Читать книгу Ein Traummann zum Verzweifeln - Susan Andersen - Страница 9
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Оглавление»Was soll der Scheiß, Daisy?« Nick stützte sich empört auf einen Ellenbogen und schnappte nach Luft. »Ich wollte nichts weiter, als mich entschuldigen.«
»Heb dir deine Entschuldigungen für jemanden auf, den sie interessieren.«
»Ich nehme an, sie interessieren dich gewaltig, sonst würdest du nicht so auf mich losgehen.«
Sie lachte gequält. »Bilde dir bloß nichts ein. Das hat mich früher mal interessiert, aber jetzt schon lange nicht mehr.«
Allerdings beugte sie sich vor und streckte ihm die Hand entgegen. Er ergriff sie und ließ sich auf die Füße ziehen. Es war zwar ziemlich albern, dass er sofort ihre Wärme vermisste, als sie seine Hand einen Sekundenbruchteil später wieder losließ. Aber er tat es.
»Wenn dieses Unternehmen auch nur den Hauch einer Chance haben soll, dann müssen wir uns auf einer rein professionellen Ebene verständigen, sonst funktioniert das nicht«, sagte sie kühl. »Und ja, okay, ich gebe zu, dies war vielleicht nicht der allerbeste Anfang.« Ihr Schulterzucken erweckte bei Nick nicht gerade den Eindruck, dass es ihr besonders Leid tat, und ihr Kinn war selbstbewusst vorgereckt, als sie hinzufügte: »Vergiss es einfach, Nick! Du hast bekommen, was du wolltest, als du mir die Unschuld geraubt hast und dann gegangen bist.« Sie wandte sich ab.
Du lieber Gott, das war ja beinahe ein Witz. Er war nicht weggegangen, er war weggerannt – und zwar aus reinem Selbsterhaltungstrieb.
Solange er sich erinnern konnte, hatte sein Vater die Frauen wie andere Leute die Hemden gewechselt. Und er hatte mitbekommen, welchen Schaden er damit anrichtete. Das hatte ihn schon in jungen Jahren zu dem Entschluss gebracht, niemals zu heiraten. Auch hatte er es aufgegeben, auch nur den Versuch zu unternehmen, seine verschiedenen Stiefgeschwister näher kennen zu lernen, da sie nie so lange da waren, dass sich die Anstrengung gelohnt hätte. Mo war die einzige Person gewesen, auf die er zählen konnte, von der er wusste, dass sie für ihn immer da sein würde, in guten wie in schlechten Zeiten.
Und dann – es war das Jahr, in dem er seinen College-Abschluss machte – war Daisy in ihr Leben getreten.
Sie war von Beginn an anders gewesen als die Stiefgeschwister, die vor ihr gekommen und wieder gegangen waren. Sie war noch keine Stunde in der Coltrane-Villa, da ließ sie schon alle ihre Anwesenheit spüren. Mit sechzehn hatte sie bereits eine große Klappe und ihren eigenen Kopf. Sie war durch die Flure geflitzt, auf den Möbeln herumgesprungen und hatte ungeniert ihre Füße, Schuhgröße 41, auf eine Couch oder einen Kaffeetisch gelegt. Sie hatte all das getan, was Mo und er sich nicht trauten. Sie hatte irgendetwas an sich, eine warme Herzlichkeit, die jeden anzog, der in ihre Nähe kam. Und sie war ganz wild darauf gewesen, seine und Mos Schwester zu sein.
Ihre saloppe, überbordende Emotionalität hatte irgendeine Saite in ihm zum Schwingen gebracht ... Vielleicht weil er selbst immer so sorgfältig darauf bedacht war, sich fest unter Kontrolle zu haben. Er war nicht nur von ihrem hemmungslosen Lachen fasziniert, sondern auch von ihren stürmischen Wutausbrüchen – ja, ihre Unbeherrschtheit hatte ihn geradezu magnetisch angezogen. Aber seine Gefühle für sie waren kein bisschen brüderlich, und das war gefährlich – daran hatte er keine Sekunde auch nur den geringsten Zweifel. Deshalb hatte er sie, wann immer er zu Hause war, zwar aus der Distanz beobachtet, jeden Annäherungsversuch ihrerseits jedoch abgeblockt.
Es stellte sich bald heraus, dass das mal wieder die richtige Entscheidung gewesen war. Denn die Ehe ihrer Eltern fing ein paar Wochen vor ihrem ersten Hochzeitstag massiv zu bröckeln an. Und da Dad entschlossen war, sich nicht noch weitere Unterhaltszahlungen ans Bein zu binden und zu diesem Behufe alle, wirklich alle Register zog, waren Daisy und ihre Mutter, noch bevor dieses Jubiläumsdatum herangerückt war, schon wieder abserviert und verschwunden.
Nick wandte seine Aufmerksamkeit erneut Daisy zu. Sie saß auf der Couch und nahm eine weitere Pistole zur Hand, klappte fachmännisch den Lauf nach unten ab und suchte in ihrem Innenleben nach, weiß der Teufel, was. Er setzte sich auf den breiten Sessel, der im rechten Winkel zur Couch stand, und hielt sich die Kamera vors Auge, um sie durch den Sucher zu betrachten. Er schoss – klick, klick, klick – ein paar Bilder, und sie schaute entnervt auf. »Lass das! Ich will nicht fotografiert werden.«
»Warum nicht? Mir gefiel dein Gesicht von Anfang an.«
Sie funkelte ihn finster an, und er bannte auch das auf Zelluloid. Sie musste zu dem Schluss gekommen sein, dass sich ein Streit nicht lohnte, denn sie wandte sich wortlos der Kanone zu, lud sie und legte sie in ihr Fach zurück, um die nächste Waffe herauszuholen.
Ihr Gesicht hatte ihm in der Tat schon immer gefallen. Es war ausdrucksvoll und eigenwillig. Sie hatte große schokoladenbraune Augen und hohe Wangenknochen. Ihre Augenbrauen, ein paar Töne dunkler als ihr Haar, bogen sich außen leicht nach oben. Sie hatte eine ausgeprägte Nase und einen weichen Mund, der durch ein trotziges Kinn kontrapunktiert wurde. In Daisys Gesicht konnte man im Allgemeinen wie in einem offenen Buch lesen, obwohl sie es auch meisterlich verstand, ihre Gedanken zu verbergen, wenn sie es für richtig hielt. Er drückte noch einmal auf den Auslöser.
»Würdest du diese dämliche Kamera endlich in Ruhe lassen!« Daisy sprang auf, stopfte die Kanone vorn an ihrer Jeans in ein Pistolenhalfter und zog den Pullover darüber.
»Diese ›dämliche‹ Kamera hat es mir immerhin ermöglicht, dir viertausend Dollar rüberzuschieben«, erwiderte Nick aufsässig und ließ die Kamera sinken.
Daisy wanderte ruhelos hin und her. »Ich würde gern ein Weilchen rausgehen. Lass uns einen Spaziergang über das Gelände machen. Die Mauer um dieses Anwesen sieht ziemlich solide aus. Deshalb würde ich gerne untersuchen, wie die Schläger es gestern geschafft haben, hier einzudringen.«
»Ja, okay.« Er rappelte sich hoch, froh darüber, den kleinen Ausflug auf den Pfaden der Erinnerungen abbrechen zu können. Daisy hatte Recht: Sie mussten ihre Beziehung auf das rein Berufliche beschränken.
Das Letzte, was er also tun sollte, war, den Abend mit Daisy wieder heraufzubeschwören – jenen Abend vor neun Jahren in einem Hotelzimmer zehn Stockwerke über dem ausklingenden Hochzeitsempfang seiner Schwester.
Reid Cavanaugh spürte seine Frau im Arbeitszimmer auf. Er ging schnurstracks auf den Schreibtisch zu, an dem Mo gerade irgendwelche Zahlen zusammenrechnete, und knallte ihr das Papier, das er in der Hand hielt, auf die polierte Oberfläche. »Würdest du mir bitte mal erklären, was das hier soll?«
Sie markierte ihre Stelle in der Zahlenreihe mit dem Finger und sah erst ihn, dann das Rechtsdokument und dann wieder ihn an. Reid krampfte sich der Magen zusammen. Mein Gott, wie unglaublich kühl sie in letzter Zeit war! »Das ist der Rückzahlungsbeleg für ein Darlehen.«
»Von dir zurückgezahlt.«
»Ja.«
»Steht dein Name irgendwo auf der Darlehensurkunde, Maureen?«
»Nein, aber ...«
»Nichts aber. Meiner steht drauf. Ich habe für das besch ... für das Darlehen mitunterzeichnet.« Er stützte sich mit den Händen auf der Schreibtischplatte ab und beugte sich vor, um ihr direkt in ihre hellblauen Augen zu sehen. »Nicht du. Ich!«
»Das ist alles schön und gut, Reid, aber mir ist aufgefallen, dass du Pettigrew das Geld nicht über die Cavanaugh-Bank geliehen hast.«
»Das ist richtig. Er hatte nicht die nötigen Sicherheiten, um den Kreditausschuss zufrieden zu stellen.«
»Und trotzdem hast du persönlich mitunterzeichnet?«
»Er brauchte das Geld, Mo.«
»Die brauchen immer Geld, Reid! Mein Gott, du bist so ein Weichei! Und jeder dahergelaufene Versager weiß das. Wozu brauchte Pettigrew das Geld denn so furchtbar dringend? Für ein neues Polo-Pferd vielleicht?«
»Interessiert dich das wirklich? Oder geht es dir vielmehr darum, auf deinem hohen moralischen Ross zu sitzen und sarkastische Bemerkungen abzusondern?«
»Du hast unser Geld jemandem geliehen, von dem du weißt, dass du es niemals zurückbekommen wirst!.
»Ach, jetzt ist es auf einmal also unser Geld, hm? Findest du das nicht ein bisschen heuchlerisch, angesichts der Tatsache, dass du jahrelang strikt zwischen deinem Geld und meinem Geld unterschieden hast, wenn es um unsere Finanzen ging? Außerdem wird er es zurückzahlen.«
»Ich habe neulich gehört, wie du am Telefon jemandem erzählt hast, dass Pettigrew seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist und dass du nun dafür geradestehen musst.«
»Und wenn du ein paar Minuten länger gelauscht oder dir die Mühe gemacht hättest, nach dem Telefonat mit mir darüber zu sprechen, dann hättest du auch mitbekommen, dass ich mir sicher bin, dass er mich nicht sitzen lassen wird.«
Sie warf ihm nur diesen mitleidigen Blick zu, den sie so gut beherrschte. Er wusste, dass sie ihn für ganz schön naiv hielt. Wieder einmal. Dass sie so gar kein Vertrauen in seine Urteilskraft hatte, ärgerte ihn gewaltig. »Das war mein Problem, Mo! Ich war dabei, mir einen Überbrückungsplan zurechtzulegen, bis Pettigrew wieder flüssig ist. Aber hast du mir etwa zugetraut, dass ich das selbst auf die Reihe bekomme? Nein, natürlich nicht. Ich frage mich, wem ich das wohl verdanke. Vermutlich Old-Daddy, wenn ich mir dich und deinen Bruder so ansehe. Ihr beide habt doch eine Betriebsstörung.«
Ihre Wangen wurden rot, und sie sprang wütend auf: »Das ist gemein. Und unfair.« Ihre Gesichter waren sich jetzt ziemlich nah, und die Atmosphäre knisterte vor emotionsgeladener Spannung. Trotzdem beugte er sich noch ein Stückchen weiter vor. »Mag sein, aber es trifft den Nagel auf den Kopf. Wir schleichen um die Tatsache, dass unsere Ehe inzwischen ein einziges Chaos ist, schon viel zu lange wie die Katze um den heißen Brei herum. Dein Vater war ein emotionaler Krüppel, also zieht Nick beim geringsten Anzeichen, eine Beziehung könnte ernst werden, sofort den Schwanz ein. Und du« – er lachte sarkastisch auf –, »nun ja, du bist fest entschlossen, es mit mir bis zum bitteren Ende durchzuziehen, komme, was da wolle. Hab ich nicht Recht, Mo? Wir wollen doch um Himmels willen nicht, dass dich einer mit deinem Vater in einen Topf wirft.«
Die Farbe ihrer Wangen wechselte von rot auf kreideweiß. »Ist es das, worauf du eigentlich hinauswillst? Willst du die Scheidung?«
»Ich will, dass du mir nur ein einziges, lächerliches Mal vertraust. Ich möchte wie ein vollwertiges Mitglied dieser Familie behandelt werden, und nicht wie irgendein inkompetenter Teenager, der jedes Mal, wenn er in der Tinte sitzt, nach seiner Mami rufen muss.«
Er wollte einfach seine alte Mo wieder zurück – aber die hatte sich schon vor langer Zeit verabschiedet, und so wie es aussah, kehrte sie auch nicht mehr zurück. Irgendwo unterwegs war ihre Ehe, die so glücklich und so voller Liebe und Hoffnung begonnen hatte, auf der Strecke geblieben, hatte sich verbraucht und war schal geworden. Anfangs nutzten sie jede freie Minute, die ihnen ihre Verpflichtungen ließen, um zusammen zu sein. Jetzt sahen sie sich so gut wie gar nicht mehr. Und das, was sie einst an ihm am meisten geschätzt hatte, nämlich seine von Optimismus getragene Bereitschaft, einem Freund in Not die Hand zu reichen, war inzwischen genau der Punkt, der einen Keil zwischen sie getrieben hatte – im Grunde genommen paradox, wenn man sah, wie sie ständig auf dem Sprung war, die Probleme anderer für sie zu lösen.
»Ich verstehe dich nicht«, sagte er frustriert. »Ich habe nie das Dach über deinem Kopf oder das Essen auf deinem Tisch riskiert. Du hattest kein Recht, dich einzumischen – du hättest dich, verdammt noch mal, da raushalten sollen.«
Sie zögerte kurz und schenkte ihm dann ein gequältes Lächeln. »Glaub mir, du weißt gar nicht, wie sehr ich mir wünschte, genau das getan zu haben. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich habe noch eine Menge zu erledigen.«
Ohne ein weiteres Wort nahm sie wieder auf ihrem Stuhl Platz und wandte sich ihren Zahlenreihen zu, so als habe er aufgehört zu existieren.