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Social Media oder sind wir nicht alle Models?

Im Folgenden möchte ich euch meinen Standpunkt zu Facebook, Instagram, Twitter und Co. darstellen.

In der bunten, schrillen Branche des Tätowierens gibt es die, die wie Pfauen oder Rockstars schillern und sich gern selbst darstellen. Dann gibt es da noch jene, die sich über ihre Kunst definieren möchten, um der Branche etwas mehr Seriosität zu verleihen.

Ich zähle mich zu der zweiten Kategorie.

Und da sind wir schon beim Thema: die sozialen Medien sind in der heutigen Zeit nicht mehr zu ignorieren.

Es ist die einfachste Art der Werbung, die zudem noch kostenlos ist und ein riesiges Potenzial bietet.

Man erreicht ohne viel Aufwand eine wahnsinnig große Bandbreite an Menschen, die man mit seiner Arbeit neugierig machen kann.

Von meinen vielen Facebook- oder Instagram-Followern kenne ich die wenigsten persönlich, leider ist es aber als Werbemaßnahme aus dem Studioalltag nicht mehrwegzudenken.

Schade, dass gerade dort, wo man sich als Community sieht, Mobbing, Schimpf und Schande an der Tagesordnung sind.

Aber das ist ein anderes Thema, das zwar sicherlich ebenfalls erwähnenswert ist, aber nicht heute, denn ich möchte euch lieber ein Grinsen ins Gesicht zaubern. Das Leben ist schon hart genug.

Mobbing bringt uns nicht wirklich zum Lächeln.

Ich stelle immer wieder fest, dass sich viele Leute anders darstellen, als sie in Wirklichkeit sind. Manche erkenne ich aufgrund ihres Social Media-Profils gar nicht wieder.

Fakebilder sind eine Sache, aufregende Namen oder Pseudonyme eine andere. So entdeckte ich letztens einen alten Freund, dessen Name so seltsam war, dass ich dachte, er wäre jetzt Pornodarsteller.

Was soll das?

Ist uns die Anonymität so wichtig geworden, weil wir dann besser unser Unwesen treiben können?

Weil dann die Hemmschwelle niedriger ist, jemanden zu beleidigen, auf den Arm zu nehmen oder zu denunzieren?!

Seltsame Angewohnheit, sich Namen zu suchen, die niemand erkennt und mit denen man auch bestimmt anonym bleiben kann. Schön sind aber auch immer wieder die Überschriften…

Lebenskünstler für den Harzer oder Entertainer für den, der sich gerne öffentlich lächerlich macht…

Mein Favorit ist Mama und Hobbymodel.

Guckst drauf, denkst… sieht nett aus…

Kommt eine Woche später ein Mädel ins Studio und du fragst dich, wer das ist.

Kenne ich nicht, noch nie gesehen. Dann der Kommentar:

Ja, wir schreiben doch immer auf Insta:

#tattoo#inked#tattoomodell#mamaAG

Okay Leute, in meinem Kopf ist kein Programm zur Fotobearbeitung und auch wenn meine Vorstellungskraft groß ist, was sie auch sein sollte in meinem Job:

Nach 20 Filtern, aus einer Perspektive, die euch optisch 25 kg schlanker macht, kann ich nicht jeden erkennen… auch wenn ihr Model seid, so bekannt wie Klum, Katze und Konsorten seid ihr ja noch nicht.

Aber jeder hat einen Traum und den soll man ja bekanntlich nicht aufgeben. Trotzdem wäre es besser, die Bilder von euch mit ein paar Tatsachen zu würzen.

Man erkennt euch manchmal gar nicht mehr.

Wir Tätowierer sehen auf den Bildern schöne, glatte Haut und Idealgewicht… Rein kommt jemand mit Sonnenbank verbrannter Knitterhaut und 25 kg mehr auf den Rippen…

Nicht missverstehen, wir haben uns alle nicht selbst gemalt und ich bin weiß Gott weder schlank noch straff.

Aber wenn du deine Haut als Leinwand benutzt, solltest du darauf achten, dass sich das alles in einem guten Pflegezustand befindet… optische Aufhübschung bringt da nur Probleme.

Viel Übergewicht, Sonne und Falten erschweren unseren Job und machen das Arbeiten an so mancher Körperstelle einfach unmöglich.

Aber hey, Kopf hoch… immer für einen Lacher gut.

Wir stalken doch alle gern anonym unsere Mitmenschen.

Wer hat sich nicht schon darüber amüsiert, dass der ein oder andere zig Fotobearbeitungsprogramme hat und auf seinem Social Media Account wirklich einem Topmodel ebenbürtig ist?

In der Realität sieht das anders aus. Da denkt man:

Huch, ist sie das wirklich?

Sieht ja mal locker 10 Jahre älter und 20 kg schwerer aus!

Wer sagt, man grinst dann nicht selbstzufrieden vor sich hin, der lügt… LOL

Ich sage euch, steht zu dem, was ihr habt und seid.

Wenn wir alle bildschön wären, Gott, wie anstrengend für unsere Augen.

Außerdem machen einen die Fältchen des Lebens interessant.

Wir möchten natürlich positiv und jung rüberkommen und ins rechte Licht gerückt sein. Ist doch logisch, dass man seine Schokoladenseite zeigen will.

Das Thema Selfies beschäftigt uns doch alle sehr. Ich glaube, manch einer, den ich kenne und öfter nicht wiedererkenne, könnte als Dozent an der Volkshochschule arbeiten.

Thema: Die Kunst des Selfies oder wie ich Selfie-Queen werde.

Da werden wahrscheinlich 100 Bilder geschossen, bis das eine dabei ist, das man für gut befindet. Dann zwanzig Filter drüber und durch ein Beautyprogramm gejagt, das sämtliche Farben und Formen verändert. Und hoppla die hopp, da ist es schon:

Das perfekte Selfie des Tages…

Jetzt mal ganz ehrlich, wir regen uns über Politiker

im TV auf oder jene, die sich täglich im WORLD WIDE WEB profilieren, aber für unseren Bekanntenkreis soll das normal sein?

Schon morgens nach dem Aufstehen die erste glattgezogene Fratze mit dem Hashtag:

#frühstuck #derfrühevogelfängtdenwurm

Weiter geht’s mit:

#workoutoftheday #vonnixkommtnix #sommerfigur2020

Anschließend kommt:

#feierabend #gönndir #weilichskann

Und dann das nächste Bild:

#feierabend #abendstimmung #wasmachtihrdennso

And last but not least:

feiern #bestfriends #loveyouall

Dazu ein angemaltes, glattgezogenes Gesicht und ein möglichst nuttiges Outfit. Billig, willig…

Und eine 'Gute Nacht' an alle sollte echt nicht fehlen,

das wäre fatal und könnte katastrophale Ausmaße annehmen!

Ufffff… schon anstrengend, Blogger, Itgirl oder Fashionista zu sein, wenn ich beim Zuschauen schon müde werde…

Noch dazu sind es immer Bilder im gleichen Style, abgeschaut von einem prominenten Model.

Huiii… keiner mal im Jogger, mit fettigen Haaren und ungeschminkt…

Wer will das auch schon sehen, wie wir in Wirklichkeit zu Hause sitzen?

Interessiert doch niemanden…

Seltsamerweise wollte ich meine Accounts nur zu Werbezwecken nutzen, aber ein Bild von meinem Antlitz oder irgendetwas Dämliches aus meinem Privatleben bekommt einfach mehr Likes.

Selbst ein ungeschminktes Foto mit schlecht sitzender Frisur erhält immer mehr Likes als eine tolle Tattoo-Arbeit. Manchmal mache ich mir einen Jux daraus und es ist immer wieder lustig zu sehen, wie einfach wir doch alle gestrickt sind…

Vergebt mir, mea culpa, ich bin auch nur ein verkanntes Model auf der Suche nach Anerkennung… LOL.

Und auch hier wieder: Was ist los mit uns, dass wir eine Gesellschaft von Voyeuren geworden sind, die sich das Leben schön fotografiert?

Mach Insta auf und du siehst, was ich meine. Warum zum Teufel glauben wir, dass es jemanden interessiert, dass wir blaue Pfannkuchen backen oder wir meinen, Lowcarb essen zu müssen?

Haben wir so wenig in unserem eigenen Leben, dass wir alles, was wir tun, einer breiten Gemeinde mitteilen müssen?

Fehlt nur noch der Klogang, auch das hatte ich schon in meinem Newsfeed.

14.30 Uhr: Papa muss kacken.

15.15 Uhr: Habe fertig … mit Bild der Exkremente oder auch einfach „Scheisse“ genannt.

Bei dem läuft es, würd ich sagen…

Was für ein Film geht da in seinem Kopf ab, irgendetwas stimmt da nicht…

Ink Trouble

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