleider gewechselt …

Vielleicht ist der Tod ein so faszinierendes Thema in meinem Leben, weil ich selbst zwei außerkörperliche Erlebnisse hatte, die sich wie Sterben anfühlten. Beim ersten war ich zwölf Jahre alt und lag nach einer schweren Masernerkrankung mit Meningitis in der Kieler Universitätsklinik – oder wer lag da im Bett, wen sah ich von oben? Genauso beim zweiten Mal im Alter von etwa dreißig. War ich das oder nur meine Hülle, die ich beobachtete? Mir dienten diese Nahtoderlebnisse als Beweise dafür, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als wir gemeinhin glauben – und im Laufe der Jahre habe ich viele weitere gesammelt – selbst erfahrene und von anderen gehörte und gelesene. Je intensiver ich mich mit dem vermeintlich grauen Tod auseinandersetzte, desto bunter wurde mein Leben. Ich nahm wahr, wie die ängstliche Abspaltung des Todes von der Lebensfreude trennt. Das erkennen die meisten Menschen, wenn sie in die Nähe des Todes kommen, wenn sie einen lieben Angehörigen oder Freund verlieren. Danach ist alles anders als davor. Der Tod hat sie gestreift und ihnen Lebendigkeit geschenkt, trotz aller Trauer. Doch die bleibt nicht für immer. Man setzt sich nicht einmal ein bisschen mit dem Tod auseinander und dann reicht das bis zum Sankt Nimmerleinstag. Die Vorbereitung auf den Tod ist ein Langzeitprojekt, bedarf regelmäßiger Praxis, und idealerweise lässt man sich von Fachleuten unterweisen, in meinem Fall Lamas, also buddhistischen Priestern. Die verstehen ihr Handwerk, denn in ihrer Lehre spielt der Tod eine Schlüsselrolle. Wenn der Motor meines Autos stottert, bringe ich es nicht zur Logopädin, sondern in die Kfz-Werkstatt. Der Buddhismus ist die Werkstatt, die sich am intensivsten mit dem Tod beschäftigt hat, also bin ich hier Kunde geworden, kann sein, dass das an meiner Déformation professionelle als Coach liegt: Wir sind zwanghaft lösungsorientiert und suchen stets den schnellsten und erfolgversprechendsten Weg. Während unsere westliche Welt Erfolg vor allem an äußerlich Sichtbarem misst – mein Hausboot, mein Hafen, mein Hummer – zählt in der östlichen Welt die innere Entwicklung, die auch sichtbar ist, sie strahlt geradezu ab. Menschen, die keine Angst haben, nach innen zu blicken, sind zufriedener mit ihrem Leben. Sie wirken oft jünger, erreichen also genau das, was andere, die den Tod ignorieren, so unbedingt erstreben. Sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen hält jung! Sich bei lebendigem Leib wie tot zu fühlen macht alt. Das kann man an Menschen beobachten, die sich innerlich aufgegeben haben, weil sie keine Sinnhaftigkeit mehr im Leben sehen, es gibt keine Ziele mehr zu erreichen, sie drehen ihre letzten Schleifen in der Warteposition. Worauf warten sie? Auf den Tod, aber nicht freudig, sondern eher fatalistisch, ergeben und voller Angst, Lämmchen zur Schlachtbank. Häufig wird die Vergangenheit glorifiziert nach dem Motto: Früher war alles besser. Kein Wunder, dass die Gegenwart schal wirkt und sich Gefühle der Trauer, Unzufriedenheit, Antriebslosigkeit, manchmal Verbitterung einstellen. Da hat man sich sein Leben lang aufgearbeitet für die Firma – und was bleibt? Menschen, die unvorbereitet aus dem Beruf ausscheiden, sterben manchmal kurz nach ihrer Pensionierung – weil sie sich vollständig mit dem identifizierten, was sie darstellten. Ich bin die Deutsche Bank, ich bin Siemens. Diese Vermischung habe ich gehäuft im Führungskräftecoaching erlebt. Wenn die Deutsche Bank wegbricht und das Eckbüro mit Fenstern und das Vorzimmer mit den beiden Damen und der Firmenwagen mit Chauffeur … was bleibt dann? Und was bleibt ein paar Etagen tiefer bei den Sachbearbeiterinnen und im Lager? Warten auf den Tod? Nein, natürlich nicht, man will sich seinen Hobbys widmen, falls man welche hat, oder endlich anfangen mit Klavier und Reiten und viel Lesen und Spazierengehen – und ein Ehrenamt, natürlich. Wie wäre es mit einem Ehrenamt an sich selbst? Sich endlich mal um sich selbst kümmern, aber nicht mit neuen Spielzeugen, sondern auf der großen Spielwiese der Seele. Alles ist schon da. Es war immer da. Wir haben es nur so lange nicht beachtet, weil wir im Hamsterrad des Alltags hetzten. Eines Tages wird es stillstehen. Und dann ist es gut, vorbereitet zu sein.

Es ist noch kein Meister in den Himmel gefallen

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