Читать книгу Immer Ärger mit den Männern / Mach mich glücklich - Susan Andersen - Страница 16

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Wie konntest du nur derart närrisch sein? Die Strahlen der Morgensonne warfen durch die Jalousien Streifen hellen Lichts auf das schimmernde Parkett, als Juliet vor ihrem Spiegel stand und sich zornig mit einer Bürste durch die Haare fuhr. Nein. Der Ausdruck »närrisch« wurde ihrem Verhalten nicht annähernd gerecht. Du bist einfach dumm gewesen, Juliet. Fürchterlich, entsetzlich dumm!

Wie an jedem Morgen steckte sie ihr Haar zu einem festen Knoten und zog es dabei derart straff, dass sie regelrechte Schlitzaugen bekam. Es war einfach unglaublich! Sie, Juliet Rose Astor Lowell, hatte mit einem hoffnungslos sexbesessenen Cop, den sie seit genau zwei Tagen kannte, wie ein schlecht erzogener Teenager geknutscht. Auf dem Vordersitz von einem Auto! Großer Gott, mit einem Mann, der ihr überdeutlich gemacht hatte, dass er das Zusammensein mit ihr als eine lästige Pflicht betrachtete, die er lieber heute als morgen los war.

Und als wäre das nicht bereits schlimm genug, hatte ein Motorradpolizist, der ausgesehen hatte wie ein kleiner Junge und der gerade vom Dienst gekommen war, sie auch noch dabei erwischt.

Obgleich sie ihre Zähne aufeinander presste, drang ein leises Stöhnen aus ihrem halb offenen Mund, als sie daran dachte, wie wissend dieser Polizist ihr zerknittertes Kleid betrachtet hatte, während Beau auf der Suche nach seinem eigenen Dienstausweis gewesen war. Eins musste sie Beau lassen, er hatte den Blick seines Kollegen mit einem völlig reglosen Gesichtsausdruck quittiert, worauf der junge Mann ihn, wenn auch etwas steif, angewiesen hatte, den Parkplatz zu verlassen. Doch wie in aller Welt sollte sie Beau jemals wieder gegenübertreten? Wenn sie daran dachte, wie sie sich unter seinen Liebkosungen stöhnend an ihn geklammert hatte, wie sie seiner Hand durch Spreizen ihrer Schenkel entgegengekommen war ...

Die körperliche Nähe zu einem anderen Menschen war für sie etwas völlig Fremdes, und die Männer, die sich in ihrer Welt bewegten, hatten das auch immer respektiert. Sie waren ... anspruchslos und kultiviert. Sie hatten keine heißen Hände, keine drängenden Münder und keine rabenschwarzen Augen. Sex mit ihnen war ein seltenes, zivilisiertes Unterfangen, doch hatte sie bisher sicher angenommen, das läge an ihr selbst. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass sie zu wilden, unkontrollierten Emotionen fähig war. Dass urplötzlich eine ungeahnte Hitze durch ihren Körper ziehen könnte, die ihn anschwellen, feucht werden und leidenschaftlich pochen ließ.

Sie hatte nicht gewusst, dass das Verlangen einen Menschen derart verwandeln konnte, dass er sich selbst dann nicht mehr erkannte, wenn er in einen Spiegel sah.

Als sähe sie sich selbst mit einem Mal so wie am letzten Abend, wandte sie sich eilig von ihrem Spiegel ab und ging in Richtung Schrank. Sie war geistig verwirrt gewesen, das war sicher alles. Die fieberhafte Erregung, die sie am Vorabend ergriffen hatte, war einzig ein Nebenprodukt der wilden Verfolgungsjagd auf der regennassen Autobahn gewesen, an der sie beteiligt gewesen war. Ein kleiner Fehltritt, der nichts zu bedeuten hatte.

Weniger als nichts.

So etwas käme niemals wieder vor.

Sie nahm einen blass goldenen, knöchellangen Leinenrock und eine hauchdünne, tief ausgeschnittene Tunika aus ihrem Schrank, zog beides eilig an, zupfte den wundervollen, spitzenbesetzten Saum des ärmellosen Oberteils zurecht und wählte aus ihrer Schmuckschatulle eine lange, einreihige Perlenkette und winzige, dazu passende Stecker für die Ohren aus. Dann zog sie ihren wattierten Satinwäschebeutel auf, suchte ein paar elfenbeinfarbene Strümpfe, nachdem sie jedoch auf ihrem Sessel Platz genommen hatte, um sie anzuziehen, starrte sie reglos auf die spitzenbesetzten Gummibänder, die schlaff von ihrer Hand herunterhingen, und stand entschieden wieder auf.

Es war ihr egal, wie sehr es sie danach verlangte, wieder ihr altes Selbst zu sein. Sie brächte es einfach nicht über sich, die Dinger anzuziehen. Die Hitze in dieser Stadt war bereits grauenhaft, ohne dass sie ihr Elend durch das Tragen blöder Nylonstrümpfe noch verstärkte, durch die nicht der kleinste Lufthauch an ihre Beine drang. Stattdessen nahm sie ein paar flache, elfenbeinfarbene Lederschuhe aus dem Schrank, bestäubte sie innen mit Puder und zog sie eilig an.

Roxanne saß bereits an ihrem Schreibtisch, und so blieb sie, als sie sich wenige Minuten später in ihr Büro begeben wollte, kurz bei ihrer Assistentin stehen.

»Tut mir Leid, dass ich Sie gestern einfach im Stich gelassen habe.«

»Kein Problem.« Roxanne küsste die zusammengelegten Fingerspitzen ihrer linken Hand und bedachte Juliet mit einem breiten Grinsen. »Wenn ein so schnatzer Kerl wie dieser Dupree mich mitnehmen wollte, hielten mich auch keine zehn Pferde davon ab, ihn zu begleiten.«

Juliet fing hysterisch an zu lachen. Am liebsten hätte sie Roxanne ein paar Fragen über Männer, Frauen und deren intimes Zusammensein gestellt, nur dass eine Astor Lowell selbstverständlich niemals über solche Dinge sprach.

Gott, was waren die Astor Lowells doch für Spießer. Weshalb war es so verdammt bedeutsam, sich an all diese strengen Regeln und Vorschriften zu halten, von denen man den Eindruck haben konnte, sie gälten ausschließlich für sie? Oh und natürlich für ihresgleichen. Fest entschlossen, endlich einmal die Vorstellungen über Bord zu werfen, mit denen sie aufgewachsen war, atmete sie langsam ein und hörbar wieder aus.

Sie musste entdecken, dass die gründliche Erziehung, die sie jahrelang genossen hatte, nicht so einfach abzuschütteln war. »Wie ging es mit Celeste weiter, nachdem ich gegangen war?«

»Sie war ziemlich ruhig und furchtbar steif. Aber wir haben alle noch offenen Fragen bezüglich des Terminplans hinreichend geklärt.«

»Sie sind einfach ein Genie, Roxanne. Erinnern Sie mich daran, bei der Personalabteilung eine Gehaltserhöhung für Sie zu beantragen, wenn wir wieder zu Hause sind.«

»Warum sollen wir so lange damit warten?« Roxanne bedachte sie mit einem gewieften Lächeln. »Rein zufällig habe ich das entsprechende Formular bei meinen Akten.« Eilig wühlte sie in ihren Unterlagen und hielt Juliet einen Moment später besagten Antrag hin.

Juliet lachte. »Ich fülle ihn sofort aus. Rufen Sie in der Zwischenzeit bitte bei Brentano’s an. Sie hätten die Gläser für die Bar schon vor zwei Tagen liefern sollen, und die Dinger sind immer noch nicht da.« Sie machte sich auf den Weg in Richtung ihres eigenen Büros, blieb dann jedoch noch einmal stehen, drehte sich zu ihrer Assistentin um und fragte: »Würden Sie mir vielleicht einen Gefallen tun?«

»Sicher.«

»Würden Sie bei Dillards anrufen und mir einen Cliniquelippenstift bestellen? Farbton Traube.«

»Sie wollen einen leuchtend roten Lippenstift?«

»Er ist nicht leuchtend rot, sondern traubenfarben, wie der Name bereits sagt.«

Roxanne bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick. »Uh, ja. Ich wette, dass der Ihnen super steht. Wie sind Sie darauf gekommen?«

»Eine äußerst ... interessante ... Person hat ihn mir gestern empfohlen. Schicken Sie unseren Chauffeur hin, damit er ihn abholt.«

Juliet wusste, dass Roxanne sie derart eigentümlich ansah, weil sie nie zuvor irgendwelche Angestellten darum gebeten hatte, Privataufträge für sie zu erfüllen. Falls ihre Großmutter jemals etwas davon erführe, wäre sie sicher sehr enttäuscht, doch entgegen aller Vernunft verspürte sie noch leichte Überreste der Aufsässigkeit vom Vortag und tat ihre Sorge, ob es unanständig wäre, dass sie Roxanne um diese Gefälligkeit bat, mit einem Schulterzucken ab.

»Ich werde beide Anrufe sofort erledigen.«

Juliet hielt das Antragsformular für die Gehaltserhöhung in die Luft. »Und ich werde das hier ausfüllen. Das Klügste, was ich je gemacht habe, war, Sie zu engagieren.«

Anschließend sprach Juliet mit dem Leiter der Gruppe, die neue Thermostate in den Gästezimmern installierten, und eine Stunde später waren sie und Roxanne in die Klärung organisatorischer Einzelheiten vertieft, als der Chauffeur mit ihrem Päckchen kam. Roxanne wartete kaum, bis er den Raum wieder verlassen hatte, bevor sie sich über den Schreibtisch beugte und ihre Chefin bat: »Probieren Sie ihn aus. Lassen Sie mich gucken, wie er Ihnen steht.«

Nachdem Juliet dieser Bitte nachgekommen war, lehnte sich Roxanne auf ihrem Stuhl zurück und pfiff leise durch die Zähne. »Heiliges Kanonenrohr, Mädel. Sie sehen fantastisch aus.«

Juliet lächelte verlegen. »Danke. Mir gefällt die Farbe ebenfalls sehr gut.«

Noch während sie mit ihren Händen den dünnen Stoff der Tunika über ihren Hüften glatt strich, klopfte Celeste an die offene Tür und betrat hoch erhobenen, tadellos frisierten Hauptes mit kerzengeradem Rücken das Büro. »Auf der anderen Flussseite findet der Empfang der historischen Gesellschaft statt, und an der Fähre muss man häufig warten«, verkündete sie in gebieterischem Ton. »Falls Sie also bereit sind, Edward und mich zu begleiten – die Limousine wartet.«

»Oh, Celeste, es tut mir Leid, ich hätte es Ihnen sagen sollen.« Juliet erhob sich von ihrem Platz hinter dem Schreibtisch. »Fahren Sie und Edward bitte schon mal vor. Ich werde von Sergeant Dupree dorthin gebracht.« Falls er nach dem gestrigen Abend nicht längst schon über alle Berge war.

»Sergeant Dupree?« Celeste hätte nicht überraschter klingen können, wenn Juliet zugegeben hätte, dass sie über eine private Kleinanzeige zu ihrem Begleiter gekommen war.

»Ja, Sie erinnern sich bestimmt, Sie haben ihn gestern getroffen.«

»Dieser schlecht erzogene junge Mann, der unser Treffen unterbrochen hat, ist ein Sergeant? Ein Polizist?«

»Sozusagen das Aushängeschild der Polizei von New Orleans, Ma’am«, erklärte Beau aus Richtung Tür, und mit rotem Kopf fuhr Juliet zu ihm herum.

Natürlich war die in ihr aufwogende Hitze einzig eine Folge der Verlegenheit, die sie empfand. Er hingegen schien nicht im Geringsten verlegen zu sein, bemerkte sie und überlegte, weshalb sie befürchtet hatte, dass er vielleicht nicht käme. Wahrscheinlich zerrte er ständig irgendwelche Frauen über die Mittelkonsole seines Wagens, um sie halb ohnmächtig zu küssen, dachte sie, und die Röte in ihrem Gesicht nahm tatsächlich noch ein wenig zu.

Seine schmalen Wangen glänzten frisch rasiert, auch wenn ein leichter dunkler Schatten bereits jetzt die Stellen markierte, an denen im Verlauf des Tages mit Bartwuchs zu rechnen war. In der gebügelten, schwarzen Freizeithose, dem kurzärmligen, kakaobraunen Seidenhemd und der hellbraunen Krawatte, deren Knoten noch nicht ganz unter seinem Adamsapfel saß, wirkte er beinahe schick. Einzig seine braunen, knöchelhohen, mit gummierten Spitzen versehenen Turnschuhe passten nicht zu dem eleganten Bild ... dachte sie zumindest, bis er sich, um sich an Celeste vorbeizuschieben, leicht zur Seite drehte und sie gleichzeitig entsetzt und fasziniert eine Ecke seines ledernen Waffenhalfters und den in Höhe seiner linken Hüfte in die Luft ragenden bedrohlichen Knauf einer Pistole sah.

»Ist das wirklich nötig?«, fragte sie und nickte kurz in Richtung seiner Waffe.

»Wie soll ich dich wohl ohne dieses Ding beschützen, Süße? He, ich habe den erschreckenden Brief dieses Menschen gelesen, dem es offenbar missfällt, dass du diesen alten Kasten in ein Hotel verwandelt hast.« Spöttisch zog er eine seiner schwarzen Brauen in die Höhe. »Bei diesem Empfang der historischen Gesellschaft könnte also alles Mögliche passieren, und die Sache könnte wirklich hässlich werden, also bin ich lieber gewappnet.« Inzwischen hatte er sich, wie gewöhnlich viel zu dicht, vor Juliet aufgebaut.

»Sie finden das wirklich lustig, oder?«

»Oh, ja, ich bin total verrückt danach, mit einer Krawatte rumzulaufen.« Dann blickte er mit einem Mal mit zusammengekniffenen Augen auf ihren Mund und fragte sie mit barscher Stimme: »Woher kommt der Lippenstift? Ich habe ausdrücklich gesagt, dass du das Hotel nicht ohne mich verlassen sollst. Auch wenn wir beide finden, dass der Auftrag, dich zu schützen, eine reine Farce ist, nehme ich auch in diesem Fall meine Arbeit durchaus ernst.«

Juliet starrte ihn betroffen an, weshalb Roxanne für sie erklärte: »Sie hat das Hotel nicht verlassen. Wir haben den Lippenstift bei Dillards bestellt und abholen lassen.«

»Oh.«

»Woher in aller Welt wissen Sie überhaupt, dass er neu ist? Tja, ich nehme an, bei der Polizei wird man dafür bezahlt, dass einem nichts verborgen bleibt.«

Eine dumpfe Röte stieg in sein sonnengebräuntes Gesicht, doch eine Antwort blieb ihm dank Celeste erspart.

»Wenn wir nicht zu spät kommen wollen, sollten wir jetzt besser fahren«, erklärte sie entschieden und hielt Juliet einen Zettel hin. »Hier ist eine Liste der Gäste, die von Bedeutung sind. Ich habe eine kurze Biographie der einzelnen Personen beigefügt. Eigentlich wollte ich sie mit Ihnen auf der Fahrt durchgehen, aber so müssen Sie sie eben einfach selber lesen.«

Beau entfuhr ein Schnauben und Juliet wandte sich ihm zu. »Benehmen Sie sich, auch wenn das vielleicht eine völlig neue Erfahrung für Sie ist.« Sie nahm den Zettel von Celeste entgegen. »Danke. Das wird mir sicher eine große Hilfe sein.«

»Oh ja, sicher. Schließlich will man niemanden ignorieren, der vielleicht bedeutsam ist.« Beau packte sie am Handgelenk und stapfte Richtung Tür. »Wer als Erster da ist«, forderte er Celeste vor dem Hinausgehen heraus und verzog den Mund zu einem breiten, barbarischen Grinsen, als sie ihn böse ansah.

»Nenn mich meinetwegen paranoid, Rosenknospe«, erklärte er, während er Juliet über den blanken Marmorboden der Eingangshalle zog. »Aber ich könnte mir vorstellen, dass dich diese Frau nicht mag.«

Celeste arbeitete sich durch die Versammlung in dem alten, noch vor dem amerikanischen Bürgerkrieg entstandenen Herrensitz, indem sie wie eine Politikerin bei einer Wahlkampfveranstaltung lächelnd und plaudernd von einer Gruppe zur nächsten schlenderte und Juliet den wichtigeren Leuten vorstellte, wann immer sie in ihre Nähe kam. Sie wusste, dass sie äußerlich wie immer wirkte, innerlich jedoch war sie vollkommen panisch. Der rüpelhafte junge Mann mit dem respektlosen Benehmen eines echten Proleten war ein Polizist.

Das war eine Katastrophe. Anscheinend war es ein grober Fehler gewesen, dem Unternehmen einen Drohbrief zukommen zu lassen. Aber der Gedanke, dass das Heim ihrer Vorfahren in eine stillose Yankeeabsteige verwandelt werden sollte, hatte einen solchen Zorn in ihrem Innern wachgerufen, dass sie, obgleich sie wusste, dass es völlig sinnlos wäre, einfach dem Verlangen nachgegeben hatte, ihren Protest schriftlich zu formulieren. Oje. Wie hatte ihr ein solcher Fehler unterlaufen können? Ihr impulsives Vorgehen hatte ihr eindeutig mehr geschadet als genützt.

Celeste tauschte ein paar oberflächliche, unehrliche Schmeicheleien mit May Ellen Beudrey aus – diese hatte ihr die Tatsache, dass sie ihr den schneidigen Lieutenant Grayson auf dem Debütantinnenball 1956 ausgespannt hatte, bis heute nicht verziehen –, dann sah sie sich verstohlen um, bis sie Sergeant Dupree entdeckte, und verfolgte, wie er ein Häppchen von einem der Tabletts nahm, es argwöhnisch aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtete und es sich schließlich verächtlich in den Mund warf.

Es war einfach nicht akzeptabel, ständig der Gesellschaft eines rüden, impertinenten Polizisten ausgeliefert zu sein, der keinerlei Respekt vor höher gestellten Wesen und nicht das mindeste Bewusstsein für seine eigene Stellung in der Gesellschaft hatte. Celestes Blick wanderte weiter in Richtung ihres Mannes, der zusammen mit Marcus Landry in der Eingangshalle stand und sich ohne Zweifel über den besten Dünger für Bougainvilleen unterhielt, und sie verzog den Mund zu einem Lächeln.

Bereits als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass er der Richtige für sie war. Sie führten die perfekte Ehe, eine Ehe, an der sich die jungen Leute heutzutage ruhig ein Beispiel nehmen sollten.

Nur einmal, vor Jahren, hatte es ein Problem zwischen ihnen gegeben, und zwar bezüglich ihrer »ehelichen Pflichten«. Sie fand diesen Teil der Ehe selbst in den besten Augenblicken einfach widerwärtig, Edward aber hatte die absurde Vorstellung entwickelt, sie gäbe sich ihm nicht nur nachts, sondern auch bei hellem Tageslicht hin, und nicht nur im Bett, wo es zumindest halbwegs angemessen schien, sondern auch an irgendwelchen anderen Orten. Einige der von ihm versuchten Dinge waren einfach unanständig, doch nachdem sie ihm die Vorstellung erfolgreich ausgetrieben hatte, dass sie ein solches Mädel wäre, hatte sich alles bestens eingespielt. Deshalb war ihre Ehe inzwischen seit Jahren mustergültig.

Auch wenn er seit kurzem Damenunterwäsche sammelte. Sie hatte keine Ahnung, was sie dagegen unternehmen sollte. Edward hatte keine Ahnung, dass sie etwas von seiner Neigung wusste, und es gab ganz sicher keinen Grund, dass sie von sich aus dieses Thema ansprach. Solche Geheimnisse wurden nicht besprochen, sondern sorgfältig bewahrt. Schließlich hatte er die Unterwäsche ganz eindeutig nicht von jungen Frauen aus gutem Haus bekommen, deshalb war es sicherlich nicht weiter schlimm.

Solange niemand aus der besseren Gesellschaft je etwas davon erfuhr. Es war bereits schwer genug, mittellos zu sein. Doch das war hier im tiefen Süden, wo verarmter Adel als eigene Kunstform galt, durchaus akzeptabel. Edwards kleinem Hobby gegenüber aber legte man vielleicht kein solches Verständnis an den Tag.

Wieder sah sie sich nach dem Detective um. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass er Teil ihres Lebens geworden war. Er war eine Bedrohung für den Status quo, und das konnte sie einfach nicht dulden, doch was sollte sie dagegen tun?

Dann richtete sie sich urplötzlich kerzengerade auf.

Nun. Sie könnte immer noch denselben Trick anwenden wie damals mit sechzehn, als sie vom Chauffeur ihres Vaters zurückgewiesen worden war. Zugegeben, das war ziemlich lange her, doch sie hatte ein glänzendes Gedächtnis, und so fiele ihr, wenn sie nur richtig überlegte, sicher alles wieder ein. Schließlich war sie eine Butler; und es gab kaum etwas, was sie nicht schaffte, wenn sie es sich erst in den Kopf gesetzt hatte.

Mit einer Entschuldigung in May Ellens Richtung überlegte sie, was sie unternehmen könnte, damit Sergeant Dupree ein für alle Male aus ihrer aller Leben verschwand.

»Gibt es hier denn nichts zu essen, was größer als eine Vierteldollarmünze ist?«

»Benehmen Sie sich, Beauregard, dann bekommen Sie von mir, wenn das Fest vorbei ist, einen dicken, fetten Hamburger gekauft.«

Beau schob sich einen Finger unter die Krawatte, lockerte den Knoten, wandte sich mit gebleckten Zähnen an eine ältere Dame, die mit missbilligendem Blick auf ihn zugesegelt kam, und konnte verfolgen, wie sie eilig abbog, um jemand anderen zu tadeln, der sich nicht ordentlich benahm. Dann lenkte er seinen Blick erneut auf Juliet, die amüsiert den Mund verzogen hatte, beugte sich zu ihrem Ohr und fragte: »Wie wäre es, wenn du dafür, dass ich mich benehme, den Pingelpott anrufst und ihn darum bittest, dass er mich endlich von diesem Fall abzieht?«

Ihr leichtes Lächeln verflog. »Ich werde Ihnen mal was sagen«, erklärte sie in distanziert höflichem Ton. »Lassen Sie mich meine Arbeit machen, und sobald ich etwas Luft bekomme, denke ich gründlich darüber nach.«

Alles in ihm erstarrte. Er ließ seine Hand sinken, starrte sie mit großen Augen an und richtete sich langsam wieder auf. »Wirklich?«

»Wirklich.« Ihr Blick wirkte nicht mehr im mindesten belustigt, sondern derart distanziert, als wäre er ein Fremder, von dem sie auf der Straße belästigt worden war. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss mich etwas unter die Leute mischen.«

Als sie sich von ihm entfernte, sah er ihr hinterher. Tja ... gut. Das wäre für sie beide sicherlich das Beste. Wahrscheinlich war sie die Umstände, die er ihr machte, inzwischen einfach leid. Genauso leid, wie sie ihn selber ohne jeden Zweifel war. Verdammt, morgen um diese Zeit hätte er wahrscheinlich seine alte Arbeit wieder. Das war ... gut. Nein, es war sogar super. Er schnappte sich eine Hand voll Häppchen von einem Tablett, das ein schweigsamer, weiß befrackter Kellner durch die Gegend schleppte, und stellte sich in eine Ecke neben dem marmornen Kamin, von wo aus er nicht nur die Menge im Blick behalten konnte, sondern auch Juliet, während sie ihre Arbeit tat.

Veranstaltungen dieser Art machten ihn irgendwie nervös. Zu viel sinnloses Geplauder, zu viele aufgeblasene Leute, die meinten, etwas Besseres zu sein. Nicht, dass nicht viele der anwesenden Menschen ehrliches Interesse am Erhalt historischer Gebäude hatten, wie dem, in dem die Feier stattfand. Mit seinen warmen Holzböden, den fünfundzwanzig Zentimeter dicken Backsteinmauern und den alten Bleiglasfenstern mit Zuckerrohr – und Palmmotiven war das Haus tatsächlich ein wunderbarer Ort. Nur konnte er ganz einfach nicht verstehen, wie sich jemand derart für irgendwelche toten Dinge engagieren konnte.

Während er verfolgte, wie Juliet höflich einem Mann zuhörte, der geradezu endlos darüber plapperte, wie wichtig es doch war, die alte Pracht so unverfälscht wie möglich zu bewahren, musste er erkennen, dass sie wirklich Klasse hatte. Der Besuch der Beizen, in die er sie gezwungen hatte, hatte daran nicht das mindeste geändert. Immer noch behandelte sie jeden Menschen so respektvoll wie den Mann von der historischen Gesellschaft, bei dem er sie stehen sah.

Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass sie nur sehr selten lächelte. Vielleicht war das Leben in der so genannten besseren Gesellschaft gar nicht so fantastisch, wie es immer aussah, denn so glücklich wie am Vorabend hatte er sie in keiner anderen Situation erlebt, und nach der wilden Verfolgungsjagd mit einem anderen Wagen hatte sie vor lauter Freude regelrecht gestrahlt.

Er trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Es war weder schlau noch produktiv, an den Vorabend zu denken, ermahnte er sich streng.

Eine Stunde später näherte die Feier sich allmählich ihrem Ende, und als das Gedränge um Juliet herum langsam ein wenig abnahm, schob sich Beau wieder dichter an seinen Schützling heran. Gleichzeitig kam auch Celeste, die schneller als er war. Da der alten Dame offensichtlich weniger an Juliets Sicherheit gelegen war als an dem guten Eindruck, den sie mit ihr auf andere machen konnte, hatte sie bestimmt mal wieder irgendeine völlig idiotische Idee.

Seine Instinkte waren richtig, denn schon hörte er sie murmeln: »Edward und ich werden uns gleich verabschieden. Warum fahren Sie nicht mit uns zurück und ersparen dem Detective den zusätzlichen Weg?« Ihre Stimme war so leise, als wolle sie um jeden Preis vermeiden, dass einer der wenigen ahnungslosen Gäste, die seine Pistole vielleicht übersehen hatten, von seinem niederen Beruf erfuhr.

»In Ordnung. Lassen Sie mich nur –«

Beau trat zornig einen Schritt nach vorn und erklärte tonlos: »Oh nein, du fährst mit mir.«

Einen Meter fünfundfünfzig titanharter Willensstärke in einer parfümierten, gepuderten Verpackung, wandte sich Celeste ihm zu. »Mr Dupree, das ist doch ganz bestimmt nicht nötig. Wir fahren auf direktem Weg zurück ins Garden Crown. Es wird ihr also sicher nichts passieren.«

»Nötig oder nicht, sie fährt auf jeden Fall mit mir. Außerdem bin ich für Sie nicht Mr Dupree, sondern Sergeant.« Dann wandte er sich wieder seinem Schützling zu. »Ich mache meine Arbeit, und solange ich nichts anderes höre, Rosenknospe, bedeutet das für mich, dich vor Schwierigkeiten zu bewahren.«

»Also wirklich.« Celeste bedachte ihn mit einem kalten, missbilligenden Blick. »Sie ist eine Astor Lowell. In was für Schwierigkeiten sollte sie also jemals –«

»Schon gut, Celeste«, fiel Juliet ihr ins Wort. »Beauregard wird mich nach Hause fahren.«

»Aber –«

»Trotzdem danke für das Angebot«, erklärte Juliet sanft. »Es war wirklich sehr freundlich. Wir sehen uns dann im Hotel.«

»Sind Sie sicher, meine Liebe?«

»Völlig sicher.«

»Also gut.« Celeste bedachte Beau mit einem durchdringenden Blick, öffnete den Mund, als wollte sie noch etwas zu ihm sagen, klappte ihn jedoch wortlos wieder zu, machte auf dem Absatz kehrt und rauschte hoheitsvoll davon.

»Lassen Sie mich nur noch schnell auf Wiedersehen sagen«, bat Juliet ihn leise und wandte sich den anderen Gästen zu.

Immer noch unerklärlich wütend hielt Beau ihr ein paar Minuten später die Beifahrertür von seinem Wagen auf, und sie glitt, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, schweigend auf ihren Sitz.

Eigentlich hätte ihr Verhalten ihn nicht stören sollen.

Natürlich störte es ihn nicht. Doch um sich von dem Verlangen abzulenken, mit den bloßen Fäusten auf irgendetwas einzutrommeln, konzentrierte er sich auf die Straße und begann mit einer Fahrübung, die vor Jahren von ihm zum Vergnügen entwickelt worden war.

Ziel der Übung war es, den Wagen nie vollkommen zum Stehen kommen zu lassen, bis er sein Ziel erreichte, weshalb er anders als gewöhnlich nicht in halsbrecherischem Tempo aus der Einfahrt auf die Straße schoss. Vielleicht fuhr er noch immer schneller als die meisten anderen Menschen, doch bedurfte es besonderer Aufmerksamkeit auch gegenüber den winzigsten Details, um, ohne die Bremse betätigen zu müssen, einfach durch Herunterschalten das Tempo weit genug zu drosseln, dass es nicht zu irgendwelchen Kollisionen kam. Auf dieser Flussseite gab es jedoch deutlich weniger Ampeln und herrschte weit weniger Verkehr als drüben in der Stadt, weshalb das Spiel weniger spannend als gewöhnlich war.

Vielleicht hatte sich aus diesem Grund seine Laune noch nicht merklich gebessert, als er bei Erreichen der Schlange vor der Fähre, weil der Wagen vor ihm als Letzter aufgenommen wurde, mit einem lauten: »Verdammter Hurensohn!« die Hand gegen das Lenkrad krachen ließ. Das Bewusstsein, dass sein Wagen auf dem nächsten Schiff der allererste wäre, machte es nicht besser mit ansehen zu müssen, wie dieser Kahn die Anker lichtete und ohne ihn die Fahrt zur anderen Flussseite begann.

Juliet bedachte ihn mit einem kühlen Blick, stieg schweigend aus dem Wagen, und leise fluchend schob auch er sich schwungvoll von seinem Sitz.

Keiner von ihnen sprach auch nur ein Wort. Sie standen da, blickten den Schiffen auf dem Mississippi hinterher, bis eine neue Fähre kam, und stiegen wortlos wieder ein.

Als das letzte Fahrzeug das Boot verlassen hatte, ließ Beau den Motor seines Wagens wieder an, lenkte ihn auf die Rampe und merkte erst, als er kurz vor der scharfen Kurve, hinter der man auf die Fähre auffuhr, auf die Bremse treten musste, dass er in Schwierigkeiten war.

Das Pedal ließ sich bis zum Boden durchtreten.

»Scheiße.« Er versuchte es mit Pumpen, riss, als das nichts nützte, an der Handbremse ... doch auch diese versagte ihm den Dienst.

Der tonnenschwere GTO war, als er auf die Fähre rollte, wesentlich zu schnell.

»Beau?« Juliets Stimme klang ein wenig schrill, während sie verzweifelt nach dem Haltegriff rechts neben ihrem Kopf griff.

Einer der Fährleute sprang eilig an die Seite, während Beau verzweifelt das Steuer des Fahrzeuges herumriss, sodass der Wagen um das Ruderhaus herumschoss und über das Deck zu schlittern begann. Er schaltete verzweifelt in den ersten Gang und der Motor brüllte wie ein verwundeter Löwe, doch noch immer schossen sie deutlich zu schnell auf die niedrige Reling der Fähre zu.

»Oh, mein Gott, oh, mein Gott«, entfuhr es Juliet, bevor sie entgeistert kreischte: »Beau, wir gehen über Bord!«

»Mach deinen Gurt los und mach dich darauf gefasst, an Land zurückzuschwimmen«, wies er sie mit angespannter Stimme an.

Eine Sekunde später krachte der Wagen bereits durch die doppelte Kette am Ende des Schiffes und kippte, während der Wagenboden kreischend über den Fährenboden schrammte, mit den Vorderreifen über Bord. Dann hielt das Fahrzeug plötzlich an, begann jedoch zu wippen, wobei es die Hinterreifen ebenfalls vom Deck der Fähre hob.

Beau sah Juliet, die mit kreidigem Gesicht reglos auf ihrem Sitz verharrte, von der Seite an und warnte sie mit leiser Stimme: »Verhalt dich völlig ruhig.«

Denn ein falscher Atemzug genügte, damit der GTO vollends das Gleichgewicht verlor und mit seinen Passagieren in den schlammig grauen Tiefen des Mississippi unterging.

Immer Ärger mit den Männern / Mach mich glücklich

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