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Am späten Nachmittag dieses Tages bestieg Daisy einen Bus zu Nicks Wohnung. Sie starrte aus dem Fenster, ohne etwas von der vorbeiziehenden Landschaft wahrzunehmen. Sie ließ sich von dem leichten Schaukeln und dem regelmäßigen, monotonen Anhalten und wieder Anfahren des Busses in eine Art Dämmerzustand lullen und konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken zu wandern begannen.

Wenn es etwas gab, was sie während ihrer achtundzwanzig Jahre gelernt hatte, dann das, dass Männer nicht blieben. Sie war die meiste Zeit mit ihrer Mom allein gewesen. Die Männer, die in ihrem bescheidenen Haus am Rande der Stadt eingezogen und wieder ausgezogen waren, hatten mehr wie Besucher gewirkt und stellten für sie wahrhaftig keine harmonische Familie dar. Ihr Vater ging für sie wohl am ehesten als Familie durch, aber er war ständig unterwegs und außerdem hatte er seinen Hut genommen, als sie neun Jahre alt gewesen war.

Ihre Mutter hatte sich oft als Frau hingestellt, die einen Mann brauchte, um sich vollständig zu fühlen. »Das wirst du verstehen, wenn du ein bisschen älter bist, Schätzchen«, pflegte sie zu sagen. Aber so ganz hatte sie es nie begriffen. Nach allem, was sie mitbekommen hatte, bedeutete das schlichtweg, dass eine Frau sich besser darauf einrichtete, sich die meiste Zeit ihres Lebens unvollständig zu fühlen. Ihre Mutter hatte, als Daisy elf war, also wieder geheiratet, aber sie war kaum zwölf, da war Papa Ray auch schon wieder futsch.

In dem Sommer nach ihrem sechzehnten Geburtstag hatte sie sich Hals über Kopf in Nicks Vater, Dale Coltrane, verliebt. Und ihr Leben hatte eine völlig andere Richtung genommen.

Zunächst glaubte Daisy ehrlich, dass ihr lebenslanger Traum von einer stabilen Familie mit einem Vater, der blieb, und Geschwistern, die ihr gehörten, in Erfüllung gegangen war. Sie war halt eine blauäugige, unverbesserliche Optimistin gewesen.

Sie und ihre Mutter gehörten nicht in die Welt der Coltranes, und die, die dazu gehörten, ließen keine Gelegenheit aus, sie das auch spüren zu lassen. Ihr war nie bewusst gewesen, dass es so viele Möglichkeiten gab, nicht zu genügen. Ständig gab es Kritik, die allerdings mit ausgesuchter Höflichkeit und Finesse vorgebracht wurde, so dass es schwierig war, sich dagegen zu wehren. Was Daisy natürlich nie davon abhielt, es trotzdem zu versuchen, etwas, was ihr natürlich ebenfalls prompt vorgehalten wurde. Und während sie gegen den Snobismus rebellierte, versuchte ihre Mama verzweifelt, sich einzufügen.

Das mit den Geschwistern lief auch nicht ganz so, wie Daisy es sich erhofft hatte. Mo war zwar nett und freundlich und auch bereit, Daisy unter ihre Fittiche zu nehmen. Aber sie war fünf Jahre älter und hatte ihre eigenen Interessen und Freunde. Daisy kannte Nick mehr oder weniger nur als muskulösen Rücken, den sie den Raum verlassen sah, wann immer sie ihn betrat. Bei ihren seltenen Zusammentreffen behandelte er sie wie eine amüsante, exotische Krankheit. Und bevor Daisy noch die Gelegenheit gehabt hatte, ihn in den Bruder umzuwandeln, den sie sich immer gewünscht hatte, war die Ehe ihrer Eltern unter unglaublich hässlichen Umständen in die Brüche gegangen.

Am Anfang bemerkte Daisy nichts, was sie nicht auch schon vorher mitbekommen hatte: erbitterte Stimmen hinter geschlossenen Türen, kaltes Schweigen, halb ersticktes Schluchzen. Aber dann trieb Dale die Situation mit gezielter Grausamkeit auf die Spitze, etwas, was sie bis heute nicht verstand: Er verleumdete ihre Mutter bei der Presse und zerstörte ihren Ruf. Es zahlte sich vermutlich aus, reich zu sein und noch reichere Freunde zu haben. Denn wie sonst hätte er den Boulevardblättern eine solch offenkundig unwahre Geschichte über Mamas vermeintliche, schmutzige Sexualpraktiken mit dem Erbe der Campman-Kellerei, einem angeblich guten Freund von ihm, verkaufen können?

Campmans scharfe Dementis und sein besorgter Versuch, ihre Mutter zu trösten, der von Fotografen der Boulevardblätter beobachtet wurde, verhalfen der Story schließlich zu der Glaubwürdigkeit, die sie allein auf Grund von Dales Behauptungen womöglich nie erlangt hätte.

Als die Ehe beendet war, war Daisy klar geworden, dass sie nie einer Familie à la Bill Cosby angehören würde. Das ließ sich von ihr nun mal nicht steuern. Aber dafür schwor sie sich, nie die Fehler ihrer Mutter zu wiederholen. Sie glaubte, dass es irgendwo da draußen einen Mann gab, auf den sie sich mit hundertprozentiger Sicherheit würde verlassen können, der sie lieben würde, bis dass der Tod sie schied. Und mit siebzehn gelobte sie, sich für diesen Mann aufzubewahren.

Welcher Teufel hatte sie also geritten, einen Vertrag mit ebendem Mann zu unterschreiben, der sie mit schönen Worten dazu gebracht hatte, dieses Gelöbnis nur zwei kurze Jahre, nachdem sie es gemacht hatte, zu brechen?

Der Bus ratterte über eine Straßenbahnschiene, und sie stierte finster in den verhangenen Tag hinaus. Geld war natürlich kein zu gering zu schätzender Grund, wenn man so wenig davon hatte wie sie. Aber sie musste auch an ihr seelisches Wohlergehen denken – und aus leidvoller Erfahrung wusste sie, dass Nick Coltrane ihr in dieser Beziehung nicht gut tat.

Der Bus war schon fast an ihrer Haltestelle angekommen, und so streckte sie die Hand nach dem Klingelknopf aus. Sie musste nur ihre Zweifel beiseite schieben. Vertrag war Vertrag – jetzt war es zu spät zu kneifen.

Sie kämpfte sich mit ihrem Koffer und ihrem diversen Kleingepäck aus dem Bus und verfluchte innerlich ihre eingefleischte Sparsamkeit. Ein Taxi hätte ihr Budget schon nicht gesprengt, aber es hätte einen weitaus besseren Eindruck gemacht, als jetzt wie das Mädchen mit den Schwefelhölzchen vor Nicks Tür zu stehen. Wann immer sie den Atem dieses Mannes spürte, schien sie allzu schnell in diese Rolle zu schlüpfen. Es wäre heilsam, wenigstens einmal von einer Position der Stärke aus zu agieren. Na gut – dann eben das nächste Mal.

Daisy blinzelte den steilen, beinahe senkrecht ansteigenden Berg hinauf, arrangierte ein letztes Mal so gut es ging ihre Lasten, holte tief Luft und marschierte los.

Einige Blocks weiter blieb sie schnaufend vor einer Mauer stehen, hinter der sich ein riesiges Backstein-Herrenhaus befand. Sie zog einen Zettel aus ihrer Hüfttasche und verglich die hingekritzelte Nummer mit dem Messingschild auf dem Torpfosten der Einfahrt. Es war die richtige Adresse.

Als sie merkte, wie imposant das Haus war, und welchen Wohlstand es atmete, wusste sie nicht, ob sie über Nicks verquere Vorstellung von »arm« den Kopf schütteln oder ob sie sich beglückwünschen sollte. Das war genau die Art von »Schuppen«, die sie sich vorgestellt hatte, als sie eingewilligt hatte, bei ihm einzuziehen, um seinen bedauernswerten Arsch zu bewachen. Die Mauer mit dem Tor war ein bisschen auffällig, aber sie würde es einfacher machen, Nicks Sicherheit zu gewährleisten. Himmel, wenn sie sich mit genügend Proviant versorgten, müssten sie die Hütte nicht mal verlassen, was die Zahl der Möglichkeiten, ihn in Gefahr zu bringen, doch drastisch einschränkte. Sie drückte auf die Klingel, die in dem Torpfosten eingelassen war.

Kurz darauf knisterte die Sprechanlage. »Wer ist da?«, fragte eine Frauenstimme.

»Mein Name ist Daisy Parker ...«

»Oh! Sie sind Nicholas’ Bodyguard!«

»Seine Sicherheitsexpertin, ja, Ma’am.«

»Für einen Bodyguard sehen Sie aber ziemlich schmächtig aus.«

Daisy blickte giftig in die Kamera, die oben an dem Torpfosten angebracht war. Wenn sie für diesen Satz jedes Mal einen Dollar bekommen hätte, wäre sie jetzt reich genug, um Nick zu sagen, er solle sich jemand anderen suchen, der seine Lotterhaut bewachte. Dabei war sie nicht einmal besonders klein. Sie war an die einssiebzig groß, aber das zählte nicht. Und das war es, was sie wirklich wurmte.

Der befremdlichste Punkt in den Augen anderer war, dass sie kein Mann war.

Die Frau schien auf eine Antwort zu warten, und so sagte Daisy: »Das sieht nur so aus, in Wirklichkeit bin ich größer.« Ihre Bemerkung wurde mit Schweigen quittiert. Deshalb fügte sie hinzu: »Ma’am, ich versichere Ihnen, dass ich in meinem Job sehr gut bin.« Die Frau reagierte immer noch nicht, und Daisy riss der Geduldsfaden. »Hören Sie, Lady, wenn Sie mich nicht reinlassen, kann ich meinem Job auch nicht nachkommen.«

»Nicholas hat mich schon darauf vorbereitet, dass Sie ruppig sind.« Das Tor summte, während beide Flügel langsam aufglitten und einen Weg freigaben, der sich nach rechts wand. »Er ist in der Remise, im Garagenhaus.«

»Nicholas hat mich schon darauf vorbereitet, dass Sie ruppig sind‹«, äffte Daisy säuerlich nach. Na, toll. Fünf Minuten in seinen Kreisen, und schon wurde sie für zu leicht befunden.

Sie wuchtete ihre Siebensachen wieder hoch und marschierte durch das Tor. Was sollte das im Übrigen mit dem Garagenhaus? Parkplätze und Abstellflächen für Autos standen in San Francisco so hoch im Kurs, dass es der Inbegriff von Luxus war, vor Ort eine eigene Garage zu besitzen. Nick hatte wirklich Nerven, von beschränkten Mitteln zu reden.

Die ursprünglichen Tore der Remise waren durch automatische Garagentore ersetzt worden, von denen zwei bis zur Decke hochgerollt waren. Dankbar setzte sie ihr Gepäck ab und spähte in die halbdunkle offene Garage. In einer – tipptopp gepflegten – Bucht stand ein klassischer Daimler, in einer anderen ein alter Porsche. Die dritte Bucht war bis auf eine Gefriertruhe in der Ecke leer. Weit und breit war niemand zu sehen, und so rief Daisy laut Nicks Namen.

»Bist du’s, Daisy?.

Die Stimme kam von oben, aber als Daisy hochschaute, entdeckte sie nur Balken. Dann hörte sie von draußen Lärm und ging zurück auf den Vorplatz. Dem Getrappel von Schritten folgend, bog sie um die Ecke und sah, wie Nick gerade die letzte Stufe einer Außentreppe aus Holz nahm.

Er kam strahlend auf sie zu. »Wo hast du dein Zeugs?«

Das Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals, sie brachte keinen Ton heraus und deutete nur wortlos auf den Berg am Eingang der Garage. Erneut zweifelte sie an ihrem Geisteszustand. Wie hatte sie diesen Auftrag nur annehmen können? Wenn sie einem Kunden gegenüberstand, spielte ihr Herz normalerweise nicht so verrückt, als sei sie ein verknalltes Schulmädchen.

Daisy straffte die Schultern. Verdammt noch mal, sie würde solche Gefühle einfach nicht zulassen. Sie war schließlich keine dreizehn mehr, sie war eine erwachsene Frau. Sie war Profi – sie war Polizistin gewesen. Sie riss Nick ihren Waffenkoffer – eine Spezialanfertigung – aus der Hand: »Den nehm ich. Du kannst den Rest tragen.« Sich an seinen verletzten Arm erinnernd, nahm sie auch noch ihren Koffer und überließ ihm die leichteren Plastiktüten, die sie mit allerlei Krimskrams voll gestopft hatte.

Als sie sich umsah, entdeckte sie einen schmalen Pfad, der sich durch einen kleinen, üppig bepflanzten Garten zur Hintertür der Villa schlängelte. »Wohin?« Sie nahm mal an, zur Hintertür. Aber da sie von jetzt an ihr Sonntagsbenehmen an den Tag legen wollte, nahm sie davon Abstand, auf eigene Faust loszugehen.

»Hier rauf.« Da er die Hände voll hatte, deutete er mit dem Kinn die Treppe hinauf, die an der Seite des Garagenhauses nach oben führte. Eine der Tüten rutschte ihm ab, und er korrigierte seinen Griff. »Mein Gott, Daisy, was ist da bloß alles für Zeugs drin?«

Daisy spähte die Treppe hoch. Klar doch, da oben war ein Apartment, das er für sie vorbereitet hatte. Aber ebenso klar war auch, dass er schlicht keine Ahnung von den Grundregeln der Sicherheit hatte. »Coltrane«, brauste sie empört auf, »ich kann dich nicht beschützen, wenn du an einem anderen Ort als ich bist.«

Nick sah sie verwundert an. »Wenn ich an ...« Er lachte entsetzt auf. »Du denkst, ich wohne im Haupthaus? Mann, du willst einfach nicht wahrhaben, was ich dir gesagt habe, nicht wahr? Ich bin nicht reich. Ich habe das Garagenhaus vom Besitzer des Anwesens gemietet. Komm jetzt!«

Daisy folgte ihm misstrauisch die Treppe hoch, und sie wusste: Sobald sie die Türschwelle überschritt, hatte sie ein dickes, dickes Problem. Die großzügige, in kaltem Chrom und Leder gehaltene Wohnung, die sie erwartet hatte, erwies sich als Puppenstube. Als schnuckelige, gemütliche, einladende Puppenstube. Ihr wurde ganz anders, als sie durch den kurzen Flur in den Hauptraum äugte.

Das war einfach überwältigend.

Hohe Decken, glänzender Parkettfußboden und gemauerte Wände. Sprossenfenster gaben den Blick auf die Einfahrt und den winzigen Garten frei, und an den Wänden hingen ausdrucksstarke Schwarzweißfotos, offensichtlich alles Arbeiten von Nick. Am anderen Ende des Raumes trennte eine Frühstückstheke den Küchenbereich ab, und in der Mitte, gegenüber einem Kamin und einer Hi-Fi-Anlage mit Fernseher, standen eine kastanienbraune Samtcouch und zwei Gobelinsessel mit dicken Polstern. Nick warf ihr einen Blick über die Schulter zu, und Daisy registrierte, dass er am Ende des Flurs neben der einzigen verputzten Wand angelangt war. Sie zeigte zwei geschlossene Türen, die vermutlich zu den Schlafzimmern führten. Vielleicht aber auch zu einem Schlafzimmer und einem Badezimmer.

»Wo ist dein, ehm, dein Fotolabor«, fragte sie. Was sie eigentlich wissen wollte, war, wo sie denn schlafen sollte. Aber in der letzten Sekunde versagten ihr die Nerven. So würde das nie funktionieren. Sie musste endlich damit beginnen, entschiedener aufzutreten, wenn sie nicht die Kontrolle über die gesamte Situation verlieren wollte.

»Unten in der Garage«, sagte Nick und sah zu, wie sie den großen Koffer auf den Boden und den kleineren auf der antiken Truhe, die als Kaffeetisch diente, abstellte. »Ich bin gerade damit fertig geworden, wieder Ordnung in das Chaos vom gestrigen Überfall zu bringen.«

Daisy hatte sich zu Hause noch umgezogen und trug nun Jeans und einen Chenille-Pullover in einem verwaschenen Orangeton. Verfolgt von Nicks Blicken, tigerte sie mit ihren langen Beinen durch die Wohnung, sah sich hier etwas an, lugte dort in eine Ecke ... Bei der gewölbten Truhe unter den Fenstern blieb sie stehen und ging vor ihr in die Hocke. Sie hob den Deckel an, er die Augenbrauen. »Suchst du irgendetwas Bestimmtes, Daisy?«

»Ich weiß einfach nur gerne über mein Umfeld Bescheid.« Sie sah ihn böse über die Schulter an. »Und ich hab’s dir schon mal gesagt, Coltrane. Nenn mich nicht Daisy.«

»Okay, dann also Daisy. Nimm die Finger von meinem Zeug. Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man nicht in fremden Sachen herumschnüffelt?«

»Sie hat’s versucht, aber wie du siehst, hat es nichts gebracht. Wenn es etwas zu schnüffeln gibt, dann schnüffle ich auch.« Sie sprang auf die Füße. »Wo soll ich schlafen?«

Bei der Antwort, die ihm durch den Kopf ging, spannten sich seine Muskeln an, doch er zwang sich, wieder zu entspannen, bevor er sich umdrehte und zum Schlafzimmer marschierte. Er öffnete die Tür und sah sich nach ihr um. Sie stand direkt hinter ihm. »Hier drin.«

Sie drückte sich an ihm vorbei und inspizierte den Raum mit der gleichen Gründlichkeit wie alles andere zuvor. Sie nahm seine Sachen hoch und stellte sie wieder zurück. Sie zog eine Nachttischschublade auf, lugte hinein und schob sie wieder zu. Nachdem sie dem professionell wirkenden Punching-Sandsack, der in einer Ecke hing, eine Linksrechts-links-Serie verpasst hatte, setzte sie sich seitlich aufs Bett und wippte ein paarmal auf und ab. »Hübsch.« Dann sah sie zu ihm hinüber. »Das ist dein Zimmer. Und das einzige Schlafzimmer – sehe ich das richtig?«

Er nickte.

»Und wo gedenkst du zu schlafen, wenn du das hier mir überlässt?«

»Auf der Couch.«

Sie musterte seine langen Beine und lachte skeptisch auf. »Bestimmt.« Sie erhob sich wieder von der Bettkante. »Behalte dein Zimmer, ich schlafe auf der Couch.«

Alles, was ihm je zum Thema Kavalier eingebläut worden war, rebellierte bei dieser Vorstellung. »Das ist nicht nötig.«

»Das ist sogar unumgänglich. Zunächst einmal passe ich viel besser auf die Couch als du. Doch was wichtiger ist, meine Dienste werden dir nicht viel nützen, wenn die Schläger des Gentlemans hier eindringen sollten und Kleinholz aus dir machen, während ich im Schlafzimmer vor mich hinsäge. Das ganze Konzept baut darauf auf, dass die Kerle erst mal an mir vorbeimüssen, um an dich ranzukommen.« Sie fegte an ihm vorbei. »Come on, schauen wir mal, was du so alles in deinem Medizinschrank aufbewahrst.«

Ihr anmaßendes Verhalten fuchste ihn gewaltig. Er streckte instinktiv die Hand aus und packte sie am Arm, um ihr die Meinung zu sagen. Aber als es sie dabei um die eigene Achse wirbelte und sie direkt vor ihm zum Stehen kam, fing er ihren Duft ein und vergaß, was er ihr sagen wollte. Sie roch nach Kernseife und Shampoo und ein ganz klein wenig moschusartig nach Frau. In einem Anfall von Wahnwitz hätte er sie beinahe gegen die nächste Wand gedrückt und sich an den Ursprung jedes einzelnen Dufthauchs herangeschnüffelt.

Dann sah er ihr Gesicht, in dem kalte Wut stand. Die Hand zur Faust geballt und den Arm nach hinten angewinkelt, stemmte sie sich gegen seinen Griff. Sie starrte auf seine Hand und dann in sein Gesicht. »Nimm deine Finger weg!«

Er wusste, dass das genau das war, was er eigentlich tun sollte, aber etwas in seinem Inneren weigerte sich, ihrer Aufforderung nachzukommen. »Oder was?«

Sie griff mit der anderen Hand nach unten und strich mit den Fingern warnend über seinen Hosenstall. »Dann reiß ich dir dein Spielzeug ab, auf das du so stolz bist, und werf es dem erstbesten Hund, den ich sehe, zum Fraß vor.«

Es war ein Schlag ins Gesicht ihres Egos, wie hastig er ihre Hand wegstieß und sie dann anknurrte: »Wie ich merke, bist du immer noch die armselige, kleine Straßenkämpferin, die wir alle kannten und bedauerten. Ich muss verrückt gewesen sein zu glauben, dass das hier funktionieren könnte..

Daisys Gesicht wurde fahl. Sie drehte sich um und begann wortlos ihre bunte Tütenkollektion einzusammeln.

»Was machst du da?« Als ob das nicht jeder Idiot sehen konnte. Aber er musste trotzdem fragen. Als sie ihn anblickte, wünschte er sich allerdings, er hätte es nicht getan. Die Verachtung, die in ihren Augen loderte, versengte ihn bis auf die Knochen.

»Ich nehme meine Sachen und gehe nach Hause. Du bekommst deinen Vorschuss morgen früh zurück.«

Vielleicht hatte sie Recht. Angesichts ihrer turbulenten Vorgeschichte und den engen Räumlichkeiten wusste er nicht, ob er damit umgehen konnte, sie hier bei sich zu haben. Doch die Alternative gefiel ihm noch weniger. Dieses ewige Hin und Her zwischen »Es war vernünftig, sie anzuheuern« und »Das war die dümmste Idee, die ich je hatte«, machte ihn kribbelig, und er merkte, wie ihn die Sache langsam innerlich auffraß. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ist das dein letztes Wort? Du willst mich also verlassen und den Geiern zum Fraß vorwerfen?«

Sie ließ ihre Tüten mit einem Plumps auf den Boden fallen und baute sich mit vorgestrecktem Kinn, die geballten Fäuste in die Hüften gestemmt, vor ihm auf: »Was willst du eigentlich von mir, Coltrane? Willst du nun, dass ich bleibe – oder willst du, dass ich gehe?«

»Ich weiß es nicht, verdammt noch mal! Dass ich dich angeheuert habe, geschah aus einem Impuls heraus – wahrscheinlich weil Mo vor einiger Zeit erwähnt hat, womit du dir deinen Lebensunterhalt verdienst.«

»Tja, wenn du deine geschäftigen Fingerchen von den Höschen verheirateter Frauen lassen würdest, dann bräuchtest du überhaupt keinen Sicherheitsdienst«, sagte sie spitz.

Er beugte sich vor und näherte sein Gesicht bedrohlich dem ihren. »Halt dich zurück«, warnte er. Mit Genugtuung sah er, wie ihr Mund zuklappte, woraufhin er sich wieder aufrichtete und einen großen Schritt zurücktrat. Aus irgendeinem Grund machte es ihn rasend, dass sie glaubte, er habe es mit einer verheirateten Frau getrieben – obwohl er es ihr doch selbst genauso erzählt hatte.

»Es steht dir nicht zu, über mich zu richten«, sagte er kühl. »Nicht, wenn du bereit bist, mein Geld zu nehmen. Und als dein Auftraggeber möchte ich jetzt einige Informationen über dich. Ich hätte schon früher fragen sollen. Wenn man mal dein kleines Demonstrationsangebot beiseite lässt, dann weiß ich tatsächlich rein gar nichts über deine Qualifikation.« Ihre feingliedrige, schlanke Statur und das eigensinnige Kinn, das ihm kaum bis zur halben Brust reichte, ließen doch ernsthafte Bedenken aufkommen. »Find dich damit ab, du entsprichst nicht gerade den allgemeinen Vorstellungen von einem Bodyguard.«

Sie gab zwar einen Ton der Empörung von sich, aber ihre Miene blieb neutral, als sie entgegnete: »Glaub es oder glaub es nicht, Coltrane, aber genau das kommt mir zugute, da die Leute mich nämlich ständig unterschätzen. Nichtsdestoweniger bin ich voll qualifiziert.«

»Was bedeutet das? Dass du die ITT Peterson School of Bodyguarding oder so etwas besucht hast?«

Ihr Kinn reckte sich noch ein bisschen weiter vor. »Ach, wie süß. Beleidigend und falsch zwar, aber schrecklich süß. Ihr reichen Jungs beherrscht die Schlagfertigkeit wohl aus dem Effeff, was?«

Er hob die Kamera hoch und betrachtete sie durch den Sucher. »Deine Qualifikation, Daisy?.

»Ich habe die Polizeiakademie als Drittbeste meiner Klasse abgeschlossen.«

»Du warst Polizistin?« Darauf war er nicht gefasst, und er senkte die Kamera. Mo und sie hatten in lockerem Kontakt gestanden, so dass er die Jahre über immer mal etwas über sie gehört hatte. Aber Mo hatte niemals erwähnt, dass Daisy zur Polizei gegangen war. Er ließ die Kamera sinken und warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Du spinnst ja.«

»Es ist aber wahr.«

»Wo?« Sicher in Mayberry, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagten.

»Ich war vier Jahre bei der Polizei in Oakland.«

Okay, also kein kleines Kaff. Er musterte sie interessiert und versuchte sie sich vorzustellen, wie sie in einer der berüchtigten Straßen von Oakland Streife ging. »Und warum bist du dort weggegangen?«

»In so einem bürokratischen Laden ist eine Menge Politik mit im Spiel.« Sie zögerte und gestand dann: »Ich war in dem Spiel nicht sehr gut.«

Bei Nick ging ein Mundwinkel hoch. »Nein, das kann ich mir lebhaft vorstellen. Diplomatie war noch nie deine starke Seite.«

Sie zuckte nur die Schultern. »Und Ehrlichkeit ist im zivilen Dienst nicht immer die beste Politik.« Sie musterte ihn scharf. »Genügt eine Qualifikation als Gesetzeshüter den Ansprüchen Seiner Königlichen Hoheit?«

Was gab es da noch einzuwenden? Wenn sie in Oakland vier Jahre lang Cop gewesen war, war sie qualifiziert, ob sie nun eine vorlaute Göre war oder nicht. Er nickte.

»Prima. Willst du nun also, dass ich bleibe, oder soll ich gehen? Entscheide dich, denn noch einmal ziehe ich dieses blöde Spiel nicht durch.«

»Bleib.« Mist. Er bedauerte seine Entscheidung in derselben Minute, in der er sie ausgesprochen hatte. Doch er brauchte nun mal jemanden. Sie war da, und sie war qualifiziert. Er musste wohl oder übel damit leben.

Aber er wollte verdammt sein, wenn die Zugeständnisse nur einseitig wären. »Vorausgesetzt, du kannst dich auch wie eine Frau benehmen, die auf einer Akademie ausgebildet wurde, und führst dich nicht wie ein Flintenweib auf.«

Ihre Kiefer malmten zwar kurz, doch sie erwiderte nur: »Das kann ich.« Sie beugte sich nach unten, um ihre Plastiktüten zusammenzusammeln, und marschierte damit in die Küche. Sie öffnete den Kühlschrank und begann die Tüten auszupacken.

»Du hast deine eigenen Lebensmittel mitgebracht?« Er kam neugierig zu ihr rüber.

»Ich wusste nicht, wie lange ich hier sein würde, und ich hasse es, bei meiner Rückkehr von vergammeltem Essen begrüßt zu werden.« Sie stellte zwei Liter Milch in das Fach, in das sie schon einen Liter Orangensaft geräumt hatte, und holte anschließend zwei Orangen, einen Behälter mit frischer Ananas und einen Behälter mit gewürfelter Honigmelone aus der Tüte.

»Wäre es nicht einfacher, alles gleich in den Müll zu werfen?«

»Ich werfe keine einwandfreien Lebensmittel weg, du verwöhnter Junge.«

Er stieß frustriert die Luft aus. Vielleicht würde ja ein Themenwechsel den Gedanken vertreiben, wie gut es sich anfühlen würde, ihr ihren langen, schlanken Hals umzudrehen. »In der Garage ist übrigens Platz genug, wenn du deinen Wagen dort abstellen willst. Ich bin überrascht, dass du auf der Straße einen Parkplatz gefunden hast.«

»Hab ich nicht.« Daisy schloss den Kühlschrank und wandte sich zu ihm um. »Ich bin mit dem Muni gekommen.«

»Mit dem Bus? Du hast kein Auto?« Er konnte sich ein Leben ohne einen fahrbaren Untersatz überhaupt nicht vorstellen.

Ihr Gesichtsausdruck war feindselig. »Wir können nicht alle mit einem Silberlöffel im Mund geboren werden.«

»Verdammt, Daisy, kannst du nicht mal damit aufhören?«

Zehn lausige Minuten in ihrer Gesellschaft und schon schäumte er innerlich vor Wut. »Ich bin nicht reich, okay? Verglichen mit meinen Freunden bin ich total pleite.«

»Wenn du mir einen Scheck über viertausend Dollar ausstellen kannst, dann bist du nicht pleite, glaub mir. Ich weiß, was pleite ist. Bis Reggie den Scheck eingelöst hat, hatte ich noch genau einhundertachtunddreißig Dollar und einundvierzig Cents auf meinem Konto.«

»Ach ja? Dann müsstest du eigentlich ein ganzes Stück netter zu mir sein.«

Sie bedachte ihn mit einem unfreundlichen Knurren. »Darauf kannst du warten, bis du schwarz wirst.«

»Das klingt mir doch schwer danach, als würde ich dir ganz allein den bösen Wolf vom Hals halten, Sahnetörtchen.«

Sie sah ihm direkt in die Augen. »Und jedes Mal, wenn ich dich betrachte, denke ich nur: Großmutter, was hast du für große Augen? Komisch, was?« Sie rieb sich die Arme, als sei ihr kühl. »Aber trotzdem bin ich hier eingezogen.«

Sie trat hinter der Frühstücksbar hervor, und Nick gab sich einen Ruck: »Hör mal, Daisy, vielleicht sollten wir mal Klartext miteinander reden.«

Sie ging zur Couch, setzte sich und beugte sich vor, um die Schnappverschlüsse des kleinen Koffers, den sie auf der Truhe abgestellt hatte, zu öffnen. Die Daumen auf dem Deckel abgestützt, musterte sie ihn aufmerksam. »Klartext worüber?« Damit hob sie den Deckel an und griff in den Koffer.

Nick schaute beiseite. Dann wandte er den Blick wieder ihrem Profil zu. »Wir müssen über Mos Hochzeitsabend reden.« Eine Entschuldigung von ihm war längst überfällig.

Das war wirklich das Letzte, was Daisy wollte. Sie stand auf, drehte sich zu ihm um und sah ihn mit steinerner, abweisender Miene an, wobei sie die Pistole, die sie aus dem Koffer genommen hatte, seitlich nach unten hielt.

»Du kannst nicht sehr klug sein«, sagte sie mit ausdrucksleerer Stimme, »sonst würdest du diesen Abend nie und nimmer ansprechen, wenn ich eine Pistole in der Hand halte.« Vor allem nicht, wenn diese Hand in dem übermächtigen Bedürfnis, direkt auf sein verlogenes Herz zu zielen, so entsetzlich zitterte. Sie wandte sich ab und legte die Waffe vorsichtig in den vorgesehenen Schlitz im Koffer zurück. »Du hast Glück, dass ich Profi bin.«

»Hör zu, alles, was ich sagen wollte ...«

»Es interessiert mich einen Dreck, was du sagen willst, verstanden? Schluck’s runter!«

»Verdammt, Daisy, ich ...«

Sie ließ ihn einfach stehen und marschierte zum Badezimmer. Sie brauchte für ein paar Minuten eine Tür, die sie hinter sich abschließen konnte, und einen laufenden Wasserhahn, der seine Stimme ausblendete. Er schien fest entschlossen, am Ball zu bleiben, und sie hatte Angst, so in Rage zu geraten, dass sie eine Dummheit beging, die sie bereuen könnte. Nichts machte sie so fuchsteufelswild, wie die Erinnerung an jenen Abend mit Nick. Deshalb war es klug, sich selbst so lange aus dem Verkehr zu ziehen, bis sie dem Wunsch, persönlich zu werden, widerstehen konnte. Sie musste ihre ganze Professionalität zusammenkratzen und sich damit wie hinter einer kugelsicheren Weste verschanzen. Nach einer Weile verließ sie das Bad wieder sehr viel ruhiger. Doch als sie plötzlich am Arm gepackt, und mit eisernem Griff herumgewirbelt wurde, überlegte sie überhaupt nicht – sie reagierte einfach nur. Sie drehte sich mit dem Rücken gegen seine Brust, packte gleichzeitig seinen Arm, machte eine Körperdrehung und beugte sich blitzschnell nach vorne.

Nick flog über ihre Schulter und segelte ein Stückchen durch die Luft, um mit dem Rücken flach auf dem Boden zu landen.

Ein Traummann zum Verzweifeln

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