Читать книгу Immer Ärger mit den Männern / Mach mich glücklich - Susan Andersen - Страница 14
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ОглавлениеTja, die Sache war eindeutig anders verlaufen als geplant. Während er seinen GTO aus der Einfahrt des Hotels auf die Straße lenkte, sah Beau Juliet verstohlen von der Seite an. Was war sie bloß für eine Frau? Immer, wenn er meinte, er hätte alles hervorragend im Griff und wüsste ganz genau, welche Knöpfe er bei diesem Wesen drücken müsste, reagierte sie vollkommen anders als gedacht. Gütiger Himmel, sie war wirklich eine höchst widersprüchliche Person.
Als spüre sie den Blick, mit dem er sie bedachte, schlug sie ihre nackten Knöchel übereinander, neigte ihre Knie in Richtung der Mittelkonsole und wandte sich ihm zu. »Darf ich?« Ohne seine Antwort abzuwarten, streckte sie bereits die Hand nach dem Lautstärkeregler des Autoradios aus und drehte das Volumen ein paar Dezibel herunter.
»Kümmer dich ganz einfach nicht um das, was ich vielleicht möchte, Engelsgesicht«, knurrte er erbost. »Fühl dich einfach wie zu Hause.«
Als er merkte, dass sie ihn von der Seite ansah, hellte sich seine Stimmung etwas auf. Ah, jetzt käme sicher endlich die lang ersehnte Rede über gutes Benehmen und das Verhalten, das sie von einem professionellen Beschützer im Umgang mit einer hochwohlgeborenen Yankee-Braut wie ihr erwartete. Verdammt, er hätte wissen müssen, dass sie ihn nicht vor ihrer Assistentin und der Grande Dame herunterputzen würde; dafür war sie viel zu wohlerzogen. Ein öffentlicher Rüffel war ganz einfach nicht ihr Stil. Wahrscheinlich hatte sie sich ihre Predigt bereits sorgfältig im Kopf zurechtgelegt – denn schließlich war sie der höfliche, vorsichtige, methodisch vorgehende Typ.
Aus dem Augenwinkel sah er, dass sie mit den Fingerspitzen über den Rand des Schalensitzes glitt, und mehrere Herzschläge vergingen, ehe sie ihn fragte: »Wer ist Clyde Lydet?«
»He?«
»Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wer –«
Er winkte lässig ab. »Ich habe gehört, was du gesagt hast, Rosenknospe. Nur hatte ich ganz einfach etwas völlig anderes erwartet.« Er warf ihr einen Blick zu, ehe er sich wieder auf die Fahrbahn konzentrierte. »Clyde Lydet handelt mit gestohlenen Waffen. Aber er verkauft nicht einfach irgendwelche Waffen, sondern hat sich auf antike Feuerwaffen spezialisiert.« Er zuckte mit den Schultern. »Allerdings ist sein Geschäftsradius auf New Orleans beschränkt.«
»Und warum suchen Sie ihn?«
»Weil ich glaube, dass es eine Verbindung zwischen ihm und dem Höschen-Klauer gibt, wegen dem ich mich gestern mit dem Pingelpott gestritten habe.«
»Mit wem?«
»Pfeffer, dem ahnungslosen stellvertretenden Revierleiter.« Er hätte beinahe schwören können, dass sie ihre vollen Lippen zu einem amüsierten Lächeln verziehen wollte, doch bis er sie genau ansehen konnte, hatte sie sich bereits wieder unter Kontrolle und blickte ihn völlig reglos an. Allerdings brannte etwas in den grauen Tiefen ihrer Augen, etwas, das er lieber nicht genauer überdächte, und so riss auch er sich zusammen und erklärte: »Angeblich treibt sich Lydet des Öfteren im French Quarter herum, und ich würde wesentlich lieber versuchen ihn zu finden, als mir vor Ihrem Büro die Beine in den Bauch zu stehen.«
»Was hat dieser Höschen-Klauer getan?«
»Er ist bei einer Reihe von Frauen eingebrochen und hat sie mit vorgehaltener Waffe gezwungen, sich vor ihm auszuziehen.«
»Wie schrecklich.« Vor lauter Mitgefühl bekam sie eine regelrechte Gänsehaut und fragte: »Kann ihn denn nicht irgendeine dieser Frauen identifizieren?«
»Er stellt sich seinen Opfern ganz bestimmt nicht vor«, antwortete Beau in einem Ton, der seine Ungeduld verriet. »Er hat eine Sammlung von Karnevalsmasken, hinter denen er sein Gesicht versteckt.«
»Oh, mein Gott.« Sie starrte ihn entgeistert an. »Edward Haynes hat eine solche Sammlung.«
»Hier in New Orleans hat so gut wie jeder mindestens eine Maske irgendwo rumfliegen«, erklärte ihr der Polizist. »Die Dinger, von denen ich spreche, werden praktisch überall verkauft.«
»Ja, natürlich. Das hätte ich wissen müssen.« Dann runzelte sie nachdenklich die Stirn. »Aber was haben Lydets gestohlene antike Waffen mit einem Mann zu tun, der Frauen zwingt, sich vor ihm auszuziehen?«
»Denk mal kurz darüber nach, Zuckerbäckchen. Meine Schwester Josie Lee war sein letztes Opfer und –«
»Oh, Beau«, fiel Juliet ihm ins Wort. »Das tut mir Leid. Das muss traumatisch für sie gewesen sein.«
Er sah sie verstohlen an, entdeckte das ehrliche Mitgefühl in ihren Augen und zwang seinen Blick wieder auf die Straße. Scheiße. Er wollte nicht, dass sie ein warmes, mitfühlendes Wesen war, und um ihre Sorge von sich abzuschütteln, zuckte er ungeduldig mit den Schultern und erklärte: »Tja, nun, sie meint, dass es für mich traumatischer als für sie selbst war.« Um sich keine Bemerkung von Juliet anhören zu müssen, redete er eilig weiter. »Die Waffe, die der Höschen-Klauer benutzt hat, war eindeutig antik. Josie Lee hat sie sehr detailliert beschrieben, und ich bin mir so gut wie sicher, dass ich dieselbe Beschreibung schon mal irgendwo bekommen habe. Etwas daran erinnert mich an einen anderen, weit zurückliegenden Fall. Damals war ich noch ein kleiner Streifenpolizist und habe Lydet festgenommen.«
Juliet bedachte ihn mit einem Blick, der nur als bewundernd bezeichnet werden konnte. »Ihre Arbeit ist sicher furchtbar aufregend.«
»Wenn ich richtige Polizeiarbeit mache, statt den Babysitter zu spielen, kann das durchaus passieren«, erwiderte er spöttisch.
Sie gab ihm keine Antwort auf diesen Seitenhieb, sondern blickte schweigend aus dem Fenster, ehe sie ihn nach ein paar Augenblicken wieder ansah und erklärte: »Ich versuche, Sie mir mit einer Schwester vorzustellen, aber irgendwie will mir das nicht gelingen.«
Er lachte dröhnend auf. »Nein? Dabei habe ich nicht nur eine Schwester, sondern drei.« Er blickte weiter geradeaus auf den Verkehr, merkte jedoch, dass sie ihn prüfend ansah.
»Gott, wie wunderbar«, hörte er sie mit so leiser Stimme murmeln, dass ihm klar war, dass sie mit sich selber sprach. Dann rutschte sie ein wenig auf ihrem Sitz herum und sagte: »Ich war ein Einzelkind.«
Angesichts der Wehmut, die dabei in ihrer Stimme mitschwang, zog sich sein Magen mitfühlend zusammen, und er richtete sich eilig kerzengerade auf. Oh, nein. Nein, nein, nein, nein, nein. Er würde sich ganz sicher nicht von diesem Weibsbild um den Finger wickeln lassen. Er hatte viel zu viel Köpfchen, um die sentimentale Falle zuschnappen zu lassen. Und weshalb zum Teufel war sie plötzlich derart mitteilsam? Er drehte seinen Kopf und bedachte sie mit einem kurzen, herablassenden Blick. »Armes, kleines, reiches Mädchen. Ich bin sicher, dass dir dein Daddy einen ganzen Lastwagen mit Spielsachen gekauft hat, damit du die Leere nicht so spürst.«
Oh, nein, er würde keine Schuldgefühle haben, weil sie ihn derart schockiert ansah, als hätte er ihr gerade einen Schlag mit dem Handrücken auf einen ihrer eleganten Wangenknochen versetzt. Trotzdem entfuhr ihm hörbar der Atem, den er angehalten hatte, als ihr Blick urplötzlich kalt und distanziert wurde.
»Zu Ihrer Information: ich habe meinen Vater während meiner Kindheit nicht allzu oft gesehen«, erklärte sie mit ruhiger, würdevoller Stimme und wandte sich entschieden von ihm ab.
Oh, verdammt. Tja, Pech, aber das war ihm vollkommen egal. Es-war-ihm-vollkommen-egal.
Juliet starrte blind aus dem Seitenfenster auf die vorbeifliegenden Häuser. Sie würde den Schmerz und die Enttäuschung über einen Vater, der kaum Zeit für sie hatte, wie auch sonst immer einfach unterdrücken oder besser noch, sie schlösse ihn erneut in dem kleinen schwarzen Kästchen ein, das sie extra zu diesem Zweck vor Jahren in ihrem Inneren eingerichtet hatte.
Wahrscheinlich hatte sie nichts anderes dafür verdient, dass sie dem Verlangen, endlich auch einmal in ihrem Leben etwas Aufregung zu finden, einfach nachgegeben hatte. Sie hatte mit der bevorstehenden Hoteleröffnung alle Hände voll zu tun, und sie wusste sicher, dass Beauregard Dupree ihr nichts als Schwierigkeiten machte – trotzdem hatte sie sich einfach ohne ein Wort des Protestes von ihm aus einer Geschäftsbesprechung zerren lassen, um endlich einmal eine Spur von Verwegenheit an den Tag zu legen und weil es Celeste Haynes wegen ihres verspäteten Erscheinens verdient hatte, dass sie sie einfach sitzen ließ. Da er ihr den Anflug freundschaftlichen Interesses jedoch derart schlecht vergolten hatte, legte sie von nun an besser wieder ihre vertraute, schützende Reserviertheit an den Tag.
Im Inneren des Wagens war es wie in einem Ofen. Der feuchte, mit schweren Düften angereicherte Wind wehte durch das offene Fenster, zupfte an ihren Haaren, drückte gegen ihre Lungen, und die von der Sonne ausgeblichenen, abblätternden, einstmals leuchtend bunten Farben an den Wänden der Gebäude hüllten sie, während der Wagen an ihnen vorbeischoss, in ein geradezu exotisches Ambiente.
Sie fühlte keine Reserviertheit – das war das Problem. Ein Körnchen wenn auch widerstrebender Aufsässigkeit hatte sich tief in ihrem Herzen eingegraben, und das hiesige Klima schien es ebenso zu nähren wie die Farne, die aus den kleinsten Spalten in den Gehwegen und Treppen der Umgebung sprossen und dort üppig gediehen. Außerdem rief die Atmosphäre dieser Stadt eine Sinnlichkeit und Lässigkeit in ihrem Innern wach, die es zur reinsten Last machte, auch nur eine straffe Körperhaltung zu bewahren, ganz zu schweigen davon, sich steif und wohlerzogen zu gebärden, wie es ihr über Jahre hinweg anerzogen worden war. Hier in New Orleans machte es ihr große Mühe, all diese Dinge aufrechtzuerhalten, und vielleicht waren sie der Mühe ja auch wirklich überhaupt nicht wert?
Dann hatten sie und Beau wie bereits am Vormittag das French Quarter mit seiner Musik, seinem Lärm und seinen sexuellen Lockungen wieder erreicht. Um diese Zeit jedoch drängten sich unzählige Menschen auf den Bürgersteigen, während sich Beaus schneller Wagen hinter bunten Pferdekutschen langsam durch die schmalen Gassen schob.
Beau fand einen Parkplatz, zerrte sie wie gewöhnlich unsanft aus dem Wagen und stapfte mit ihr eine Armeslänge hinter sich sofort entschieden los. Wie beim letzten Mal gab es bei einem einzigen Besuch viel zu viel zu sehen, sie sah sich in dem Verlangen, möglichst alles in sich aufzunehmen, mit großen Augen um.
Sie war so sehr damit beschäftigt, in die exotischen, erotischen Schaufenster zu sehen oder in den von der Decke bis zum Boden reichenden breiten Spiegeln hinter den offenen Türen der Striplokale und der Sexclubs einen Blick auf das Geschehen im Innern zu erhaschen, dass sie, als Beau plötzlich stehen blieb, von hinten auf ihn auflief. Um sie daran zu hindern umzufallen, ließ er seine freie Hand nach hinten schießen, schlang seine langen Finger um einen ihrer Schenkel und spürte durch den dünnen Stoff ihres Kleides ihre straffe, heiße Haut. Dann riss er seine Hand zurück, wandte sich ihr zu und sah sie reglos an.
»Ich habe Hunger. Wie steht es mit dir?«
Sie blinzelte verwirrt. »Ich habe ein Kressesandwich mit Celeste gegessen.« Am besten verdrängte sie das Prickeln, das durch die Berührung zwischen seiner Hand und ihrem Schenkel wachgerufen worden war.
»Ich spreche von richtigem Essen, Rosenknospe«, schnaubte er verächtlich, und gegen ihren Willen zauberte der Gedanke an das winzig kleine Häppchen, das sie vorher zu sich genommen hatte, ein Lächeln auf ihr Gesicht.
»Ich könnte durchaus etwas vertragen ... falls es hier ein Lokal mit einer Klimaanlage gibt.«
»Ins Ritz wollte ich nicht, Schätzchen, aber es gibt hier einen Platz mit einem Brunnen. Ein wirklich nettes, schattiges Fleckchen, wo es so aufregende Dinge wie Würstchen im Schlafrock gibt.«
Ihr entfuhr ein Lachen. »Ich hätte gedacht, dass Sie statt auf halb angezogene Kerlchen eher auf reiche, nackte Frauen stehen.«
Sie war vollkommen entsetzt. Hatte sie das tatsächlich gesagt? Sie hatte sich bereits vor Jahren antrainiert, nie einfach laut auszusprechen, was sie dachte, und hatte ernsthaft angenommen, sie hätte diesen Grundsatz längst verinnerlicht.
Wie in aller Welt hatte ihr also dieser Satz über die Lippen kommen können?
Ehe sie jedoch Gelegenheit bekam, einen möglichst eleganten Rückzieher zu machen, hatte er sie herumgewirbelt, gegen ein Schaufenster mit Karnevalsmasken gedrängt und seinen schlanken Körper geradezu bedrohlich über sie gebeugt. Blinzelnd starrte sie auf seine mit Bartstoppeln übersäte Wange, die allzu dicht an ihren Lippen lag.
»Du bist das einzige reiche Mädchen, das ich kenne, Juliet Rose«, erklärte er mit leiser, rauer Stimme, und widerstrebend blickte sie in seine schwerlidrigen dunklen Augen. »Wärst du also bereit, dich für mich auszuziehen?«
Er berührte sie nicht wirklich, sondern hielt sie lediglich an beiden Schultern fest. Seine Unterarme jedoch waren links und rechts von ihr flach gegen das Schaufensterglas gepresst, sein Atem traf direkt auf ihre Lippen, sein Duft hüllte sie ein und alles in allem war er ihr so nahe wie kaum je ein Mensch zuvor.
Sie schob ihre Hände in den allzu schmalen Spalt zwischen ihren beiden Leibern und stemmte, um ihn fortzuschieben, ihre Finger gegen seine harte Brust. Er rührte sich keinen Millimeter, und durch die Hitze unter ihren Händen wurde ihre Erregung tatsächlich noch verstärkt.
Einziger Trost war, dass sie recht gefasst klang, als sie ihm erklärte: »Nein, Beauregard, das bin ich nicht.« Und auch wenn sie wusste, dass es unverzeihlich rüde war, schnauzte sie ihn weiter an: »Sie sollten wirklich versuchen, Ihre Hormone unter Kontrolle zu bekommen. Ich bin mir sicher, dass das in Ihren Ohren ziemlich radikal klingt, aber Sie sollten die Dinge wirklich etwas langsamer angehen.«
Er leckte sich die Unterlippe. »Tja, Miss Juliet, ich glaube, jetzt bin ich beleidigt. Wenn eine Frau eine derart zweideutige Bemerkung macht, ist es doch wohl vollkommen natürlich, wenn der Mann sie fragt, ob das eine Einladung gewesen ist. Wenn du selbst ein Kerl wärst, würdest du verstehen, wovon ich rede.«
»Und wenn du Eierstöcke hättest, wärst du vielleicht kein derartiger Idiot.« Oh Gott, Juliet, halt die Klappe. Halt einfach nur die Klappe.
»Wenn meine Lieblingsfarbe wie die deine Rosa wäre, würde ich dich überhaupt nicht fragen, ob du dich für mich ausziehen willst.« Dann verzog er seinen Mund zu einem schiefen Grinsen, streckte seine Arme durch und drückte sich auf diese Weise ein Stück von dem Schaufenster ab. »Also, willst du jetzt was essen oder nicht?«
Sie tauchte unter seinem Arm hindurch, zupfte ihr Kleid zurecht, erklärte: »Meinetwegen«, und fuhr zusammen, als sie hörte, wie beleidigt ihre Stimme klang.
»Das nehme ich als ja.« Wieder schlang er seine schlanken Finger um ihr Handgelenk und zerrte sie hinter sich her in Richtung eines hell erleuchteten Lokals von der Größe eines Kleiderschrankes, in dem es nach Essen duftete und keine Klimaanlage gab. Der von ihm versprochene Brunnen war nirgendwo zu sehen.
»He, Lou«, grüßte Beau den älteren Schwarzen, der hinter dem Tresen stand.
»Hallo, Sergeant Dupree. Was kann ich für Sie und für die Lady tun?«
Beau wandte sich an Juliet. »Willst du erst noch die Speisekarte lesen?«
»Ja, bitte.« Sie starrte auf die schwarze Tafel im Rücken des Mannes, auf der in bunten Neonfarben die erhältlichen Gerichte angeschrieben waren, und sagte eine Sekunde später: »Ich nehme ein kleines Salatsandwich. Die Nummer vier.« Sie zog ihren Geldbeutel aus ihrer Tasche, doch Beau erklärte ihr mit angespannter Stimme: »Steck den wieder ein. Ein verdammtes Salatsandwich kann ich mir noch leisten.« Dann trat er vor den Tresen. »Wir nehmen ein kleines Salatsandwich und einen Austerburger, Lou.«
»Himmel, das hat deiner Libido gerade noch gefehlt«, murmelte Juliet hinter seinem Rücken. »Austern.«
»Mit allem Drum und Dran, Sergeant?«
Das Lächeln, mit dem Beau Juliet bedachte, bestand ausschließlich aus Zähnen. »Mit allem Drum und Dran.«
Sie holten sich Getränke aus einem winzig kleinen, freistehenden Kühlschrank und nahmen ihre Mahlzeit mit nach draußen. Juliet hob ihr Sandwich an den Mund, doch die schwüle Hitze weckte in ihr ein Gefühl von Übelkeit, weshalb sie das Gesicht verzog und das Brot, ohne es auch nur probiert zu haben, kraftlos wieder sinken ließ.
Beau verfolgte einen Augenblick, wie sie mit sich kämpfte, bevor er knurrte: »Komm« und mit ihr durch eine schmale Gasse an der Seite des Gebäudes in Richtung eines kleinen Innenhofes ging. Dort konnte man im Schatten eines breiten Pecanbaumes sitzen, und die gelegentliche Brise, die durch ein offenes Tor vom Fluss herüberwehte, kühlte die Luft tatsächlich etwas ab.
In einer Ecke plätscherte ein Brünnlein in der Größe einer Vogeltränke, und mit einem beinahe ehrfürchtigen »Oh« stellte Juliet ihr Essen auf einem kleinen Tischchen ab, ging hinüber zu dem Brunnen und tauchte ihre Hände in das herrlich kühle Nass. Ein kehliges Geräusch, halb Seufzen und halb Stöhnen, drang aus ihrem Mund. »Ich wünschte, ich könnte ganz reinklettern.«
»Meinetwegen gerne, Schätzchen.« Beau bedachte sie mit einem schwerlidrigen Blick. »Ich halte währenddessen deine Kleider.«
»Mein Gott, Dupree, man sollte Sie kastrieren.« Sie hielt sich ihre feuchten Handgelenke an die Schläfen, kam zurück an ihren Tisch, setzte sich auf einen Stuhl, schnappte sich ihr Sandwich und sah ihn fragend an. »Sind Sie über das Alter, in dem man an nichts anderes denken kann, nicht allmählich hinaus?«
»Gibt es dafür etwa eine Altersgrenze?« Er starrte sie entgeistert an.
»Ich gebe auf«, erklärte sie und schüttelte den Kopf, während sie den ersten Bissen von ihrem Sandwich nahm. »Oh.« Seufzend schloss sie die Augen und war der festen Überzeugung, dass ihrem Gesicht das Ausmaß der Verzückung, die sie im Moment empfand, deutlich anzusehen war. »Unglaublich. Das schmeckt wunderbar.« Sie aß die Hälfte ihres Brotes, bevor sie es zurück auf den Teller legte und ihren Stuhl ein Stück nach hinten schob.
Beau, der gerade den letzten Bissen seines eigenen Burgers schluckte, sah sie fragend an. »Ist was los?«
»Huh-uh. Ich bin einfach total satt.«
»Du isst ja wie ein Vögelchen.« Er griff über den Tisch, schnappte sich den Rest von ihrem Sandwich und sah sie, als sie die Brauen hochzog, fröhlich grinsend an. »Ich hasse es, wenn gutes Essen weggeworfen wird.« Und schon biss er herzhaft hinein.
Sobald der letzte Krümel in seinem Mund verschwunden war, setzten sie sich wieder in Bewegung, und wie bereits am Morgen zerrte er sie auch an diesem Nachmittag in unzählige Etablissements, von denen Juliet eines schmuddeliger als das andere erschien.
Sie hatte nicht gewusst, dass es überhaupt so viele anrüchige Orte gab, und wusste, ihre Großmutter wäre von jedem einzelnen dieser Lokale vollkommen entsetzt. Ihr Vater ... nun ja, Vater wäre es wahrscheinlich nicht, denn er war schließlich ein Mann, und ihn hatten ganz sicher nicht zeit seines Lebens irgendwelche Vorschriften oder Verbote regelrecht erstickt. Obwohl er natürlich erwarten würde, dass sie völlig entgeistert von dem Schmutz und von der Unanständigkeit wäre, der sie auf Geheiß ihres Beschützers ausgeliefert war.
Doch sie hatte die Befürchtung, dass sie ganz allmählich regelrecht Gefallen an diesem anrüchigen Treiben fand.
Es war bereits fast dunkel, als sie eine Bar betraten, neben deren Eingang auf einem Schild zu lesen war: »FÜNFZIG WUNDERSCHÖNE FRAUEN UND EINE –«
»– deren Geschlecht nicht sicher festzustellen ist?«, las Juliet laut, bevor sie von der von Laternen erleuchteten Straße ins Dämmerlicht des Ladens trat. »Was um Himmels willen hat das zu bedeuten?« Da ihr jedoch laute Musik aus dem Innern des Lokals entgegenschlug, erwartete sie keine Antwort.
Sonnenuntergang hieß nicht, dass die mörderische Hitze abnahm, und da die Belüftung dieser Kneipe einzig aus zwei langsam rotierenden Deckenventilatoren bestand, stolperte Juliet mit glühend heißem Kopf hinter Beau in Richtung Theke, wo eine rauchige Stimme sie mit einem »He, Beauregard. Du kommst gerade zur rechten Zeit – du bist genau der, den ich brauche« in Empfang nahm.
»He, Shell-Ellen, wie geht’s? Du siehst wirklich gut aus.«
»Genau wie du. Sehr gut.« Die Frau bedachte ihn mit einem verführerischen Lächeln, atmete tief ein, straffte ihre Schultern und streckte ihre beeindruckende, mit Sommersprossen übersäte Brust so weit es ging nach vorn. »Beau, Süßer, du müsstest mir eine klitzekleine Gefälligkeit erweisen. Weißt du, ich habe vor ein paar Tagen einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens zugeschickt bekommen –«
»Shell, ich habe dir bereits beim letzten Mal gesagt, dass es das letzte Mal war. Du musst einfach lernen, langsamer zu fahren.«
»Oh, bitte. Das sagt gerade der Richtige«, murmelte Juliet.
Beau rammte ihr einen Ellenbogen in die Seite, und die Frau hinter der Theke sah sie fragend an. »Und wer ist deine kleine Freundin, Beau?«
Juliet war darauf gefasst, dass auch dieses Mal die Geschichte von Cousine Juliet käme, aber Beau war offenbar ein Mann, der sich nicht gerne wiederholte, und so zog er seine schwarzen Brauen in die Höhe und fragte mit erstaunter Stimme: »Du willst mich wohl veräppeln. Jetzt sag bloß nicht, dass du sie nicht erkennst – die berühmte Rosebud La-Tush und ihre wunderbaren Fächer. Sie ist hier, um einen Kerl zu treffen, mit dem sie wegen eines Jobs verabredet ist.«
»Ach ja?« Shell-Ellen sah Juliet ein wenig skeptisch an. »Dann musst du wirklich eine Supershow abziehen, Schwester, denn auch wenn du ziemlich lange und vielleicht sogar wohlgeformte Beine hast, ist es um deine Titten wohl eher schlecht bestellt.«
»Wie bitte –«
»Die braucht sie nicht«, beeilte sich Beau, Shell-Ellen zu versichern, und wandte sich Juliet mit blitzenden Augen zu. »Los, zeig ihr deine Fächer, Rosenknospe.«
Juliet rollte mit den Augen. »Das findet er ganz einfach witzig«, erklärte sie der anderen Frau und zuckte, als diese sie verwundert ansah, gleichmütig mit den Schultern. »Aber in einem kleinen Hirn ist eben auch nur Platz für bescheidene Ideen – und was soll ich sagen? Man kann sich eben nicht immer aussuchen, von wem man sich bewachen lässt.«
»Das könntest du durchaus, wenn du nur endlich einmal deinen hübschen Hintern schwingen und dich auf die Suche nach dem richtigen Wachhund machen würdest. Der Wachhund kann sich das Objekt, das er bewachen soll, ja wohl nicht selbst aussuchen.«
Juliet hatte sich inzwischen derart an die verführerische Hintergrundmusik in den Striplokalen gewöhnt, dass sie sie abgesehen davon, dass die Klänge ihre Glieder weicher werden ließen, nicht mehr bewusst wahrnahm. Der plötzliche Trommelwirbel allerdings sowie die laute Männerstimme, von der die nächste Darbietung angekündigt wurde, waren nicht zu überhören. »Und nun, Ladies and Gentlemen, die Person, auf die Sie alle gewartet haben – Ms Lola Benoit!«
Im Rhythmus der dröhnenden Klänge eines Basses erschien auf der Bühne eine atemberaubende Frau. Anders ließ sie sich ganz einfach nicht beschreiben. Sie war über einen Meter achtzig groß, hatte kastanienbraune, sanft gewellte Haare, milchig weiße Haut und eine von ihrem hautengen, leuchtend blauen Abendkleid noch vorteilhaft betonte, sehr üppige Figur. Sofort wandten sich ihr alle Blicke zu, und auch Juliet zog es automatisch in Richtung des erhöhten Podiums, auf dem die Erscheinung stand.
Erst als die Stripperin mit langsam rotierenden Hüften am Rand der Bühne direkt vor ihr zum Stehen kam, wurde Juliet bewusst, dass Beau ihr hinterhergekommen und dass Lola extra seinetwegen direkt vor sie getreten war.
Durch die Schlitze ihres Kleides sah man ihre wohlgeformten Schenkel, als sie sich, ohne das Kreisen ihrer Hüften auch nur einen Augenblick zu unterbrechen, auf die Fersen sinken ließ und langsam und verführerisch einen langen, weißen Handschuh von ihrem schlanken, ausgestreckten Arm in Richtung ihrer Fingerspitzen schob. Dann hielt sie das Stück in ihren ausgestreckten Händen, beschrieb mit ihren Armen sinnlich runde Achten, richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf, ging nochmals in die Hocke und stand dann langsam wieder auf. Schließlich sank sie mit gespreizten Beinen abermals auf ihre Fersen, ließ den langen weißen Handschuh weich von ihren Fingerspitzen baumeln, hängte ihn mit einem leisen Lächeln Beau über die Schulter, stand geschmeidig wieder auf und schlenderte zu einem anderen Mann hinüber, dem sie ihren zweiten Handschuh überließ. Dann kehrte sie zurück in die Mitte des Podests, schlang beide Arme nacheinander um sich, riss sie wieder auseinander und teilte dabei mit einem Ruck ihr Kleid, so dass sie nur noch in einem knappen, seidig schimmernden Höschen und Zehn-Zentimeter-Stöckelschuhen auf der Bühne stand. Sie warf das Kleid zur Seite, ließ die Schultern kreisen und versetzte dadurch das Publikum, auch wenn ihre Brüste sich nicht im Mindesten bewegten, in einen regelrechten Rausch. Die Frage der Echtheit ihres Fahrgestells war diesen Menschen eindeutig egal.
Juliet war vollkommen fasziniert und schwenkte unbewusst die eigenen Hüften, während sie mit angehaltenem Atem zusah, wie Lola ihre Zuschauer dadurch vollends in ihren Bann zog, dass sie tat, als wolle sie auch noch das letzte ihrer Kleidungsstücke ausziehen, bevor sie eine komplizierte Drehung ihrer Hüfte darbot, die das Stoffstück ihrer Hand entzog.
Doch die Musik schwoll immer weiter an, und schließlich riss Lola im blauen Licht der Bühne mit einer schwungvollen Bewegung auch noch das Höschen fort.
»Oh, mein Gott«, entfuhr es Juliet schwach.
Denn jetzt hatte Lola nur noch einen winzig kleinen Stringtanga am Leib, unter dem man deutlich männliche Geschlechtsteile nach außen drängen sah. Als die Frau – der Mann – das Wesen von der Bühne abtrat, rang Juliet erstickt nach Luft.
»Komm schon, Engelsgesicht«, hörte sie Beaus Stimme dicht an ihrem Ohr. »Ich nehme dich mit hinter die Bühne und stelle dich ihr vor.«
Als sie ihn so verwundert ansah, als wüsste sie nicht einmal mehr genau, wer er überhaupt war, empfand er keinerlei Befriedigung über diese ganz besondere Überraschung, die ihr auf sein Betreiben hin zuteil geworden war. Trotzdem nutzte er ihre Verwirrung und zog sie hinter sich her in Richtung der Garderobe. Je eher Fräulein Juliet einen anderen Leibwächter verlangte, umso besser wäre es für sie beide.
Bis er jedoch bei Lola klopfte, hatte Juliet sich bereits wieder gefangen, sah ihn herablassend und zugleich forschend an und machte, als eine helle Stimme gut gelaunt »Herein« rief, ein durchaus freundliches Gesicht.
Lola saß mit übereinander geschlagenen Beinen in einem lose um die Taille gebundenen Seidenkimono am Ankleidetisch. Auf einem Drahtgestell hing die braune, gelockte Perücke, und ihre eigenen Haare steckten unter einem schwarzen Nylonstrumpf, der an den Enden abgeschnitten war. Als die Künstlerin Beau erblickte, hielt sie im Abschminken inne und rief fröhlich: »Aber hallo.«
»He«, antwortete Beau und zog Juliet mit sich in den Raum. »Das hier ist Juliet Astor Lowell. Sie wollte dich unbedingt kennen lernen.«
»Hmmm«, antwortete Lola ohne merkliches Interesse.
»Ihre Show war wirklich wunderbar«, erklärte Juliet leise, zögerte eine Sekunde und fügte dann hinzu: »Mir war gar nicht bewusst, dass ein Striptease derart poetisch sein kann.«
Lola löste ihren Blick von Beau und wandte sich ihr zu. »Nun, vielen Dank, Schätzchen. Das ist wahrscheinlich das Netteste, was je ein Mensch zu mir gesagt hat.« Dann sah sie sie genauer an. »Oh, Schätzchen, du hast selber wirklich Potenzial.«
Beau zog unbehaglich seine Schultern an. »Das ist Juliet egal.«
Auch wenn der interessierte Blick, mit dem sein Schützling Lolas grelle Aufmachung bedachte, eher das Gegenteil verriet. »Ihr Make-up ist exquisit, oder besser noch perfekt. Sie scheinen sich mit diesen Dingen wirklich auszukennen, denn es ist nicht gerade einfach, genau das rechte Maß zu finden, damit es weder fade noch übertrieben wirkt.«
»Das ist die Voraussetzung für meinen Ruhm.« Doch mit einem wehmütigen Blick in Richtung ihres Schoßes fügte Lola noch hinzu: »Oder besser eins der Dinge, die dafür unabdingbar sind. Aber im Grunde habe ich ganz einfach Spaß daran, mich möglichst hübsch zu schminken.« Dann sah sie Juliet prüfend ins Gesicht. »Du solltest dir die Lippen schminken, Schätzchen. Es gibt Frauen, die geben jede Menge dafür aus, solche vollen Lippen zu bekommen; also solltest du sie nach Möglichkeit betonen. Und wenn ich solche Haare hätte, würde ich sie ganz bestimmt nicht so wie du verstecken.« Sie wandte sich ab, um zwischen den Kosmetika auf ihrem Tisch herumzuwühlen, und Beau warf einen Blick auf Juliets Haar. Es war weicher, dichter, steckte in keinem ganz so straffen Knoten wie am Morgen, und die sanften Wellen verliehen der honiggoldenen Fülle einen zusätzlichen Glanz.
Bereits vor ihrem Besuch bei Lola war es ihm schon schwer gefallen, das Potenzial zu übersehen, das Juliet besaß. Er brauchte es ganz sicher nicht, dass jemand noch herausstrich, was für wunderbare Möglichkeiten der Betonung ihrer körperlichen Reize es für seinen Schützling gab. Es war vollkommen absurd, dass er sich überhaupt zu einem Typ wie Juliet Rose hingezogen fühlte, doch war dies anscheinend sowieso ein durch und durch absurder Tag.
Lola hatte ihre Suche inzwischen beendet und hielt einen Lippenstift in ihrer ausgestreckten Hand. »Hier, probier den mal. Das ist genau deine Farbe.«
»Nein!« Beau war beinahe panisch. Einzig die Tatsache, dass Juliet viel zu bieder wirkte, um für ihn interessant zu werden, hatte ihn an diesem bereits unangenehmen Nachmittag vor Schlimmerem bewahrt.
Glücklicherweise trat sie gleichzeitig mit seinem Nein einen kleinen Schritt zurück. »Oh, das kann ich nicht.«
Lolas Augen wurden kalt, und sie warf den Lippenstift zurück auf den Tisch. »Natürlich nicht. Denn schließlich kann man nie wissen, wo mein Mund schon überall gewesen ist, nicht wahr?«
»Nein«, widersprach ihr Juliet in ruhigem, würdevollem Ton. »Weil Großmutter mir eingetrichtert hat, dass man niemals seine persönlichen Körperpflegemittel teilt, und eine solche jahrelange Gewohnheit legt man nicht so einfach ab.«
Sofort hellte sich Lolas Miene wieder auf. »Oh, Schätzchen, das ist wirklich gut – das klingt unglaublich schick. Wo, sagst du, hast du sie gefunden?«, wandte sie sich an Beau. »Warte, warte!« Sie wühlte in der Schublade des Tischs herum, fand schließlich, was sie suchte, und hielt Juliet einen kleinen Pinsel hin. »Wie wäre es damit? Er ist brandneu, und guck, ich wische die oberste Lippenstiftschicht einfach ab.« Wieder griff sie nach dem Stift, drehte einen Zylinder in einem bräunlichen Rosaton heraus und kratzte ohne jeden Skrupel eine dichte Schicht von seinem Ende ab.
Juliet zögerte noch kurz, dann aber beugte sie sich vor, nahm den Pinsel entgegen, strich damit über die cremig weiche Farbe, formte ein großes O mit ihrem Mund, blickte in den Spiegel und trug erst vorsichtig und dann entschieden die Tönung auf ihre Lippen. Dann drückte sie den Pinsel wieder Lola in die Hand, presste ihre Lippen aufeinander, legte den Kopf etwas zurück und sah sich das Ergebnis ihres Vorgehens kritisch im Spiegel an.
Schließlich verzog sie ihren rosigen Mund zu einem breiten Lächeln, das ihre weißen Zähne vorteilhaft zur Geltung brachte, und erklärte: »Es gefällt mir.«
Beau hätte, da es ihm ebenfalls gefiel, am liebsten laut gejault.
Juliet drehte den Lippenstift herum, las den Namen des Herstellers vom Schildchen auf dem Boden ab und sagte zu Lola: »Sie haben sich wahrscheinlich schon gedacht, dass ich nicht von hier bin. Könnten Sie mir also vielleicht sagen, wo es diesen Lippenstift zu kaufen gibt?«
»Bei Dillards, Schätzchen. Wahrscheinlich auch bei Saks, aber dort kennen sie mich nicht. Geh also besser zu Dillards«, meinte sie entschieden, »und sag, Lola Benoit hätte dich geschickt.«
»Das werde ich machen, Lola, danke.« Sie beide plauderten noch etwas miteinander, und während ihr Bewacher gereizt, nervös und einfach völlig durcheinander zusah, gab sie ihrer neuen Bekannten zum Abschied freundlich lächelnd die Hand.
Dann zog sie die Tür von außen hinter sich zu und wandte sich mit einem Lächeln, das deutlich kühler war als vorher, ihrem Bewacher zu: »Halten Sie mich nicht für eine Närrin. Glauben Sie allen Ernstes, ich wäre derart dumm? Tja, dann sollten Sie sich eines Besseren besinnen, denn mir ist durchaus aufgefallen, dass Sie sich in den letzten Läden, in denen wir gewesen sind, kein Mal nach Clyde Lydet erkundigt haben, weshalb ich langsam glaube – hören Sie mir eigentlich zu? Was starren Sie mich so an?«
»Ich starre überhaupt nicht«, erklärte er beleidigt, während er zugleich mit seiner Zunge über seine trockenen Lippen strich. Er zwang seinen Blick von ihrem allzu anziehenden Mund in Richtung ihrer Augen, wurde dann jedoch von ihren Haaren abgelenkt. Mein Gott, waren sie tatsächlich noch dichter und noch welliger geworden?
»Wie gesagt, allmählich glaube ich, dass Sie mich nur deshalb durch all diese Lokale schleifen, um mir die schmutzigere Seite Ihrer Stadt zu zeigen. Bilden Sie sich etwa allen Ernstes ein, die Luft, die ich gewöhnlich atme, wäre derart dünn, dass ich sofort einen Asthmaanfall kriege, sobald ich in einen dieser Schuppen komme, die anscheinend Ihre Lieblingslokale sind?«
»Das hat nichts mit Einbildung zu tun, Süße.«
»Oh, wie gut Sie mich doch kennen«, erklärte sie sarkastisch. »Und das bereits nach einem Tag.«
Sein Blut begann zu kochen, und er trat entschieden auf sie zu. »Ich weiß, dass du mein Leben auf den Kopf stellst, und ich will, dass das so schnell wie möglich aufhört. Geh also zu Pfeffer, Fräulein Lowell, und verlang nach einem anderen Wachhund, sonst lernst du mich von einer Seite kennen, die dir ganz bestimmt nicht mehr geheuer ist.«
Sie starrte ihn erst ungläubig und dann so angewidert an, als wäre er ein ekelhaftes Schleimstück, das vor ihren Augen aus dem Gulli geflossen war.
»Jetzt werde auch ich Ihnen einmal etwas sagen, Sergeant Dupree«, erklärte sie ihm schließlich. »Halten Sie einfach die Luft an, während ich darüber nachdenke, okay?« Damit schob sie ihn beiseite und marschierte auf ihren endlos langen Beinen zornbebend davon.