Читать книгу Ich durfte alles und habe oft teuer bezahlt - Susanne Albers - Страница 6
4. Epi und Spasti
ОглавлениеSo langsam dämmerte es mir, auf was ich mich fürs Leben eingelassen hatte. Epilepsie also. Diesen blöden Spruch mit dem hirnorganischen Anfallsleiden hätte er sich auch sparen können. Ich war also ein Epi.
Wenn wir uns als Kinder gestritten hatten, warfen wir uns Schimpfworte an den Kopf. So machen es alle Kinder. Spasti durfte ich nicht sagen, das hatte meine Mutter mir sehr früh erklärt. Das seien arme Behinderte, die man Spastiker nannte und über die man sich nicht lustig machen durfte. Über Epileptiker oder deren Krankheit war noch nie in meiner Familie gesprochen worden.
Was tat ich als Kind also, wenn z. B. Jörg mich geärgert hatte? Ich schrie ihn an: „Du blöder Epi, du blöder Epi!“
Ich hatte damals ums Verrecken keine Ahnung davon, ich fand mich total toll … „Lolli, du Epiarsch“ entfuhr es meinem Mund. Und das andauernd beim Streit. Meine Mutter hörte es, auch zu ihr sagte ich mal: „Mama Du bist ein Epi“ als ich mein Zimmer aufräumen sollte. Sie meckerte nicht, sie wusste ja nicht, was das war.
Bis zum ersten Anfall von mir …
Ich bekam ein mega schlechtes Gewissen. Oh Gott, was hast du nur all die Jahre Schlimmes gesagt, dachte ich mir. Und nun das: ich bin ein Epiarsch.
Ich glaubte ernsthaft, das ist die Strafe Gottes … ach was … glaubte … irgendwie glaube ich es immer noch. Ein ganzes Kinderleben lang stritt ich mich mit den Worten: „Du Epi, Du Blöder“ und jetzt ereilt mich der Zorn Gottes und ich bin selber zum Epi geworden.
All die Jahre vergingen und nie fand Dr. Blumenbach einen Herd oder sonstigen pathologischen Befund in meinem EEG. Woher sollte ich es also haben? Diese Epilepsie? Im Kopf bei mir ist alles okay sagt das CT und heute MRT.
Meine späteren Ärzte sagten, dass die Untersuchungsmethoden noch nicht soweit sind, auch diese Mini Anfallsauslöser in meinem Gehirn zu finden seien. Okay, fürs Erste glaube ich Ihnen. Jedoch werde ich mich auch weiter an meine Kindersünde „Du Epi“ erinnern.
Und wenn ich mich dann einmal wieder an damalige Zeiten erinnere, stelle ich heute fest, dass ich meinen Frieden mit Gott geschlossen habe. Wenn es gar nicht anders geht, schlage ich die Bibel auf, und lese den Zweiten Korintherbrief Kapitel 12:
12,7 Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. 12,8 Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. 12,9 Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. 12,10 Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.