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II. Rechtsinhaberschaft des Verkäufers

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Von besonderer Bedeutung bei der rechtlichen Due Diligence ist die Überprüfung der Eigentümerstellung des Verkäufers und seiner Verfügungsbefugnis über den zum Verkauf stehenden Geschäftsanteil. Grundsätzlich muss im Rahmen jeder Due Diligence die Inhaberschaft an jedem GmbH-Geschäftsanteil bis hin zur Gründung zurückverfolgt werden.[1] Allerdings birgt selbst eine lückenlose Kette von Anteilsabtretungen das Risiko, dass ein Erwerb durch eine unerkannte Zwischen-Abtretung unwirksam war. Deshalb sollte jeder Verkäufer für die Lastenfreiheit des Geschäftsanteils und seine Verfügungsbefugnis garantieren. Diese Garantie führt im Ernstfall jedoch nur zu einem Schadensersatzanspruch des Käufers gem. § 280 Abs. 1 BGB. Der Anteilserwerb scheitert gleichwohl.

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Erleichterung verspricht in diesem Zusammenhang die durch das MoMiG in § 16 Abs. 3 GmbHG eingefügte Möglichkeit des Anteilserwerbs vom Nichtberechtigten. Sie basiert auf dem durch die Gesellschafterliste gesetzten Rechtsschein und setzt voraus:[2]

Geschäftsanteil Ein Geschäftsanteil muss tatsächlich vorliegen. Geschützt ist nur der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis.[3] Relevant ist dies z.B. bei einer unzulässigen Zusammenlegung teileingezahlter Anteile.
Erwerb durch Rechtsgeschäft Es muss sich um einen rechtsgeschäftlichen Erwerb handeln; hieran fehlt es beispielsweise bei einer Gesamtrechtsnachfolge oder Erbfolge.
fälschliche Eintragung des Verkäufers als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste
Die Unrichtigkeit der Liste ist dem wahren Inhaber zurechenbar oder die Liste ist seit drei Jahren unrichtig.
Dem Erwerber ist die Unrichtigkeit der Liste weder bekannt noch grob fahrlässig unbekannt.
Gegen die Richtigkeit der Liste ist kein Widerspruch eingetragen.

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Die Gesellschafterliste muss den Anforderungen des § 40 Abs. 1 GmbHG genügen; andernfalls sperrt sie den gutgläubigen Erwerb eines Geschäftsanteils.[4] Neuerdings sind gem. § 40 Abs. 1 S. 2 GmbHG weitergehende Angaben bei einer Gesellschafterstellung einer juristischen Person, einer eingetragenen Personenhandelsgesellschaft oder einer GbR erforderlich.[5] Die neuen Anforderungen gelten für alle Gesellschafterlisten, die nach dem 26.6.2017 erstmals erstellt wurden (§ 8 EGGmbHG); während sog. Alt-Listen keiner Änderung bedürfen.[6] Entscheidend ist, dass der Inhaber zweifelsfrei zu identifizieren ist. Fraglich ist, ob die Überprüfung der Gesellschafterliste für den gutgläubigen Erwerb ausreichend ist.

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Ist der Verkäufer seit drei Jahren ununterbrochen in der Gesellschafterliste eingetragen, ist diese nicht zwingend i.S.d. Frist seit drei Jahren unrichtig. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Liste in dieser Zeit durchgehend unrichtig war, also während dieser Zeit nicht den materiell Berechtigten genannt hat.[7] Der Fristbeginn datiert auf den Zeitpunkt der Aufnahme einer unrichtigen Liste in das Handelsregister.[8] Vor Ablauf der 3-Jahres-Frist ist ein gutgläubiger Erwerb dann möglich, wenn dem materiell Berechtigten die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste zuzurechnen ist. Dies soll u.a. dann der Fall sein, wenn der Berechtigte die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste mit veranlasst oder mit verursacht hat.[9] Folglich verschafft die Gesellschafterliste allein keine ausreichende Sicherheit.

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Widmet man sich auf Grund dessen detailliert der Aufklärung der Abtretungshistorie, können Unstimmigkeiten entdeckt werden. Allerdings fehlt es dann an der Gutgläubigkeit des Erwerbers, da er positive Kenntnis von der fehlenden Berechtigung des Verkäufers hat. Umgekehrt kann lediglich die Durchsicht der Gesellschafterliste zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis von der fehlenden Verfügungsbefugnis des Verkäufers führen, da die Überprüfung der Abtretungshistorie als üblich angesehen wird. Ein genauer Maßstab für den Fahrlässigkeitsvorwurf besteht noch nicht.[10]

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Im Einzelfall sind die Übergangsvorschriften nach § 3 Abs. 3 EGGmbHG zu beachten. § 16 Abs. 3 GmbHG findet für den Fall, dass die Unrichtigkeit in der Gesellschafterliste bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG bestanden hat und dem Berechtigten zuzurechnen ist, frühestens auf Rechtsgeschäfte Anwendung, die nach dem 1.5.2009 abgeschlossen worden sind. Ist die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen, war der 1.11.2011 maßgebend.

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Die Gesellschafterliste, die als Rechtsscheinträger fungiert, wird vom Registergericht grundsätzlich nicht überprüft[11], obwohl ihm ein umfassendes Prüfungsrecht zukäme.[12] Der kluge Erwerber wird sich deshalb nicht allein auf die Gesellschafterliste verlassen und auf die Überprüfung der Rechtsinhaberschaft seines Verkäufers nicht verzichten. Denn das Risiko, auf den Nachweis eines gutgläubigen Erwerbs gem. § 16 Abs. 3 GmbHG angewiesen zu sein, ist erheblich. Im Zweifel dürfte es rechtlich vorteilhafter sein, die fehlende Legitimation des Verkäufers aufzudecken und diesen notfalls zur Nachbesserung seiner Rechtsinhaberschaft zu bewegen als auf die mit einem gutgläubigen Erwerb verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Unwägbarkeiten zu vertrauen. Letztlich ist jedoch auch hier der Einzelfall entscheidend.

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Des Weiteren fehlt es an einer den §§ 936 und 892 BGB entsprechenden Vorschrift, die einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb ermöglicht.[13] Schon in dieser Hinsicht obliegt es dem Käufer die Gesellschafterstellung kritisch zu überprüfen.[14] Für die Praxis bedeutet dies, dass neben der Aufklärung der Verfügungsbefugnis des Verkäufers auch die Lastenfreiheit des Geschäftsanteils überprüft werden muss. Diese Kontrolle erweist sich als ebenso zeitaufwendig, zumal eine Belastung durch Pfand- oder Nießbrauchrechte nicht in die Gesellschafterliste eingetragen werden muss (vgl. § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG). Hier muss wiederum auf das Rechtsinstitut eines Garantievertrages hinsichtlich der Lastenfreiheit und somit auf einen möglichen Schadenersatzanspruch zurückgegriffen werden. Eine analoge Anwendung des § 892 Abs. 1 S. 1 BGB kann mangels planwidriger Regelungslücke nicht angenommen werden.[15]

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Der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen beeinflusst zudem die Rechtslage beim Kauf unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 161 Abs. 1 BGB. Der Erwerber kann nicht mehr auf die Unwirksamkeit von Zwischenverfügungen vertrauen. § 16 Abs. 3 GmbHG eröffnet einen gutgläubigen Zwischenerwerb gemäß § 161 Abs. 3 BGB. Folglich ist es dringend angebracht, in diesen Fällen unverzüglich einen Widerspruch gegen die Richtigkeit der Gesellschafterliste eintragen zu lassen.[16]

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