Читать книгу Hals über Kopf ein Star - Susanne Fülscher - Страница 7

Оглавление

Ich wache auf und sehe grauenhaft aus. Dass man mich beim Casting überhaupt genommen hat! Alles ein Irrtum oder sie wollten einen Zombie! Zwar habe ich schöne blonde Haare und meine Figur finde ich auch einigermaßen okay, aber diese Nase! Schon oben an der Nasenwurzel ist sie so breit, als hätte ich beim Boxkampf was abgekriegt, und zu allem Überfluss hat sie auch noch einen kleinen Höcker. Früher ist mir das nie aufgefallen, aber als die erste Folge mit mir als Stella im Fernsehen lief, war der Schock umso größer. Das bist nicht du, habe ich gedacht. Nie im Leben bist du diese Person mit der platten Höckernase, den verquollenen Augen und dem schiefen Gesicht.

Wahrscheinlich findet alle Welt meine Nase hässlich, nur traut sich niemand, es mir zu sagen. Stella und eine merkwürdige Nase? Nö, nicht dass ich wüsste … Hat sie denn überhaupt eine Nase? Kann mich gar nicht erinnern …

Der einzige Mensch, der je Stellung bezogen hat, war Anja.

»Die schminken wir an den Nasenflügeln ein bisschen dunkler«, hat sie gleich am ersten Tag gemeint. »Dann wirkt sie schmaler.«

Ein Fausthieb ins Gesicht, brutal und unmissverständlich, aber dann war ich doch froh, endlich mal einen Tipp bekommen zu haben, wie ich ein wenig schummeln kann. Zwar macht kein Make-up der Welt ein filigranes Stupsnäschen aus meiner Gummel, aber wenigstens sieht sie nicht mehr aus wie frisch beim Boxkampf ramponiert. Seit diesem Tag in der Maske schmiere und schminke ich tagsüber ständig an meiner Nase herum. An den Seiten verteile ich dunkleres Make-up, auf die Spitze kommt ein Klecks helles Make-up, dann wird das Ganze vorsichtig eingeklopft, um die Übergänge möglichst kunstvoll zu kaschieren. Wahrscheinlich habe ich einen Knall, aber nicht mal zum Bäcker würde ich mit ungeschminkter Nase gehen.

Um nicht schon am Morgen zu versauern, beschließe ich im Café zu frühstücken und nebenbei meine Texte für die kommende Woche zu lernen.

Duschen, schminken, anziehen, dann schnappe ich mir Handy und Portmonee und fahre mit der Straßenbahn zu meinem Lieblingscafé. Meistens wird es dort erst am späten Vormittag richtig voll, aber heute scheint ganz Berlin in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen zu sein.

Einer der Zweiertische in der Mitte des Lokals ist noch frei. Kaum habe ich Bagel und Milchkaffee bestellt, stehen zwei junge Mädchen im Café und tönen in einer Lautstärke, dass es auch noch in der hinterletzten Ecke zu hören ist: »Ist sie das? Ist das nicht die Stella? Die sieht doch aus wie die aus Homepage

Etwas verkrampft grinse ich zu den Mädchen rüber. So geschmeichelt ich mich fühle, ich finde es dennoch furchtbar, vom ganzen Lokal begafft zu werden. Eines der Mädchen kommt auf mich zu und bittet mich, dass ich mich auf ihrer Modezeitschrift verewige, ein anderes verlangt nach einem Autogramm auf ihrer Stofftasche. Mittlerweile starrt sogar das Personal. Weniger ehrfürchtig als verständnislos. Wer soll das sein? Ein Star ist sie jedenfalls nicht. Richtige Stars sehen glamourös aus. Die hier ist doch nur irgendein No-Name-Girl!

Zum Glück ist der Spuk nach ein paar Minuten vorüber und ich kann unbehelligt frühstücken. Bisher war mein Gesicht nicht zu oft im Fernsehen zu sehen, bisher ist es die Ausnahme, dass ich in der Stadt erkannt werde. Was aber, wenn ich demnächst fast täglich auf dem Bildschirm präsent sein werde? Wird man mich nur noch anstarren? Keine Ahnung, wie ich das finden würde.

Ich bestelle noch einen Kaffee, dann, gerade als ich aufbrechen will, kommt Anja in Begleitung eines älteren Mannes zur Tür rein.

»Chériechen!«, brüllt sie über mehrere Tische hinweg. Wieder sind alle Augen auf mich gerichtet.

Zwei Sekunden später ist Anja an meinem Tisch.

»Das ist übrigens Kurt. Mein Freund.«

Shakehands, Gegrinse, Smalltalk. Kurt ist mindestens zehn Jahre älter als Anja. Ein Typ mit Glatze und Kinnbart. Das soll erst mal einer verkraften.

»Gerade gestern durfte ich dich im Fernsehen bewundern. Du warst gut. Ja, wirklich!« Er lacht. »Viel besser als die anderen … Sternchen.«

Nett, dass er so etwas sagt. Andererseits gibt es mir einen Stich – das mit den Sternchen. Wieder mal einer, der uns so ganz nebenbei reindrückt, wie wenig man uns ernst nimmt. Und dann auch noch auf die charmante Tour.

Anja schaut sich im Café um, das jetzt wirklich brechend voll ist. »Können wir uns zu dir setzen?« Wie es so ihre Art ist, schüttelt sie ihre rot gefärbte Mähne.

»Ich wollte sowieso gerade gehen.« Schon bin ich aufgestanden, mein Handy fällt zu Boden.

Kurt bückt sich, um es aufzuheben. »Wir wollen dich aber nicht vertreiben …«

Ich schüttele nur den Kopf und stottere eine Verabschiedungsfloskel, als Anja plötzlich meint: »Süße, gib mir doch deine Handynummer. Wir könnten mal was zusammen unternehmen.«

Bevor ich etwas erwidern kann, greift sie nach meiner zusammengeknüllten Serviette, streicht sie sorgfältig auseinander und fordert mit einer herrischen Geste einen Stift von ihrem Lover.

»Also …?«

Folgsam nenne ich ihr meine Nummer, Kurt hilft mir in die Jacke, kurz darauf bin ich draußen.

Seltsam. Ich kenne Anja seit etlichen Wochen, sie war immer nett zu mir, manchmal vielleicht ein bisschen zu direkt, aber nie haben wir was privat miteinander zu tun gehabt. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das überhaupt möchte. Zwar macht es Spaß, mit ihr zusammenzuarbeiten, aber es gibt Momente, da sagt sie einem Dinge ins Gesicht, die man lieber nicht hören möchte, weil sie nämlich meistens den Nagel auf den Kopf treffen. Neulich zum Beispiel. Da haben wir trotz früher Stunde ein bisschen rumgealbert und auf einmal schießt sie diesen einen Satz aus der Hüfte: Ob ich mich nicht in manchen Szenen etwas zurücknehmen könnte. Sie habe den Eindruck, ich würde manchmal übertreiben und dann kämen meine Emotionen unglaubwürdig rüber.

Okay – Anja ist nur die Maskenbildnerin, solche Bemerkungen stehen ihr eigentlich gar nicht zu, aber hat Massimo am Freitag nicht genau dasselbe gesagt? Von wegen Pornostreifen und so …

»Das kommt von meiner Theatererfahrung an der Schule«, habe ich damals in der Maske überheblich erwidert, obwohl mir eigentlich zum Heulen zu Mute war. Ganz am Anfang dachte ich, ich sei eine der Besten im Team, gerade wegen meiner Theatererfahrung und weil der Coach so wenig zu meckern hatte. In Wirklichkeit bin ich wohl doch nur ein ganz kleines Licht. Hart, sich das einzugestehen. Mittelmäßig begabt, in einer mittelmäßigen Serie.

Als ich durch die Gipsstraße halb auf dem Kantstein Richtung Straßenbahn schlendere, schließe ich eine Wette mit mir ab. Anja wird mich nicht anrufen. So wie sie drauf ist, kennt sie bestimmt Gott und die Welt. Was will sie da ausgerechnet mit mir?

Hals über Kopf ein Star

Подняться наверх