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DOMINIK

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Dominik ist aufgeregt. Niemals hätte er gedacht, dass er eines Tages eine eigene Praxis als Psychotherapeut führen würde. Doch vor genau zehn Jahren hatten sein Studienkollege und er die Gläser erhoben und auf die Eröffnung ihrer gemeinsamen Wirkungsstätte angestoßen.

Jan weiß, wie wichtig der heutige Tag für ihn ist. Jan war dabei, als Dominik beide Eltern in verschiedene Entzugskliniken einweisen ließ, als beide trotz erfolgreichem Entzug wieder zu trinken begannen, als sie sich immer wieder Geld von ihm leihen wollten. Jan war dabei, als Dominik sich vor fünf Jahren von seinen süchtigen Eltern abwenden musste, um seine eigene Haut zu retten. Er war damals sein großer Halt. Unzählige Gespräche hatten sie geführt, als Kollegen und als Freunde.

Eine Zeit lang hatte Dominik richtiggehende Atembeschwerden, weil er sich so schuldig fühlte, die Eltern vermeintlich im Stich zu lassen. Doch das ewige, ihn körperlich krank machende Muster der Selbstaufopferung hatte ihn so massiv daran gehindert, sein Leben zu meistern und sowohl für sich selbst als auch für seine Patienten da zu sein, dass er diesen Schnitt machen musste.

Dominik weiß, dass auch Jan es nicht leicht hat. Dessen Mutter ist äußerst fordernd und Jan ringt jeden Tag um seine eigene emotionale Unabhängigkeit. Dominik unterstützt ihn, doch die Rollenverteilung ist klar: Dominik nimmt Jans Hilfe gerne in Anspruch, doch Jan öffnet sich nur sehr selten. »Sie kann ja nichts dafür«, sagt Jan, wenn Dominik ihn vorsichtig darauf aufmerksam macht, dass er, Jan, selbst in einer emotionalen Suchtstruktur in Bezug auf seine Mutter gefangen sein könnte.

Jeden Tag erlebt Dominik, wie sehr die Mutter Jan braucht, und er erkennt Jans co-abhängiges Verhalten. »Ich kann sie nicht im Stich lassen. Sie will das ja alles selbst nicht. Und auf Vater kann man nicht bauen«, sagt Jan. »Und wo bleiben deine Bedürfnisse?«, will Dominik antworten, doch er tut es nicht. Zu oft hat Jan ihn zurückgewiesen, als er versucht hat, ihm seine Hilfe anzubieten. Er muss Jans Abwehrhaltung respektieren. Solange dieser nicht selbst um Hilfe bittet oder die Praxis schädigt, muss er sich raushalten, denkt er.

Doch heute wird gefeiert! Er nimmt den Champagner und tritt freudig in Jans Büro. »Feiern?«, sagt er. »Was feiern wir?«, fragt Jan zurück und Dominiks Atem wird schwer. Er keucht auf, seine plötzliche Atemnot überdeckt er durch einen kurzen Husten. Er stellt die Flasche ab und reißt sich zusammen. Jans Reaktion enttäuscht ihn weitaus mehr, als er es selbst versteht. Er setzt sich ihm gegenüber und als Jan ihn um Hilfe bittet, ist er erleichtert. Ein Gespräch ist längst überfällig, denkt er, alles wendet sich jetzt zum Guten. Doch nein. Jan braucht ihn nur, damit er ihm bei der Arbeit hilft. Dominik nimmt die Akten und verlässt das Büro. Den teuren Champagner lässt er stehen. So geht es nicht weiter, denkt er, doch gleichzeitig weiß er, dass die Welt morgen früh schon wieder ganz anders aussehen wird. Die Praxis ist wichtiger als alles andere. Seufzend setzt er sich an seinen Schreibtisch und hilft seinem Freund bei seinen Gutachten.

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Heile die Wunden deiner Kindheit

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