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V. Arbeitsrechtliche Aspekte

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Die arbeitsrechtliche Due Diligence soll Auskunft über die wesentlichen arbeitsrechtlichen Strukturen und Verpflichtungen geben, die den Erwerber nach der Transaktion treffen.

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Dabei sollten zum einen die sich aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen, Gesamtzusagen, betrieblichen Übungen, Arbeitsverträgen, und anderen Rechtsinstituten ergebenden Verpflichtungen, insbesondere Gehaltsansprüche und betriebliche Altersversorgungen erfasst werden. Zum anderen sollten mittelbare Faktoren wie Versetzungsklauseln, besondere Kündigungsschutz- und Standortsicherungsklauseln, Wettbewerbsverbote, etc., die für spätere Umstrukturierungen oder Personalabbau von Bedeutung sein können, berücksichtigt werden.

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Ausgangspunkt der arbeitsrechtlichen Due Diligence ist die Durchsicht sämtlicher anwendbarer Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeits- und Anstellungsverträge unter Herausarbeitung von Laufzeit, Vergütungsformen und -höhe, Gratifikationen, Kündigungsfristen, Kündigungsschutzklauseln, nachvertraglichen Wettbewerbsverboten sowie Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen. Soweit die Durchsicht der einzelnen Arbeitsverträge eine zu große Arbeitsbelastung darstellt, sollten zumindest exemplarisch die Musterarbeitsverträge ausgewertet werden. In Bezug auf die Entlohnung sollten die bestehenden Arbeitsverhältnisse auf die Anwendbarkeit und die Einhaltung gesetzlicher oder tarifvertraglicher Mindestlöhne überprüft werden, um Gehalts-, Steuer- und Beitragsnachforderungen ausschließen bzw. Nachforderungsrisiken identifizieren zu können. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist ferner eine Auflistung über Art und Umfang bestehender Pensionsverpflichtungen. Zudem empfiehlt sich eine Erfassung besonderer Arbeitnehmergruppen (Sonderkündigungsschutz, Altersteilzeit, Elternzeit). Befindet sich das Zielobjekt in einem Umstrukturierungsprozess, werden zudem mögliche Sozialplanverpflichtungen und laufende bzw. drohende Kündigungsschutzprozesse relevant.

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Besonderheiten gelten für Führungskräfte und Organmitglieder des Zielunternehmens. Um deren personelle Auszehrung zu vermeiden, sollte der Käufer sich ihrer Dienste frühzeitig durch Einzelgespräche und ggf. durch Incentives versichern.[1] Bei Organmitgliedern sind die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen für eine Abberufung zu beachten.[2] Ggf. kann der Käufer deren Amtsniederlegung zur Kaufbedingung machen. Ein besonderes Augenmerk ist zudem auf change-of-control-Klauseln zu legen.

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Im Übrigen können sich je nach Struktur des Zielunternehmens arbeitsrechtliche Sonderrisiken ergeben, die zu prüfen sind. Operiert das Zielunternehmen z.B. mit Nachunternehmern, kann es wegen der Haftungstatbestände nach § 13 MiLoG und § 14 AEntG angezeigt sein, sich Gewissheit über die Einhaltung bestehender Mindestlöhne bei den eingesetzten Nachunternehmen zu verschaffen. Soweit der Veräußerer freie Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer, Selbstständige sowie arbeitnehmerähnliche Personen einsetzt, sollten zudem die arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Risiken einer Scheinselbstständigkeit untersucht werden. Ferner kann es sinnvoll sein, die letzten Prüfungsbescheide der Sozialversicherungsträger und Finanzämter zu sichten, um das Risiko evtl. Nachzahlungsverpflichtungen einschätzen zu können.

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Bei der Durchführung der arbeitsrechtlichen Due Diligence werden typischerweise personenbezogene Daten der Mitarbeiter des Zielunternehmens verarbeitet, weshalb in besonderem Maße auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu achten ist.[3] Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen sind nach Einführung der DS-GVO auch im Transaktionsprozess mit empfindlichen Sanktionen belegt. Die bei der Due Diligence erforderliche Offenlegung personenbezogener Daten durch Übermittlung, Verarbeitung oder eine andere Form der Bereitstellung ist ein Datenverarbeitungsvorgang, der einer gesetzlichen Erlaubnisnorm oder einer Einwilligung der betroffenen Person bedarf.

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Eine Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer dürfte als Rechtfertigungsgrundlage allerdings regelmäßig ausscheiden, weil diese jederzeit widerrufen werden kann und zudem selten mit der Vertraulichkeit der Due Diligence und dem Transaktionsprozess in Einklang zu bringen ist.[4] Etwas anderes kann allenfalls für einen überschaubaren Kreis von Führungskräften gelten, die an dem Transaktionsprozess beteiligt sind.[5]

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Ähnliche Probleme ergeben sich bei dem Abschluss einer Kollektivvereinbarung, etwa in Form einer Betriebsvereinbarung, die nach Art. 88 Abs. 1 DS-GVO, § 26 Abs. 1 BDSG den Datenverarbeitungsprozess rechtfertigen kann. Eine Geheimhaltung der Transaktion ist in diesem Fall ebenfalls nicht möglich. Ferner ist die Übereinkunft mit den zuständigen Gremien ungewiss. Etwas anderes kann in den Fällen einer übertragenden Sanierung gelten.[6] Hier ist der Betriebsrat ohnehin bereits zu einem frühen Zeitpunkt einzubeziehen. Zudem dürfte zwischen den Transaktionsparteien regelmäßig ein geringeres Geheimhaltungsinteresse bestehen.

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Eine Rechtfertigung der Datenverarbeitung im Rahmen der Due Diligence ergibt sich aber aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO.[7] Ob und in welchem Umfang personenbezogene Daten weitergegeben werden dürfen, bedarf folglich einer Interessenabwägung. Im Transaktionsprozess stehen sich das berechtigte Interesse an der Offenlegung der Informationen zur Durchführung der Unternehmensveräußerung und die schutzwürdigen Interessen der von der Datenverarbeitung Betroffenen gegenüber. Für eine positive Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f. DS-GVO sollte u.a. sichergestellt werden, dass personenbezogene Daten angemessen gegen Verlust, unberechtigte Einsichtnahme und unberechtigte Weitergabe geschützt werden. Zu den üblichen Maßnahmen gehören eine Begrenzung der am Datenverarbeitungsprozess Beteiligten, der Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen, die Gewährleistung einer hinreichenden elektronischen und physischen Datensicherheit[8] und die Pseudonymisierung von personenbezogener Daten.

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Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f. DS-GVO scheidet als Rechtfertigungsgrund allerdings aus, wenn personenbezogene Datenkategorien nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO offengelegt werden sollen. Hier bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, die sich ausschließlich nach Art. 9 Abs. 2 DS-GVO richtet.[9]

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Problematisch ist, dass die von der Datenverarbeitung Betroffenen trotz gerechtfertigter Datenverarbeitung über die Offenlegung der Daten zu informieren sein dürften. Durch die Weitergabe der Daten – die ursprünglich nur zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet wurden – erfolgt eine Zweckänderung, die Informationspflichten nach Art. 13 Abs. 3 DS-GVO auslöst.[10] Dies wiederum steht der Vertraulichkeit des Transaktionsprozesses entgegen und kann zu erheblichen Verzögerungen bei der Due Diligence führen. Eine Lösung ist derzeit nur durch vorausschauende Erfüllung der Informationspflichten des Zielunternehmens möglich, in dem in den Datenschutzhinwiesen auf die Verarbeitung der Beschäftigtendaten für etwaige Unternehmenstransaktionen hingewiesen wird.

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Darüber hinaus lassen sich die datenschutzrechtlichen Anforderungen durch eine Anonymisierung der Beschäftigtendaten umgehen. Durch den fehlenden Bezug zu einer identifizierbaren natürlichen Person, liegt keine Verarbeitung personenbezogener Daten vor.[11] Bei der Anonymisierung müssen allerdings alle personenbezogenen Daten inklusive Unterschriftenzeilen in den zu prüfenden Dokumenten geschwärzt werden. Das wiederum bedeutet einen erhöhten Aufwand und schränkt die Prüfbarkeit der Dokumente enorm ein. Ob die Schriftform für befristet abgeschlossene Arbeitsverträge eingehalten wurde, kann beispielsweise nur noch schwer verifiziert werden. Die Anonymisierung bietet sich folglich nur in einem frühen Stadium der Due-Diligence-Prüfung an.[12]

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Neben den potentiellen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen des Erwerbers (harte Faktoren) spielen personalwirtschaftliche Gesichtspunkte zur Bewertung des Human Capitals und damit zur Feststellung des Unternehmenswertes insbesondere von dienstleistungsgeprägten Zielobjekten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dabei sind insbesondere die Führungsstrukturen sowie Qualifikationen, Aufgeschlossenheit, Motivation, Leistungs- und Kooperationsbereitschaft des Personals gegenüber neuen Eigentümern wichtige Variablen für die qualitative Beurteilung des im Unternehmen tätigen Personals. Hierzu empfehlen sich einerseits Personalstatistiken über Fluktuationen, Fehlzeiten, festgestellte Arbeitssicherheitsmängel, dokumentierte Qualifikationen des Personals und der Führungskräfte sowie im Zielobjekt durchgeführte Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen etc. Andererseits können (nur) persönliche Mitarbeitergespräche Aufschluss über bestehenden Schulungs- und Entwicklungsbedarf, Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter, Identifizierung mit dem Unternehmen und Kooperationsbereitschaft mit neuen Eigentümern geben.

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