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2. Kapitalerhaltung

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Im Rahmen der Due Diligence müssen sämtliche Umstände der Kapitalzufuhr einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Nur so kann dem Risiko von verdeckten Sacheinlagen Rechnung getragen werden.[10] Das Problem stellt sich bei der Errichtung einer Gesellschaft und bei Kapitalerhöhungen. Nach der Konzeption des GmbHG gilt der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung. Sacheinlagen sind nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 GmbHG zulässig. Die Grundsätze der Kapitalaufbringung und -erhaltung genießen folglich Umgehungsschutz.[11] Eine verdeckte Sacheinlage liegt gem. § 19 Abs. 4 GmbHG vor, wenn die Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit einer Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist. Dabei werden eine Bareinlage und ein Verkehrsgeschäft dergestalt miteinander gekoppelt, dass der Gesamtvorgang wirtschaftlich Sacheinlagecharakter hat.[12] Dies setzt einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Erfüllung der Geldeinlagepflicht und einem Umsatzgeschäft voraus.[13] Dazu ist zusätzlich bei wirtschaftlicher Betrachtung eine vorherige Umgehungsabrede erforderlich, die ggf. bei engem zeitlichem Zusammenhang zwischen Einzahlung und Rückfluss vermutet werden kann.[14]

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Gem. § 19 Abs. 4 GmbHG besteht die Einlageverpflichtung im Falle einer verdeckten Sacheinlage fort. Die Verträge, sowohl schuldrechtliche als auch dingliche, sind allerdings nicht analog § 27 Abs. 3 S. 1 AktG unwirksam (§ 19 Abs. 4 S. 2 GmbHG).[15] Vielmehr statuiert § 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG eine Anrechnungslösung. Der Wert des eingebrachten Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die GmbH, falls diese später erfolgt, wird auf die Geldeinlageverpflichtung des Gesellschafters angerechnet.[16] Der Erwerber eines Geschäftsanteils haftet somit für den Differenzbetrag zwischen der Bareinlageverpflichtung und dem Wert der Sacheinlage (bilanzielle Betrachtungsweise).[17] Diese mit dem MoMiG zum 1.11.2008 eingeführte Rechtsänderung gilt auch für alle vor dieser Zeit vorgenommenen verdeckten Sacheinlagen, soweit nicht vorher zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter eine wirksame Vereinbarung über die aus der Unwirksamkeit der Einlageverpflichtung folgenden Ansprüche getroffen wurde oder ein rechtskräftiges Urteil nach altem Recht ergangen ist (§ 3 Abs. 4 S. 2 EGGmbHG). Es empfiehlt sich in den Fällen, in denen die verdeckte Sacheinlage im Rahmen einer Due Diligence – Prüfung bekannt wird, hierauf ausdrücklich hinzuweisen und ggf. eine Werthaltigkeitskontrolle durchzuführen, um das Haftungsrisiko abschätzen zu können, zumal die Beweislast gem. § 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG den Gesellschafter und damit den Käufer trifft. In Zweifelsfällen sollte der Verkäufer im Unternehmenskaufvertrag hierzu selbstständige Garantieerklärungen abgeben und die Verjährungsfrist entsprechend verlängern. Grundsätzlich verjähren Ansprüche der GmbH gegen den einlagepflichtigen Gesellschafter in zehn Jahren.[18] Inwieweit verdeckte Sacheinlagen nach Inkrafttreten des MoMiG der Heilung zugeführt werden können, ist umstritten. Zuvor war die Möglichkeit der Heilung einer verdeckten Sacheinlage durch den BGH in 2003 eröffnet worden.[19] Nach der Neufassung des § 19 Abs. 4 GmbHG durch das MoMiG sprechen jedoch gewichtige Gründe gegen das Fortbestehen der früheren Heilungsmöglichkeit und wird deshalb als unzulässig angesehen.[20] Insbesondere sind die Verträge über die (verdeckte) Sacheinlage wirksam und es findet eine wertmäßige Anrechnung auf die bare Einlageverpflichtung statt, sodass es einer Heilung in der Regel nicht bedarf.[21] Demgemäß hat sich die Bedeutung dieses Umstands erheblich verringert.[22]

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Ein mit der verdeckten Sacheinlage verwandtes Rechtsinstitut, auf das im Rahmen der Due Diligence erhöhte Aufmerksamkeit zu richten ist, ist das Hin- und Herzahlen.[23] Damit sind die Fälle gemeint, in denen der Gesellschafter die Bareinlage erbringt, diese aber unmittelbar nach der Einzahlung, häufig in Form eines Darlehens, an diesen zurückfließt.

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Gem. § 19 Abs. 5 GmbHG ist das Hin- und Herzahlen unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

Die Rückzahlungsvereinbarung zwischen Gesellschafter und GmbH muss vor Bewirkung der Einlage geschlossen worden sein,
die Vereinbarung muss sich als Einlagenrückgewähr darstellen,
es darf sich um keine verdeckte Sacheinlage handeln,
die Einlagenschuld muss durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt sein,
dieser muss jederzeit fällig sein oder durch fristlose Kündigung der GmbH fällig werden,
das Rechtsinstitut ist in der Anmeldung nach § 8 Abs. 1 und 2 GmbHG offen zu legen.

Wurde eine derartige Vereinbarung zwischen GmbH und Gesellschafter getroffen, ist die Einlageverpflichtung vollständig erbracht und der Erwerber hat mit keiner Haftung nach § 16 Abs. 2 GmbHG zu rechnen. Liegt jedoch eine der genannten Voraussetzung nicht vor, fehlt es beispielsweise an der Offenlegung der der Einlage vorausgegangenen Leistung an den Gesellschafter, so gilt das „Alles-oder-nichts-Prinzip“.[24] Im Unterschied zur verdeckten Sacheinlage kommt es nicht zu einer wertmäßigen Anrechnung.[25] Die Offenlegung der Einlage ist als Voraussetzung des § 19 Abs. 5 GmbHG konstitutiv.[26] Fehlt es hieran, ist die Einlage in vollem Umfang erneut zu erbringen, auch wenn der Rückzahlungsanspruch ganz oder teilweise zu realisieren ist.[27] Eine Differenzhaftung wie bei der verdeckten Sacheinlage ist nicht vorgesehen. Im Rahmen der Due Diligence sollte also genau überprüft werden, ob ein Fall der verdeckten Sacheinlage i.S.d. § 19 Abs. 4 GmbHG vorliegt oder aber ein Hin- und Herzahlen, bei dem die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG erfüllt sind. In den Fällen des Hin- und Herzahlen fehlt es oft an der jederzeitigen Fälligkeit oder der sofortigen Kündbarkeit des Rückzahlungsanspruches bzw. an der registerlichen Offenlegung nach § 8 GmbHG.

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Ähnliche Fragen können auftreten, wenn die Ziel-GmbH seit ihrer Gründung zu einem Konzern oder Unternehmensverbund gehört und an einem Cash-Pooling teilnimmt.[28] Ausgangspunkt ist dabei zumeist folgende Konstruktion mit dem Zweck des Liquiditätsmanagements:[29] Der Gesellschafter – in der Regel die Konzernmutter – zahlt seine Einlagemittel auf ein in einem Cash-Pool eingebundenes Konto der Gesellschaft ein; von dort werden diese an ein Zentralkonto weitergeleitet. Über dieses Zentralkonto ist der Gesellschafter mittelbar oder unmittelbar verfügungsberechtigt. Liegt ein Hin- und Herzahlen vor, so ist der Gesellschafter im Zweifel nicht von seiner Einlageverpflichtung befreit worden, da die Erfüllungswirkung an den strengen Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG, mithin der Offenlegung der Einlage gem. § 8 GmbHG scheitern wird.[30] Qualifiziert man dieses Szenario als verdeckte Sacheinlage, ist deren Wert anzurechnen (§ 19 Abs. 4 S. 3 GmbHG). Auf die fortbestehende Einlageverpflichtung wäre der Wert der Forderung des Cash-Pool-Führers gegen die Gesellschaft gutzuschreiben.[31] Entscheidend dafür ist der Saldo des Zentralkontos im Zeitpunkt der Weiterleitung des Einlagebetrags. Ist der Saldo zulasten der Gesellschaft negativ, liegt eine verdeckte Sacheinlage vor. Bei einem ausgeglichenen oder zugunsten der Gesellschaft positiven Saldo ist ein Hin- und Herzahlen gegeben. Dadurch, dass der Gesellschafter verfügungsberechtigt ist und der Einlagebetrag an diesen zurückfließt, gewährt die Gesellschaft diesem ein Darlehen.[32] Ist der Saldo der GmbH vor der Einlageleistung negativ und wird durch die Einlageleistung positiv, liegt eine verdeckte „Mischeinlage“ vor.[33] In diesem Fall besteht bis zum ausgeglichenen Saldo eine verdeckte Sacheinlage in der jeweiligen Höhe; für den übrigen Betrag, der einen positiven Saldo herbeiführt, liegt ein Hin- und Herzahlen vor.[34] Erhält der Gesellschafter zu einem späteren Zeitpunkt Leistungen aus dem Cash-Pool, wird dadurch seine Einlageschuld nicht erfüllt.[35]

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Die Rückzahlung einer Bareinlage im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags mit dem Gesellschafter stellt nach Auffassung der Rechtsprechung weder einen Fall der verdeckten Sacheinlage noch des Hin- und Herzahlens dar.[36] Etwas anderes gilt nur dann, wenn der vereinbarte Lohn in keinem Verhältnis zur erbrachten Dienstleistung steht und so eine Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln anzunehmen ist.

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Bei einer Unterbilanz oder einer Überschuldung der Ziel-GmbH gilt es zu prüfen, ob die Kapitalerhaltungsgrundsätze der §§ 30 und 31 GmbHG eingehalten wurden. Zwar gilt auch hier die bilanzielle Betrachtungsweise; gleichwohl kann von Bedeutung sei, ob die Überschuldung durch verdeckte Ausschüttungen mit verursacht wurde. Das streng ausgelegte Kapitalerhaltungsgebot ergänzt das Kapitalaufbringungsgebot und erfasst lediglich das Stammkapital der GmbH.[37] Darlehensgewährungen an Gesellschafter oder ihnen nahestehende Personen stellen nur dann einen Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG dar, wenn der Rückzahlungsanspruch nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist (§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. HS GmbHG). Geschäfte mit außenstehenden Dritten sind dagegen nicht geschützt.[38] Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen erfolgt die Finanzierung des Unternehmens vielfach durch Gesellschafterdarlehen oder von diesen gestellten Sicherheiten. Im Rahmen der Due Diligence sind diese Finanzierungen aufzuzeigen, da mit dem Verkauf der GmbH der Verkäufer die Darlehen und Sicherheiten in der Regel nicht weiter gewähren möchte.

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