Читать книгу Ink Trouble - Susa Renn - Страница 12

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Auf der Suche nach dem 2. Mann

Nichtsdestotrotz stellte ich im Laufe der Zeit fest,

dass ich zu viel Arbeit habe.

Also beschloss ich, mein Team zu vergrößern und hielt das für eine Bombenidee… dummer Fehler.

Die Nummer hatte ich mir einfacher vorgestellt.

Nachdem ich die Job-Foren unserer Branche durchforstet hatte, gab ich ein eigenes Gesuch auf.

Facebook, Instagram und Co. wurden auch mit einbezogen.

Gerne wollte ich einen männlichen Tätowierer mit dazunehmen. So als Gegenpart zu meiner Arbeit. Um einfach ein größeres Spektrum an Arbeiten bieten zu können.

Ergänzt sich gut mit meinem Mädelskram, dachte ich.

Über Instagram meldeten sich mehrere Russen, die zwar kaum Deutsch sprachen, aber umso besser stechen konnten.

Super Referenzen und ein tolles Portfolio sowie Auszeichnungen und Pokale aus ganz Russland.

Ich war begeistert. Der erste wollte mich gerne kennenlernen und schrieb mir auf Englisch. Sweetie, Honey oder Sugar nannte er mich. Er könnte sich auch durchaus mehr vorstellen für eine sehr, sehr enge Zusammenarbeit.

Das 'Mehr' wollte ich gar nicht näher ergründen, da er schrieb, gerne wolle er in Deutschland und vor allem bei mir bleiben.

Okay, wahrscheinlich suchte der eher jemanden für eine Aufenthaltsgenehmigung. Der schied schon mal aus.

Lieber nicht…

Der zweite schrieb gleich unverblümt, er würde dann regelmäßige Guestspots bei mir machen und auch bei mir wohnen.

Wie viel Quadratmeter denn meine Wohnung habe, er hätte einiges an Gepäck und auch eine Katze dabei. Nun ja, die Vorstellung, dass nachts um zwei Uhr ein Wodka trinkender, fremder Russe in meinem Wohnzimmer sitzt und mir zuprostet, schreckte mich schon ein wenig ab.

Aber ausschlaggebend war, dass er eine Katze hatte und ich ja zwei Hunde, die Katzen nicht kennen.

Die dritte Bewerbung war auf Kyrillisch. Kein Problem, mein Papa spricht fließend Russisch und kann Kyrillisch lesen.

Also sollte er übersetzen. Schon nach den ersten zwei Sätzen errötete er und stotterte: „Kind, ich glaub, der will was anderes wie Du!“ Okay, Papa… Jetzt hatte ich den roten Kopf.

Pffffff… Dann eben nicht, dann doch niemand aus der weiten Ferne.

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah liegt, dachte ich. Abwarten, nach drei Bewerbern war ja noch nicht alles verloren.

In der darauffolgenden Woche schrieb mich ein Tätowierer aus dem näheren Umkreis an.

Okay, geht doch.

Wir vereinbarten einen Vorstellungstermin und ich dachte, das könnte was werden.

Seine Arbeiten sahen gut aus und auf dem Bewerbungsbild machte er einen soliden Eindruck.

Ich wollte mich überraschen lassen, bin ich doch der ewige Optimist im Leben.

Donnerstags war es dann soweit. Er erschien ohne Entschuldigung über eine Stunde zu spät.

Erster Eindruck beim Betreten des Studios:

VOLLKATASTROPHE!

Beide Kundinnen, die anwesend waren, sprangen auf und wollten die Flucht ergreifen.

Mein erster Impuls war:

Nehmt mich mit!

Leicht verwahrloster Look und komplett tätowiertes Gesicht. Hmmm… nicht, dass ich da was gegen hätte, aber er hatte doch schon einen sehr verlotterten Look und der Geruch erst.

Ich wollte nicht nach Äußerlichkeiten urteilen und beschloss, eine längere Unterhaltung mit ihm zu führen. Auch wenn sich alles in mir sträubte, wollte ich nicht ungerecht sein.

„Kaffee?“ meine erste Frage an ihn.

„Gerne“, seine Antwort. Die Hände, die dann die Tasse nahmen, zitterten dermaßen, dass ich noch dachte, der ist aber aufgeregt!

„Hast was für rein??“ Ich dachte an Milch und Zucker, aber seinem Grinsen nach zu urteilen, dachte er da wohl eher an Schnaps.

Ahhhhh… daher das Zittern. Entzug…

Schnell beendete ich das Gespräch und versprach ihm, mich binnen einer Woche zu melden.

Abends stöberte ich in seinen Social Media Accounts, wo er schon verkündete, dass er bei mir mit einsteigen würde.

Ach Gottchen, auf jedem Bild, das ich dann von ihm sah, war er entweder voll wie ein Eimer oder hatte eine Flasche am Hals.

Super Eindruck, geht gar nicht. Oberpeinlich, das Ganze.

Hätte ich mal vorher seine Accounts gecheckt, wäre mir das sicherlich aufgefallen. Es hätte meine Euphorie gebremst und ein Kennenlernen vermutlich im Keim erstickt.

Also habe ich ein paar Tage gewartet und dann ein nettes Schreiben aufgesetzt, dass er nicht so gut ins Team passe. Kurz, knapp, höflich…

Was dann folgte, war der blanke Horror…

SHITSTORM! Wüste Beschimpfungen seinerseits auf meinen Geschäftsprofilen. Niete, Stümperin, bis hin zu neidisch auf das, was er kann.

Krönender Abschluss in dicken Lettern: BLÖDE FOTZE.

Gut, dass ich das früh genug erkannt hatte, Glück gehabt!

Bewerber Nummer zwei kam aus meinem Wohnort.

Ein ganz selbstsicherer Großkotz, der sich gleich meine Tattoos an den Händen ansah und ganz gönnerhaft meinte: „Das sticht der Onkel dir mal nach!“

Wobei er mit Onkel sich selbst meinte. Aäähhhh, neeeinn…

Gewiss stichst du an mir gar nichts, Onkelchen.

Wenn man von sich schon in der zweiten Person redet, kann was nicht ganz fit sein in der Maschinerie.

Großspurig erzählte er, dass er nur Realistik steche und auf einem sehr hohen Niveau arbeite. Wobei ich im Stillen dachte, ob er weiß dass es keine Creme ist?

Das eigene Studio habe er nur des vielen Stresses wegen aufgegeben. Aber er habe sehr viel zu tun und brächte ja auch einen riesigen Kundenstamm mit.

Ich würde mir quasi einen Gefallen tun, wenn ich ihn einstelle.

Er wäre ja auch eine bekannte Größe in unserer Stadt.

Was soll ich sagen? Seltsamer Vogel, komischer Kauz.

Maßlose Überschätzung der eigenen Fähigkeiten.

Ach, da könnte ich wohl noch so einiges aufzählen.

Auch bei ihm erbat ich mir eine Woche Bedenkzeit, obwohl ich die nicht brauchte. Ich hatte mich längst gegen ihn entschieden.

Zum Glück, denn nach Durchsicht seiner Arbeiten und einigen Informationen über ihn wusste ich, dass der Herr weder zu mir noch zu meinen Kunden passte.

Lustigerweise folgten nach der Absage dieselben Spielchen wie beim ersten Bewerber.

Nicht ganz so derbe, aber doch so, dass es bei mir ankam.

Er wäre um Längen besser als ich und auch viel erfahrener.

Von ihm hätte ich ja noch so einiges lernen können…

Nun ja, vom Rest seines Geschwafels wollte ich nichts mehr hören.

Wobei ich es doch sehr interessant fand, dass er ein paar Wochen später behauptete, ich hätte ihn angefleht, bei mir zu arbeiten.

Aber er wolle sein Talent ja nicht vergeuden…

Das wären ja Perlen vor die Säue…

Was ein größenwahnsinniger Dummschwätzer, der seinesgleichen noch sucht.

Der Witz an der ganzen Sache war, dass ich meine Absage bei beiden aufgehübscht hatte. Ich wollte niemanden demotivieren oder vor den Kopf stoßen.

Das war nun der Dank dafür…

Ich schwor mir danach, nie wieder um den heißen Brei herumzureden.

Aber letztendlich bin ich wie ich bin.

Viel zu nett für diese Welt.

Der Dritte, der sich vorstellte, war ein lustiger Geselle.

Der nur leider dauerbekifft war. Also, auch ein Griff ins Klo.

Ich hätte an seinem dummen Grinsen merken müssen, dass er nicht ganz sauber war. Aber da ich jedem eine Chance gebe, führte ich auch mit ihm ein längeres Gespräch. Ich bemerkte schnell seine Schwäche zu kichern, aber dachte mir nichts Ernsthaftes dabei.

Ich entschloss mich eine Woche später, es mit ihm zu versuchen. Seine Arbeit war solide, sein Auftreten sauber und aufgeräumt.

Also gab ich mir einen Ruck und stellte ihn offiziell auf unserer Geschäftsseite vor.

Der erste Kommentar unter seinem Bild lautete: „Ach du meine Güte, der Dauerkiffer!“

Okay, jetzt wurde mir doch so einiges klar.

Bei meiner Absage zeigte er Unverständnis und versuchte sich in Ausflüchten.

Aber ich kannte kein Pardon. Wenigstens besaß er den Anstand, das Ganze stillschweigend hinzunehmen.

Zumindest ist mir nichts anderes zu Ohren gekommen.

Wenigstens nicht auch so ein Lästerfritze.

Ich bin dann aber doch noch fündig geworden.

Seit über zwei Jahren arbeite ich mit einer Tätowiererin zusammen und wir ergänzen uns perfekt.

Wir haben beide unsere Lieblingsthemen, die zum Glück auseinandergehen und von daher klappt die Zusammenarbeit prima.

Letzten Endes ist es dann doch kein Mann geworden.

Aber ihr glaubt nicht, wer sich alles für den Beruf des Tätowierers interessiert.

Ich hatte im Laufe der Jahre viele lustige Gespräche mit jungen Menschen, die unseren Beruf gerne erlernen möchten.

Einer blieb mir besonders in Erinnerung: Ein netter junger Mann, gut gekleidet, gutaussehend, gute Umgangsformen.

Wir unterhielten uns eine Weile ganz nett und ich dachte schon, das könnte was werden als Tätowierer.

Seine Zeichenkünste waren nicht der Brüller, aber auch nicht hoffnungslos.

Er schmeichelte mir auch so um den Bart herum, wie gut ich stechen könnte und wie scharf ich doch für mein Alter wäre.

Er steht auf reife Frauen, dabei zwinkerte er mir zu.

Oha, eindeutig ein Fall von 'auf alten Schiffen lernt man segeln', dachte ich. Nun ja, ich fühlte mich außerordentlich

gebauchpinselt. Wäre wohl jedem so gegangen.

Nach einer Stunde Flirtgespräch fühlte ich mich schon wie beim SpeedDating…

Aber alles Schöne hat ja mal ein Ende.

Also stellte ich meine abschließende Frage:

„Warum willst du Tätowierer werden?“

Seine Antwort war: „Da kann man voll geile Pussys klar machen, ich steh total auf tätowierte Schneckchen!“

Nun ja, jeder hat so seine Beweggründe, etwas zu erlernen.

Aber der geht gar nicht…

Das Tätowieren sollte schon eine Leidenschaft sein. Als Beweggrund geile Pussys anzugeben ist zwar auch hoch leidenschaftlich, aber doch nicht so ganz das Wahre.

Ich erwähnte schon zweimal die starke Polarisierung der Branche, leider auch in die ein oder andere Richtung, die nicht sein sollte.

Die nächste Kandidatin war ein EMO-Mädel, bildschön, wie eine Mangafigur.

Sie meinte einfach nur, das würde super zu ihrer Optik passen.

Auch das ist ein Beweggrund, den ich nicht akzeptieren konnte.

Das zog sich endlos durch die Jahre hindurch.

Aber ich blieb meinem Grundsatz immer treu.

Dieser Beruf ist eine Leidenschaft und die eigene Optik hat nichts mit dem Talent, der Empathie oder dem Können zu tun.

Ink Trouble

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