Читать книгу Immer Ärger mit den Männern / Mach mich glücklich - Susan Andersen - Страница 19

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»Mr Lowell ist auf Leitung zwei.«

»Danke, Roxanne.« Juliet ließ den Knopf der Gegensprechanlage los und drückte mit der vertrauten, leicht unangenehmen Mischung aus Ängstlichkeit und Freude, der sie schon vor Jahren hätte entwachsen müssen, auf den Knopf des Telefons. »Hallo, Vater. Wie schön, von dir zu hören –«

Ungeduldig fiel er ihr ins Wort. »Was höre ich da über eine durchgeschnittene Bremsleitung, Juliet? Hast du wirklich mit in dem Wagen gesessen? Warum zum Teufel wurde ich nicht sofort darüber informiert?«

Ihre vorprogrammierte Reaktion wäre gewesen, sich bei ihrem Vater für dieses Versäumnis zu entschuldigen, stattdessen aber holte sie tief Luft, atmete ein paar Sekunden später langsam wieder aus, bemühte sich wie stets in einer schwierigen Situation um Fassung und erklärte ruhig: »Du hättest von dort oben aus sowieso nichts machen können, deshalb habe ich keinen Sinn darin gesehen, dich unnötig in Aufregung zu versetzen.« Nicht, dass er sich auch nur mit einem Wort danach erkundigt hätte, ob ihr etwas zugestoßen war. »Wie geht es dir, Vater? Und wie geht es Großmutter?«

»Wenn dich das wirklich interessieren würde, könntest du sie ja einmal persönlich anrufen«, erklärte er ihr brüsk. »Weißt du, sie wird schließlich auch nicht jünger.«

»Dann hast du sie seit meinem Abflug also noch nicht besucht?« Sie war über ihren ungewohnt schnippischen Ton selbst in höchstem Maß entsetzt. Was, um Himmels willen, war nur mit ihr los?

Am anderen Ende der Leitung herrschte kurzes Schweigen, und sie stand kurz davor, ihren Vater um Entschuldigung zu bitten, als er mit knapper Stimme sagte: »Bisher habe ich noch keinen Bericht über die Fortschritte im Garden Crown bekommen, junge Dame.«

Sie richtete sich kerzengerade auf. »Den wirst du auch nicht kriegen, Vater. Dies ist mein Projekt. Du würdest auch von keinem anderen erwarten, dass er mitten in den Vorbereitungen zur Eröffnung eines Hotels alles stehen und liegen lässt, um einen Bericht für dich zu schreiben; also erweise mir bitte dieselbe Höflichkeit wie allen anderen. Wenn das alles ist, ich habe noch einiges zu tun. Danke für deinen Anruf – richte bitte Großmutter liebe Grüße von mir aus, wenn du mit ihr sprichst.« Damit legte sie den Hörer auf, ließ den Kopf zwischen die Hände sinken und rieb sich mit den Handflächen die Augen.

Wann hätte sie wohl endlich nicht mehr das Bedürfnis, ihm ständig zu gefallen? Sie war zweiunddreißig Jahre alt und kämpfte noch immer mit dem instinktiven Wunsch, seine Anerkennung zu gewinnen. Wie alt müsste sie werden – fünfunddreißig, fünfundvierzig, fünfzig? – , bevor sie endlich lernte, ihm als Erwachsene zu begegnen und nicht mehr wie ein Kind?

Wenigstens hatte sie sich diesmal gegen ihn behauptet, und es war nicht so schwer gewesen wie gewöhnlich. Etwas hier unten schien eine Veränderung in ihrer Haltung zu bewirken, die eindeutig positiv zu werten war. Sie ließ die Hände auf die Schreibtischplatte sinken, straffte ihren Rücken, griff nach den Papieren, in deren Durchsicht sie durch seinen Anruf unterbrochen worden war, erblickte ihr Spiegelbild auf der geschwungenen Oberfläche einer blank polierten Messingvase und beugte sich, fasziniert von dem verführerischen Anblick, ein Stückchen weiter vor. Mein Gott. War das etwa sie? Hatte sie tatsächlich derart volle, rosenfarbene Lippen, einen derart sinnlichen Blick und derart neckisch aus dem Knoten hervorquellendes Haar? Sie lehnte sich zurück.

Vielleicht sollte sie es sich noch einmal überlegen, ob sie die Veränderung, die sie in dieser Stadt erfuhr, tatsächlich als positiv empfand. Denn die Frau, die ihr aus der Vase entgegenblickte, war ihr vollkommen fremd.

In den nächsten Tagen gab sie sich die größte Mühe, wieder die Frau aus sich zu machen, die sie kannte. Noch vor einer Woche wäre dieses Bestreben völlig natürlich für sie gewesen, nun aber machte es die allergrößte Mühe. Ihre Haare wollten einfach nicht in dem ordentlichen, straffen Knoten bleiben, und sie merkte, dass es ihr schwer fiel, nicht die Hand nach dem Lippenstift auszustrecken, der griffbereit auf der Kommode in ihrem Schlafzimmer lag. Selbst mit dem allerbesten Willen brachte sie es ganz einfach nicht über sich, bei dieser grauenhaften Hitze Nylonstrümpfe anzuziehen. Zwar weigerte sie sich standhaft, sich von Beau erneut durch die Gegend schleppen zu lassen; wenn sie ganz ehrlich war, musste sie sich aber eingestehen, dass ihr die Aufregung fehlte.

Seit nunmehr beinahe zwei Wochen war nicht das Mindeste passiert. Fast wünschte sie sich, dass etwas geschähe, denn die Tage gingen völlig ereignislos dahin, und Beaus Ruhelosigkeit nahm dementsprechend beinahe stündlich zu. Ein ruheloser Beau war eindeutig eine Gefahr für ihre Entschlossenheit, wieder die alte Juliet zu sein. Die verführerische Freiheit, die er repräsentierte, stellte ein Risiko für ihre Seelenruhe dar.

Eindeutig waren selbst Polizisten nicht vierundzwanzig Stunden täglich in irgendwelche aufregenden Geschehnisse verwickelt. Da Beau augenblicklich niemanden mit seinem GTO verfolgen, sich nicht in irgendwelchen schummerigen Bars nach Verdächtigen umsehen oder sonst irgendwelche haarsträubenden Dinge unternehmen konnte, lenkte er seine Aufmerksamkeit verstärkt auf sie und wurde dabei täglich dreister.

Gestern war er mit einem gelben T-Shirt mit dem Aufdruck WÄHL DIE 991 UND LASS EINEN POLIZISTEN KOMMEN im Hotel erschienen, und immer wieder kam er zu keinem anderen Zweck in ihr Büro, als sich auf die Kante ihres Schreibtisches zu fläzen und sie mit irgendwelchen idiotischen Gesprächen von der Arbeit abzulenken, was – wie sie sich eingestehen musste – auch nicht weiter schwierig war. Der Mann konnte die harmloseste Äußerung in eine Peinlichkeit verwandeln, und es war vollkommen sinnlos zu versuchen, sich spontane Antworten auf seine Blödeleien zu verkneifen, weil er sie nicht eher in Ruhe ließ, als bis er eine Reaktion von ihr bekam. Es schien ihm einen Heidenspaß zu machen, sie zu provozieren, und es war ihm offensichtlich vollkommen egal, ob sie eher wütend wurde oder tugendhaft und spießig klang.

Das musste eine Folge der Langeweile sein, die er empfand.

Juliet blickte sich auf der von Celeste auf der River-Road-Plantage organisierten Gartenparty um und hoffte, Beau würde sie in dem Gedränge nicht sofort entdecken. Wenn jemand anderes in der Nähe war, konnte sie sich darauf verlassen, dass er sich durch und durch professionell gebärdete, sobald sie jedoch nur für einen Augenblick mit ihm allein war, gingen sämtliche Gäule mit ihm durch. Und das Paar, mit dem sie sich während der letzten Minuten unterhalten hatte, schlenderte gerade gut gelaunt davon.

Während sie ihr Glas mit Eistee in der linken Hand hielt und gleichzeitig mit der rechten in ihrer Handtasche nach ihrer Checkliste und einem Kugelschreiber suchte, spürte sie plötzlich seinen Blick.

»Und, glaubst du, du hast den Krempel dabei, Engelsgesicht?«, fragte er sie lässig, während sie alle möglichen Gegenstände nacheinander aus der Tasche zog. »Wie wäre es, wenn ich einem der Kellner winken würde, damit er ein paar Häppchen bringt?« Er trat vor sie, und sie spürte seinen Atem in ihrem Gesicht. »Dann hast du noch was, womit du deine nervösen kleinen Finger beschäftigen kannst.«

Sie trat einen Schritt zurück und straffte ihren Rücken. »Müßigkeit ist aller Laster Anfang«, hörte sie sich sagen und hätte am liebsten laut gestöhnt. Wie machte er das nur? Wie brachte er sie dazu, die Dinge derart tugendhaft zu formulieren, dass sogar ihre eigene Großmutter verglichen mit ihr selbst geradezu lässig geklungen hätte, dachte sie erbost.

Und natürlich musste er wie stets das letzte Wort behalten. »Ja, das habe ich schon mal gehört«, stimmte er ihr leise murmelnd zu. »Aber wenn man seine Hände allzu eifrig bewegt, wird man davon blind.«

Die Checkliste glitt ihr durch die Finger.

Sie bückte sich nach dem Papier und sah sich gleichzeitig nach etwas um, was ihr einen Vorwand geben würde, sich weiterem Geplänkel zu entziehen, ohne dass es aussah, als würde sie vor diesem Menschen fliehen – auch wenn es tatsächlich um nichts anderes ging.

Er hockte sich neben sie. »Ich wette, ich könnte dich blind werden lassen«, sagte er mit leiser Stimme, und gegen ihren Willen wanderte ihr Blick auf das Paar großer, starker Hände, das locker auf seinen Knien lag. Ständig sagte er irgendwelche Dinge, die unwillkommene Gedanken in ihr weckten. Gedanken, auf die sie selbst in einer Million Jahre nie von selbst gekommen wäre, überlegte sie und richtete sich wieder auf.

»Diese Fähigkeit ist sicher eine Folge Ihres normalen Müßigganges.« Auch wenn ihre Stimme klang wie die von Minnie Mouse, nachdem sie Helium eingeatmet hatte, hatte sie zumindest nicht gestottert. Sie räusperte sich, ehe sie fortfuhr: »Allerdings fürchte ich, Sie müssen Ihre Fingerübungen mit jemand anderem machen, Beauregard. Vielleicht mit jemandem, der Interesse daran hat.« Sie riss ihren Blick von seinen langen, gebräunten Fingern los. »Oh, da ist ja Edward.« Sie strich den Rock ihres Kleides glatt. »Entschuldigen Sie mich, bitte.« Eilig wandte sie sich von seinen belustigt blitzenden Augen ab. »Ich muss kurz mit ihm reden.«

Fast hätte sie sich laut gefragt, was in aller Welt Edward da drüben machte. Glücklicherweise riss sie sich gerade noch rechtzeitig zusammen, denn bereits die minimale Chance, ein auch noch so kleines Rätsel lösen zu können, hätte Beau dazu bewogen, sie in Edwards Richtung zu begleiten, und schließlich war sie darauf aus, ihm zu entfliehen.

Trotzdem rief Edwards Treiben, als sie um das kleine Buchsbaumlabyrinth herumlief, eine gewisse Neugier in ihr wach. Anscheinend schnitt er kleine Ableger von einem Busch in einem der Porzellantöpfe ab.

»Hallo«, sagte sie leise, als sie hinter ihn trat.

Edward drehte sich mit einem einzigartig süßen, unbußfertigen Lächeln zu ihr um. »Hallo, meine Liebe. Ich fürchte, Sie haben mich erwischt. Sie auch, Sergeant«, fügte er hinzu, und Juliet unterdrückte einen Seufzer, als sie ihren Kopf drehte und sah, dass Beau ihr hinterhergekommen war.

»Ich hoffe, Sie werden mich jetzt nicht verhaften«, fuhr Edward ohne erkennbare Sorge fort.

»Dafür, dass Sie ein paar kleine Zweige von einem Busch abgeschnitten haben?« Beau zuckte mit einer Schulter. »Nee. Ich glaube, nicht.«

»Oh, das hier ist nicht einfach irgendein Busch.« Edward klappte sein schwarzes Taschenmesser zu und schob es in seine Tasche. »Dies ist ein Hibiskus Rosa Sinensis.« Sorgfältig hüllte er die beiden Ableger, die er abgeschnitten hatte, in ein schneeweißes Taschentuch ein.

»Huh?«

»Ein chinesischer Roseneibisch, Sergeant. Der chinesische Botschafter in den Vereinigten Staaten hat ihn der Gesellschaft der Hibiskusfreunde auf einer Hibiskusausstellung in Washington, D.C., 1990 zum ersten Mal vorgestellt. Nur eine Hand voll Pflanzen wurden an besonders ausgewählte Mitglieder verteilt.« Ehrfürchtig strich er mit einem Finger über die pudrigen, pinkfarbenen Blüten. »Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals die Gelegenheit bekommen würde, selber einen solchen Busch zu haben. Sie können also meine Erregung sicherlich verstehen.«

»Uh ... ja ... Erregung.« Beau stopfte die Hände in die Taschen seiner Freizeithose und wippte auf den Fersen. »Die Sachen, die mich erregen, sind anderer Natur.«

»Das glaube ich gerne.« Edward bedachte ihn mit einem ernsten Blick. »Bereits aufgrund Ihres Berufs sind Sie bestimmt ein Mann der Tat. Blumen erscheinen Ihnen sicher ziemlich harmlos, aber jeder von uns hat eben seine ganz bestimmte Leidenschaft.« Er wandte sich an Juliet. »Wofür empfinden Sie Leidenschaft, meine Liebe?«

Beau zog fragend die Brauen in die Höhe und wandte sich ihr voll Interesse zu.

Als ihr das beschlagene Innere von Beaus Wagen in den Sinn kam, trat sie eilig einen Schritt zurück. »Wofür ich Leidenschaft empfinde? Ich schätze, das ist meine Arbeit und – oh, ich glaube, da drüben winkt Celeste. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden?« Sie bedachte die beiden Männer mit ihrem gewinnendsten Lächeln, machte auf dem Absatz kehrt und atmete erleichtert auf. Puhhh. Das Letzte, worüber sie sich in Gegenwart von Beauregard Dupree unterhalten wollte, war das Thema Leidenschaft. Hervorragendes Timing, Celeste. Dafür schulde ich Ihnen meinen tief empfundenen Dank.

Celeste gefiel es überhaupt nicht, dass sich Sergeant Dupree mit Edward unterhielt, doch sie gäbe dem sinnlosen Gefühl der Panik ganz bestimmt nicht nach. Höchstwahrscheinlich war das Thema, über das die beiden sprachen, sowieso völlig banal.

Da sie sie vorgeblich zu diesem Zweck herbeigewunken hatte, machte sie Juliet mit Georganne Hollister bekannt, schickte jedoch, da sie keine Ahnung hatte, wie die neureichen Hollisters überhaupt auf der Liste ausgesuchter Gäste für das Gartenfest gelandet waren, Georganne nach ein paar kurzen Sätzen wieder fort.

»Wie kommen Sie zurecht, meine Liebe?«, fragte sie Juliet.

»Gut, danke. Es ist ein wunderbares Fest. Vater wird sehr zufrieden mit den vielen Geschäftsbeziehungen sein, die ich heute knüpfen konnte.«

»Ja, dies hier ist die Creme de la Crème. Dies hier sind die Leute, die in Positionen sind, um genau die richtige Art von Gästen in das Garden Crown zu schicken.« Wenn nämlich schon Fremde in ihrem Zuhause wohnten, dann doch zumindest Menschen mit engen Beziehungen zum Bostoner Club, einer derart exklusiven Gruppe, dass noch nicht mal Edward die Mitgliedschaft angeboten worden war. Als Celeste über den Rasen blickte, zog ihr Magen sich zusammen. »Ich sehe, dass sich Ihr Detective mit Edward unterhält. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was die beiden an Gemeinsamkeiten haben könnten.« Doch das Gespräch der beiden Männer wirkte deutlich intensiver als noch einen Augenblick zuvor.

»Als ich die beiden verlassen habe, haben sie sich über Hobbys und Leidenschaften unterhalten und darüber, ob Edward vielleicht irgendwann mal im Gefängnis landen wird«, erklärte Juliet ihr mit einem leichten Lächeln.

Obwohl das Blut in ihren Ohren rauschte, zwang sich Celeste zu einem glaubwürdigen Lachen. »Oh, Himmel, hat der kleine Teufel etwa irgendetwas aus dem Rosengarten geklaut?« Sie tätschelte Juliet die Hand, als hätte sie soeben einen wunderbaren Scherz gemacht, und zog sich, solange es ihr noch gelang, ein paar zusammenhängende Worte auszustoßen, mit einer knappen Entschuldigung zurück.

Eilig lief sie in Richtung des kleinen Olivenhains hinter dem Labyrinth und strich über das Leder ihrer Handtasche, in der der Model 1849 Pocket-Revolver verborgen war. Ein schweres, unhandliches Ding – doch in dem instinktiven Wissen, dass sie ihn vielleicht irgendwann benutzen müsste, trug sie ihn schon seit ein paar Tagen ständig mit sich herum.

Und nun sah es so aus, als wäre der Augenblick gekommen. Wenn sie sich nur daran erinnern könnte, in welcher Reihenfolge man genau die Kugeln in die Trommel bugsierte und die Zündhütchen hinten auf die Nippel schob.

Tja, ganz sicher fiele es ihr wieder ein. Schließlich war sie eine geborene Butler und angeheiratete Haynes, und deshalb per definitionem eine äußerst fähige Person. Sie bräuchte sich nur ganz auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Und das würde sie tun.

Es war allerhöchste Zeit, sich ein für alle Male von diesem Sergeant zu befreien.

Im Süden brauten sich die ersten Sturmwolken zusammen, und soweit Beau sehen konnte, bewegten sie sich eilig auf die Gartenparty zu. Als er merkte, dass Juliet wieder allein war, suchte er Blickkontakt mit ihr, befahl sie mit einer herrischen Kopfbewegung zu sich und grinste, als sie trotzig ihr elegantes Kinn in die Höhe reckte. Trotzdem kam sie gehorsam über den Rasen auf ihn zu.

Er wusste, triebe er sie zu weit, ließe sie ihn abziehen, doch sie hatte sich abermals hinter ihrem verdammten, tadellosen Benehmen vor ihm verschanzt und rief dadurch aus irgendeinem Grund das Verlangen in ihm wach, sie aus der Reserve zu locken. Er ließ die Schultern kreisen, um sich zu entspannen. Was sollte es? Zumindest hatte er sie dadurch, dass er seinen Impulsen freien Lauf gelassen hatte; hinter ihrer dicken Mauer hervorgelockt. Und außerdem war es ganz einfach unterhaltsam, sie dadurch auf die Palme zu bringen, dass er sich möglichst rüpelhaft benahm.

Sein Amüsement nahm jedoch merklich ab, als er verfolgen musste, wie ein eleganter Schnösel nach dem anderen sie auf dem Weg durch den Garten aufhielt, weshalb er, bis sie ihn endlich erreichte, ungeduldig am Knoten seiner Krawatte zog.

»Sie haben mich hergebeten?«, fragte sie ironisch und sah ihm ins Gesicht.

»Können wir allmählich gehen? Die Fete neigte sich anscheinend langsam ihrem Ende, und die Wolken, die sich über unserem Kopf zusammenbrauen, gefallen mir nicht.« Je näher die dichten Wolken ihnen kamen, umso dunkler wurde auch der Himmel, doch als er an ihr vorbeisah, musste er erkennen, dass auch wenn die meisten Gäste langsam in Richtung des Parkplatzes marschierten, der auf der anderen Seite des Herrenhauses lag, ein paar Unermüdliche noch immer ihre Teetassen an ihre Lippen hoben und ein Häppchen nach dem anderen verschlangen, als wäre dies ihr letztes Mahl. »Muss eigentlich keiner von diesen Typen seinen Lebensunterhalt mit arbeiten verdienen?«

»Tja, wir sind eben nicht alle dazu geschaffen, furchtlos Recht und Ordnung zu verteidigen wie Sie«, informierte sie ihn trocken. »Trotzdem habe ich eine Neuigkeit für Sie. Die meisten der Frauen, die ich heute getroffen habe, verwenden ebenso viel Zeit und Mühe auf ehrenamtliche Tätigkeiten wie Sie auf Ihren Job.«

»Und Wohltätigkeitsbälle sind eindeutig genau das, was die Welt dringend braucht.«

»Himmel, Beauregard Dupree, Sie sind ein unverbesserlicher Snob!«

Er starrte böse auf sie herab. »So ein Quatsch.«

»Gar kein Quatsch. Wenn auch vielleicht in umgekehrter Richtung, sind und bleiben Sie ein Snob.« Diese Entdeckung schien sie regelrecht zu freuen. Sie trat einen Schritt näher, zupfte kurz an seinem Schlips und erklärte: »Mit diesen Wohltätigkeitsbällen, die Sie derart verachten, werden unzählige wertvolle Projekte finanziert.« Sie schob sich ihre kleine Handtasche unter den Arm, legte auch die zweite Hand an Beaus Krawatte und rückte den Knoten unter seinem Adamsapfel zurecht. »Dort wird jede Menge Geld für Menschen gesammelt, die andernfalls nichts hätten.«

Er riss ihr die Krawatte aus den Händen. »Ja, ja, ja. Wahrscheinlich hast du Recht.« Er zog den Knoten abermals hinunter bis zum zweiten Knopf von seinem Hemd.

»Und da wir gerade von förmlichen Veranstaltungen reden, als Nächstes ist die Cocktailparty dran. Müssen wir Ihnen dazu noch einen Frack besorgen?«

Er sah sie mit gebleckten Zähnen an. War er vielleicht eins ihrer wohltätigen Projekte? »Wir sind hier in New Orleans, Rosenknospe – Heimstatt des Cotillion Ballroom. Hier besitzt jeder einen Frack. Ich habe meinen von meinem Dad geerbt.« Bevor sie weiter an seiner Garderobe zupfen konnte, packte er ihre Hände und schob sie bis auf Armeslänge von sich fort. »Was bist du mit einem Mal so ausgelassen?«

»Finden Sie, ich wirke ausgelassen? Ich bin nicht ausgelassen, sondern einfach zur Abwechslung mal nicht verlegen. Sicher sind Sie einfach verwirrt, weil ich mal keinen roten Kopf während eines Gesprächs habe.«

»Tja nun, meinetwegen, aber wenn du noch mal an meinem Schlips rumzupfst, sehe ich mich gezwungen, körperliche Gewalt anzuwenden –«

Plötzlich ertönte ein lauter Knall, die Rinde der immergrünen Eiche hinter ihnen beiden flog ziellos durch die Gegend, Beau war sofort hellwach. »Runter«, brüllte er Juliet an.

Sie starrte ihn verwundert an, weshalb er sie einfach packte, auf die Erde schleuderte und sich schützend auf sie warf. Als der zweite Schuss ertönte, riss er, bevor der nächste Rindenregen auf sie beide niederging, seinen Revolver aus dem Halfter, hob den Kopf und zielte mit der Waffe in die Richtung, aus der auf sie geschossen worden war.

»Jemand hat auf uns geschossen?«, fragte Juliet ihn mit ungläubiger Stimme.

Die Schreie mehrerer weiblicher Gäste nahmen allmählich ab, doch es rannten so viele Leute aufgeregt über den Rasen, dass es unmöglich war, den Schützen zu entdecken. »Verdammt«, murmelte er, richtete sich halb über Juliets Körper auf, schlang, ohne den Blick von den Olivenbäumen hinter dem Labyrinth zu wenden, seine freie Hand um ihren Nacken und wies sie leise an: »Ich möchte, dass du rückwärts krabbelst, bis du zu dem Baum kommst. Dann gehst du dahinter in die Hocke und rührst dich nicht vom Fleck.« Als sie nicht sofort etwas sagte, fragte er sie rüde: »Hast du mich verstanden?«

»Beau?«

Ihre Stimme bebte und klang, als dächte sie daran, mit ihm zu streiten, weshalb er seinen Griff um ihren Nacken leicht verstärkte. »Hast du mich verstanden, Juliet Rose?«

»Ja.«

»Also gut, dann setz dich in Bewegung.«

Er spürte ihren Leib an seinen Waden, als sie langsam rückwärts kroch.

Dann war sie verschwunden, und nach einem kurzen Blick in ihre Richtung, um sich zu vergewissern, dass sie in Deckung war, sprang er auf die Füße und rannte im Zickzack an dem Buchsbaumlabyrinth vorbei.

Wie bei der Verfolgung von Clyde Lydets Porsche öffnete der Himmel genau in dem Moment, in dem er den Olivenhain erreichte, seine Schleusen, und fluchend suchte er mit den Augen alle möglichen Verstecke des Schützen ab. Super. Alle rannten Richtung Parkplatz, weshalb nicht nur sämtliche Spuren durch den Regen in Mitleidenschaft gezogen wurden, sondern auch noch mindestens die Hälfte aller potenziellen Zeugen längst verschwunden wäre, ehe er Gelegenheit bekäme, sie zu dem Vorfall zu befragen. Außerdem erschien ihm die Idee, Juliet allein zu lassen, als nicht besonders gut. Jemand hatte die Dreistigkeit besessen und vor fünfundsechzig Zeugen auf sie angelegt, was hielte diesen Menschen davon ab, sie einfach abzumurksen, während Beau hier hinten auf der Suche nach irgendwelchen Spuren war? Je mehr er darüber nachsann, umso wahrscheinlicher erschien es ihm, dass ihm der Schütze im Schutz der Menge entkommen war.

Er zog sein Handy aus der Tasche, wählte die Nummer der Zentrale, während er zurück in Richtung Eiche trottete, erklärte kurz die Lage und bestellte die Spurensicherung sowie einen zweiten Detective ein, wenn möglich Luke Gardner. Dann nannte er seine Handynummer und bat um schnellstmöglichen Rückruf dessen, der als Verstärkung kam.

Juliet lehnte mit angezogenen Knien mit dem Rücken an dem Baum. Es war ihr gelungen, nicht völlig nass zu werden, doch ihr Kleid war schmutzig, ihre Haare hatten sich aus dem Knoten gelöst, und ein dicker, roter Kratzer verlief von ihrer rechten Wange bis hinab zu ihrem Kinn. Sie blickte ihn mit trüben Augen an, und er ging neben ihr in die Hocke und zog ihr den langzinkigen Kamm aus dem zerzausten Haar. »Alles in Ordnung?«

Ihrem Gesichtsausdruck zufolge zweifelte sie an seiner Intelligenz, und während sie die Knie noch enger an die Brust zog, brüllte sie ihn an: »Jemand hat auf mich geschossen!«

»Ich weiß, Schätzchen.«

»Dann schätze ich, dass dir bewusst ist, dass ich mir, auch wenn es nicht die feine Art ist, vor lauter Angst fast in die Hose gemacht hätte –«

»Verstanden«, fiel er ihr ins Wort. »Du bist nicht okay.«

Sie sah aus, als könnte sie es wirklich brauchen, dass er sie in den Arm nahm, doch er hatte sich seine Dienstmarke deutlich sichtbar an die Brust geheftet und war somit für jeden ersichtlich offiziell im Dienst. Außerdem war er ganz einfach zu genervt, um irgendwen zu trösten. Es gab nur eine Sache, für die er ungewöhnlich talentiert war, und das war seine Arbeit. Und jetzt entstand der Eindruck, als drehte er nur Däumchen, statt aktiv zu verhindern, dass seiner Schutzbefohlenen etwas geschah. »Tut mir Leid, Juliet.« Er nahm ihre Hände, zog sie auf die Füße und strich ihr sanft den Schmutz von ihren Armen. »Ich weiß, dass du Angst hast und erschüttert bist. Aber im Augenblick muss ich mich darauf konzentrieren rauszufinden, wer auf dich geschossen hat.«

»Und warum! Warum in aller Welt sollte irgendjemand auf mich schießen?«

»Genau, warum? Ich möchte, dass du in meiner Nähe bleibst, bis die Verstärkung kommt, okay? Hier laufen zu viele Leute durch die Gegend, und unglücklicherweise haben wir keine Ahnung, wem wir vertrauen können –«

Bei diesem Satz warf sie sich Schutz suchend an seine Brust.

Tja, verdammt. Er blieb einfach einen Augenblick lang möglichst reglos stehen, bevor er langsam seine Arme um sie legte und ihr tröstend den Rücken streichelte. »Aber denk ja nicht, dass ich mir das zur Gewohnheit machen werde, schließlich bin ich im Dienst.« Sie schlang ihm die Arme um den Nacken, und er hob eine Hand und strich ihr sanft über das Haar. »Ich schätze, du bist es nicht unbedingt gewohnt, dass auf dich geschossen wird, he?«

Ein bitteres, leises Lachen drang durch sein regennasses Hemd, und er schob sie vorsichtig auf Armeslänge von sich fort. »Ich weiß, dass das ziemlich hart für dich ist, aber ich muss so viel wie möglich vom Tatort sichern, bevor keine Spuren mehr übrig sind.« Er sah ihr ins Gesicht. »Du musst jetzt stark sein. Meinst du, dass du das schaffst?«

Sie atmete tief ein und wieder aus, und er konnte verfolgen, wie sie um Fassung rang und schließlich ihren Rücken auf die elegante Weise straffte, die ihm so gut gefiel. »Ja«, antwortete sie.

»Braves Mädchen.« Wieder schlang er eine Hand um ihren Nacken, zog sie zu sich heran, küsste sie eilig auf die Stirn, ließ sie wieder los und wandte sich mit einem: »Dann wollen wir mal gucken, ob wir nicht ein paar Antworten auf unsere Fragen kriegen können«, entschieden zum Gehen.

Immer Ärger mit den Männern / Mach mich glücklich

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