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Beste Freundin oder Schmarotzer?

Zu Beginn meiner Laufbahn war ich doch schon sehr erstaunt, wie viele beste Freundinnen ich auf einmal hatte. Es kam schon eine beträchtliche Anzahl zusammen.

Ich wusste gar nicht, dass ich so beliebt sein kann, da ich doch eher ein launischer Mensch bin. Wenn auch immer mit einem Lächeln auf den Lippen, aber manchmal halt mies drauf.

Der Kunde ist ja schließlich König. Oder wie man immer so schön sagt: Wer ficken will, muss freundlich sein…

In meinem Leben hat eigentlich nur eine den Namen beste Freundin verdient: Das ist meine seit 40 Jahren treue Wegbegleiterin Danny (sorry, Schatz… wenn du das hier liest, mir fiel kein besserer Name ein).

Als ich also eines schönen Tages ein kleines Blümchentattoo am Fuß einer lieben Kundin vor mich hin stach, sagte diese plötzlich: „Ich soll dir übrigens liebe Grüße von deiner besten Freundin bestellen!“ Dabei zupfte sie unbeteiligt am Saum ihres Pullovers herum und wirkte tiefenentspannt.

Überrascht hielt ich inne, schaute hoch und versuchte in ihren Gesichtszügen zu lesen. Ihre Mimik ließ keine Gefühlsregung erkennen.

„Ähhh, meine beste Freundin kommt nicht von hier und wir sehen uns eher selten!“, war meine irritierte Antwort.

Ich wunderte mich über ihre Aussage.

Darauf mein Gegenüber: „Hab sie aber gestern im Stadtpark getroffen und erzählt, dass ich einen Termin bei dir habe!“

Aha, ich war doch etwas sehr erstaunt und muss wohl komisch aus dem Kragen geschaut haben.

Daher rührte wohl der Versuch meiner Kundin, mir meine beste Freundin recht anschaulich zu beschreiben.

„Sie ist blond, Ende dreißig, schmuddelig und hatte einen braunen Terrier an der Leine!“

Entsetzt erkannte ich eine andere Kundin, die ich bis jetzt zwei Mal tätowiert hatte. Sie gehörte nicht gerade zu meinen Lieblingen und doch war ich immer sehr freundlich zu ihr gewesen.

Davon abgesehen brachte ich nicht unbedingt viel Sympathie ihr gegenüber auf.

Doris, meine Kundin, meinte ganz trocken: „Hmmm… sie hat gesagt, schon lange meine beste Freundin, die Susa… Grüß mal schön von mir!“

Verzweifelt versuchte ich, das Missverständnis aufzuklären, da man ja nicht mit jedem komischen Individuum auf dieser Welt best friends sein will, aber Doris sah mich nur seltsam an.

Sie glaubte mir kein Wort. Je mehr ich mich verteidigte, desto schuldiger sah sie aus. Also schwieg ich besser.

Na toll, jetzt habe ich Dutzende von besten Freundinnen und wahrscheinlich genau so viele beste Freunde in meinem Umfeld, die ich mehr oder weniger kaum kenne. Sehr frustrierend, aber wahr…

Aber dann gibt es da auch noch die Kategorie der angeblichen Freundin, die den Kauf einer Dienstleistung mit dem Kauf deiner Freundschaft verwechselt.

Also bimmelt dann auch schon mal nachts um 0:35 Uhr dein Handy und du liest eine ellenlange Nachricht über die Sexprobleme eines Menschen, den du vielleicht gerade mal 5 Stunden kennst.

Abschließend wirst du dann noch gefragt: „Was würdest Du jetzt an meiner Stelle machen?“

Du sitzt dort mit deinem Handy und denkst: Hä…. wer zum Teufel ist das? Kenne ich die?

Nun ja, dann hast du endlich schlaftrunken die wirre Nachricht entziffert und antwortest knapp mit einem Smiley.

Dann reagiert man am anderen Ende beleidigt, aber nicht beleidigt genug, um zu so später Stunde noch nach einem Tattootermin nebst Preis zu fragen…

Natürlich wird auch der Freundschaftsbonus ins Spiel gebracht.

Herr im Himmel, das sind die Momente im Leben, in denen man sich denkt: Lass es Hirn regnen! Was stimmt mit diesen Leuten nicht?!

Anschließend ist zu sagen, dass auch noch eine Nachricht folgt, in der es dann heißt: Wir sind ja dicke Freundinnen, da kann man ja mal sein Herz ausschütten…

Fucking: NOOOOO!! Ich kenne dich nicht und mich interessieren deine privaten Probleme nicht wirklich…

Ich kann nicht den Mist der gesamten Welt mitten in der Nacht lösen!!!

Und schon gar nicht nach zwölf Uhr aus dem Tiefschlaf heraus.

Was ist mit der Menschheit nur passiert, dass die Werte einer Freundschaft nicht mehr richtig eingeschätzt werden und sich jeder, der dir drei Mal „Guten Tag“ gesagt hat, als Freund bezeichnen darf?!

Meine Schwester sagt immer: Bizarr, sehr bizarr…

Menschen sind schon seltsame Wesen. Ich gebe ihr da jeden Tag aufs Neue Recht. Begegnungen werden immer seltsamer, auch im privaten Bereich.

Die Feststellung, dass man sich im Bekanntenkreis gerne mit dir als selbständige Tätowiererin schmückt, erstaunt mich ja immer wieder.

Auf diversen Partys wirst du dann in etwa so vorgestellt:

„Das ist meine Freundin Susa, sie ist tätowiert und hat ein Studio, wo sie auch so was anbietet!

Dreh dich mal Susa, damit wir deine Tattoos sehen können!?“

Und wieder, FUCKING NO, kauft euch eine Zeitung, wenn ihr bunte Bilder sehen wollt.

Was ist nur passiert auf dieser Welt, dass die Ansichten der Leute über den guten Geschmack und höfliche Erziehung so weit auseinandergehen? Und du manchmal als seltsamer Freak gesehen wirst, nur weil du ein wenig bunter bist als andere?

Just sagte mir ein alter Jugendfreund unter dem Siegel der Verschwiegenheit:

„Ich hab mal gehört, tätowierte Frauen sind geile Säue im Bett. Stimmt das wirklich?“

Alter, was stimmt nicht in deinem Kopf?

Die Farbe geht unter die Haut und nicht ins Gehirn…

Entweder man ist eine Sau im Bett oder nicht… so what?

Was ist da los in unserer Gesellschaft, ob Freund oder Feind?!

Nun ja, zu seiner Verteidigung ist zu sagen, dass es in seinen Kreisen der oberen Zehntausend wohl nicht viele Tintlinge gibt. Dazu kommt, dass unsere Branche und bunte Körper in der Gesellschaft stark polarisieren.

Auch ist dazu zu sagen, dass sich beim Thema Freundschaft die Geister scheiden.

Man hat viele Weggefährten in seinem Leben, die kommen und gehen, aber nur wenige berühren deine Seele, bleiben für immer und dürfen sich dein Freund nennen.

Der REST steigt zu dir in den Zug und fährt ein paar Stationen mit, um etwas zu schmarotzen oder sich in deinem Abteil aufzuhalten.

Das war's dann aber auch schon…

Das Thema Freundschaft könnte ich hier bis ins Unendliche auswalzen, aber ich glaube, das muss ich nicht, da jeder mit normaler Erziehung und einem durchschnittlichen Intelligenzquotienten das genau so sieht wie ich…

Schaut euch eure Freunde genau an, denn nur wer einmal oder mehrmals im Leben auf der Schattenseite war, wird wissen, wer sich Freund oder wer sich Feind nennt.

Und das unabhängig vom sozialen Stand oder Beruf, den er oder sie ausübt.

Freundschaften gibt es nicht wie Sand am Meer, aber vorgespielte Freundschaften gibt es in der heutigen, schnelllebigen Zeit leider immer mehr.

Und wer einmal einen falschen Freund hatte, weiß, wovon ich rede.

Das sind die netten Menschen, die in deinem Fahrwasser reisen und so tun, als seist du etwas Besonderes.

Aber hinter deinem Rücken spucken sie Gift und Galle, gönnen dir die schwarzen Tintenreste unterm Nagel nicht. Manchmal erkennt man sie zu spät, aber tröstet euch, wir alle haben diese Menschen im Leben um uns.

Und leider tragen sie die Maske der Freundschaft und Loyalität so gut, dass wir es oft erst spät erkennen.

Auch da hörte ich schon den Satz: „Mit dem Wort Freundschaft gehe ich nicht leichtfertig um!“

Ob das der Wahrheit entspricht oder nicht, erfährt man meist erst zu spät.

Aber auch da heißt es: Lass dich überraschen…

Du wirst es erst erfahren, wenn du mal einen wirklichen Freund benötigst.

Dann sieht man erst das wahre Gesicht.

Ink Trouble

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