Читать книгу Ein Trip quer durch das Chaos - Summer Alesilia - Страница 12

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Kapitel 5

Die nächsten drei Stunden fuhren sie, ohne anzuhalten. Die Kraftstoffanzeige meldete sich kurz vor achtzehn Uhr, als sie in der Nähe von Kassel waren. Tanken war nun unausweichlich. Und sicher tat beiden Bewegung, frische Luft sowie ein Abendessen gut.

»Laura, ich muss bei der nächsten Raststätte abfahren und tanken. Sollen wir auch etwas essen?«

Sie nickte, während sie ihr Handy aus der Tasche holte. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen blickte sie darauf und tippte auf dem Display herum. Das hatte sie in den letzten Stunden bestimmt ein halbes Dutzend Mal gemacht und bei keinem einzigen Mal wirkte sie locker.

Mittlerweile hatte er das Gefühl, sie besser zu kennen, auch wenn das objektiv betrachtet nicht der Fall war. Er hatte überlegt, nach dem Grund ihrer Angespanntheit zu fragen. Sich bei ihr zu erkundigen, ob alles in Ordnung sei, aber er wollte nicht neugierig wirken.

Sie steckte es zurück in die Tasche und blickte auf die schwarze Straße vor ihnen. Inzwischen war es dunkel geworden und ihnen waren abwechselnd Regenschauer und leichter Schneefall begegnet. Aktuell war es trocken, was das Fahren für Mike um einiges angenehmer machte.

»Ich muss mir dringend die Beine vertreten. Mein Hintern fühlt sich ganz taub an. Außerdem möchte der Energydrink wieder heraus«, plapperte sie los und versuchte, die negativen Gedanken zu vertreiben.

»Warum hast du nichts gesagt?«, fragte er und sah sie vorwurfsvoll an. Sie konnte es nicht sehen, es war zu dunkel im Fahrzeuginneren.

»Weil es bisher nicht akut war. Erst als du davon angefangen hast, habe ich bemerkt, dass es langsam dringend wird.«

Sie kicherte leise.

»Du hast Glück. In fünf Kilometern kommt eine Raststätte.«

Er erkannte, dass sie auf ihrem Sitz hin und her rutschte. Innerlich lachte er über ihre undamenhafte Art.

Laura hingegen dachte an die letzte Nachricht auf ihrem Handy. Warum musste ihr Vater sich jede halbe Stunde erkundigen, wo sie war? Langsam gingen ihr die ständigen Kontrolltexte auf die Nerven. Wenn ihr alter Herr wüsste, dass sie mit einem wildfremden Kerl per Anhalter fuhr, würde er völlig durchdrehen. Aber das behielt sie schön für sich. An der Tankstelle würde sie sich nachher etwas kaufen, das ihre Nerven beruhigte.

Heute war so ein Tag, an dem sie sich nicht anderweitig ablenken konnte. Ihr Fahrer beschäftigte ihren Kopf zwar, aber nicht genügend, um die Gedanken an ihren strengen Vater zu verdrängen.

Sie blickte verstohlen zu Mike hinüber und betrachtete sein Profil. Es war sehr schön, markant, ein wenig eckig, genau wie ihr es gefiel. Auch gefiel ihr der kurze Bart, den er trug und der ihn maskuliner wirken ließ. Auf seinem linken Handrücken hatte er ein Tattoo, einen Schriftzug. Eigenartige Stelle, aber vielleicht nur eins von vielen weiteren. Aufgrund der Winterbekleidung konnte sie lediglich dieses erkennen.

In dem begrenzten Platz des Fahrzeugs konnte sie sein Parfum ausmachen, welches ihr ebenfalls gefiel. Es war ein extravaganter Mix aus etwas Frischem, vielleicht Minze, einer blumigen Nuance, die Lavendel oder Orangenblüte sein könnte und einer pudrigen Grundnote. Sie kannte den Duft, allerdings fiel ihr der Name nicht ein. Noch während sie darüber nachdachte, bemerkte sie, dass sie erschreckend viel von ihm ansprach.

Zu alldem kam, dass sie seine Art gut leiden konnte. Er schien locker zu sein. Zumindest dann, wenn er gute Laune hatte. Er war spontan, unkompliziert und hilfsbereit. Sie mochte ihn, richtig erklären konnte sie es nicht.

Sie straffte ihre Schultern und hörte, wie Mike den Blinker setzte. Als sie in die Dunkelheit vor sich blickte, erkannte sie in einiger Entfernung die Lichter der Raststätte. Sie freute sich auf ein bisschen Bewegung sowie Ablenkung von ihren Gedanken, die teilweise eine fragliche Richtung eingeschlagen hatten.

Lauras Entschluss festigte sich. Sie würde definitiv irgendetwas Alkoholisches kaufen, hoffentlich würde das auch ihre hitzigen Vorstellungen von Mike unterbinden oder wenigstens eindämmen.

Sie freute sich auf ihre Familie. Letztendlich war es nur ihr Vater, der schwierig war, der sie immer kontrollieren wollte. Ihre Mutter und ihr Bruder waren da ganz anders, viel lockerer. Sie seufzte bei dem Gedanken an das bevorstehende Wiedersehen.

Das Brummen des Motors verstummte. Der Opel stand in einer Parklücke, was das Signal zum Aussteigen war. Beide drückten zeitgleich auf den Knopf des Gurtschlosses. Ihre Hände berührten sich erneut. Sie bemerkte den Blick von Mike und sah auf. Ein Lächeln erschien auf beiden Gesichtern und er setzte zum Sprechen an.

»Zieh dir lieber deine Jacke an. Es ist sicher kalt draußen.«

»Natürlich.« Sie drehte sich auf ihrem Sitz und beugte sich darüber, neigte sich weiter und rief: »Soll ich dir deine auch geben?«

Sie drehte sich um und sein Blick fiel erst auf den Fleck unterhalb ihres Pulloverausschnitts, dann glitt er seitlich. Die Silhouette ihres Busens faszinierte ihn und ein bisschen wärmer wurde ihm auch. Als ihm jedoch bewusst wurde, was er da tat, ohrfeigte er sich in Gedanken und richtete seinen Blick weiter nach oben.

»Na klar, gib her«, antwortete er und kam ins Stocken, als er als Nächstes ihren in die Luft gereckten Hintern sah.

Ohne darauf zu achten, reichte sie ihm die Daunenjacke und zuckte bei der unbeabsichtigten Berührung mit seiner Hand leicht zurück.

Mike bemerkte ihre Reaktion.

Hatte er sie gekratzt?

Es war innerhalb kürzester Zeit der Dritte, wenn auch nur kurze Kontakt. Jetzt kribbelten genau die drei Finger an Lauras rechter Hand, die mit seinen auf Tuchfühlung gegangen waren. Das Gefühl beim ersten Mal hatte sie noch ignoriert, tat es als Einbildung ab. Beim zweiten Mal kam es ihr merkwürdig vor, dachte sich aber nichts weiter. Doch nun spürte sie den gleichen Effekt wie bei den ersten beiden Berührungen und wusste nicht so recht, was sie mit dieser Erkenntnis anfangen sollte. Sie beschloss, schnell an die frische Luft zu kommen.

Mike konnte sich nur kurz über das Geschehen wundern, denn sie drehte sich Richtung Tür, um auszusteigen. Irritiert sah er ihr zu, wie sie ihre Beine nach draußen schwang und sich aufrichtete. Dabei fiel sein Blick unweigerlich erneut auf ihren Po.

Vorhin war ihm nicht aufgefallen, wie eng diese Hose an ihrem Hintern saß, und nun würde er an nichts anderes mehr denken können. Er fuhr sich mit seiner leicht schwitzigen Hand durch die Haare und rieb sich anschließend über die geschlossenen Augen. Er musste dringend nach draußen an die kühle Luft. Beide zogen sich ihre Jacken an und schlossen die Autotüren.

»Hast du den Knopf reingedrückt?«

Sie schüttelte den Kopf, öffnete die Tür erneut und drückte den kleinen schwarzen Stift nach unten. Sie gab der Tür einen Schubs und prüfte, ob sie wirklich verschlossen war.

Mike schloss mit dem Autoschlüssel ab und steckte ihn ein. Hinter dem Wagen trafen sie sich und liefen gemeinsam auf das Bistro neben der Tankstelle zu.

Warme, leicht stickige Luft schlug ihnen entgegen. Die penetrante weihnachtliche Musik nervte ihn. Beide sondierten einen Moment die Lage vor Ort. Mike fand die Toilette als Erster und deutete darauf.

»Wenn wir fertig sind, treffen wir uns hier!« Sie nickte und ging voraus, bog nach links ab, während Mike nach rechts ging.

Nachdem er mit seinem Toilettengang fertig war, wusch er sich die Hände und blickte in den Spiegel. Ein wenig müde sah er aus, seine Haare standen in alle Richtungen ab und seine Ohren fühlten sich heiß an und waren schwach gerötet. Daran mussten die wechselnden Temperaturen schuld sein.

Mit den nassen Händen fuhr er zweimal durch seine Haare und trocknete den Rest der Feuchtigkeit mit einem Papiertuch. Ein wenig akkurater sah seine Frisur aus, aber war noch weit entfernt von ordentlich.

Er trat nach draußen, allerdings war von Laura weit und breit nichts zu sehen. Von hier aus konnte er lesen, was zum Essen angeboten wurde, und so vertrieb er sich die Zeit mit dem Studieren der Speisen.

Laura stand am Waschbecken und betrachtete sich im Spiegel. Dieser bescheuerte Kaffeefleck leuchtete ihr entgegen und ließ ihre Gedanken zu dem Moment fliegen, als er entstanden war. Sie entsann sich an das Telefonat und sie erinnerte sich an den jungen Mann, der etwas gegessen hatte. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie Minuten später genau bei demselben Typen einsteigen würde. Unglaublich, wie das Schicksal manchmal spielte. Sie freute sich auf das gemeinsame Essen, sie freute sich auch auf weitere Gespräche mit Mike, aber auf Hannover freute sie sich weniger.

Das Glücksgefühl wurde aus zweierlei Gründen getrübt. Sie würde sich der Inquisition ihres Vaters stellen müssen und sie würde sich von Mike trennen müssen. Das Erste würde sie ertragen, aber das Zweite empfand sie als äußerst schade.

Nachdem sie ihre Hände gewaschen und ihre Haare ein wenig entwirrt hatte, verließ sie den Sanitärbereich und kehrte in das Bistro zurück.

Nach einigen Augenblicken tippte ihm jemand auf die Schulter und als er sich umdrehte, stand Laura hinter ihm.

»Bin soweit«, sagte sie und lächelte.

»Ich habe angefangen, ein Menü zusammenzustellen«, scherzte er.

Ihr Blick fiel auf die Karte an der Wand.

»Hast du dich schon entschieden?«, fragte sie ihn, während sie weiterhin die Auswahl prüfte.

»Ich wollte etwas essen, dass nicht schwer im Magen liegt. Ich habe heute Mittag schon fettig gegessen. Hier gibt es ein Fischfilet mit Salzkartoffeln und einem Salat. Das werde ich nehmen.«

»Vielleicht nehme ich die Gemüsenudeln«, dachte sie laut nach. »Okay stellen wir uns an, ich habe mich entschieden«, erklärte sie nach einigen Augenblicken entschlossen.

Sie nahmen sich jeder ein Tablett, stellten sich an das Ende der kurzen Schlage und warteten schweigend auf ihre Bedienung an der Theke.

»Soll ich uns noch was zu trinken besorgen?«, fragte Mike seine Begleitung.

»Gerne … eine Zitronenlimo bitte«, antwortete sie.

Mike trat an die gegenüberliegende Wand, nahm sich eine Flasche Spezi aus der Kühltheke und fand Lauras Getränkewunsch.

»Brauchst du ein Glas?«, rief er ihr zu und sie schüttelte den Kopf. Er griff ersatzweise nach zwei Strohhalmen und ging gemächlich an seinen Platz in der Schlange zurück.

Laura bestellte gerade ihre Gemüsenudeln und nannte auch die Bestellung für Mike. Keine Minute später wurden beide Gerichte auf die Glastheke gestellt. Sie nahmen sich ihre Teller und liefen an die Kasse.

»Würden Sie bitte beide Essen auf eine Rechnung schreiben«, bat Laura die Kassiererin freundlich.

»Was? Nein! Ich zahle natürlich selbst«, protestierte er eifrig.

»Auf keinen Fall! Ich fahre schließlich bei dir mit und trinke deine Energydrinks weg, dann ist bezahlen, das mindeste, was ich tun kann«, sprach sie energisch und mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.

Mike blickte ihr einen Moment in die Augen, überlegte, ob er etwas sagen sollte, beschloss aber, es nicht auf eine Diskussion ankommen zu lassen.

Ihr Gesichtsausdruck drückte Entschlossenheit aus und wirkte, als wäre sie zu allem bereit.

»Also gut!«

Er zuckte mit den Schultern und fügte sich seinem Schicksal.

»Dafür suche ich den Platz aus«, sprach er grinsend, als sie mit ihren Gerichten in den Gastraum eintraten.

»Ja, ja, das darfst du.«

Sie kicherte leise.

Er blickte sich um und fand einen freien Zweiertisch am Fenster. Auf jedem der Tische war ein kleines Gesteck mit einer roten Kerze und den üblichen Dekorationsgegenständen der Weihnachtszeit. Sie setzten sich und begannen, ohne viel Umschweife zu essen. Nach einigen Bissen erhob Mike wieder das Wort.

»Schmeckt dein Essen?«, erkundigte er sich bei ihr.

Sie nickte kauend.

»Und wie ist deins?«

»Es ist gut, aber an einem Fischfilet mit Kartoffeln kann man nicht viel falsch machen.«

Sein breites Grinsen ließ Fältchen an seinen Augen entstehen.

Sie aßen weiter und verloren nur wenige Worte. Auf einmal wurde Mike bewusst, dass es bis Hannover nicht mehr weit war, vielleicht noch eine gute Stunde, eineinhalb, je nachdem wie der Verkehr war und wo er sie absetzen würde. Das Gefühl, welches auf diese Erkenntnis folgte, war kein angenehmes. Irgendwie hatte er sich an seine Beifahrerin gewöhnt. Mehr als das! Ihre natürliche und direkte Art empfand er als charmant. Auch von ihrem Äußeren war er mehr als angetan.

Aber gegen die Tatsache, dass es nur eine kurzzeitige Reisebekanntschaft war, konnte man nichts machen.

Ein Trip quer durch das Chaos

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