Читать книгу Sie kannte ihn flüchtig - Sue Grafton - Страница 6

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Ich schloss das Tor auf und ging um den Neubau herum zu Henrys Terrasse an der Rückseite des Hauses. Er stand am Zaun und hielt ein Schwätzchen mit unserem Nachbarn, während er die Terrasse sprengte. Ohne sich zu unterbrechen, blickte er flüchtig in meine Richtung, und die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Ich denke nie an ihn als einen alten Mann, obwohl er am Valentinstag in der vergangenen Woche seinen zweiundachtzigsten Geburtstag gefeiert hat. Henry ist groß und schlank, er hat ein schmales Gesicht mit intensiv blauen Augen. Sein volles weißes Haar trägt er zur Seite gekämmt, er hat noch die eigenen Zähne und sieht das ganze Jahr über sonnengebräunt aus. Er ist intelligent und warmherzig, und seine Neugier hat mit dem Alter kein bisschen nachgelassen. Früher hat er als Bäcker in einem Großbetrieb gearbeitet. Und er kann es immer noch nicht lassen, Brote und Brötchen, Kekse und Kuchen zu backen, die er in der Nachbarschaft gegen Waren und Dienstleistungen eintauscht. Seine augenblickliche Lieblingsbeschäftigung ist es, Kreuzworträtsel zu entwerfen für all die Heftchen, die man in Supermärkten vor der Kasse kaufen kann. Er ist stolz auf sein Geschick, Geld zu sparen. Zum Erntedankfest hat er zum Beispiel einen zehn Kilogramm schweren Truthahn für nur sieben Dollar ergattert, musste dann allerdings fünfzehn Leute einladen, die ihm dabei halfen, das Tier zu verzehren. Zu seinen Fehlern müsste man vermutlich seine Leichtgläubigkeit zählen und seine Neigung, immer dann passiv zu bleiben, wenn er für seine eigenen Interessen kämpfen sollte. Ich fühle mich in gewisser Weise als seine Beschützerin, was ihn sicher amüsieren würde, denn ich vermute, dass er sich umgekehrt als mein Beschützer sieht.

Ich hatte mich immer noch nicht daran gewöhnt, mit ihm unter einem Dach zu wohnen. Mein Aufenthalt in seinem Haus war vorübergehend, ich würde dort nur so lange wohnen, bis mein Apartment wieder hergestellt war, also ungefähr noch einen Monat. Kleinere Schäden an seinem Haus waren schnell beseitigt worden, abgesehen von der Sonnenveranda, die zusammen mit der Garage zerstört worden war. Ich hatte einen eigenen Hausschlüssel und konnte kommen und gehen, wie es mir passte. Doch gelegentlich erfasste mich eine Art Platzangst.

Ich mag Henry. Sehr. Es gibt keinen gutmütigeren Menschen, aber ich lebe seit über acht Jahren allein und bin es nicht gewohnt, jemanden um mich zu haben. Es machte mich nervös, beinahe so, als erwarte er etwas von mir, dem ich nicht entsprechen konnte. Absurderweise hatte ich angesichts meiner Nervosität auch noch Schuldgefühle.

Als ich die Hintertür des Hauses aufschloss, stieg mir Essensgeruch in die Nase: Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten, vermutlich ein Hühnchengericht. Auf einem Metallregal lag aufgetürmt frisch gebackenes Brot. Der Küchentisch war für zwei gedeckt. Henry hatte kurzzeitig eine Freundin gehabt, die seine Küche neu eingerichtet hatte. Sie hatte die Hoffnung gehegt, bald auch über sein Erspartes verfügen zu können. Sie meinte, die Zwanzigtausend in bar würden sich auf ihrem Konto besser ausnehmen. Dank meiner Initiative wurden ihre Pläne durchkreuzt, und alles, was bis dato von ihr übrig geblieben war, waren die Küchenvorhänge aus grünbedrucktem Baumwollstoff, die mit grünen Schleifchen zurückgebunden waren, Henry benutzte die passenden Stoffservietten mittlerweile als Taschentücher. Wir sprachen nie von Lila, doch gelegentlich fragte ich mich, ob er mir im Stillen meine Einmischung in diese Romanze nicht verübelte. Gelegentlich lohnt es sich ja, um der Liebe willen einen Narren aus sich zu machen. Wenigstens weiß man dann, dass man lebt und gewisser Gefühle fähig ist, selbst wenn letztlich nur Herzbeklemmungen bleiben.

Ich ging durch die Diele und zu dem kleinen Schlafzimmer an der Rückseite des Hauses, das vorübergehend mein Reich war. Allein die Tatsache, im Haus zu sein, erfüllte mich mit einer gewissen Unruhe, und ich dachte, erleichtert an den bevorstehenden Ausflug nach Floral Beach. Von draußen hörte ich ein Quietschen, als der Wasserhahn zugedreht wurde, und ich stellte mir Henry vor, wie er den Gartenschlauch aufrollte. Die Fliegengittertür klappte zu, und im nächsten Augenblick hörte ich Henrys Schaukelstuhl ächzen, das Rascheln seiner Zeitung, als er den Sportteil aufschlug, den er stets als Erstes zu lesen pflegte.

Am Fußende des Bettes lag ein kleiner Stapel sauberer Kleidungsstücke. Ich ging zur Kommode und starrte in den Spiegel. Ich sah etwas komisch aus, kein Zweifel. Mein Haar ist dunkel, ich schneide es alle sechs Wochen mit der Nagelschere. Und so sieht es auch aus ... zerrupft und dilettantisch. Vor kurzem hat jemand meinen Schopf mit dem Hinterteil eines Hundes verglichen. Ich fuhr mir mit der Hand durch das struppige Haar, aber das half auch nichts. Zwischen meinen Augenbrauen stand eine unzufriedene Falte, die ich mit dem Finger glatt strich. Braune Augen, dichte Wimpern. Meine Nase funktioniert und ist erstaunlich gerade, wenn man bedenkt, dass das Nasenbein schon zweimal gebrochen war. Ich bleckte die Zähne wie ein Schimpanse und war einigermaßen zufrieden mit dem, was ich sah. Make-up verwende ich kaum. Vermutlich könnte ich besser aussehen, wenn ich irgendetwas mit meinen Augen anstellte – mehr Wimperntusche, Augenbrauenstift, Eye-Shadow in zwei Nuancen – , aber dann müsste ich das Zeug ständig benutzen, die reine Zeitverschwendung. Ich war bei einer allein stehenden Tante aufgewachsen, deren Kenntnisse über Schönheitspflege sich in der Anwendung von Cold Creme unter den Augen erschöpften. Man hat mir nie beigebracht, mich wie ein Mädchen zu benehmen, und so stelle ich mit meinen zweiunddreißig Jahren noch immer mein nacktes Gesicht zur Schau, frei von kosmetischen Tricks und derlei Feinheiten. Schön kann man mich zwar nicht nennen, aber mein Gesicht erfüllt seinen Zweck, indem es hilft, meine Vorder- und Rückseite deutlich voneinander zu unterscheiden. Doch meine äußere Erscheinung war keinesfalls der Grund für meine innere Unruhe. Worin also lag das Problem?

Ich ging zur Küche zurück und blieb auf der Schwelle stehen. Henry hatte sich wie jeden Abend einen Drink eingeschenkt: Black Jack mit Eis. Er warf mir einen flüchtigen Blick zu, sah mich dann plötzlich genauer an und fragte: »Stimmt was nicht?«

»Ich habe heute einen Auftrag in Floral Beach gekriegt. Ich werde vermutlich eine Woche bis zehn Tage fort sein.«

»Ist das alles? Gut. Du hast Luftveränderung nötig.« Damit wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Zeitung zu und blätterte den Lokalteil durch.

Ich blieb stehen und starrte auf seinen Hinterkopf. Ich musste an ein Gemälde von Whistler denken. Und plötzlich dämmerte es mir. »Henry, fängst du an, mich zu bemuttern?«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Es ist so ein komisches Gefühl, hier zu sein.«

» Inwiefern?«

»Das weiß ich nicht. Gedeckter Tisch ... und so weiter.«

»Ich esse gern. Manchmal sogar zwei-, dreimal am Tag«, erwiderte er gelassen. Er hatte das Kreuzworträtsel im unteren Teil der Witzseite entdeckt und griff nach dem Kugelschreiber.

»Du hast versprochen, niemals irgendwelche Umstände zu machen, wenn ich bei dir einziehe.«

»Ich mach keine Umstände.«

»Oh, doch.«

»Die Umstände machst du. Ich habe kein Wort gesagt.«

»Und was ist mit der Wäsche? Du hast sie ordentlich zusammengefaltet und auf das Fußende von meinem Bett gelegt.«

»Wirf sie auf den Boden, wenn sie dir dort nicht passt.«

»Komm, Henry. Ich habe gesagt, dass ich mich um die Wäsche selbst kümmere, und du warst einverstanden.«

Henry zuckte mit den Schultern. »Gut, dann bin ich also ein Lügner. Was soll ich dazu sagen?«

»Hör auf damit. Ich brauche keine Mutter.«

»Du brauchst jemand, der auf dich aufpasst. Das sage ich seit Monaten. Du vernachlässigst dich sträflich. Du isst nicht richtig. Lässt dich zusammenschlagen. Deine Wohnung fliegt in die Luft. Ich hab dir geraten, dir einen Hund zu halten, aber du hörst nicht. Und jetzt hast du mich, und wenn du mich fragst, du hast’s nicht besser verdient.«

Wie merkwürdig! Ich fühlte mich wie eines jener Küken, das sich zu einer Katzenmutter verirrt hatte. Meine Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich fünf Jahre alt war. Weil ich keine richtige Familie hatte, hatte ich mich darauf eingestellt, alleine zurechtzukommen. Dieser Mann war zweiundachtzig. Wer konnte vorhersagen, wie lange er noch lebte? Vermutlich würde er genau dann sterben, wenn ich mich gerade an seine Fürsorge gewöhnt hatte.

»Ich brauche weder Vater noch Mutter. Ich brauche dich als Freund.«

»Ich bin ein Freund.«

»Dann hör endlich mit diesem Unsinn auf. Es macht mich verrückt.«

Henry lächelte nachsichtig, als er auf die Uhr sah. »Du hast vor dem Essen gerade noch Zeit zu joggen, wenn du jetzt aufhörst, hier herumzumaulen.«

Das brachte mich zur Vernunft. Ich hatte tatsächlich gehofft, vor Einbruch der Dunkelheit noch laufen zu können. Mittlerweile war es bereits halb fünf, und ein Blick aus dem Küchenfenster sagte mir, dass nicht mehr allzu viel Zeit blieb. Ich hörte auf, herumzunörgeln, und zog meine Joggingsachen an.

Am Strand herrschte eine seltsame Stimmung. Sturmwolken hatten den Horizont sepiabraun gefärbt. Das stumpfe Ocker der Berge bildete einen merkwürdigen Kontrast, und der Himmel war von einem giftigen Orangerot überzogen. Es sah aus, als brenne Los Angeles lichterloh hinter einem Zauberdampf aus kupferfarbenem Rauch, der an den Rändern in dunkelbraune Tönungen überging. Ich lief den Fahrradweg entlang, der den Sandstrand säumte.

Die Küstenlinie von Santa Teresa verläuft in westliche und in östliche Richtung. Auf der Landkarte sieht es aus, als ob die zerklüftete Küste eine plötzliche Linksbiegung macht und eine kurze Strecke ins Meer hinausführt, bevor die Strömung sie zur Umkehr zwingt. Die Inseln waren im Hintergrund als Silhouetten sichtbar, und auf der dazwischenliegenden Wasserstraße glitzerten die Lichter der Bohrtürme, die hier zahlreich aus dem Meer ragten. Es ist traurig, aber wahr, dass Öltürme mittlerweile eine seltsame eigene Ästhetik entwickelt haben und ihr Anblick für uns so selbstverständlich geworden ist wie die Tatsache von Satelliten in der Erdumlaufbahn.

Nach etwa zwei Kilometern kehrte ich um. Die Straßenbeleuchtung war eingeschaltet. Es wurde allmählich empfindlich kalt, die Luft roch nach Salz, die Brandung donnerte gegen den Strand. Hinter der Brandungszone lagen Boote vor Anker; der Yachthafen des armen Mannes. Der Verkehr auf der Straße war ein Trost, denn die Autoscheinwerfer beleuchteten den Grasstreifen zwischen Bürgersteig und Fahrradweg. Ich versuche, täglich zu joggen, nicht aus Passion, sondern weil meine Kondition mir mehr als einmal das Leben gerettet hatte. Zusätzlich machte ich dreimal wöchentlich Hanteltraining, was ich jedoch wegen gewisser Verletzungen vorübergehend hatte unterbrechen müssen.

Als ich nach Hause zurückkam, hatte sich meine Stimmung gebessert. Wenn man außer Atem ist, halten sich weder Angst noch Depressionen. Mit der Anstrengung und dem Schweiß stellt sich Optimismus ein. Wir aßen in freundschaftlicher Atmosphäre zu Abend, und anschließend ging ich in mein Zimmer, um meine Reisetasche für Floral Beach zu packen. Über meinen neuen Fall hatte ich mir noch keine weiteren Gedanken gemacht. Ich nahm mir die Minute Zeit, um eine Akte anzulegen und sie mit Bailey Fowlers Namen zu beschriften. Dann blätterte ich die Zeitungen durch, die im Abstellraum lagerten, und schnitt jenen Teil heraus, in dem über Fowlers Verhaftung berichtet wurde.

Dem Artikel konnte ich entnehmen, dass Bailey Fowler gerade wegen bewaffneten Raubüberfalls verurteilt worden war – die Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden -, als seine siebzehnjährige Freundin erwürgt aufgefunden wurde. Einwohner des Ferienortes hatten ausgesagt, dass der damals dreiundzwanzigjährige Fowler seit Jahren immer wieder mit der Drogenszene zu tun gehabt hatte, und man vermutete, dass er das Mädchen umgebracht habe, weil es sich angeblich mit einem seiner Freunde eingelassen hatte. Mit seinem Schuldbekenntnis hatte Bailey sich sechs Jahre Haft im Staatsgefängnis eingehandelt. Er hatte noch nicht ganz ein Jahr seiner Strafe verbüßt, als ihm die Flucht gelang. Er verließ Kalifornien und nahm den falschen Namen Peter Lambert an. Nach etlichen Jobs als Verkäufer trat er in eine Konfektionsfirma mit Filialen in Arizona, Colorado, Neu-Mexiko und Kalifornien ein. 1979 wurde er Leiter der Unternehmensgruppe im Westen und zog nach Los Angeles, wo er seither gelebt hatte. Die Zeitung berichtete, dass seine Kollegen es kaum fassen konnten, dass er je mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Sie beschrieben ihn als hart arbeitenden, fähigen, offenen und redegewandten Mann, der sich aktiv an Kirchen- und Gemeindearbeit beteiligte.

Das Schwarzweißfoto von Bailey Fowler zeigte einen etwa vierzigjährigen Mann, der ungläubig in die Kamera starrte. Er hatte ausdrucksvolle Züge, eine feinere Version seines Vaters mit derselben energischen Kinnpartie. Daneben war das verkleinerte Polizeifoto zu sehen, das vor siebzehn Jahren bei seiner Verurteilung wegen des Mordes an Jean Timberlake aufgenommen worden war. Schon damals war er ein hübscher Junge gewesen, und er sah auch jetzt noch gut aus.

Seltsam, dachte ich, dass man einen neuen Menschen aus sich machen konnte, indem man sich einfach eine neue Identität zulegte. Ich fragte mich allerdings, ob die Verbüßung der gesamten Haftstrafe eine ebenso läuternde Wirkung auf Bailey Fowler gehabt hätte wie der tägliche Lebenskampf. Von Familie war nirgends die Rede, sodass ich davon ausgehen konnte, dass Bailey Fowler unverheiratet geblieben war. Vorausgesetzt Baileys neuer Anwalt erwies sich nicht als ein besonders gerissener Jurist, musste er nicht nur die verbleibenden Jahre seiner ursprünglichen Strafe, sondern zusätzliche sechzehn Monate bis zwei Jahre wegen seiner Flucht verbüßen. Bei seiner Entlassung wäre er dann siebenundvierzig Jahre alt. Es war anzunehmen, dass er diese kostbaren Jahre nicht kampflos hergeben würde.

In der Zeitung vom Tage fand ich einen Folgeartikel, den ich ebenfalls ausschnitt, mit einem Foto des ermordeten Mädchens aus dem Jahrbuch der Highschool. Sie war zu jenem Zeitpunkt in der Abschlussklasse gewesen. Ihr dunkles Haar umrahmte vorteilhaft ihr Gesicht und fiel vom Mittelscheitel in einer sanften Welle in den Nacken. Sie hatte helle Augen und dichte, schwarze Wimpern, einen großen, sinnlichen Mund. Die Andeutung eines Lächelns schien zu sagen, sie wisse mehr, als der Betrachter ahnte.

Ich legte die Zeitungsausschnitte in die Akte und diese in das Außenfach meiner Reisetasche. Auf dem Weg aus der Stadt wollte ich noch meine Reiseschreibmaschine aus dem Büro holen. Am darauf folgenden Morgen war ich bereits um neun Uhr unterwegs und fuhr die Passstraße über die San Rafael Mountains hinauf. An der höchsten Stelle des zweispurigen Highways warf ich einen Blick nach rechts und war wie immer fasziniert von der sich endlos fortsetzenden Hügelkette, die hier, unterbrochen von schroffem Fels, nordwärts führt. Der Fels verleiht der kargen Landschaft seine typische verwaschen graublaue Tönung. Das Land hatte sich hier gehoben, sodass die Schiefer- und Sandsteinkämme wie ein Grat herausragen, den man die Transverse Ranges nennt. Geologen ziehen daraus den Schluss, dass sich Kalifornien westlich der Sankt-Andreas-Spalte in den vergangenen dreißig Millionen Jahren ungefähr fünfhundert Kilometer weit nördlich entlang der Pazifikküste vorgeschoben hat. Die Pazifische Platte reibt sich noch immer am Kontinent und beschert den Küstenregionen ein Erdbeben nach dem anderen. Die Tatsache, dass wir im täglichen Einerlei kaum einen Gedanken an diese Vorgänge verschwenden, ist entweder Beweis für unsere moralische Stärke oder purer Wahnsinn. Die einzigen Erdbeben allerdings, die ich je erlebt habe, waren Erschütterungen, die das Geschirr auf dem Regal klirren ließen oder die Kleiderbügel im Schrank zu einem lustigen Klangkonzert veranlassten. Das ist nicht beängstigender, als morgens von jemandem geweckt zu werden, der zu höflich ist, deinen Namen zu rufen. Die Bewohner von San Francisco, Coalinga und Los Angeles können gewiss andere Geschichten erzählen, aber in Santa Teresa (vom großen Beben im Jahr 1925 abgesehen) haben wir schwache, freundliche Erdbeben, die kaum mehr anrichten, als das Wasser in unseren Swimmingpools überschwappen zu lassen.

Die Straße führte in sanfter Neigung ins Tal hinab und kreuzte nach gut zehn Kilometern den Highway 101. Gegen halb elf nahm ich die Ausfahrt nach Floral Beach und fuhr in westlicher Richtung durch eine liebliche grüne Hügellandschaft dem Meer entgegen. Ich konnte den Pazifik riechen, lange bevor ich ihn sah. Schreiende Möwen kündigten ihn an, und doch war ich wieder einmal überrascht vom Anblick dieser weiten, glatten blauen Fläche. Schließlich bog ich nach links auf die Hauptstraße von Floral Beach ein. Rechts lag die Küste. Schon, auf eine Entfernung von drei Blocks war das Motel sichtbar, das einzige dreistöckige Gebäude an der Ocean Street. Ich stellte den Wagen auf dem Kurzzeitparkplatz vor dem Empfang ab, nahm meine Reisetasche und ging hinein.

Sie kannte ihn flüchtig

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