Читать книгу Ein Traummann zum Verzweifeln - Susan Andersen - Страница 11

5

Оглавление

Ein Unfall und Arbeiten an einer Gasleitung sorgten zwischen Pacific Heights und Nob Hill für stockenden Verkehr, so dass man für eine Strecke, für die man normalerweise fünf bis zehn Minuten brauchte, fast eine halbe Stunde benötigte. Sie kamen bei Nicks erstem Termin eine Viertelstunde zu spät.

Daisy registrierte Nicks Anspannung. Sie selbst war nicht sonderlich gestresst, obwohl sie normalerweise eine Pünktlichkeitsfanatikerin war. Natürlich, es war ja auch sein Kunde, nicht ihrer, da lag der entscheidende Unterschied. Sie grinste. Auf jeden Fall hatten sie die in ihre Hupen verliebten Fahrer jetzt hinter sich gelassen, niemand beschattete sie, und Optimistin, die sie war, kam sie zu der Auffassung, dass eine Verspätung von fünfzehn Minuten wohl kaum so gravierend sein konnte, dass sich davon irgendjemand den Tag vermiesen ließ.

Sie hatte sich geirrt.

Nick hatte, während sie im Stau standen, erwähnt, dass es sich bei den Morrisons um einen Wiederholungstermin handelte. Das Erste, was Mrs. Morrison sie wissen ließ, nachdem das Dienstmädchen sie in den Frühstückssalon komplimentiert hatte, war, dass sie über ihre Verspätung ganz und gar nicht glücklich sei.

»Sie sind spät dran«, maulte sie, bevor Nick und Daisy noch durch die Tür waren. Ihre finster hochgezogenen vornehmen Augenbrauen straften das frischfröhliche Aussehen, das ihr ihr Yachtclub-Outfit verlieh, Lügen. »Ich kann Unpünktlichkeit nicht ausstehen! Ich finde sie äußerst ungehörig.« Ungnädig musterte sie Nicks makellose Erscheinung von oben bis unten. »Wenn Sie ein bisschen weniger Zeit auf das Föhnen Ihrer Haare und die Auswahl Ihrer Garderobe verwendeten, dann könnten Sie womöglich Ihre Termine einhalten, Mr. Coltrane.«

Daisy merkte, wie ihr der Unterkiefer herunterklappte. Sie hatte mit Nick zwar auch einige Hühnchen zu rupfen, aber dass Eitelkeit zu seinen Schwächen gehören sollte, darauf wäre sie nie gekommen. Sicher, er hatte tolle Haare und ein angeborenes natürliches Stilempfinden, aber sie hatte ihn nie übertrieben lange vor einem Spiegel stehen sehen.

»Ich habe Sie in erster Linie engagiert, weil Maria Beauchamps meinte, sie seien nicht nur der beste, sondern auch der professionellste Fotograf in San Francisco und Umgebung, Sir.« Mrs. Morrisons Miene drückte ihr gesamtes Missfallen aus. »Professionell wäre das letzte Attribut, das ich Ihnen zuordnen würde. Drei viel beschäftigte Leute mussten umplanen, um den neuen Termin wahrnehmen zu können, und das für eine Sache, für die wir uns schon einmal Zeit genommen hatten. Dass Sie uns nun zusätzlich warten ließen, das ist der Gipfel.« Mit einem giftigen Blick wandte sie sich an Daisy. »Und wer ist das? Das letzte Mal, als Sie hier waren, waren Sie allein.«

Nick, der gerade seine Ausrüstung aus seiner Tasche holte, unterbrach seine Arbeit kurz. »Das ist Daisy Parker«, antwortete er mit ungezwungener Freundlichkeit. »Sie will mir heute ein bisschen zur Hand gehen, damit wir Ihre Sitzung möglichst schnell über die Bühne bringen. Daisy, darf ich dir Mrs. Helena Morrison, ihren Gatten Herbert und ihren Sohn Donald vorstellen.«

Mama, Papa und Baby Bär. Nur dass Donald eigentlich kein Baby mehr war. Er war wahrscheinlich dreizehn oder vierzehn Jahre alt – alt genug jedenfalls, um angesichts des Benehmens seiner Mutter am liebsten im Boden zu versinken. Daisy rechnete es ihm jedoch hoch an, dass er sich jeglichen Kommentars enthielt. Die meisten Jungs in seinem Alter hätten jeden peinlichen Satz, den ihre Mutter absonderte, mit einem indignierten »Maam« begleitet.

Nick wies erklärend auf den Stau hin, aber Mrs. Morrison war an seinen Entschuldigungen eindeutig nicht interessiert. Daisy rechnete eigentlich jede Sekunde damit, dass Nick der Geduldsfaden riss, aber nein, er plapperte weiter munter drauflos.

Helena Morrison heftete ihre Fischaugen plötzlich auf Daisy. Ihr Blick verhakte sich an ihrer Frisur – Daisy konnte spüren, wie ihr die Ponys beim Trocknen des Haars hochsprangen. »Und sie, ist sie aus irgendeinem Grund davon befreit, sich anständig zu kleiden?«

Im Gegensatz zu Nick war Daisy nicht gewillt, zurückzustecken, und schluckte. Sie machte einen Schritt vorwärts. »Sie sollten eventuell etwas konsequenter sein, Ma’am. Es ist schwer, Ihrer Logik zu folgen, wenn Sie in einem Atemzug Nick der Eitelkeit bezichtigen, nur weil er adrett gekleidet ist, und im nächsten ...«

»... sagen, er sei ein Narr, weil er sich mit einer Freundin abgibt, die keine Zeit auf ihr Äußeres verwendet?«, beendete die ältere Dame ungerührt den Satz.

»Genau.« Sie blickte an sich hinunter – T-Shirt, Jeans, Blazer – und funkelte dann Mrs. Morrison mit erhobenem Haupt an. »Ich bin sauber, und ich bin anständig angezogen. Was genau ist eigentlich Ihr Problem?«

Unvermittelt spürte sie Nicks festen Griff um ihren Arm. »Daisy, bitte!«

Ihr erster Impuls war, sich von ihm loszureißen, doch sie wollte Mrs. Morrison nicht die Genugtuung gönnen, dass sie ihn abschüttelte. Und außerdem spiegelten Nicks Augen so etwas wie Traurigkeit, was ihren Zorn tatsächlich besänftigte. Sie blieb also artig stehen.

Ohne sie loszulassen, wandte Nick sich an Helena. »Es tut mir wirklich Leid, dass wir die Sitzung wiederholen müssen, Mrs. Morrison«, sagte er freundlich. »Aber wie ich Ihnen am Telefon schon sagte, ist am Sonntagabend in mein Fotolabor eingebrochen worden. Die ganzen Filme der letzten Woche, die noch in Bearbeitung waren, sind zerstört.«

»Und warum sollte irgendjemand ein Interesse daran haben, so etwas Unbedeutendes wie Familienporträts zu ruinieren?«

»Ein Nicholas-Coltrane-Foto ist nie unbedeutend«, erwiderte er mit ruhiger Arroganz. »Alles, was ich Ihnen dazu sagen kann, ist, dass es ein Akt von Vandalismus war. Ich bezweifle, dass die Vandalen auch nur einen Blick auf das geworfen haben, was sie zerstörten.«

»Hmmpff«, war alles, was sie darauf zu sagen hatte, aber darin schwang eine gehörige Portion Skepsis mit, und Daisy bewunderte aufrichtig Nicks Gelassenheit. Sie wäre nicht annähernd so höflich gewesen. Die Frau war ein Drachen. Sie beleidigte nicht nur seine Arbeit, es war auch idiotisch zu glauben, dass Nick auf die Demolierung seines Labors Einfluss hatte. Abgesehen davon vielleicht, dass er sich von verheirateten Frauen fernhalten könnte. Aber das war etwas – wie sie sich immer wieder klar machen musste –, worüber sie sich kein Urteil erlauben durfte.

»Die Arbeit einer ganzen Woche für nichts und wieder nichts noch einmal machen zu müssen, ist auch nicht gerade die gelungenste Art, seine Zeit zu nutzen, Ma’am«, hörte sie sich selbst sagen. Nicks Hand war inzwischen zu ihrem Handgelenk hinuntergeglitten, und sie spürte einen warnenden Druck, was sie jedoch nicht davon abhielt hinzuzufügen: »Dies ist wirklich für alle Beteiligten eine missliche Situation und eine Zumutung.« Dann befreite sie sich sanft aus Nicks Griff.

Helena durchbohrte sie mit ihren kühlen blauen Augen. »Sie sagen es, junge Frau. Aber solche Sachen passieren in meiner Nachbarschaft nicht, so viel ist sicher.«

Daisy lachte; sie konnte einfach nicht anders. »Pacific Heights zählt sicher kaum zu den Slums, Mrs. Morrison. Aber als jemand, der vier Jahre Officer bei der Polizei war, kann ich Ihnen nur sagen, dass Verbrechen in jeder Gegend passieren, glauben Sie mir. Ich habe noch kein einziges Viertel kennen gelernt, das davon ausgenommen ist.«

Die Frau sah entschieden auf ihre Uhr. »Könnten wir netterweise noch vor Sonnenuntergang beginnen?«, schnappte sie. »Ich habe um zwölf Uhr fünfundvierzig einen Termin.«

Wow, dachte Daisy angewidert. Wirklich schade, wenn du die Anprobe für dein neuestes Kleid verpassen würdest. Sie fragte sich, warum die Frau den Termin nicht einfach verschob, wenn fünfzehn Minuten so ein Drama waren.

Sie fragte sich allerdings auch, wie Nick etwas halbwegs Brauchbares zustande bringen wollte, wenn seine Kundin einen solch offensichtlichen Hirnschaden hatte.

Aber sie unterschätzte ihn gewaltig. Er redete unbeirrt höflich mit den Morrisons und mobilisierte sogar seinen Charme, um sie aufzulockern. Die Männer entspannten zuerst. Und als Nick dann davon sprach, dass er bestimmte Bildausschnitte der heutigen Aufnahmen retuschieren könne, damit sie genauso gut wie die Fotos der letzten Woche würden, da legte sich auch bei Helena die Widerborstigkeit.

Als die Frau dann zum ersten Mal unbefangen lächelte, fiel Daisy auf, dass sie eigentlich recht attraktiv, ja sogar ziemlich hübsch war, wenn sie vergaß, eine Ziege zu sein. Ihr kurzes braunes Haar zeigte Anzeichen, die möglicherweise auf ein Frühstadium von kreisrundem Haarausfall hindeuteten. Aber es war tadellos frisiert. Sie hatte schöne glatte Haut, eine schlanke Figur und Gesichtszüge, die auffallend gut proportioniert waren.

Genau besehen war die Familie ganz passabel. Mr. Morrison war groß und dunkelhaarig und mit seinen ergrauenden Schläfen eine distinguiert wirkende Erscheinung. Donald war zwar noch ein bisschen unfertig und kindlich, aber er versprach, eines Tages die Größe seines Vaters mit dem guten Aussehen seiner Mutter zu vereinen.

Und sie schienen sich nahe zu stehen. Daisy beobachtete, wie sie sich mit leichten Berührungen und sanften Worten gegenseitig in die richtige Position brachten. Sie bekam das alles nicht auf die Reihe. Mrs. Morrison schien alles zu haben: Geld, Schönheit, eine Familie, die offenkundig sehr an ihr hing. Was bitte machte sie also so unzufrieden?

Nick schaffte es, die Sitzung in Rekordzeit über die Bühne zu bringen, und begann dann unverzüglich, seine Geräte zusammenzupacken. Daisy sammelte die Lichtschirme ein und als sie sich umdrehte, um sie Nick zu bringen, streckte Helena die Hand aus und berührte ihren Arm. Daisy hielt misstrauisch inne, und ihr Argwohn steigerte sich, als sie beobachtete, wie Helena ihre Nase noch ein Stückchen höher hob.

Deshalb traf es sie völlig unvorbereitet, als Mrs. Morrison tief Luft holte und rausplatzte: »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich es bewundere, wie Sie für sich selbst einstehen und wie Sie Ihre Freunde verteidigen. Vor allem Letzteres. Ich halte Loyalität für eine der wichtigsten Eigenschaften, die ein Mensch haben kann.« Sie zückte eine Visitenkarte und hielt sie ihr hin. »Hier. Ich dachte – falls Sie es mal mit meinem Frisiersalon versuchen wollen. Man kann da sicher etwas für Ihr Haar tun.« Ihr Kinn ruckte, als erwarte sie eine spöttische Bemerkung über ihre eigenen ausgehenden Locken.

Daisy blinzelte sie verwirrt an. Es fiel ihr schwer, erst einmal das zu verdauen, was wohl tatsächlich als Kompliment gedacht war. Sie klemmte den einen Lichtschirm unter den rechten Arm und nahm die Karte entgegen. »Da möchte ich mich bedanken.« Sie ließ die Karte in ihrer Blazertasche verschwinden und begegnete ihrem Blick. »Ich hoffe, Sie kommen noch rechtzeitig zu Ihrem Termin.«

Helena blickte kurz auf ihre Armbanduhr. »Ich glaube, ich muss los.«

Ein paar Minuten später saß Daisy wieder auf dem Beifahrersitz in Nicks Auto. Sie betrachtete ihn von der Seite. »Ich muss zugeben, ich bin leicht verwirrt. Da ist man völlig sicher, dass jemand eine grässliche Beißzange ist ... und dann macht Mrs. Morrison dir ein Kompliment! Kannst du dir das vorstellen? Sie mochte, wie ich für mich eingestanden bin und wie ich dich – hör gut zu – in Schutz genommen habe. Ach, und schau mal ...« Sie griff in ihre Westentasche. »Sie hat mir die Karte ihres Stylisten gegeben. Was ist eigentlich mit meinen Haaren, dass die Leute sich pausenlos derart ereifern?«

Nick bedachte sie mit einem schrägen Blick. »Abgesehen von der Tatsache, dass sie naturblond sind? Wahrscheinlich weil sie so aussehen, als würdest du sie dir selbst mit einer Nagelschere schneiden.«

Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. »Na und? Hast du damit ein Problem?«

»Ach, du meine Güte.« Nick lachte. »Du machst das tatsächlich, oder?«

»Na, wer hat denn schon Zeit für diesen ganzen Beauty-Kram?« Was sollte sie dazu sagen? Irgendwie fehlte ihr das Girlie-Gen. Sie hatte nie verstanden, warum man um seine Haare oder sein Make-up so viel Tamtam machen sollte. Von dem dringenden Wunsch erfasst, das Thema zu wechseln, fragte sie: »Also, was ist mit Mrs. Morrison los? Ich kenne Tunten, die könnten bei ihr noch Nachhilfestunden nehmen, und dabei hätte ich bis heute schwören können, zickiger geht’s nicht. Trotzdem, irgendwie mochte ich sie am Schluss sogar.« Sie hatte in der Art, wie Helena das Kinn reckte und erwartete, eins draufzubekommen, eine bestimmte Seelenverwandtschaft erkannt.

»Sie hat Krebs.«

Daisy war wie vom Donner gerührt. »Wie bitte?« Ihre Stimme war nur ein Flüstern. Sie starrte Nick an.

»Das ist der Grund, warum sie ausgerastet ist. Sie wollte, dass die Aufnahmen gemacht werden, solange sie noch ihre eigenen Haare hat. Und solange sie noch fotogen ist«, setzte er hinzu.

»Oh, meine Güte. Was für eine Art Krebs hat sie denn?«

»Eierstockkrebs. Sie haben ihn früh erkannt, und es besteht Hoffnung, dass sie ihn in den Griff bekommen. Aber man weiß ja, wie das ist. Es kann sich auch anders entwickeln.«

»Und der Termin heute Nachmittag, zu dem sie deinetwegen zu spät zu kommen befürchtet?«

»Chemo.«

»Oh, Scheiße. Was natürlich der Grund für ihren Haarausfall ist, nehme ich an.

»Ja. Letzte Woche hatte sie noch mehr.«

»Klar. Jetzt verstehe ich, warum die Spannung von ihr abfiel, als du ihr sagtest, du könntest die Fotos retuschieren.« Sie sah blind aus dem Fenster. »Und ihr Zustand ist auch der Grund dafür, warum du nicht ausgerastet bist, als sie auf dich losging.«

»Ich raste bei meinen Kunden nie aus, Daisy. Nicht solange sie meine Honorare zahlen. Ich lasse es einfach an mir abprallen und konzentriere mich auf die Aufnahmen.« Er stoppte an einer roten Ampel und musterte sie aus seinen blauen Augen scharf. »Ich erwarte von dir, diese Information für dich zu behalten.«

Daisy schnaubte verächtlich. »Wem sollte ich das denn erzählen, Coltrane? – Reggie und den Boys? Das würde die sicher brennend interessieren.«

J. Fitzgeralds Muskelmänner waren auf dem Weg zurück nach Pacific Heights, zu dem Anwesen, wo Nick wohnte, als das Autotelefon klingelte. Autry griff danach und drückte den Empfangsknopf. »Yeah?«

»Hey, Autry, Jacobsen hier. Coltrane und die Blonde, die wir gestern sahen, sind auf Achse. Ich hatte sie erst in einem Stau verloren, hab sie aber vor ein paar Minuten in Nob Hill wieder eingefangen.«

»Echt? Ohne Scheiß?« Autry setzte sich kerzengerade auf. »Gute Arbeit, Jake. Wo bist du jetzt?«

»Auf dem Broadway, kurz vor dem Tunnel.«

»Okay, wir kommen rüber. Bleib dran. Wir tun unser Bestes, um uns an dich ranzuhängen. Ach, und Jacobsen?«

»Yeah?«

»Douglass hat uns freie Hand gegeben. Wir sollen tun, was wir für richtig halten, Hauptsache, die Fotos tauchen nirgends auf.«

Die Funkverbindung war gestört und wurde immer schwächer. Aber Autry hörte Jacobsen noch sagen: »Alles klar!« Dann brach die Verbindung endgültig ab.

Ein Traummann zum Verzweifeln

Подняться наверх