Читать книгу Wilhelmina - Susanne B. Kock - Страница 5

3.

Оглавление

„Und hätten wir der Liebe nicht”, Pastor Neumanns tiefer Bariton drang problemlos von der Kanzel bis in die letzte Reihe der deutschen Kirche vor, die, ungewöhnlich für einen Dienstagvormittag, brechend voll war. Außer der nächsten Familie in den beiden vorderen Reihen, kannte Marthe fast niemanden aus der großen Schar der Trauernden, in der augenscheinlich alle Alters- und Sozialklassen vertreten waren. Leicht eingetrocknete ältere Damen mit lila Dauerwelle eingehüllt in perfektes Make-up und elegante Pelzmäntel begleitet von befrackten Herren mit kräftigem Bauchansatz und dünnem Haarschopf, durch den leberfleckige Kopfhaut schimmerte. Solide, leicht übergewichtige Mittvierzigerinnen in praktischen Windjacken über Röcken, deren elastischer Bund maximale Bewegungsfreiheit garantierte und mit kräftigem Schuhwerk mit geländegängiger Profilsohle. Männer in unspektakulärem Bürooutfit, das sich oft nur in der Wahl der Schlipsfarbe von dem des Banknachbarn unterschied. Zu Marthes großem Erstaunen war auch eine Gruppe Teenager in abenteuerlichen Gewändern, farbenfrohen Frisuren und alternativem Make-up erschienen, die wahrscheinlich aus irgendeiner der zahlreichen sozialen Organisationen stammte, in der ihre Tante sich mit Spenden oder persönlich engagiert hatte. Der Gottesdienst hatte gerade erst begonnen, aber Marthe putzte sich schon zum dritten Mal diskret die Nase. Kirchliche Amtshandlungen, egal ob Hochzeit, Taufe oder Beerdigung übten stets einen unfehlbaren Effekt auf ihre Tränendrüse aus. Ihr Schniefen hatte nur wenig mit Trauer um ihre verstorbene Tante zu tun, sondern kam als spontane physische Reaktion so wie beim Löffeln von heißer Suppe. Auch wenn Marthe sich das nie eingestanden hätte. Eigentlich fühlte sie sich wohl, ja fast zufrieden und abgeklärt hier in der festlich geschmückten warmen Kirche mit dem überwältigenden Blumenduft, den die im Mittelgang arrangierten Sträuße und Kränze aussandten. Endlich mal wieder ein guter Anlass, um in Ruhe ein bisschen zu heulen. Das hatte sie zuletzt vor ein paar Monaten bei irgendeinem schmalzigen Liebesfilm getan, an dessen Titel sie sich nicht mehr erinnern konnte. Durch die klaren hohen Fenster des Kirchenschiffes konnte sie die vorbeiziehenden dicken, grauen Wolken am zerfetzten Novemberhimmel und das Kommen und Gehen der Graupelschauer verfolgen, die ab und an wie Kieselsteine gegen das Glas prasselten. Während draußen der erste Wintersturm über die Stadt fegte und Regen, Blätter, Plastiktüten und gelegentlich lose Dachpfannen durch die Luft jagte, herrschte im von riesigen Messingkronleuchtern erhellten Kirchenschiff Andacht und Frieden. Der vor dem Altar aufgebahrte Sarg, der unter einem dichten Teppich aus roten und weißen Blumen fast verschwand, wurde beidseitig von jeweils drei Logenschwestern als Ehrenwache flankiert. Marthe schätze die beiden ältesten unter ihnen auf Ende siebzig und bewunderte ihre Standhaftigkeit. Sie mussten ihre Tante wirklich sehr gemocht haben, wenn sie das hier so steifbeining über sich ergehen ließen. Und Tante Wilhelm musste ihrerseits Marthe sehr gemocht haben, sonst hätte sie ihr wohl kaum das Haus hinterlassen, an dem sie selbst so gehangen hatte. Alle waren in irgendeiner Weise testamentarisch bedacht worden, ihre Geschwister, ihre Mutter, die Familie ihres verstorbenen Mannes, Organisationen und Institutionen. Alle hatten eine Scheibe vom Kuchen, der sich als sehr viel größer als vermutet erwiesen hatte, abbekommen. Tante Wilhelm war mehr als nur wohlhabend, Tante Wilhelm war reich gewesen. Sogar Theresa Twiete, die sich aufgrund des äußerst gespannten Verhältnisses zur Schwägerin keinen Illusionen über eine eventuelle Erbschaft hingegeben hatte, konnte sich eines positiv überraschten „na ja, zwar 35 Jahre zu spät, aber immerhin", nicht enthalten, als sie blitzschnell ihren eigenen Erbanteil in harte D-Mark umrechnete.

Solange Marthe sich erinnern konnte, hatte man bei ihr zuhause von Tante Wilhelms Wohlstand gesprochen. Zu einer Zeit Anfang der 50er Jahre, als die meisten Deutschen nur sehr langsam mit dem, was die Nachwelt gemeinhin als Wirtschaftswunder bezeichnete in Berührung kamen und ein großer Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung wirtschaftlich nur bescheidene Fortschritte machte, Wohnraum noch rationiert war und Autofahren für den Durchschnittsdeutschen, wenn überhaupt, im Taxi stattfand, sprach man fast andächtig über Tante Wilhelms großes Haus in Kopenhagen, ihre Haushälterin, teuren Autos und Auslandsreisen. Aus ihren Kinderjahren erinnerte Marthe sich an die absolut nicht für Kinderohren bestimmten und daher umso interessanteren abendlichen Gespräche und Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern. An Theresa Twietes Vorwürfe, weil Heinrich Twiete sich weigerte, seine Schwester um Geld anzupumpen. Stattdessen lieber teure Kredite aufnahm, die die empfindliche Balance von Einnahmen und Ausgaben im Twieteschen Haushalt nachhaltig störten. „Ich bin erwachsen, bin mein eigener Herr und habe nicht vor, mich an den Rockzipfel meiner großen Schwester zu hängen”, pflegte ihr Vater in diesen immer nach den gleichen Muster ablaufenden Gesprächen in erkämpft ruhigem Ton zu antworten, woraufhin ihre Mutter stets mit verächtlichen verbalen Hieben konterte. Sein wahrlich nicht imponierendes Einkommen, seine Mittelmäßigkeit und seinen fehlenden Ehrgeiz beklagte. Marthe erinnerte sich eigentlich mehr an den abfälligen Ton als an den Inhalt dessen, was Theresa ihrem Gatten in diesen abendlichen Auseinandersetzungen mit einer gewissen Regelmäßigkeit vorzuwerfen pflegte. Fast alle Diskussionen endeten mit der mütterlichen Standardanklage, dass ihr Vater nicht in der Lage sei, seine Familie anständig zu versorgen. Auf jeden Fall nicht ausreichend, um ihr - Theresa Twiete - ein Leben auf dem Niveau zu bieten, das ihr zustand. Dass es eigentlich nur ihrer Sparsamkeit und Opferbereitschaft zu verdanken war, dass man nicht am Hungertuche nagte. Im Laufe der Zeit lernte Marthe, die verschiedenen zum Kampf eingesetzten Elemente zu erkennen und zu unterscheiden. Sie konnte anhand der mütterlichen Stimmlage beurteilen, in welcher Phase sich die elterlichen Streitgespräche gerade befanden und kannte die Patt-Situationen, die stets in einem mehrtägigen Schweigen auf beiden Seiten resultierten. Irgendwann hatte Marthe aufgehört, sich Sorgen über eine eventuelle Scheidung ihrer Eltern zu machen und stattdessen beschlossen, Auseinandersetzungen und bittere Vorwürfe dieser Art als natürlichen Teil des elterlichen Ehealltags zu akzeptieren. Einer Sache war sie sich damals ganz sicher: Sie würde niemals heiraten, das gab nichts als Ärger. Nein, lieber wollte sie für sich alleine in einer der schönen hellen Neubauwohnungen mit modernen Möbeln leben, so wie ihre Lieblingstante Uschi, die jüngste Schwester ihrer Mutter. Die arbeitete in einem Anwaltsbüro, lachte viel, ging tanzen, schminkte sich, hatte eine elegante Garderobe und war mindesten einmal in der Woche beim Friseur. Wenn Marthe sie besuchte und manchmal an einem Wochenende bei ihr übernachten durfte, gab es exotische Gerichte wie Spaghetti mit geriebenem Parmesankäse, dessen Geruch Marthe immer ein bisschen an Erbrochenes erinnerte und sie durfte alle Tante Uschis Lippenstifte ausprobieren. Tante Uschi hatte viele Freundinnen und Bekannte und einen festen Freund, der auch oft bei ihr war, wenn Marthe sie besuchte. Er war viel älter als ihr Vater, arbeitete bei der Volkszeitung und brachte stets Blumen, Bücher, Schallplatten oder eine Schachtel Pralinen mit, wenn er sie besuchte. Tante Uschi und Onkel Joachim konnten stundenlang heftig über Politik, Zeitungsartikel oder neue Bücher streiten, ohne sich dabei jemals so in die Haare zu geraten wie Marthes Eltern. Marthe liebte diesen Onkel Joachim, weil er sie im Gegensatz zu den meisten anderen Erwachsenen einschließlich ihrer eigenen Eltern ernst nahm. Und im Gegensatz zu den meisten anderen Erwachsenen offen seine eigenen Unzulänglichkeiten und Fehler einräumte. Manchmal lud er Uschi und Marthe sonntags zum Essen in ein Restaurant in der Stadt ein oder in ein Cafe, wo Marthe die teuerste Torte bestellen durfte und Kakao mit Sahnehaube. Wenn Tante Uschi ihn bei solchen Gelegenheiten manchmal ein glückliches „Achim, du verwöhnst uns aber wieder nach Strich und Faden”, zuflüsterte, bekam er oft diesen merkwürdigen Blick, tätschelte ihre Hand und murmelte irgendetwas, was sich wieKarpfen anhörte und sich bei späterem Nachfragen als carpe diem erwies. An einem solchen Wochenende beschloss Marthe, dass ihr Freund einmal so sein sollte wie Onkel Joachim und ihre Beziehung auf keinen Fall so wie die ihrer Eltern.

Marthe hatte keine Vorstellung davon, was ihr das gewaltige Erbstück bei einem schnellen Verkauf einbringen konnte. In ihren Augen handelte es sich um ein malerisch mit Wein und Efeu überwuchertes Märchenschloss in einem herrlichen, verwunschenen Park, eine pompöse Patriziervilla in einem exklusiven Viertel, die in Hamburg ein Vermögen einbringen würde. Entsprechend hoch waren ihre Erwartungen. Vielleicht war sie schon Millionärin. Sie schloss überwältigt die Augen und stellte sich vor, wie viele Jahre sie bei Medinex würde arbeiten müssen, um eine Million netto zu verdienen, wurde aber rasch in die Realität zurückgerufen, als die Trauergemeinde sich unter Räuspern und Füssescharren erhob. Die Orgel setzte brausend ein und Marthe lief es kalt den Rücken hinunter, als der geschmückte Sarg mit den sterblichen Überresten Wilhelmina Rastrups, geb. Twiete, verw. Mathiesen aus der Kirche getragen wurde.

„Ja, wirklich ein schönes Stück, so recht was für Liebhaber des Originalen.” In der kalten Begriffswelt des Immobilienmaklers wurde Marthes Millionen-Märchenschloss blitzschnell auf ein schwer verkäufliches, stark renovierungsbedürftiges Liebhaberobjekt reduziert. Makler Sørensen kniff seine rotgeränderten Schweinchenaugen leicht zusammen und ließ seinen professionellen Blick kritisch an der Fassade auf und ab gleiten, während er rastlos mit dem Schlüsselbund in der Hosentasche klimperte. „Sieht man jetzt ja dutzendweise auf dem Markt, diese großen alten Häuser. Seit Jahren nicht mehr ordentlich gepflegt, unmodern, undicht, eiskalt im Winter, die reinen Energiefresser und das bei den heutigen Ölpreisen.” Er nickte Marthe, die frierend neben ihm im Schneeregen stand, aufmunternd zu. „Aber natürlich Charme, das haben sie ja, diese Häuser. Für den Do-it-yourself-Käufer oder jemanden mit richtig guten Handwerkerverbindungen, also schwarz.“ Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Sie verstehen, Handwerker und dann noch in dieser Größenordnung, wer kann sich das in diesen Zeiten schon leisten.” Sørensen zog einen Kugelschreiber, der sich als verkleideter Zeigestock erwies, aus der Manteltasche und begann mit fechtenden Bewegungen Punkt für Punkt mit der Desillusionierung: Putz der Außenfassade mit feuchten Partien und starkem Algenbefall - stark renovierungsbedürftig, Fundament mit Mauerrissen, vielleicht Setzschäden, altmodische Doppelfenster am besten durch moderne Thermofenster zu ersetzen, fehlende Hohlraumisolierung, Auswechseln der beschädigten Dachpfannen - besser noch Totalrenovierung des Daches. Totalrenovierung war überhaupt Makler Sørensens Lieblingsausdruck. Ausbessern des Mauerwerks über den Fensterbögen, Reparatur der verglasten Holzveranda, Marthe wartete hier eigentlich auf das Stichwort Totalrenovierung, aber es kam noch schlimmer. Abriss wäre wohl am sinnvollsten, heutzutage hätte niemand mehr die Zeit für derart aufwendige Arbeiten und überhaupt, wer konnte und wollte denn schon so etwas Unisoliertes aufwärmen. Sockelisolierung aufgrund von Feuchtigkeit in Teilbereichen des Kellers, Modernisierung der altersschwachen elektrischen Installationen usw.usw. Sørensen kam bei seiner Aufzählung mehr und mehr in Fahrt, schlug den Mantelkragen hoch und rieb sich tatkräftig die Hände als wollte er auf der Stelle mit der Umsetzung seines imaginären Aktivitätsplans beginnen. „Tja, äußerlich ist da ja wirklich so einiges zu tun", trompetete er vergnügt und stapfte auf die Eingangstür zu. „Dann wollen wir doch mal sehen, wie das Innenleben unserer alternden Diva aussieht.” Marthe, bereits leicht entnervt, zog die linke Augenbraue hoch und murmelte spitz „wahrscheinlich muss ich noch zuzahlen, um es loszuwerden.” Sie spürte, dass sich die Nässe des matschigen Rasens bis zu ihren dünnen Strümpfen vorgearbeitet hatte und folgte ihm gerne in die warme Eingangshalle. Aber irgendwie entwickelte sich die Situation nicht so ganz, wie sie erwartet hatte.

Es war eigentlich eine Lüge oder zumindest nur die halbe Wahrheit gewesen und Marthe hatte deswegen anfänglich ein schlechtes Gewissen gehabt. Sie hatte Stefan in der Firma angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie aufgrund unvorhergesehener Probleme unbedingt noch einige Tage länger in Kopenhagen bleiben musste. „Der ganze Papierkram mit dem Haus und so, du weißt schon, das zieht sich hin." Sie hatte seine Enttäuschung fast körperlich gespürt, als er murmelte, dass sie offenbar eine abrissreife Bruchbude seiner Gesellschaft vorzog. Stefan hatte unter Aufbietung all seines nicht unbeträchtlichen Charmes versucht, sie zu überreden, doch zumindest für eine Nacht zu kommen. Seine Frau und Tochter waren gerade bei Freunden in München. Marthe war hart geblieben, und hatte sich anschließend gewundert, wie leicht ihr das gefallen war. Sie hatte jetzt soviel mit all den praktischen Dingen um die Ohren, war so beschäftigt mit gänzlich neuen Problemstellungen, zu denen sie sich verhalten musste, dass sie manchmal den ganzen Tag nicht an Stefan dachte, völlig vergaß ihn zu vermissen und sich nach ihm zu sehnen. Abends fiel sie erschöpft in Tante Wilhelms luxuriöses Gästebett und umgehend in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem sie erfrischt und voller Tatendrang in der Morgendämmerung durch das Frühkonzert der Amseln im Garten erwachte. Infolge ihrer Freundin Margit war ihre Reaktion ein gutes Zeichen. Ein Indikator dafür, dass ihre blinde Verliebtheit auf den Rückzug und ihr gesunder Menschenverstand auf dem Vormarsch war.

Marthe goss den frischgebrühten Kaffee in die zierliche, blaubemalte Porzellantasse, lehnte sich wohlig seufzend im tiefen Ohrenklappsessel zurück und begann den letzten Gruß ihrer Tante, den sie zusammen mit allen möglichen Papieren bisher nur hatte überfliegen können, noch einmal in Ruhe zu lesen. „Wenn du diese Zeilen liest, bin ich schon tot und sitze hoffentlich im Himmel auf einer bequemen Wolke mit Aussicht. Auch wenn mich viele in meiner Umgebung lieber zum Teufel als nach hier oben gewünscht hätten. Aber den Gefallen werde ich ihnen nicht tun.“ Typisch Tante Wilhelm, lächelte Marthe, ertastete unter dem Berg von Papier, Zeitungen und leeren Kekstüten, Zigaretten und Feuerzeug, pustete ein paar verirrte Tabakkrümel vom Papier und las, was Wilhelmina Rastrup im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte am 22. August 1985 geschrieben hatte. Marthe sah auf das Datum und rechnete zurück. Das war drei Wochen, nachdem beide Tante Wilhelms Söhne bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren. Sie war tief gerührt, dass ihre Tante damals an sie gedacht hatte, ihre Nichte mit der sie, so wie auch mit dem Rest der Familie, seit Jahren keinen engen Kontakt gepflegt hatte.

Die Nachricht vom gewaltsamen Tod ihrer Söhne, hatte Wilhelmina sehr schwer getroffen. Schwerer als der Tod ihres Mannes, der im Alter von über 80 Jahren an einem warmen Spätsommertag friedlich in seinem Gartenstuhl eingeschlafen war. Ihre Söhne waren viel zu jung, um zu sterben, hatten das ganze Leben noch vor sich. Wilhelmina war nach dem Verlust ihrer Söhne nie wieder ganz die Alte geworden. Sie, die Gott und Kirche stets leicht abfällig als trügerische Krücke für schwache Seelen bezeichnet hatte, begann sich plötzlich mit befreundeten Geistlichen über biblische Rache und den Zorn Gottes zu unterhalten. Obwohl sie selbst keine Kinder hatte, konnte Marthe sich vorstellen, wie furchtbar es für ihre Tante gewesen sein musste, auf einen Schlag beide Kinder zu verlieren. Tante Wilhelm hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Söhnen gehabt, auch wenn beide in den USA lebten, wo sie gemeinsam einen vom Konkurs bedrohten Verlag aufgekauft, effektiv rationalisiert und im Laufe der folgenden Jahre in ein blühendes Unternehmen verwandelt hatten.

Die Begabung, aus dem Nichts ein solides Vermögen zu schaffen, war in der Familie ihres Vaters anscheinend nur in der weiblichen Linie vererbt worden, musste Marthe mit Bedauern feststellen, als sie an die weit weniger erfolgreichen unternehmerischen Vorhaben ihres Vaters dachte. Im Gegensatz zu seiner älteren Schwester hatte er nie richtig mit Geld umgehen können. Oder wie ihre Mutter es auszudrücken pflegte „kein Händchen dafür gehabt, ein Vermögen zu schaffen.“ Heinrich Twiete hatte stets dafür gesorgt, dass sein Geld zirkulierte, wie er es selbst ausdrückte. Oder „es mit vollen Händen zum Fenster rausgeworfen“, wie ihre Mutter sein Verhalten bezeichnete, wenn ihr Heinrich mal wieder mit einem neuen Wagen vorfuhr und ihr gleichzeitig mitteilte, dass sie auf das Haushaltsgeld für die kommende Woche noch warten müsse.

Tante Wilhelm hatte sich in den Jahren nach dem Tod ihrer Söhne noch intensiver in der Sozialarbeit engagiert, hatte Initiativen für Frauenhäuser und Obdachlosenherbergen unterstützt und kräftig gespendet. Ihr Haus hatte sie jedoch nicht irgendeiner ihrer wohltätigen Stiftungen oder dem Tierschutzverein vererbt, sondern ihrer Nichte. „Weil du mich damals als Baby so an meine kleine Elisabeth erinnert hast. Du hattest ihre Augen und ihr habt beide auf die gleiche Art und Weise eine Schnut ziehen können, dass man einfach lachen musste. Nimm es als sentimentalen Anfall einer alten Frau, aber ich habe einfach das Gefühl, dass mein Haus und alles, was darin steht, bei Dir in den besten Händen ist. Ich will nicht, dass Fremde meinen Besitz durchwühlen, schätzen, sortieren und verkaufen, wenn ich erst einmal nicht mehr bin.“

Marthe konnte sich gut an ihre Cousins Malthe und Haucke erinnern, die sie aufgrund des großen Altersunterschiedes immer wie freundliche Onkel behandelt hatten. Bei ihren seltenen Besuchen hatte es stets große Geschenke und haarsträubende Geschichten gegeben und in Marthes Augen führten die beiden das interessanteste Leben, das man sich überhaupt vorstellen konnte. Immer unterwegs, gewohnt auf internationalen Messen aufzutreten und sich mit größter Selbstverständlichkeit in luxuriösen Hotels einzuquartieren - Marthe war tief beeindruckt von soviel Weltläufigkeit. Von Tante Wilhelms Tochter wusste sie nur, dass sie schon als kleines Baby an irgendeiner Kinderkrankheit gestorben war. Damals in der schlechten Zeit, als es weder etwas zu essen gab noch wirksame Medizin. Sie hatte ihre Tante nie darüber sprechen hören und konnte bei näherem Nachfragen am Tonfall ihrer Mutter hören, dass das bestimmt kein Thema war, was man anzuschneiden wünschte. Wie alle Tantes schriftlichen Mitteilungen, war auch dieser letzte Brief an ihre Nichte in Sütterlinschrift verfasst, deren Entschlüsselung Marthes volle Konzentration erforderte. Marthe sandte einen dankbaren Gruß an Frau Meyer-Wüns, ihre alte Volksschullehrerin, die mit Argusaugen darüber gewacht hatte, dass ihre Schüler das verhasste hellblaue Brauseübungsheft mit säuberlichen Sütterlinbuchstaben füllten. „Ihr werdet es mir noch einmal danken, Kinder”, war ihre Standardantwort auf das vereinzelte Murren und Aufbegehren derjenigen Schüler gewesen, die bereits beim Erlernen des lateinischen Alphabets an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gestoßen waren und diese altmodische Krakeleien aus ganzem Herzen verabscheuten. Auf sechs soliden, cremefarbenen Bögen Büttenpapier mit Wasserzeichen und geprägtem Briefkopf erklärte Wilhelmina Rastrup ihrer Nichte in steiler, formvollendeter Schrift die Dispositionen, die sie in ihrem Testament vorgenommen hatte. „Auf gut Deutsch, weil ich mir nicht sicher bin, dass dieser Winkeladvokat es richtig wiedergeben kann, wenn ich erst mal unter der Erde bin.“ Auch das war typisch für ihre Tante, ein gesundes und mit zunehmendem Alter wachsendes Misstrauen gegenüber Anwälten, Steuerberatern und anderen, die in ihren Augen primär davon lebten, dass der Alltag für den Normalverbraucher so kompliziert geworden war, dass man ihn ohne fachmännische Hilfe dieser Art nicht mehr bewältigen konnte. „Vielen Dank Tantchen, besser hättest du diese Erbschaft überhaupt nicht timen können." Marthe hob ihre leere Kaffeetasse und prostete in Richtung Kaminsims, auf dem zwischen dem Wirrwarr von Kinderporträts in Sepiabraun bis Kodakcolor in einsamer Majestät das Hochzeitsbild von Wilhelmina und Laurids Rastrup herausragte.

Ein schönes Paar, dachte Marthe. Wilhelmina musste auf dem Bild Anfang dreißig, Laurids um die vierzig gewesen sein. Mit seinem jungenhaften Blick, dem leicht ironischen Lächeln und dem Grübchen am Kinn, erinnerte er Marthe an einen sehr schlanken Cary Grant und ihre Tante mit dezentem Make-up und elegant gestylter Frisur hätte ohne Probleme auf der Vorderseite einer Modezeitschrift posieren können. „Match made in heaven, ich hoffe ihr trefft euch da wieder.“ Marthe stemmte sich aus Sessel hoch und ging in die Küche, um Kaffeewasser aufzusetzen. Sie musste sich eine richtige Kaffeemaschine besorgen, der Kaffee aus dieser gläsernen Stempelkanne war immer lauwarm, wenn sie endlich zum Trinken kam. Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, zündetet sie sich eine Zigarette an und sah in den Garten, in dem sich die kahlen Obstbäume filigran vom grauen Himmel abhoben. Zwei Amseln pickten in friedlichem Einvernehmen an einer Apfelmumie, Blaumeisen hingen am Kopf einer Sonnenblume, pickten die letzten fetten Kerne zwischen den leeren braunen Hülsen heraus und fraßen sich Winterspeck an. Kater Gustav, zerrauft wie immer und leicht hinkend, trottete über den Rasen und steuerte zielsicher auf die Katzenluke in der Küchentür zu. Es war so still, dass sie das Läuten der Kirchenglocken hörte, die den Feierabend ankündigten. Welch ein paradiesischer Frieden! Kein brummender Verkehr, kein hysterisches Hupen, kein klingelndes Telefon, nicht einmal ein Radio - einfach nur Ruhe. Dazu der ungewohnte Luxus, verschwenderisch mit dem Platz umgehen zu können. Laut Plan waren hier 380 m2 Wohnfläche - zuzüglich Schrankzimmer, Keller und Boden. Und dann war da natürlich der Garten. 2500 Quadratmeter gärtnergepflegtes Grün, wo man selbst um diese Jahreszeit noch die Blütenpracht erahnen konnte, die hier im Sommer herrschen musste. Eigentlich keine schlechte Alternative zu ihren zentral gelegen 80 Quadratmetern im dritten Stock mit Bushaltestelle in 50 Meter Abstand.

Nach der ersten Nacht alleine im Haus, in dem sie sich verloren und einsam gefühlt hatte, nicht hatte einschlafen können, weil alle Sinne angestrengt auf die fremden Geräusche, das Knirken von Dielenbrettern und das Blubbern der Luftblasen in den Heizungsrohren konzentriert waren, hatte sie ernsthaft überlegt, zurück ins Hotel zu ziehen. Zurück in anonyme, überschaubare Räume, unter Menschen, einem Frühstücksbüffet, wo der Kaffee am gedeckten Tisch serviert wurde. Doch bereits am Nachmittag, als die Sonne sich durch die graue Wolkendecke kämpfte und Licht durch die hohen Fenster strömte, das sich in den geschliffenen Scheiben der Flügeltüren, den Kristallspiegeln und dem großen Kronleuchter in allen Regenbogenfarben brach, begann sie entgegen aller Vernunft und Absicht das Haus in Besitz zu nehmen. Nach dem Frühstück machte sie es sich mit einem Buch in einem der geräumigen Korbsessel in der von Makler Sørensen verschmähten Glasveranda gemütlich und genoss dort Wärme und Nichtstun. Sie hatte ein paar Stücke von Tante Wilhelms schlimmstem Kitsch „alles königliches Porzellan Kind, unter Sammlern ein Vermögen wert“, in den Keller gestellt, ein paar Möbel verrückt, die zahlreichen Vasen mit Blumen vom Straßenhändler gefüllt, der seine bunte Pracht erstaunlich billig anbot und ihr sogar noch einen besonderen Rabatt gewährt hatte. „Frauen sollten ihre Blumen nicht selber kaufen! Sie sollen sie von ihrem Liebsten geschenkt bekommen“, hatte er beim Überreichen des Straußes proklamiert. Seit sie herausgefunden hatte, auf welche Weise sich der Abzug im Kamin ohne Kraftanstrengung öffnen ließ, hatte sie sich mit einem offenem Kaminfeuer verwöhnt, was für Marthe, die normalerweise über fünf gelblich gestrichenen Standardheizkörper verfügte, den Inbegriff von Luxus darstellte. Selbst der betagte Kühlschrank und die geräumige Speisekammer enthielten mehr kulinarische Attraktionen als in ihrer Hamburger Wohnung. Wenn sie sich abends mit einer Tasse Kaffee im riesigen Badezimmer in der alten Emaillebadewanne räkelte, las und rauchte, stellte sie sich vor, dass das hier der Beginn eines neuen und glücklicheren Lebens gemeinsam mit Stefan werden könnte. Wenn er wollte. Auf der anderen Seite: Was sollte sie hier mit einer fremden Sprache, ohne Job, ohne Freunde, in einem Riesenhaus alleine mit einem alten, fusselnden Kater. Würde Stefan sein warmes Nest in Blankenese verlassen und mit ihr gemeinsam hier ein neues Leben anfangen? Es war das erste, was ihr eingefallen war, als sie ihr Erbe mit all seinen schnörkeligen Details gründlich inspizierte. Das hier würde selbst ihrem anspruchsvollen Geliebten als passender Wohnsitz genehm sein. In gründlich renoviertem Zustand natürlich. In den letzten Tagen war ihr aufgegangen, wie vieles in ihrem Leben sie von Stefans Entscheidung abhängig gemacht hatte. Recht besehen ihre gesamte Zukunft. Ihre ewigen Vorbehalte beim Akzeptieren von Einladungen bei Freunden, um nicht eines der seltenen gemeinsamen Wochenenden mit ihm zu riskieren, das abendliche Warten auf eventuelle Gute-Nacht-Anrufe, das Glücksgefühl, wenn er sonnabendmorgens zu ihr kam und die Traurigkeit wegen der bevorstehenden Trennung, die sich schon beim späten sonntäglichen Frühstück einstellte. Eigentlich bestand ihre derzeitige Lebensplanung hauptsächlich darin, Rücksicht auf sein Leben und seinen Kalender zu nehmen. Pläne, über die sie nie offen sprachen, sondern die sie sich aus seinen Bemerkungen, seinem Verhalten, seinen Antworten selbst zusammenreimte.

Das Schlimmste an diesem Verhältnis war die für Marthe ungewohnte Defensive, das ewige Sich-Verteidigen vor ihren Freunden. Auch wenn nur wenige es so offenherzig sagten wie Margrit, dann waren sich alle einig, dass dieser Stefan nie seine reiche Frau und sein etabliertes Familienleben in Blankenese aufgeben würde und dass Marthe gut daran täte, sich so schnell wie möglich aus dieser Beziehung zurückzuziehen. „Du bist noch einigermaßen frisch, siehst gut aus, bist intelligent, such Dir einen, der mehr als nur Bettakrobatik jagt. Wenn du noch ein paar Jahre wartest, sind nur noch die Gebrauchten und Angedetschten übrig und du wirst ja auch nicht jünger", pflegte Margrit mahnend zu sagen, wenn das Thema auf Zukunft und Träume kam. Margit musste es wissen, hatte sie sich doch rechtzeitig einen intelligenten und begabten Mann an der Uni besorgt, der mit der gleichen Selbstverständlichkeit mit der Margit nach dem Examen ins Berufsleben einstieg seinen Anteil an Kindern und Haushalt übernahm. Ewald verdiente anständig als Forscher in der Medizinalindustrie, er liebte seine Frau und seine Kinder, wollte sogar noch mehr, was er auch laut sagte, reparierte Autos und Waschmaschinen, las Bücher und den Kulturteil der Zeitung, tapezierte die schrägsten Dachkammern mit Mustertapeten und ging lieber ins Kino als vor dem Fernseher einzuschlafen. Marthe war manchmal richtig neidisch auf Margit. Nicht auf deren heile Welt, sondern auf das Selbstverständnis, mit der sie diese heile Welt mit dem perfekten Mann, den wohlgeratenen Kindern und dem passenden Job einfach für sich als richtig und verdient beanspruchte. Das war das Leben, was sie leben wollte, sie hatte es sich erarbeitet, kein Grund irgendjemandem außer sich selbst dafür dankbar zu sein oder sich durch Zweifel am eigenen Wert zu zermürben. Wenn man so einen Mann und so ein Leben wie Margrit hatte, dann war es einfach, anderen Vorträge zu halten.

Marthe stöhnte leise und dachte zum x-ten Mal über die Sackgassensituation ihres eigenen Lebens nach. Über ihre Unfähigkeit etwas Entscheidendes in die richtige Richtung zu unternehmen, sei es in Beziehung auf Job, Finanzen oder Privatleben. Sie zündete sich eine Zigarette an und beschloss jetzt - jetzt sofort - etwas zu ändern. Sie würde Stefan anrufen und die seit langen ausstehende Entscheidung provozieren. Er hatte über ein Jahr lang Zeit gehabt, sich selbst und seine Familie darauf vorzubereiten, während Marthe schon nach der ersten Begegnung - überzeugt davon, den Mann ihres Lebens getroffen zu haben - ihr ganzes Leben auf die kleinen Lücken und Freiräume in seinem ausgerichtet hatte. Damit musste jetzt Schluss sein.

Marthe erhob sich resolut, suchte in ihrem Kalender nach seiner Privatnummer, die sie nur für den alleräußersten Notfall, der nie eintreten würde, notiert hatte. Zweimal legte sie den Hörer blitzschnell wieder auf, nachdem sie die lange Nummer schon eingetastet hatte. Sie zündete sich eine frische Zigarette an, tastete erneut und lauschte auf das Freizeichen, das mit einer Sekunde Verspätung zu hören war. Ihr Magen rebellierte und sie konnte merken, dass ihre Hände schweißnass wurden. „Hier ist Anna, wer ist da?" Eine dünne Kleinmädchenstimme, im Hintergrund das Klirren von Gläsern, Lachen, Frauenstimmen. „Anna, wer ist dran?" Marthe legte schnell die Hand auf die Gabel. „Tschuldigung, falsch verbunden”, murmelte sie in die tote Leitung und legte den Hörer auf. Nein, so ging das nicht. Nicht am Telefon, sie musste ihn sehen, ihm gegenübersitzen, seine unmittelbare Reaktion merken. Aber zumindest ein Datum musste sie mit ihm abmachen. Zögernd griff sie erneut nach dem Hörer und fuhr erschreckt zusammen, als das Telefon im selben Augenblick schrill zu läuten begann.

„Guten Abend Frau Twiete, ich hoffe, dass ich nicht störe, mein Name ist Mads Grønholt von der Kanzlei Berg, Madsen & Grønholt. Ich weiß nicht, ob Sie sich an mich, erinnern wir haben uns auf der Beerdigung ihrer Tante begrüßt, hhmm, wir, … unsere Kanzlei hat Ihrer Tante juristischen Beistand geleistet.” Marthe musste ein Lachen unterdrücken. Offenkundig einer von Tante Wilhelms geschmähten Winkeladvokaten, der Beute roch. Sie ließ die Gesichter der dunkelgekleideten Herren Revue passieren. Zu viele neue Namen, zu viele geschüttelte Hände, wahrscheinlich einer der distinguierten Grauchen um die 70, obwohl sich die Stimme jünger und eigentlich noch ziemlich agil anhörte. „Nein, es tut mir leid, aber ich kann mich wirklich nicht an Sie erinnern, es waren so viele Menschen in der Kirche …”

Er unterbrach sie und ersparte ihr eine langatmige Entschuldigung. „Ach, Sie brauchen sich wirklich nicht zu entschuldigen“, sie registrierte sein leises, warmes Lachen. „Wenn es die nahe Familie trifft, hat man ja reichlich mit seinen eigenen Gedanken zu tun." Marthe bemerkte sein sehr gepflegtes, nahezu akzentfreies Deutsch, in dem nur die s-Laute seine skandinavische Herkunft verrieten. „Ich will Sie auch gar nicht weiter aufhalten, Sie haben bestimmt alle Hände voll zu tun mit dem Haus, ähm, der Hinterlassenschaft, ich, also ich wollte Ihnen nur unsere, also meine Hilfe anbieten.“ Er machte eine kleine Pause. „Ganz unverbindlich natürlich.”

„Och, ich habe eigentlich gar nicht so viel zu tun." Das war ihr einfach so rausgerutscht, kam aber von Herzen. „Oder besser gesagt, all das was getan werden muss, kann ich nicht selber machen”, erklärte sie lachend. „Vielleicht kann ich Ihnen ja etwas behilflich sein, wir haben hier doch zumindest unsere Verbindungen und Sie als Ausländerin”, er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen.

Fünf Minuten später hatte Marthe eine Verabredung zur frokost mit Mads Grønholt für den kommenden Donnerstag. Im Langeliniepavillon, „weil der ja gleich um die Ecke liegt und es dann nicht so schrecklich formell ist, wie in der Kanzlei.“ Es gab anscheinend eine ganze Menge Leute, die so grosse Stücke auf Ihre Tante gehalten hatten, dass sie jetzt sogar ihrer Nichte helfen wollten. Marthe war dankbar. Sie konnte angesichts ihrer baufälligen Erbschaft jede Hilfe gebrauchen. Auf dem Weg in die Küche dachte sie noch einmal kurz daran, Stefan anzurufen. „Ach was, jetzt habe ich schon fast ein Jahr gewartet, dann kann das auch noch bis morgen warten“, murmelte sie schulterzuckend, riss die Rolle mit den Schokoladenkeksen auf und schenkte sich den letzten lauwarmen Kaffee ein.

Der Langeliniepavillon war an diesem trüben Novembertag nur schwach besucht. Marthe war zehn Minuten zu früh gekommen, sie konnte sich nur schwer an die Tatsache gewöhnen, dass man beim Durchqueren von Kopenhagen im Auto weder größere Staus noch Parkplatzprobleme einkalkulieren musste. Außer ihrem Alfa standen nur drei Wagen auf dem Parkplatz direkt vor dem Restaurant. Das Gebäude war einer der typischen, kantig-schmucklosen Kästen, mit denen man in den bauboomenden 60er Jahren die Städte verunziert hatte. Mit seinen riesigen Panoramafenstern musste es auf jedenfall konzipiert worden sein, bevor Energiesparen zum Volkssport wurde. Sie trat in die Lobby und war nach dem spartanischen Äußeren angenehm überrascht über die, wenn auch leicht verschlissene, Pracht im Inneren. Ein Wappen und unzählige Pokale in divergierender Geschmacklosigkeit lieferten umgehend die Erklärung. Hier beherbergte man den königlichen Yachtklub. Ein freundlicher Kellner geleitete sie zu einem reservierten Fenstertisch, fragte, ob sie etwas zu trinken wünsche und entfernte sich lautlos und lächelnd mit ihrem Mantel. Sie sah sich neugierig um und registrierte, dass abgesehen von ihrem eigenen nur zwei weitere Tische in dem großen Raum besetzt waren. Alles war sehr still und außer der leise geführten Unterhaltung der beiden alten Damen drei Fenster weiter, unterbrach nur ab- und an ein Klingen von Besteck oder Gläsern die Stille, wenn sich der Kellner an den bereits einwandfrei geputzten Kristallgläsern oder dem wie mit dem Lineal ausgerichteten Tischbesteck zu schaffen machte.

Selbst der Hafen mit den Werftanlagen schien wie ausgestorben. Kein Wind regte sich, das bleigraue Wasser schwappte träge gegen die Promenade und nicht einmal die Möwen ließen sich von ihren Ruheplätzen auf den algenbewachsenen Findlingen fortlocken. Marthe zündete sich eine Zigarette an, inhalierte genussvoll und blies den Rauch langsam in Ringen wieder aus dem Mund, während sie ihren Blick über die nassglänzende Promenade schweifen ließ.

Eine Schar Kindergartenkinder, vermummt in kreischbunte wind- und wasserabweisenden Overalls zog unter der resoluten Führung ihrer Erzieherinnen in formlosen, vernünftigen Jacken und dem unentbehrlichen Fjellräven Rucksack schnatternd und lachend in Richtung Kleine Meerjungfrau. Marthe musste an Stefans Tochter und den Anruf des gestrigen Abends denken. Es war feige von ihr gewesen, einfach aufzulegen. Sie würde es heute Nachmittag noch einmal bei Stefan im Büro versuchen und diesmal würde sie ihn zu einer Aussprache zwingen. Die unerwartete Erbschaft und die damit verbundenen finanzielle Freiheit stellten ihr plötzlich Möglichkeiten in Aussicht, die sie vorher nicht hatte oder nicht gesehen hatte. Die einsamen Abende in Tante Wilhelms Haus hatten ihr Zeit zum Nachdenken gegeben. Kein Fernsehen, keine Medinex, kein Dr. Hamann, keine nörgelnden Kunden, keine Freunde, Kinoausflüge oder Kneipenbesuche, nicht einmal die Zeitung, die jeden Morgen mit einem satten Laut auf die Fliesen der Diele klatschte, konnte sie lesen. Ein paar Ausfahrten auf dem alten Fahrrad in die nächste Umgebung, Einkaufen im lokalen Supermarkt. Das waren die sozialen Höhepunkte ihres Lebens. Vielleicht sollte sie sich zu einem dänischen Sprachkurs anmelden. Mit den Ergebnissen der paar Monate, die sie damals als reine Beschäftigungstherapie nach Manfreds Landesflucht an der Volkshochschule gemacht hatte, konnte sie nicht mal morgens Brötchen kaufen. Niemand verstand ihre mühsam artikulierten Sprachbrocken. Die meisten schlugen sofort ins Englische um, selbst die massive Bäckerdame, die in ihrem rot-weißen Kittel genauso appetitlich aussah wie ihre duftende Brötchenauswahl, hörte sich an als wäre sie gerade einer amerikanischen Fernsehserie entsprungen.

Marthe fühlte sich wie in einem behaglichen Vakuum, konnte sich nicht erinnern, sich trotz der eher bescheidenen kilometermäßigen Entfernung jemals so weit weg von Zuhause und lästigen Zeitzwängen gefühlt zu haben und musste sich eingestehen, dass sie diesen Zustand genoss. Endlich einmal nach Herzenslust herumtrödeln. Niemandem Rechenschaft darüber ablegen zu müssen, was man mal wieder auf morgen verschoben hatte. Wenn Stefan jetzt nicht … Marthe wurde aus der Ausmalung ihrer Drohung, was passieren würde, wenn er jetzt nicht wollte, herausgerissen. „Ich hoffe ich habe Sie nicht zu lange warten lassen, aber wie das mit Klienten manchmal so ist, da wollte es einer ganz genau wissen." Marthe fuhr zusammen, fühlte sich wie bei verbotenen Gedanken ertappt und blickte in ein unerwartet jugendliches Gesicht mit geröteten Wangen und in ein Paar fröhliche blaue Augen hinter stahlgerahmten Brillengläsern, die sie schnell, aber dennoch gründlich musterten.

„Aber ich bitte Sie“, antwortete sie hastig. „Nett, dass Sie sich überhaupt die Zeit genommen haben.” Marthe war aufrichtig erfreut. Wenn man sich innerlich auf einen leicht angeknitterten Sechziger in Anzug und Weste mit goldener Uhrkette vorbereitet und sich dann unverhofft mit einem wohlkonservierten Mittvierziger in Rollkragenpulli und Wildlederjacke konfrontiert sieht, dann ist das an einem grauen Donnerstag schon Anlass genug zur Freude. „Als ich hörte, dass Sie Besuch von unserem tüchtigen Herrn Sørensen gehabt hatten, musste ich einfach etwas unternehmen." Er lachte und zeigte seine beiden Grübchen. „Der Mann ist wirklich etwas Besonderes, aber das haben Sie wohl schon bemerkt.” „Ja, er hat es auf jeden Fall geschafft, mir im Laufe kürzester Zeit alle meine Illusionen über den Zustand und Wert des Hauses zu nehmen", erwiderte Marthe mit einem schiefen Lächeln. „Wenn es nach dem ginge, wäre es am besten, alles abzureißen und von vorne anzufangen." Marthe seufzte und zog mit einer aufgebenden Geste die Schultern hoch. „Seine Beurteilung des Marktes war auch nicht gerade optimistisch.” Ohne den Blick von ihr abzuwenden, zündete Mads Grønholt sich eine Zigarette an. „Ich wusste gar nicht, dass Sie es so eilig mit dem Verkauf haben, ich hatte eigentlich den Eindruck, dass das Haus in der Familie bleiben sollte. Ihre Tante hat ja, wie Sie wissen, sehr daran gehangen." Marthe fühlte sich ein bisschen ertappt, dachte an den Brief und die rührenden Worte, bekam einen Anflug schlechten Gewissens, hielt aber dem forschenden blauen Blick stand. „Ich habe mich überhaupt noch nicht für irgendetwas entschieden. Ich will nur sehen, was das Haus wert ist. Also, ich meine den richtigen Marktwert“, fügte sie schnell hinzu. „Das ist ja auch wichtig, wenn ich eventuell eine Hypothek aufnehmen muss für die Renovierung." Die letzte Bemerkung war ihr nur so rausgerutscht und sie bereute sie bereits. Was gingen denn diesen Heini ihre persönlichen Dispositionen an? Egal, ob sie verkaufen oder vermieten wollte, sie brauchte sich vor niemandem zu rechtfertigen und vor dem schon gar nicht. Sein forschender, leicht amüsierter Blick begann sie zu irritieren. Jetzt konnte sie genauso gut den Spieß umdrehen und in die Offensive gehen. Was wollte der eigentlich von ihr. Tante Wilhelms abfällige Bemerkungen über den Anwaltsstand fielen ihr wieder ein. „Sie hatten am Telefon gesagt, dass Sie mir eventuell mit Ihren Verbindungen helfen könnten.” Marthes Tonfall war jetzt betont sachlich und sie hatte das Lächeln aufgesetzt, dass sie ansonsten für Herrn Hamann und den nörgelnden Teil der Medinex Kundschaft reserviert hatte. Ihr Gegenüber hatte den Stimmungsumschwung bemerkt und hob abwehrend beide Hände, wobei ein dünner Ascheregen über das blendend weiße Tischtuch herniederging. „Tut mir leid, wenn Sie glauben, dass ich Ihnen Vorwürfe mache, das muss an meinem mangelhaften Verständnis der deutschen Sprache liegen.” Bildete Marthe sich das nur ein oder übertrieb er seine scharfen S-Laute nicht absichtlich ein bisschen? Er lehnte sich im Stuhl zurück und sandte ihr ein entwaffnendes Lächeln. „Natürlich können Sie mit dem Kasten machen, was sie wollen. Ich dachte nur, wenn sie zum Beispiel Architekten oder Handwerker brauchen, dann wäre es vielleicht einfacher, wenn wir über die Kanzlei …, also ich denke da besonders an die Ausarbeitung von Verträgen …" Seine Ausführungen wurden von der Ankunft einer Platte mit turmhoch belegtem Smørrebrød unterbrochen, die der lächelnde, lautlose Kellner auf dreibeinigen Plexiglasstützen auf dem Tisch anbrachte. „Na, erst die Arbeit, dann das Vergnügen." Mads Grønholt rieb sich in Erwartung des bevorstehenden kulinarischen Erlebnisses vergnügt die Hände, ergriff einen überdimensionierten Tortenheber und bugsierte eine auf grünen Salatblättern gebettete Komposition aus hellbraun paniertem Schollenfilet, schreiend gelber Remoulade, rosaorange Krabben, Scheiben von hartgekochtem Ei, schwarzen Kaviarkrümeln, Zitronenscheiben und einem diskreten Sträußchen Brunnenkresse auf Marthes Teller. Imponiert und gänzlich verstummt stach Marthe die Gabel in das Epizentrum des Essensberges, sprachliche Missverständnisse hin oder her, sie würde auf jeden Fall satt aus dieser Besprechung gehen.

„Liebster Stefan, ich wollte Dich eigentlich anrufen aber“, nein, das hörte sich auch wieder total bekloppt an. Marthe riss entnervt die Seite aus dem Block, knüllte sie zusammen und warf sie in Richtung Papierkorb, um den sich mittlerweile ein Wall aus Papierbällchen gebildet hatte. Telefonieren ging nicht, Schreiben anscheinend auch nicht und zur persönlichen Konfrontation konnte sie sich ebenfalls nicht aufraffen, wenn sie endlich mal zusammen waren. Jetzt war sie auch noch wütend auf sich selbst, wo sie es lieber auf Stefan hätte sein sollen. Der saß jetzt bestimmt gerade im Kinderzimmer und las seiner Tochter Gutenachtgeschichten vor oder spielte den aufmerksamen Ehemann oder … Marthe hatte keine Lust diesen inneren Film fertigzusehen. Ihr war mehr nach Komödie als nach Problemfilm zumute. Egal wie sehr sie sich das Hirn zermarterte, konnte sie keine Lösung sehen. Ihre Freunde hatten Recht, er würde niemals seine Familie verlassen und seinen sozialen Status aufgeben, um mit Marthe zu leben. Und Marthe konnte einfach so nicht mehr weiterleben. Mit der ewigen Pleite auf dem Konto, wo ihr erkleckliches Gehalt regelmäßig bereits vor Monatsende vom Konto verschwunden war, weil ungestörtes Zusammensein mit dem Lover diverse Reisen pro Monat erforderte. Sie trafen sich oft im Anschluss an geschäftliche Meetings in München, London oder Amsterdam und genossen den Luxus gemeinsamer Nächte und unbekümmerter Spaziergänge, auf denen man nicht befürchten musste, Bekannten zu begegnen. Da es meistens Marthe war, die Stefan hinterher reiste, hatte er ihr mehrmals angeboten, die Tickets zu bezahlen. Marthe hatte das konsequent abgelehnt. Sie konnte und wollte sich nicht in der Rolle der bezahlten Liebhaberin sehen. Stattdessen überhäufte Stefan sie mit Geschenken. Im Badezimmer kämpften die phantasievoll kreierten Flakons mit Parfüms, Cremes und Duschgels in Zweierreihen um den sparsamen Platz auf den Glasborden, im Küchenschrank hatte die Hansen Rum Flasche, angeschafft und eingesetzt fürs Kuchenbacken und zum desinfizierenden Befeuchten der kleinen Cellophanhäutchen auf der selbstgemachten Marmelade, feine Gesellschaft bekommen. Eine Kolonie sternenübersäter Cognac- und Whiskyflaschen, die ganz offen mit ihrem hohen Alter prahlten. Die Lebensmittellage im Kühlschrank war zwar zumeist wie zu vor-Stefan-Zeiten eher traurig bis kritisch, dafür konnte man jedoch sicher sein, im Falle eines Falles stets einen gutgekühlten Veuve Cliquot zur Hand zu haben. „Kein Schwarzbrot, aber immer Schampus satt", kommentierte Margit einmal trocken, als sie unangemeldet und hungrig bei Marthe vorbeikam.

Realistische Margrit, die Stimme der reinen Vernunft. Wäre schön, jetzt mit ihr gemeinsam im Sofa zu sitzen und Job, Männer, Zukunft und alles Mögliche zwischen Himmel und Erde zu diskutieren. Sie zog das Telefon über den Tisch, nahm den Hörer ab, sah auf die Uhr unter dem Glassturz und legte umgehend den Hörer wieder auf. Beste Freundin oder nicht, wenn man eine berufstätige Mutter von zwei Kleinkindern nachts um halbeins weckte, dann musste man schon einen triftigen Grund haben. Das, was Marthe in diesem Augenblick hatte, waren Luxusprobleme gepaart mit massivem Selbstmitleid. Zudem würde Margit ihr auch dieses mal nur wieder ihr bekanntes Lösungsmodell vorschlagen. Vergiss ihn, such dir einen anderen. „Komm Gustav, kannst mir was ins Ohr schnurren.” Marthe legte sich fröstelnd die Strickjacke um die Schultern, scheuchte den dösenden Kater vom Sessel, schaltete das Licht aus und stieg die Treppe zum Gästezimmer hinauf. Der Wind hatte weiter aufgefrischt, sie hörte das energische Rütteln der Antenne auf dem Dach und das rhythmische Knarren der alten Ulme im Nachbargarten. Gustav miaute klagend, von der Heftigkeit der Lautkulisse unangenehm berührt. „Hört sich ganz schön unheimlich an, was?“ Marthe klopfte einladend auf das Fußende. „Komm Dicker, kannst ausnahmsweise heute auf der Bettdecke schlafen und morgen sehen wir dann weiter.” Gustav nahm Anlauf, zog sich dankbar schnaufend aufs Bett, rollte sich auf dem ihm zugewiesenen Platz zusammen und schlief umgehend ein. Wenige Minuten später knipste Marthe das Licht aus und tat es ihm nach.

Nein, das war kein Traum, das war die Türklingel. Der schrille Ton war trotz des Pfeifens und Rasens der Sturmböen nicht zu überhören. Das Schlafzimmer war stockdunkel und Marthe fühlte sich so benommen als wäre sie gerade erst eingeschlafen. Sie kniff die Augen zusammen, ohne deswegen die verschwommene Digitalanzeige des Radioweckers ablesen zu können und tastete nach der Brille auf dem Nachttisch. Halbdrei. Wer von der Handvoll Menschen, die sie in Kopenhagen kannte, kam sie um diese Zeit besuchen? Das Telefon war erfunden! Kurzzeitig überlegte sie, die Türklingel einfach zu ignorieren und weiterzuschlafen. Aber was nun, wenn das Einbrecher waren, die sich vergewissern wollten, dass niemand zu Hause war? Sie musste aus dem Bett. Zum ersten Mal verfluchte sie es, mutterseelenallein in diesem Riesenhaus zu leben. Noch mal die Türklingel. Diesmal lange und anhaltend. Sie wickelte sich in Tante Wilhelms geräumigen Bademantel, schlich sich Mut machend leise fluchend die Treppe hinunter und äugte vorsichtig durch die bunte Scheibe des Jugendstilfensters auf dem Treppenabsatz auf die menschenleere Strasse. Das Licht der einsamen Laterne war so schwach, dass Marthe außerhalb des blassen Lichtkegels nichts erkennen konnte. Erst als sie den schwarzen BMW in der Garagenauffahrt entdeckte, war sie plötzlich hellwach. Stefan! In zwei Sprüngen nahm sie die letzten Treppenstufen, riss die Tür auf und fiel ihm mit einem Jubelschrei um den Hals.

„Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht aufwachen und ich müsste mutterseelenallein in einem kalten Hotelbett schlafen … flotte Robe.” Stefan streichelte den flauschigen Bademantel in froschgrünem Velours, der seiner Trägerin den unbekömmlich bleichen Teint einer Wasserleiche verlieh und schubste Marthe grinsend in die Halle. „Ich musste Dich einfach sehen und da du nicht zu mir kommen wolltest, musste ich …" „Blödmann, das hatte doch mit wollen nichts zu tun, wollen will ich immer!" Marthe war so erleichtert, dass sie am liebsten geheult hätte, schämte sich aber für ihre Einbrecherangst, biss ihm stattdessen zärtlich ins Ohr, und begann sein Hemd aufzuknöpfen. „Mmh, soweit ich erinnere war es Dir wichtiger, den Kasten hier zu hüten als mich zu betütern", murmelte er heiser, während er versuchte einhändig den Knoten des Bademantelgürtels zu lösen, da seine andere Hand mit Marthes linker Brust beschäftigt war. „Hätte ich gewusst, wie desperat du bist, wäre ich gekommen, Hand aufs Herz.” Marthe war es mittlerweile gelungen vier Hemdknöpfe zu öffnen und sie spreizte ihre Finger an der Stelle der Brustregion, an der sie Stefans Herz vermutete.

„Desperat! Noch einen Tag länger und ich wäre explodiert, du kannst nicht einfach zwei Wochen wegbleiben, ich brauch dich doch, zum Teufel noch mal.” Der Bademantel fiel mit einem satten Plumps zu Boden, begrub Kater Gustav, der sich hin- und her gerissen zwischen fortgesetzter Nachtruhe unter dem warmen Federbett und tiefer Neugier ob des nächtlichen Getöses in die Halle hinunter begeben hatte, wo er nun unter wütendem Kratzen und fauchenden Drohlauten versuchte, der grünen Velourshölle, die ihn eingeschlossen hielt, zu entkommen. Vollkommen ineinander absorbiert und mit dem Körper des anderen beschäftigt, bemerkten weder Stefan noch Marthe Gustavs wütenden Kampf, der zeitgleich mit einem intensiven, ungeduldigen Liebesakt auf dem grünen Velours stattfand und immer noch synchron nach wenigen Minuten mit einem befreiten Schrei aus drei Kehlen endete.

Der durch zwei aufeinander treffende Frontsysteme über Skandinavien verursachte Sturm, entwickelte sich wesentlich heftiger als von den Meteorologen erwartet und erreichte seinen Höhepunkt mit kräftigen Orkanböen an der Ostküste der Insel Seeland gegen 5 Uhr morgens. In etwa zeitgleich mit Stefans letztem gutturalen Grunzlaut, der den verstörten Gustav endgültig aus dem ersten Stock in die ruhigeren niederen Regionen des Wohnzimmer vertrieb. Während er es sich unter wohligem Schnurren auf dem zerfledderten roten Samtkissen im Sofa bequem machte, lieferte der Orkan draußen in einem letzten Kraftakt Böen von bis zu 130 km/h über der Stadt ab. Baugerüste wirbelten durch die Luft und erschreckten müde Nachtwanderer auf dem Nachhauseweg, Dachziegel klatschten auf Bürgersteige und verursachten Beulen auf parkenden Autos und Kopfschmerzen bei deren Besitzern. Ganze Schonungen, die einzelnen Baumpositionen akribisch berechnet, um das Aufziehen kerzengrader Nadelbäume zu ermöglichen, lagen plötzlich waagerecht auf dem weichen, braunen Waldboden, Strommasten knickten ein wie Streichhölzer und auf den Fährschiffen warteten müde, frustrierte Passagiere bei Kaffee und Keksen auf eine Möglichkeit, endlich von Bord gehen zu können. In Marthes Nachbargarten gab die altersschwache Ulme, trotz jahrelanger fachkundiger Pflege durch Gärtnerhände nach mehrstündigem, erbitterten Widerstand den Kampf gegen die Elemente auf, ließ sich unter Ächzen und Quietschen quer über die Garage auf dem Nachbargrundstück fallen und kam mit einem aufgebenden Stöhnen mit der Krone am äußersten Rand des Daches zur Ruhe.

„Sieht so aus als würdest du einen Haufen Brennholz und eine gratis Dachsanierung bekommen, falls die eine ordentliche Versicherung haben." Stefan nahm mit zurückgelegtem Kopf den Schaden in Augenschein. „Aber bis dahin musst du das Loch ordentlich abdecken lassen, sonst steht dir beim nächsten Schauer die ganze Hütte unter Wasser." Er schaute mit einer routinemäßigen Bewegung, die Marthe hasste, auf seine Patek Philippe Uhr, die Morgengabe seiner Frau, die Rolex vulgär fand.

„Ich kann dir leider nicht viel helfen mein Schatz, muss sehen, dass ich zurückkomme, hab noch einen Haufen zu tun. Der Vertrag mit den Franzosen du weißt.“ Marthe verkniff sich die bissige Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. Natürlich, jedes Mal, wenn sie ihn brauchte, war er entweder nicht da oder auf dem Weg weg. Und wie immer hinterließ er Marthe in irgendeiner Form von Chaos, gefühlsmäßig oder ganz einfach in einer Wohnung, in der es aussah wie nach einem Bombenangriff. Meist beides. Sie stand fröstelnd in ihrem dünnen Wollpulli auf der Strasse und sah ihm nach, bis die Rücklichter um die Ecke verschwunden waren. Exit Stefan. Wieder eine Chance dahin, sie hatte ihn wieder nicht zur Rede gestellt.

Die Luft, die Marthe beim Öffnen der Bodentür entgegenströmte war zwar eiskalt, duftete aber angenehm nach frischem Holz. Auf dem staubigen Dielenboden häuften sich zerbrochene Dachziegel, Putz und Mörtel. Das Ganze sah so aus als hätte jemand mit einer Riesenfaust durchs Dach gestoßen. Bei näherem Hinsehen konnte sie konstatieren, dass die Wucht des Aufpralls auch noch fast die ganze Seite des Daches eingedrückt hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der ganze Dachstuhl nachgeben würde. So ein Schaden konnte nicht warten, schon gar nicht im Winter. Marthe hatte keine Vorstellung davon, was das hier kosten würde, hoffte aber inständig, dass ihre Nachbarn eine ordentliche Versicherung besaßen. Das war mal wieder typisch. Endlich hatte sie geglaubt, sich ausnahmsweise mal nicht um ihre Finanzen sorgen zu müssen, da kam es wieder alles dicke und jetzt stand sie hier mutterseelenallein in ihrem Millionenmärchenschloss mit Dachschaden. Sie musste wohl oder übel ihren Anwaltsengel anrufen, alleine bekam sie das hier nie geregelt. Verdammt, konnte nicht langsam mal irgendetwas in ihrem Leben problemlos verlaufen. Wütend trat sie gegen den Schuttberg und schrie vor Schmerz auf, als die Zehen in den dünnen Mokassins auf eine Dachpfanne trafen. Ein Ladung Mörtel rutschte zischend vom Gipfel des Trümmerberges zu Boden und gab die Ecke eines altmodischen braunen Koffers frei, der wie ein Toblerone Dreieck aus dem Schutt herausragte.

Der Koffer war schwer und obwohl Marthe beim Herausziehen sehr behutsam zu Werke ging, wirbelte sie hinreichend Staub auf, um die feinen Putzkörner bis zwischen die Zähne zu spüren. Vorsichtig versuchte sie den Grauschleier von der Strickjacke abzuklopfen, was die Sache nur noch schlimmer machte und entschloss sich hustend und niesend, ihre Beute nach oberflächlicher Reinigung im warmen Wohnzimmer näher in Augenschein zu nehmen. Als sie den Koffer unter Stöhnen und Ächzen in die Küche wuchtete, schrillte das Telefon. Mit einem erneuten Nieser wischte sie sich die Hände an der Hose ab und griff nach dem Hörer. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht gestört, ich wollte nur hören, ob Sie den Sturm gut überlebt haben, sieht ja wirklich furchtbar aus, also die Bilder in den Nachrichten." Mads Grønholt. Marthe seufzte erleichtert, den hatte der Himmel geschickt. Wenn jemand all das hier schmerzlos für sie regeln konnte, dann er. Sie ließ eine warme Welle der Dankbarkeit durch die Leitung schwappen. „Danke der Nachfrage, ich schon, der Kater auch, aber die Ulme auf dem Nachbargrundstück leider nicht. Die liegt jetzt auf meiner Garage."

Mads Grønholt lauschte interessiert und kommentierte mit echter Anteilnahme in der Stimme. Sie konnte ihn vor sich sehen, den Kopf ein wenig schiefgelegt, einen konzentrierten Ausdruck in den leicht kurzsichtigen blauen Augen. „Haben Sie weitere Schäden, die durch den Baum verursacht wurden? Wagen, Garten, Garage. Sie sollten am besten ein Foto von allem machen.“ Marthe bemerkte, dass er automatisch in einen geschäftsmäßigen Ton überging und musste ein Lachen unterdrücken. Ein Anwalt, der einen Auftrag riecht.

„Ich glaube es ist am besten, wenn ich mal zu Ihnen rübergucke und das ganze persönlich in Augenschein nehme. Seine korrekte, etwas altmodische Aussprache wirkte beruhigend. Alles würde sich ordnen, er würde ihr schon weiterhelfen. „Haben Sie schon mit Ihren Nachbarn gesprochen?" „Nein, ich wollte …, also ich glaube die sind verreist." Sie kam ins Stottern und fühlte sich ertappt. Marthe war es plötzlich peinlich zuzugeben, dass sie sich seit ihrer Ankunft noch nicht einmal dazu aufgerafft hatte, sich bei ihren Nachbarn vorzustellen. Auch wenn sie die nachmittäglichen Spaziergänge des alten Paares schon öfters durchs Fenster beobachtet hatte. Solange niemand hier Marthe kannte, konnte sie sich die Illusion totaler Anonymität und Unerreichbarkeit bewahren. Und auf ein stundenlanges Gespräch über Enkel und Urenkel und die gute alte Zeit mit den beiden Alten von nebenan hatte sie bisher wahrlich keine Lust gehabt. „Warten Sie, bis ich komme, wir machen das dann gemeinsam. Ich bin in 15 Minuten bei Ihnen“. Und als wäre er sich plötzlich seiner Aufdringlichkeit bewusst geworden, fügte er noch rasch ein „also natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist", hinzu.

Eine Viertelstunde! Sie hatte Spinnweben in den Haaren, Schmutzstreifen auf der Stirn, Kalkflecken auf den Jeans und zwischen ihren Zähnen knirschte der Putz. Marthe stürzte unter die Dusche, fand das letzte Paar saubere Jeans und besprühte sich großzügig mit Chanel Nr. 5. Wenn sie mit etwas nicht zu geizen brauchte, dann war es Parfüm. Ihr Vorrat würde auch bei extrem großzügigem Einsatz für die nächsten paar Jahre reichen. Pünktlich vierzehn Minuten nach dem Anruf klingelte es an der Tür. Nett, zur Abwechslung mal ein Mann, der 15 Minuten meinte, wenn er 15 Minuten sagte. Marthe lächelte ihrem frischgewaschenen Spiegelbild zu und lief die Treppe hinunter.

„Also, ich glaube es ist am vernünftigsten, wenn Sie mir das erst mal alles überlassen. Familie Wagner ist ein alter Kunde unserer Kanzlei, wir kriegen das schon alles vernünftig geregelt, da brauchen Sie sich nicht auch noch mit zu beschäftigen.“ Er sandte ihr einen aufmunternden Blick und sagte mit einem fast mitleidigen Lächeln „ich schätze, Sie haben schon genug um die Ohren." Mein Gott, sehe ich wirklich so total hilflos aus, gleich tätschelt er mir wohl auch noch beruhigend die Wange, dachte Marthe. Aber stattdessen klappte Mads Grønholt seinen Block zu und verstaute ihn in der abgewetzten braunen Ledermappe. „Na, ich muss mal wieder. Danke für Kaffe und Kekse.“ Er erhob sich vom Küchentisch, zog seine Jacke vom Stuhlrücken, zögerte und sagte auf dem Weg in die Halle bewusst beiläufig „wenn Sie Zeit hätten, könnte ich Ihnen ja mal ein bisschen mehr von Kopenhagen zeigen, es gibt zur Zeit auch einige sehenswerte Kunstausstellungen." Er fummelte am Reißverschluss seiner Jacke herum „Ja, sehr gerne, außer dem Supermarkt an der Ecke und der nächsten Umgebung habe ich noch nicht viel gesehen”, log Marthe begeistert. „Und mit einem kundigen Eingeborenen ist es ja immer lehrreicher als auf eigene Faust!" „Ja dann - ja dann telefonieren wir einfach.“ Er gab ihr zum Abschied die Hand und Marthe registrierte eine Mischung aus Dankbarkeit, Erleichterung und wenn sie es richtig deutete freudiger Überraschung in seinem Gesicht.

Sie beobachtete durchs Fenster, wie er seinen alten Volvo aufschloss, sich eine Zigarette anzündete und sich hinter das Steuer schwang. Interessanter Typ eigentlich. Stolz dachte sie an ihre perfekt getimte Bemerkung mit dem Eingeborenen. Endlich einmal war es ihr gelungen, eine schlagfertige Antwort zum richtigen Zeitpunkt abzuliefern. Kann sein, dass er in ihr das hilflose Frauchen sah, das seiner Unterstützung bedurfte, aber für intellektuell beschränkt brauchte er sie nun wirklich nicht zu halten. Auf dem Weg in die Küche, bemerkte Marthe zu ihrem eigenen Erstaunen, dass ihre schlechte Laune über das Loch im Dach und Stefans Hinhaltestrategie verflogen war und sie sich bereits auf den kommenden Sonnabend freute. Mein Gott Marthe, du hast ein Date. Ein seriöses Date mit einem intelligenten, intellektuellen und darüber hinaus noch absolut gutaussehenden, charmanten Mann. Zwar etwas kurzsichtig, aber dafür augenscheinlich frei und ungebunden. Das erste Date seit jenem denkwürdigen Abend vor knapp einem Jahr in Brüssel, als Stefan sie im Hotel abholte, um mit ihr Essen zu gehen. Sie hatten das Hotel nie verlassen, waren einfach in den Fahrstuhl gestiegen und zurück auf ihr Zimmer gegangen, wo sie sich in den wenigen Kampfpausen über den Inhalt der Minibar hergemacht hatten.

Bis zu dieser Nacht, hatte Marthe ein unkompliziertes Sexleben gehabt, das sie in den kürzeren Perioden, wo sie keines hatte, nicht sonderlich vermisste. Sex gehörte zu ihrem Alltag wie die warmen Mahlzeiten. Manchmal fielen sie ein paar Tage aus, manchmal gab es nur einen schnellen Imbiss oder eine Pizza und ab und an auch mal ein ausgewachsenes 5-Gänge Menü mit allem Drum und Dran. Nach ihrer ersten Nacht mit Stefan fand sie heraus, was sie in all den Jahren, seit Norbert Rodwoski sie in der Gartenlaube seiner Großmutter entjungfert hatte, nicht empfunden hatte. Seit dieser Repremiere in einem auf Louis Quinze gefakten Hotelzimmer, änderte sich ihre Einstellung radikal und sie verbrachte einen beträchtlichen Teil der Zeit, in der sie nicht mit Stefan zusammensein konnte damit, sich auszumalen wie es sein würde, mit ihm zusammenzusein. Auf der Jagd nach ungestörten Treffpunkten lernte Marthe ihr bis dahin gänzlich unbekannte Hamburger Stadtviertel kennen und fand heraus, dass Grasflecken in weißer Baumwolle sich in normaler Kochwäsche nicht rückstandsfrei entfernen lassen. Stefan, wild, zärtlich, phantasievoll, phantastisch und unermüdlich. Beim Gedanken an ihn bekam Marthe plötzlich ein schlechtes Gewissen. Was mit Stefan? Tja, Stefan hatte seine reiche Frau nebst dito Schwiegervater, eine kleine Tochter, ein reguläres Familienleben. Also gab es absolut keinen Grund für ein schlechtes Gewissen ihrerseits! Und außerdem war das hier ja nur eine völlig harmlose Verabredung. Gemeinsamer Besuch einer Kunstausstellung mit nachfolgendem Essengehen. Der Mann war sicher Mitte vierzig, hatte die ersten grauen Haare und war Anwalt. Total harmlos.

So harmlos, dass sie Stefan nichts davon erzählte, als er vom Büro aus anrief und fragte, wann sie denn gedächte, zurück nach Hamburg zu kommen. Marthe musste wirklich etwas mehr Ordnung in ihr Leben bringen, diese ganzen Heimlichkeiten passten ihr nicht. Sie log Stefan an, Stefan log seine Frau an und Stefan log sicher auch Marthe an. Optimale Voraussetzung für eine vertrauensvolle Partnerschaft. Warum war es nur so schwer, mit Stefan offen über die Zukunft zu reden, er sagte doch selbst oft, dass es so nicht weitergehen konnte. Während seines letzten, überraschenden Besuchs hatte sie sich wieder nicht zusammenreißen können, die entscheidenden Antworten zu fordern. Die paar Stunden, in denen sie zusammen waren, wollte sie nicht auch noch mit Diskussionen vermiesen. Mit Stefan fühlte sich das Leben immer so an, als wäre der graue Alltag eine Weile weggeschoben. Mehr Farbe, mehr Tempo, mehr Spaß. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals mit einem anderen Menschen soviel zusammen gelacht zu haben. Auf der anderen Seite führte sie ein heimliches Doppelleben, obwohl sie eigentlich nichts zu verbergen hatte. Marthe konnte nicht die Augen davor verschließen, dass Stefan sich aus allen Bereichen ihres Lebens, die sich als potenzielle oder reelle Problemzonen erwiesen, konsequent heraushielt. Wohnungsprobleme, Streitigkeiten mit dem Chef oder in der Firma. Alle diese und ähnliche Trivialitäten des Alltags langweilten ihn. Nicht, dass er ihr nicht aufmerksam zuhörte. Das tat er oft. Typisch lang ausgestreckt im zerwühlten Bett, einen Arm hinter dem Kopf verschränkt, den anderen mit der Zigarette beschäftigt. In dieser Position lauschte er mit aufmerksamem Gesichtsausdruck ihren Klagen, bis zu dem Punkt, an dem er ihr ins Wort fiel und eine Lösungsmöglichkeit skizzierte. Wenn Marthe danach trotz seines in der Regel äußerst pragmatischen, und wie er selbst fand leicht umsetzbaren, Lösungsangebots ihren Problembericht fortsetzte, wurde er ungeduldig. „Warum kannst du nicht einfach“, lautete seine Standardeinleitung und er konnte einfach nicht verstehen, dass das eben so einfach nicht ging. Manchmal stritten sie sich dann über Kleinigkeiten, wie seinen großzügigen Umgang mit Zeitangaben „so zwischen fünf und sechs“ und ihr Bedürfnis nach Planung und Ordnung, einem Mindestmass an Normalität. Irgendwann eskalierten diese fruchtlosen Diskussionen und Marthe schrie ihm wütend und ohnmächtig ihr ultimatives Argument ins Gesicht. „Warum kannst du dich nicht einfach scheiden lassen!" Was Stefan fuchsteufelswild machte, denn im Gegensatz zu Marthes relativ simplen Problemstellungen war die Lösung seiner Probleme selten einfach. Das musste sie doch wirklich einsehen.

Marthe seufzte aufgebend und streichelte Gustav, der erschöpft vom nachmittäglichen Ausflug in die Wildnis der Villengärten, zu ihren Füssen eingeschlafen war und leise schnarchte. Ab und zu lief ein krampfartiges Zittern durch seinen Katzenkörper und er fuhr die Krallen aus. Marthe war offenbar nicht die einzige, die sich mit ungelösten Problemen herumschlug. Sie würde dieses Dilemma heute ohnehin nicht mehr lösen können, es würde sich schon alles historisch entwickeln. Heute Abend würde sie erstmal ein paar Weihnachtskarten schreiben und sich danach zusammen mit einer Flasche Rotwein aus dem gut bestückten Keller über Tante Wilhelms Briefe hermachen.

Wilhelmina

Подняться наверх