Читать книгу Liebe auf den zweiten Klick - Susanne Fülscher - Страница 8

superpaar & superzicke

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Montagmittag, Ende der siebten Stunde, stürzte Nellys Stimmung auf einer Skala von eins bis zehn im freien Fall auf eine minus zehn ab. Sie hatte gerade ihre Sachen zusammengepackt und wollte ihre schlammbraune Jacke überziehen, als Frau Kastell, Leiterin der Computer-AG, sie und ihre Erzfeindin Jolka beiseite nahm und mit Smiley-Mund erklärte: „Ich hatte ja schon letzte Woche erwähnt, dass wir über die Umgestaltung der Homepage unserer Schule nachdenken. Herr Müller-Krems und ich haben uns nun überlegt, dass Sie beide am besten für diese Aufgabe geeignet wären.“

„Der Direx auch? Wow!“, überschlug sich Jolka vor lauter Begeisterung, wohingegen es Nelly bloß entsetzt entfuhr: „Das ist jetzt aber nicht Ihr Ernst!“

„Doch, doch. Ihre Computerkenntnisse …“ Frau Kastell lächelte Nelly an, um sich sogleich Jolka zuzuwenden, „… in Verbindung mit Ihrem kreativen Talent – Herr Müller-Krems wünscht sich eine moderne, frische, ungewöhnliche Website.“

Während die Frau mit dem kreativen Talent ihre langen/tollen/wunderschönen Superhaare zurechtschüttelte, spürte Nelly, wie ihre Gesichtszüge mehr und mehr entgleisten.

„Gibt es da irgendein Problem, Nelly?“, wollte Frau Kastell wissen und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.

„Ich …, also ich weiß nicht so genau“, stotterte Nelly mit einer Stimme, die ihr selbst mehr nach falsch programmiertem Roboter als nach Mensch vorkam.

Was wissen Sie nicht so genau?“

„Ob ich … also, ob Jolka und ich … wir sind einfach so grundverschieden!“

„Eben“, bestätigte die Lehrerin. „Das ist ja genau die Mischung, die Ihre Arbeit außerordentlich fruchtbar machen könnte. Aber ich möchte Sie selbstverständlich nicht zwingen. Besprechen Sie sich in aller Ruhe, und geben Sie mir im Laufe der Woche Bescheid.“

Dann, während sie schon ans Pult zurückkehrte und ihre Tasche zusammenpackte, setzte sie noch nach: „Wenn Sie nicht wollen … Schorsch und Kai hätten ansonsten auch Interesse. Also überlegen Sie nicht allzu lange.“

Jolka lächelte.

Nelly schwitzte.

Jolka schleuderte ihre langen/tollen/wunderschönen Superhaare nach hinten.

Nelly spürte, wie sich unter ihren Achseln ekelhafte Nässe ausbreitete. Stress, Angst, Panik.

„Okay, ich mach mich dann mal vom Acker“, sagte sie nach Sekunden, die ihr wie Stunden vorkamen, schnappte sich ihre Basttasche und flitzte mit halb übergeworfener Jacke los. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass sich Jolka an ihre Fersen heften würde, kaum dass sie das Schulgelände verlassen hatte.

„Warte mal!“, rief sie ihr hinterher. „Warum haust du denn einfach ab? Das ist doch die Gelegenheit! Ich meine, dass sie ausgerechnet uns ausgesucht haben – Wahnsinn!“

„So, findest du?“ Nelly dachte gar nicht daran, stehen zu bleiben. Im Gegenteil: Sie zog nur umso entschiedener das Tempo an und rannte fast eine Reihe Fahrradständer um, die mitten im breiten Bürgersteig eingelassen waren.

„Wir könnten mal so richtig zeigen, was wir draufhaben! Und bevor Schorsch und Kai das machen … Die beiden haben doch überhaupt keine Ahnung!“

Nelly blieb abrupt vor der Döneria stehen – eine Stätte von historischem Wert. Hier hatte sie sich mal mit Karl einen Döner geholt. „Weißt du was? Tob du dich besser mit deinem Lover aus!“

Sie eilte weiter, aber Jolka hängte sich wie eine Klette an ihren Rockzipfel, der in diesem Fall ein Hüfthosenzipfel war. „Aha“, keuchte sie und noch mal: „Aha.“

„Aha! Aha!“, grunzte Nelly. „Könntest du netterweise auch mal andere Laute von dir geben?“

„Verstehe. Du bist also immer noch sauer auf uns.“

„Ich und sauer!“, sagte Nelly so säuerlich, dass vermutlich jede Milchtüte im Umkreis von 100 Quadratmetern Gefahr lief umzukippen (und Jolka sicher nicht anders konnte, als exakt das Gegenteil anzunehmen). „Davon träumst du wohl.“ Zum Teufel, warum war sie nicht ein bisschen souveräner? Warum musste sie sich gleich an der Nasenspitze anmerken lassen, was sie dachte und fühlte?

„Nelly, es tut mir wirklich sehr Leid!“ Eine steile Furche tauchte zwischen Jolkas rötlichen Augenbrauen auf. „Ich hatte nie vor, mich in Karl zu verlieben. Ganz ehrlich.“

Dann hättest du es dir auch verkneifen können, dachte Nelly und schoss in Gedanken eine tödliche Giftspritze auf die rothaarige Kuh ab. Im nächsten Moment sagte sie mit bemühter Lässigkeit: „Tja, wo die Hormone hinfallen …“

„Nicht bloß Hormone. Liebe. Falls du weißt, wovon ich rede.“

„Ach ja, ich vergaß. Seit Romeo und Julia hat es keine größere Liebe mehr gegeben.“ Was um Himmels willen redete sie da bloß? Warum gab sie sich nur diese Blöße?

„Tickst du jetzt völlig aus?“, giftete Jolka.

Nelly wollte am liebsten ganz weit fort sein. Irgendwo, wo es keine Jolka, keinen Karl und auch kein verlockendes Internetprojekt gab.

„Aber deswegen ganz darauf zu verzichten“, fuhr Jolka jetzt schon gefasster fort, „wäre ziemlich dämlich. Ich dachte, du bist ein Profi!“

Mit der fadenscheinigen Ausrede, wahrscheinlich unterzuckert zu sein, flüchtete Nelly in den Bioladen auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Natürlich hatte Jolka Recht. Von mehr als 30 Schülern in der AG ausgewählt zu werden, den Internetauftritt der Schule umzugestalten – das war eine Chance, die sich niemand, dessen Gefühlslage halbwegs in gemächlichen Gewässern schipperte, entgehen ließ.

Anders sah es bei einer Person aus, deren Liebesgefühle nachhaltig gekränkt worden waren …

Liebe auf den zweiten Klick

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