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9. 35km/h ohne Fahrradhelm

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Ich möchte kurz zu den Verboten für Epileptiker kommen. Wenn man heutzutage die Diagnose erhält, hat man den Eindruck, man dürfe überhaupt nichts mehr.

Was in diesem und folgenden Kapiteln stehen wird, darf ich eigentlich nicht schreiben. Dieses Buch ist meine ganz persönliche Geschichte, es ist und darf kein Ratgeber für Epilepsiepatienten sein.

Ich bin kein Vorbild, bei Weitem nicht, sondern schreibe von meiner Verzweiflung und meiner Art „gegen an zu gehen“. Gegen die Epilepsie, jetzt erst recht, ich will mich nicht unterkriegen lassen, ich will all das tun, was die anderen Teenager auch machen. Okay, dann kippe ich eben um, scheiß was drauf, ich will wieder aufstehen, gerader als zu vor, stärker als zuvor. Ich hatte eine Unmenge Gottvertrauen, ich wollte ihn manchmal aber auch herausfordern.

Ich wünschte mir eines Weihnachten von meinen Eltern ein Peugeot Rennrad für 950 DM. Diese Summe war immer so eine Größe. Meine Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke waren so um die 1000 DM wert. Kling viel, wenn ich mich so zurück erinnere. Hmm … also gut: das eine Mal war es eine Western Gitarre, jetzt ein superschickes Rennrad.

Mittlerweile war ich alt genug, den je 10 km Schulweg hin und zurück per Fahrrad zurück zu legen. Seinerzeit trug man noch keinen Fahrradhelm. Wir Teenager verabredeten uns an der B4 an der Ampel mitten im Dorf und fuhren dann als kleinere Gruppe mit dem Rad zusammen zur Schule.

Du meine Güte, aus heutiger Sicht mindestens lebensgefährlich. Landstraßen, viele ohne Bürgersteige, fließender Verkehr, Traktoren, Mähdrescher, Lastwagen und PKWs.

Meine Eltern gaben mir das übliche: „Sei vorsichtig, fahr immer rechts, nicht so schnell usw.“ mit auf den Weg. Ob sie sich still und heimlich Sorgen machten, große Ängste vor Anfällen ausstanden, ich weiß es nicht, sie haben sie diesbezüglich nie geäußert.

Bestimmt hatten sie große Angst um mich. Ganz bestimmt.

Als ich nun das Peugeot Rennrad hatte, bin ich nach kurzer Übungsphase, denn so ein Rennrad fährt sich schon anders, als mein vorheriges Hollandrad, losgebraust, wie ein wildgewordener Affe. Ich war sehr sportlich und gut trainiert, auch vom vielen 1000m Schwimmen. Ich fuhr locker 30 km/h auf freier Strecke, vorm Schiffshebewerk bergab gar 35 km/h oder sogar 50 km/h. Ich machte mir absolut null Gedanken, ob ich in der Sekunde einen Anfall bekomme und stürze, eventuell lebensbedrohlich auf den Kopf. Ich blendete es aus.

Unvernünftig, würde man sagen. Wie konnten die Eltern das zulassen? Wie kannst du nur so mit deinem Leben spielen?

Ich tat es, und ich hatte keine Angst. Im Gegenteil, ich wollte mir selbst beweisen, dass ich etwas wert bin, wenn ich solche Leistungen erbringe.

Ich durfte alles und habe oft teuer bezahlt

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