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Kapitel 2 Grundlage des Körperdialogs: Das Focusing

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Eugene Gendlin, der Begründer der Selbsthilfemethode des Focusings, ist ein 1926 in Österreich geborener und 2017 in den USA verstorbener Philosoph und Psychotherapeut, der in New York lebte, schrieb, therapierte und unterrichtete. Faszinierend waren für mich seine Augen: Wach, lebendig, warm und eine Tiefe ausstrahlend. Wenn er sprach, wirkte es häufig auf mich so, als kämen seine Worte nicht aus dem Vorratsspeicher seines Gedächtnisses, sondern als würden sie in diesem Moment völlig frisch aus seiner Intuition und seinem jetzigen Erleben geformt. Sprache mit ihren Worten, Vorstellungen und Konzepten hat ja oft die Eigenschaft, die Welt in ihre Einzelteile zu zerlegen und zu trennen. Nicht so bei Gendlin. Sprach er, empfand man beim Zuhören ein tiefes Gefühl von Verbundenheit. Es war so, als kämen seine Worte aus einer tieferen Schicht seines Bewusstseins, in dem alle Dinge eins sind und in Verbindung miteinander stehen.

Als junger Mann arbeitete er in Chicago an einem Forschungsprojekt von Carl Rogers mit, dem Begründer der Klientenzentrierten Psychotherapie. Die Fragestellung des Projektes war: Was wirkt eigentlich in einer Psychotherapie? Um diese Frage zu beantworten, nahm man ­tausende Therapiesitzungen unterschiedlicher Richtungen und verschiedener TherapeutInnen auf Tonband auf und wertete sie aus. Dabei machte Gendlin eine erstaunliche Entdeckung: Ob eine Klientin oder ein Klient mit der Therapie Erfolg haben würde oder nicht, hing gar nicht so sehr von der gewählten Psychotherapie-Methode oder von der Persönlichkeit des Therapeuten bzw. der Therapeutin ab, wie man vielleicht vermuten würde, sondern in erster Linie von den Betroffenen selbst! An der Art, wie sie ihr Problem in der ersten Sitzung vortrugen, konnte man zuverlässig vorhersagen, ob die Therapie zu den gewünschten Veränderungen führen würde oder nicht. KlientInnen, die beim Sprechen auch manchmal innehielten, seufzten, stammelten, nach einem Wort rangen, Menschen also, bei denen die Sprache mit dem Körper verbunden war, zeigten im Laufe des therapeutischen Prozesses die gewünschten Veränderungen. Redete aber eine Person ohne sichtbare emotionale Beteiligung über ihr Problem, hatte sie später auch nicht den gewünschten Therapieerfolg.

Was machten denn nun »erfolgreiche« KlientInnen anders als die Nicht-Erfolgreichen? Offenbar spürten sie in ihren Körper hinein, während sie sprachen. Sprache und inneres Erleben waren also miteinander verbunden.

Gendlin untersuchte dieses Phänomen umfassend und bildete es in einer Methode ab, die er Focusing nannte. Es handelt sich beim Focusing demnach nicht um etwas vollständig Neues, sondern das Focusing systematisiert nur einen Prozess, den wir alle kennen, wenn wir eine Einsicht haben, die nicht nur kognitiv ist, sondern uns verändert. Ein Aha-­Erlebnis, eine körperlich gefühlte Erkenntnis, die uns aufatmen lässt, die unser Lebensgefühl erweitert und uns anders handeln lässt als zuvor. Wie kommt es nun zu einem derartigen Aha-Effekt?

Gendlin hat diesen organismischen Prozess in sechs Schritten abgebildet, um ihn als Methode lehrbar zu machen. Wir brauchen dafür zunächst ein Thema, eine Fragestellung. Das Thema könnte z. B. sein: Was hindert mich daran, gesund zu werden?

Im Dialog mit dem Körper

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