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Prolog

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Dru Lawrences Onkel Ben kam bewaffnet mit einem polizeilichen Führungszeugnis eines gewissen J.D. Carver zu der monatlichen Besprechung. »Er ist sauber«, sagte er und klatschte das Zeugnis auf den langen, rustikalen Konferenztisch. »Als Erwachsener ist er nicht einmal straffällig geworden, und seine Jugendakte ist unter Verschluss.«

»Mein Lieber, du solltest dich darüber freuen«, erklärte Tante Sophie und tätschelte ihm, ehe sie ihm das Zeugnis aus der Hand riss, um es selbst zu lesen, begütigend den Arm. »Das ist schließlich eine sehr gute Nachricht.«

Dru konnte die schlechte Laune ihres Onkels jedoch durchaus verstehen. Star Lake Lodge war seit vier Generationen ein Familienunternehmen und es hatte sie alle erschüttert, dass der Erbe des Anteils von Großtante Edwina ein Fremder, noch dazu ein fremder Städter, war. Edwina hatte sich über so viele Jahre niemals in die Geschäfte eingemischt, dass Dru beinahe vergessen hatte, dass sie Miteigentümerin des Hotels gewesen war.

»Vielleicht«, sagte sie jetzt langsam, »kommt dieser Carver ja nur mal kurz vorbei, um einen Blick auf das zu werfen, was sie ihm vererbt hat. Wahrscheinlich wird er gar nicht bleiben – und wir schicken ihm am Ende genau wie bisher Edwina einfach jeden Monat einen Scheck.«

»Darauf würde ich mich lieber nicht verlassen, Schätzchen«, meinte Onkel Ben. »Aufgrund seines, wenn auch ziemlich knappen Schreibens, habe ich den Eindruck, als hätte er die Absicht, sich hier häuslich einzurichten und die Leitung des Hotels möglichst ganz zu übernehmen.«

Plötzlich schob Sophie ihren Stuhl ein Stück zurück, marschierte ans Fenster, beugte sich nach vorn und fächerte sich etwas von dem leichten Wind zu, der durch die grünbraunen Gingham-Vorhänge in das Besprechungszimmer wehte. Dru stand auf, trat vor das Eichenbüfett am anderen Ende des Raums, griff an einer Sammlung handgeflochtener Körbe vorbei nach einem Krug Wasser und schenkte etwas davon in ein bereitstehendes Glas. Dann trug sie es zu ihrer Tante und verrückte auf dem Weg das Ölgemälde mit den schneebedeckten Birken, damit es in einer Reihe mit den anderen Landschaftsbildern an der holzvertäfelten Wand hing.

»Ich weiß nicht gerade viel über diesen Carver«, gab sie, als sie wieder Platz nahm, unumwunden zu. »Nur, dass er einer von Großtante Edwinas ›Jungs‹ gewesen ist. Ehrlich gesagt kann ich mich sogar an sie selbst bestenfalls bruchstückhaft erinnern.« Wie Drus Eltern war auch Edwina immer nur zu kurzen Gastspielen in ihrem Leben aufgetaucht. Die Großtante war für sie vor allem eine weltgewandte, freundliche Besucherin gewesen, die regelmäßig im August für eine Woche aus ihrem eleganten Heim in Seattle zu ihnen an den See gekommen war.

Sophie rollte das Glas an ihrer Schläfe hin und her und lächelte versonnen. »Wenn du die Gelegenheit bekommen hättest, etwas öfter mit ihr zusammen zu sein, hättest du sie ganz sicher gemocht.« Sie kehrte an den Tisch zurück und strich vorsichtig mit einer Fingerspitze über den dort liegenden Bericht. »Ich habe Edwina sehr bewundert. Und J.D. ist für sie von Anfang an jemand Besonderes gewesen. Er war der allererste Junge, den sie bei sich aufgenommen hat.«

»Und der Einzige, an dem sie ihrer Meinung nach am Ende gescheitert ist«, fügte Onkel Ben viel sagend hinzu.

»Daran kann ich mich erinnern!« Dru richtete sich auf. »Oder zumindest daran, dass ich als Kind an eurem Küchentisch gesessen und mit angehört habe, wie sie sich große Vorwürfe gemacht hat, weil sie meinte, sie hätte irgendeinen Jungen vollkommen falsch behandelt. Irgendwie ging es dabei um die Uhr von ihrem Vater.«

»Genau das war J.D.«

»Ich hatte den Eindruck, als hätte sie ihn wirklich gern gehabt.«

»Ja, das hat sie. Er war der Hauptgrund, weshalb sie sich all dieser sozial schwachen Kinder angenommen hat.« Ben seufzte leise. »Edwina hatte ein hervorragendes Gespür für Menschen. Und schließlich konnte sie mit ihrem Anteil an unserem Hotel machen, was sie wollte.« Er sah seiner Nichte ins Gesicht. »Allerdings sind Soph und ich nicht mehr so aktiv wie früher, so dass du diejenige sein wirst, die täglich mit J.D. zusammenarbeiten muss. Wie sollen wir also deiner Meinung nach in dieser Sache vorgehen?«

»Tja, eine Anfechtung des Testaments wäre sinnlos – nach allem, was ich gehört habe, war Großtante Edwina bis zu ihrem Tode im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte.«

»Die Frau hatte bis zum Ende einen rasiermesserscharfen Verstand«, erklärte Ben.

»Dann haben wir sicher keine andere Wahl als ihren Wunsch zu respektieren.«

»Darüber denke ich genauso«, meinte auch Sophie. »Und wenn wir das schon tun, machen wir es besser richtig und bereiten J.D. einen möglichst herzlichen Empfang.«

»Allerdings«, fügte Dru trocken hinzu, »habe ich aufgrund dieser zusätzlichen Belastung sicher eine entsprechende Gehaltserhöhung verdient.«

Ben hob den Kopf von seinen Notizen und sah sie über den Rand von seiner Lesebrille hinweg an. »Darüber müssen wir ganz bestimmt sprechen. Aber erst bei der Versammlung nächsten Monat. Diesen Monat haben wir bereits ein anderes Problem. Wir müssen dringend verschiedene Reparaturen durchführen lassen, nur ist es leider so, dass es keine fähigen Handwerker mehr in unserer Gegend gibt.«

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