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1. Erster Anfall

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Mein Name ist Susanne Albers. Ich wurde am 13. Februar 1965 im Krankenwagen zwischen Adendorf und Lüneburg geboren. Meine richtige Mutter wollte mich nicht, also kam ich für die ersten 10 Lebensmonate ins Kinderheim Wilschenbruch in Lüneburg. Zu Weihnachten 1965 adoptierten mich Klaus und Ursela Knoop aus Bardowick bei Lüneburg. Sie gaben mir so viel Liebe, als wäre ich ihr richtiges Kind.

Bardowick bedeutet für mich persönlich eine wundervolle, aber angepasste Kindheit, eine schwierige Jugend und ein wehmütiges Klagen aus der Riesenstadt Berlin zu so einem schönen und beschaulichen Dorf.

Wenn ich ganz früh anfange, dann waren wir viele Kinder, deren Mütter Hausfrauen waren, und deren Väter zur Arbeit gegangen sind. Wir hießen Annette, Karin, Ina, Tucky, Monika, Antje, Doris, Lolli, Jörg, Werner, Uwe, Karina, Franziska, Stefan, und Susanne.

Und wir wohnten alle in einer Straße, sind nahezu gleichzeitig zur Schule gekommen und kennen uns heute noch, wenn wir jeweils Ostern oder Weihnachten unsere – wenn überhaupt noch lebenden Eltern und eventuell den Gottesdienst im Dom besuchen. Und all die anderen Kinder aus den Nachbarstraßen erwähne ich nicht, sonst wird die Liste zu lang.

Aufgrund der örtlichen Lage gab es außer der üblichen Warnung vor einem "Mitschnacker", also einem Sexualstraftäter der sich an Kinder heran machte, so gut wie keine Gefahren. Wir konnten frei auf der Straße herumlaufen, denn diejenigen, die dort mit dem Auto fuhren, waren fast ausnahmslos unsere eigenen Eltern. Innerhalb von zwei Minuten waren wir im Wald, auf dem Feld, oder an einem Teich der sich Bühringsmoor nannte und konnten machen was wir wollten.

Für uns war zum Beispiel eine typische Einschränkung: "Wenn ihr im Wald Baumhäuser oder Höhlen bauen wollt, dann dürft ihr keine Nägel in die Bäume schlagen". Außerdem gab es die Auflage, nicht zu nahe an Klein - Bühringsmoor heranzugehen, weil dort eine echte und in dem Sinne gefährliche Moorlandschaft war. Wenn wir abends nach Hause sollten, dann sagten uns unsere Eltern: "Du kommst dann nach Hause, wenn Lolli's Mutter ihn rein ruft". Das funktionierte total prima, denn die Stimme der besagten Mutter reichte kilometerweit.

Und zur Entlastung der einzelnen Mütter haben wir an einem Tag im Garten von Familie X gespielt und am nächsten Tag war dann der Garten von Familie Y dran.

Sicherlich haben wir uns genauso gestritten, wie alle anderen Kinder auch, aber unsere Eltern hatten dafür einen prima Trick bereit. Wenn ich zu meiner Mutter ging und herumzeterte, dass Annette mich geärgert hatte, bekam ich als Antwort: "geh zu Annette und vertragt Euch wieder". Als ich erwachsen war, habe ich sie mal gefragt, warum sie niemals Partei ergriffen hat. Darauf antwortete sie: "Ich bin doch nicht blöd, ihr habt Euch doch schon lange wieder vertragen, während wir uns dann mit den Nachbarn streiten."

So hätte die Kindheit bis zur Jugend und zum Erwachsen werden für mich weiter gehen können. Dem war aber nicht so:

Im Sommer 1976 waren Annette und ich mit etwa 10 christlichen EC-Jungschar Kindergruppen während der Pfingstferien zu einem Zeltausflug in der Lüneburger Heide. Am frühen Morgen eines der ersten Tage sagte Annette zu mir, dass während der Nacht etwas Beängstigendes und Merkwürdiges mit mir geschehen sei. Ich hätte mich mitten in der Nacht krampfend und keuchend um die Zeltstange in der Mitte des Zeltes gewunden; dabei sei Speichel aus meinem Mund geflossen und ich hätte mich sehr komisch verhalten, fast so, dass man Angst bekommen könnte. Annette sei davon aufgewacht. Ich konnte mir das nicht erklären, habe es kaum geglaubt. Es sollte ein Geheimnis bleiben, wir wollten niemandem davon erzählen, weder den Gruppenleitern, noch unseren Eltern.

Das war dann also mein 1. Anfall. Da dieser Pfingstausflug aber noch viele weitere, schöne Überraschungen parat hielt, dachte ich kaum noch daran, obwohl Annette besorgt schien, und beteiligte mich an den Gruppenaktivitäten. Es war doch alles so aufregend und schön.

Es dauerte nicht lange. Ich hatte mich gründlich getäuscht, ja es fast vergessen, denn schon kamen weitere Anfälle, dieses Mal in Gegenwart meiner Eltern.

Ab dem Moment setzte in unserer kleinen Familie für einige Momente die Schockstarre ein.

Meine Eltern waren in höchster Sorge und brachten mich zum Hausarzt Dr. Brunswig, dessen Praxis etwa 3 km von unserem Haus entfernt war. Er war ein außerordentlich umsichtiger Arzt, der meine Eltern über das Nötigste aufklärte und ihnen empfahl, mit mir zum Neurologen und Psychiater Dr. Blumenbach ins 10 km entfernte Lüneburg zu fahren. Hier darf man nicht vergessen, dass wir das Jahr 1976 schreiben, in einem 4000 Einwohner Dorf namens Bardowick, dass in seiner Urstruktur vom Gemüseanbau lebt und wo sich seit Kriegsende weiteres Gewerbe angesiedelt hat.

Ein Kind – ja ein vor 10 Jahren adoptiertes Kind – zu haben, das Anfälle hat, das war sehr schwer zu verkraften.

Ich durfte alles und habe oft teuer bezahlt

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