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erster hippie-einschub

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Hippie pfefferte beim Betreten der Wohnung seine Schultasche auf den Flur. Tag für Tag, Sommer wie Winter roch es hier nach Chanel N° 5, immer nur Chanel N° 5, und das, solange er sich überhaupt erinnern konnte.

Hippie und seine Mutter lebten in der Nähe des Gendarmenmarktes in Berlin Mitte, einer der teuersten Gegenden Berlins. Ihre Wohnung war klein und bescheiden. Genauso wie das Kassiererinnengehalt seiner Mutter, das meistens vorne und hinten nicht reichte. Also sollte wenigstens der Geruch auf ihrer Haut (ebenso wie der in ihrer Wohnung) nicht klein und bescheiden sein.

„Hier stinkt es aber heute besonders nach Puff“, sagte Tim, den Hippie nach der Schule mit zu sich genommen hatte. Das machten sie öfter so. Mal aßen sie bei Hippie, mal bei Tim, und im Idealfall erledigten sie auch noch die Hausaufgaben.

„Lass das bloß nie meine Mutter hören.“

„Aber wenn’s doch stimmt!“

Hippie schmunzelte bloß und lief in sein Zimmer vor, wo er schon mal begann, die mitgebrachten Fischburger und Pommes auszupacken. Das Fertigfutter war zwar kostspieliger, als eine Dose Ravioli zu öffnen oder ein paar Spagetti ins siedende Wasser zu werfen, schmeckte dafür jedoch umso besser.

Tim hatte sich die Schuhe ausgezogen, als er nachkam. Er ließ sich neben Hippie auf das Riesenbett fallen, das mit der schrill gemusterten Überdecke tatsächlich wie ein Überbleibsel aus alten Hippietagen aussah. Seinen Spitznamen hatte Hippie (= Jan) schon bei seiner Geburt verpasst bekommen, weil er mit einer süßen, unglaublich wirren Mähne das Licht der Welt erblickt hatte. Heute trug er seine mittelbraunen Haare zwar kurz und mit Gel zerstrubbelt, der Name war dennoch geblieben.

Auf Hippies Monsterbett fand so gut wie alles statt: Hier aß er, erledigte seine Hausaufgaben, las, guckte Fernsehen oder chattete an seinem Laptop. Das Einzige, was hier nie passierte, war Sex mit einem Mädchen. Tim, der gerade seine zweite richtige Freundin abserviert hatte, ließ auch keine Gelegenheit aus, Witze darüber zu reißen. Ach ja … so ein großes Bett … eigentlich ein Jammer … Was für schöne Orgien man hier feiern könnte …

Aber Hippie wollte keine Orgien. Eigentlich wollte er gar nichts. Zu sehr hatte er noch an der Sache von damals zu knabbern. Nelly … sein erstes Mal … das schwarze Noppenkondom … Was für ein Desaster! Natürlich hatte Tim die heiße Sexgeschichte zum Brüllen komisch gefunden und vorgeschlagen, es beim nächsten Mal mit einem Kondom mit Waldmeisteraroma zu versuchen, giftgrün und megaglitschig, das würde bestimmt dermaßen antörnen, dass man noch vor dem Vollzug bewusstlos wurde, doch Hippie verbat ihm jedes Mal den Mund. Weder Waldmeisteraroma noch megaglitschig stand an der Tagesordnung, geschweige denn ein Treffen der romantischen Art. So ruck, zuck wie Nelly damals nach ihrem Liebes- beziehungsweise Sexspiel wieder zur Tagesordnung übergegangen war, konnte das nur eins bedeuten: Es waren bei ihr keine Gefühle im Spiel gewesen. Null. Zero. Sie hatte es ausprobieren wollen, er war zufällig zur Stelle gewesen, und danach lief eben wieder alles nach altem Muster ab: Treffen zu dritt bei Katja und/oder auf seiner Liegewiese, was ebenso viel Erotik versprühte wie Eisbeinessen bei 30 Grad im Schatten.

„Lust zu chatten?“, fragte Tim und zog mit den Zähnen eine Gurkenscheibe aus seinem Burger.

„Lust auf Mathe?“, brummte Hippie. Schon seit Monaten hatte er keinen rechten Durchblick mehr und fürchtete, irgendwann ganz den Anschluss zu verpassen.

„Später.“ Tim grinste mit Essensresten zwischen den Zähnen. „Wir suchen dir jetzt eine Frau.“

„Eine was?“, fragte Hippie, als würde das Wort sonst nicht in seinem Wortschatz vorkommen.

„Eine F Punkt, R Punkt, A Punkt, U. Damit du außer deiner Mutter noch jemanden hast, der für dich bügelt, kocht, putzt, einkauft und dir Mathe erklärt.“

„Wie praktisch.“ Hippie biss so heißhungrig in seinen Fischburger, dass die Mayo herausgequetscht wurde und zähflüssig an seinem Zeigefinger runterglitt. „Du könntest doch dieser Jemand sein.“

„Aber ich will dich nicht flachlegen. Dafür ist eine Frau nämlich auch gut. Geradezu ideal.“

„Sehe ich so verdammt nach Notstand aus, dass mich alle Welt verkuppeln will?“

„Also heute im Bus hast du sogar Janine hinterhergeguckt. Und das will was heißen!“

„Pah!“ Hippie ließ den Rest seines Fischburgers im Mund verschwinden und leckte sich schmatzend den Finger ab. „Doch nur, weil sie eine grottenhässliche Hose anhatte. Zwei Nummern zu eng.“

„Was du nicht zufällig doch ein bisschen scharf gefunden hast?“

„Ich nicht, aber du vielleicht!“, konterte Hippie. „So wie du auch Frau Irmknecht sexy findest.“

Frau Irmknecht war ihre Mathelehrerin und die BH-feindlichste Person unter der Sonne – bei einer XXL-Oberweite nicht gerade vorteilhaft …

„Eins zu null für dich.“ Tim wischte sich die fettigen Finger an seiner Jeans ab, dann fuhr er ohne zu fragen Hippies Laptop hoch.

Hippie gab sich geschlagen. Eigentlich machte es ja auch mehr Spaß, sich zu zweit vor den Bildschirm zu setzen und Flirts an Land zu ziehen, als für die Schule zu büffeln. Außerdem hatte sein Freund Recht. Die Sache mit Nelly lag nunmehr drei Monate zurück. Langsam war es Zeit, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Liebe auf den zweiten Klick

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