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Deutschland, Indien
60er, 70er
Die Ehe ihrer Eltern war insofern ungewöhnlich, als beide aus ganz unterschiedlichen Teilen Indiens stammten sowie unterschiedlichen Religionen angehörten, zu dem Zeitpunkt ihrer Eheschließung eine sehr ungewöhnliche Verbindung – ihr Vater ein Hindu-Jain aus dem Bundesstaat Bihar im Norden Indiens, ihre Mutter eine Katholikin aus Kerala im Süden Indiens.
Die Jains gehörten der alten Religion Jainismus an, die an das Universum, Gewaltlosigkeit und Verzicht glaubte. Die Jains glaubten, dass alle Lebewesen eine Seele hätten, einschließlich Pflanzen und Insekten. Man würde das Bild der Jains kennen, auf dem sie dabei zu sehen waren, wie sie Ameisen von der Straße wegfegten, bevor sie weitergingen, damit sie sie beim Gehen nicht töteten. Die Jains waren in der Regel strikte Vegetarier. Aus dem Grund war Suwarna seit ihrer Geburt als Vegetarierin aufgezogen worden. Viel später im Leben hatte sie doch noch Fleisch probiert, aber es schmeckte ihr nicht, da es für sie ungewohnt war. Ihre Mutter war keine Vegetarierin gewesen, aber nach der Heirat mit Suren war sie Vegetarierin geworden, da es ihm und seiner Familie sehr wichtig war.
Ihr Vater, Suren, stammte aus der Kleinstadt Arrah im Norden Indiens. Aufgewachsen mit zwei Schwestern hatte er Atomphysik studiert. Das staatliche renommierte Kernforschungszentrum, das damals acht Zentren in Indien hatte, hatte an seiner Universität eine Atomphysikerstelle ausgeschrieben. Suren bewarb sich, bekam die Stelle und zog nach Mumbai, um dort zu leben und zu arbeiten. Einige Zeit später sprach ihn sein Chef an, ob er nicht für zwei Jahre nach Deutschland gehen wollte, um an einem internationalen Forschungs-Austauschprogramm teilzunehmen. So kam er nach Karlsruhe in Deutschland.
Ihre Mutter, Madita, stammte aus einem kleinen Dorf in Kerala. Die meisten Leute dort verdienten ihren Lebensunterhalt mit der Fischerei. Eines Tages fragte der Priester aus ihrer Kirche ihren Vater, ob nicht eine seiner Töchter Krankenschwester werden wolle, um im Ausland zu arbeiten und kranken Menschen zu helfen. Nachdem ihre Eltern insgesamt acht lebende Kinder hatten, fiel die Wahl auf sie, mit ihren 17 Jahren noch jung, dennoch alt genug, um einen Beruf zu erlernen und Menschen zu helfen. In einer Gruppe von insgesamt 20 Mädchen kam sie nach Karlsruhe in Deutschland, um den Krankenschwesterberuf zu erlernen, anschließend im Krankenhaus zu arbeiten und Menschen zu helfen.
Im Oktober hatte die Deutsch-Indische Gesellschaft in Karlsruhe zum Diwali-Fest eingeladen.
Diwali, das Lichterfest, das größte Fest Indiens, feierte jedes Jahr die Rückkehr von Kronprinz Rama nach 14 Jahren im Exil. Es wurde überall in Indien gefeiert, mit einem Riesenfeuerwerk.
Die Inder im Ausland ließen es sich ebenfalls nicht nehmen, Diwali zu feiern. Die hübschen jungen Mädchen aus Kerala waren sehr glücklich, andere Leute aus Indien kennenzulernen. Zwar konnten sie kein Hindi und würden sich dort mit niemandem unterhalten können, aber das war ihnen egal, sie wollten andere Leute aus Indien treffen und Diwali feiern.
Und dort war es, dass sich die zwei kennengelernt hatten. Es folgten danach mehrere Treffen in der Stadt zum Spazieren und Sightseeing. Sprachlich konnten sie sich nicht verständigen, außer mit Händen und Füßen, aber in Sachen Liebe war das manchmal auch nicht notwendig. In Bihar, wo Suren herkam, wurden Hindi und Bhojpuri gesprochen, in Kerala, wo Madita herkam, Malayalam. Indien hatte bekanntlich 22 Sprachen, die alle sehr unterschiedlich, mit eigenen Buchstaben, eigener Schrift und eigener Grammatik, waren.
Als es Zeit für Suren war, nach Indien zurückzukehren, entschied sich Madita, ebenfalls zurück nach Indien zu gehen, beide wollten heiraten. Es folgte Widerstand von beiden Familien, Diskussionen und Streit innerhalb der jeweiligen Familien, denn die Sprache, die Traditionen, das Essen, einfach alles war unterschiedlich. Dennoch kamen beide zusammen und haben geheiratet. Die Liebe hatte gesiegt! Sie hatten zwei Kinder, einen Jungen, Sandip, und ein Mädchen, Suwarna.