Читать книгу NUR DIE LIEGE ZÄHLT - Susanne Kristek - Страница 13
DJ in Residence
ОглавлениеGood morning Thailand! Die Sonne scheint schon bei der Balkontür rein, ein neuer Tag beginnt im Paradies unter Palmen! Mit Sport starten wir erst morgen, heute müssen wir die Strandbar inspizieren. Vor allem weil im Tagesprogramm des Clubs bei den Event-Highlights angekündigt wird, dass heute DJane She-Star auflegt. Ich finde, She-Star klingt wie Skistar, und muss gleich an unsere österreichischen Skistars Michi Dorfmeister und Lizz Görgl denken. Die Lizz Görgl hat jetzt eh eine Musikkarriere am Start, also wer weiß?
Die Strandbar hat im vorderen Bereich diese coolen Sitzsäcke. Ich mag die gern, aber sie sind in der Handhabung gefinkelt. Weil unbedarft zum ersten Mal einfach so reinfallen lassen – großer Fehler! Du kommst nämlich nie wieder ohne fremde Hilfe hoch. Zweiter Risikopunkt: Wenn du vorher nicht die Füllung (Reis? Kugeln? Was ist da eigentlich drin?) mit dem Arsch unauffällig in Form schiebst, kannst du auch nie halbwegs menschlich draufsitzen. Sitzsack-Neulinge erkennt man sofort: am Hohlkreuz, Bauch nach vorne raus. Oberschenkel liegen flächig auf. Mehr muss ich nicht dazu sagen, oder? Und man darf natürlich niemals ein entsprechend großes Handtuch zum Drunterlegen vergessen. Nicht nur wegen der hygienischen Gründe, nein, auch weil man schwitzt und dann körperlich eins wird mit dem Sitzsack. Und das Loslösen macht ein sehr unangenehmes Geräusch.
So weit, so sexy. Wir lassen uns also auf die chilligen Sitzsäcke in der Strandbar fallen. In meinem Fall: Ich drapiere das XL-Badetuch, trete mit dem Fuß leicht gegen den Sack, um die Sitzposition aufrechter zu gestalten und presse mit dem Ellbogen eine kleine Kerbe hinein, bevor ich dann auch so tue, also würde ich mich völlig unbedarft fallen lassen. Auf den Säcken neben uns liegen schon vereinzelt Handtücher, ohne Bewohner. Jetzt geht das hier auch schon los! Nachdem ich mich noch circa dreimal umgeruckelt habe, um die Sitzposition zu optimieren, bin ich endlich im Entspannungsmodus angekommen und kann den Ausblick genießen. Wir schauen auf das Meer und die Sonne, die langsam untergeht. Ich schaue noch zusätzlich, ob die Lizz Görgl schon kommt. Sie war letztes Jahr auch Gewinnerin der ORF-Show »Dancing Stars«. Vielleicht gibt sie uns Tanzstunden. In diesem Club wird einem wirklich viel geboten.
Der Sand ist noch sehr warm unter meinen Füßen, vorne am Meer bauen Kinder Sandburgen. Ein paar sexy Influencerinnen posen für Selfies vor dem Sonnenuntergang und shooten sich mehrfach gegenseitig. Die Mütter der Sandburgenkinder fotografieren ihre Kinder im Sonnenuntergang. Die Väter der Sandburgenkinder müssen zuerst nassen Sand aus dem Meer für die Burgen holen und danach die Mütter neben den Kindern vor dem Sonnenuntergang fotografieren. Dazwischen fällt der eine oder andere Vaterblick auf die sexy Influencerinnen, dann wieder zurück auf das Schlammküberl und dann wieder auf die sexy Influencerinnen.
»Schatz, fällt dir auf, dass keiner mehr Selfie-Sticks verwendet?«, frage ich den Gatten. Nur dem fällt grad überhaupt nichts auf, er starrt wie gebannt in die andere Strandrichtung, aber nicht auf sexy Bikinigirls, sondern auf zwei Hotelangestellte, die ein weißes Kastl zum Strand tragen. Schaut aus wie eine Bühne oder ein Podest.
»Schau, die bauen da ein DJ-Pult auf!«, sagt er, dessen größtes Hobby das Musikauflegen ist. Meine Frage hat er nicht mal wahrgenommen. Er saugt hochkonzentriert mit dem Strohhalm an seinem Cocktail, gleich ist er leer, und starrt weiterhin gebannt auf die Performance des Aufbauteams. Es folgen noch zwei weitere Männer, die Kabel und Lautsprecher aufbauen. Sicher muss er gerade daran denken, wie so ein Aufbau für einen DJ-Einsatz bei ihm immer abläuft. Wie er mit dem großen Tramper-Rucksack die Mischpulte und Kabel zu den Einsatzorten schleppt. Die Boxen, den Verstärker. Je nachdem wie groß die Veranstaltungslocation ist, bei der er gebucht ist. Dann die Lichtanlage und noch zahlreiche Kabel und Kisten mit undefinierbaren Dingen. Wofür er so viel Zeug braucht, hab ich mal gefragt. Ob das nicht heutzutage schon reichen würde, wenn er sein Handy mit Spotify an einen kleinen, aber leistungsstarken Lautsprecher hängt?
Na gut. Nie wieder habe ich Fragen zum DJ-Equipment gestellt, auch nicht, was die DJs eigentlich immerzu in ihren Kopfhörern hören, wenn sie den Kopf so schief halten. Und ob man sich da nicht vorher daheim schon vorbereiten könne, ob das wirklich notwendig sei.
Auf jeden Fall, wenn er alles reingeschleppt hat, beginnt der brisante Teil: aufbauen und zusammenstecken! Dazwischen muss er achtgeben, dass die Kinder nicht über das Kabel stolpern oder die Urlioma mit dem Rollator hängen bleibt und dann von den Boxen erschlagen wird. Das ist bei den Hochzeiten die größte Gefahr. Wenn er für Firmenjubiläen oder Weihnachtsfeiern gebucht wird, lauern wieder andere Gefahren. Dass die Polonäse zu wild wird, oder der Abteilungsleiter die neue Kollegin zu stark ans Mischpult drückt. Und immer muss er einsatzbereit sein, wenn jemand eine Rede halten will. Da heißt es dann, Stimmung langsam drosseln, Tontechnik bereithalten, Mikro ein, Tusch und los geht’s!
Einen besonderen Tusch hat er letzten Sommer erlebt. Er war bei einem jungen Rechtsanwalt in seiner noblen Wiener Villa auf dem Schafberg gebucht. Zu Beginn hat er mir noch fleißig Fotos geschickt, vom schönen Pool, dem schönen Garten, den noch schöneren Gästinnen, die in ihren High Heels gefährlich nah am Pool gestöckelt sind. Dann ein Foto vom Caterer, der zufällig ein alter Hawara aus seiner Schulzeit war. Das Personal kennt sich, sozusagen. Dann Fotos von den Miniaturschnitzeln und Kaviarbrötchen. Videos, wo die Partycrowd schon ein bissi in Stimmung kommt und zu tanzen beginnt. Und dann abruptes Ende. Kein Foto mehr! Kein Video mehr! Überhaupt nix mehr! Vor lauter Aufregung hab ich nicht schlafen können, bis er zwei Stunden später heimkam. Völlig durchnässt. Auch die ganze DJ-Ausrüstung war nass. Natürlich wollte ich dringend wissen, was da los war. Bis er erzählte, dass die Stimmung sehr schnell sehr gut geworden ist. Alle haben getanzt und gelacht und gegessen und getrunken. Nur gebadet hat keiner, im Pool waren nur die Einhorn-Floaties. Dann wollte der Hausbesitzer die Schwimmsaison eröffnen, so wie beim Opernball das Tanzen. Alles Walzer und viel Vergnügen, sagen die ja dort! Der Villenbesitzer hat aber nix gesagt, er ist in den ersten Stock raufgegangen, hat eines der bodenhohen Fenster geöffnet und seinen Gästen von oben zugewunken. Das wäre der Moment für »Alles Walzer und viel Vergnügen« gewesen. Er aber kletterte auf das Geländer von dem kleinen Balkönchen und sprang vom ersten Stock direkt in den Pool. Der Gatte stand mit seinem DJ-Equipment zehn Zentimeter neben dem Pool und bekam die ganze fette Welle ab. Den Rest der Nacht hat er sein Mischpult geföhnt.
Die Hotelangestellten sind inzwischen mit ihrem Aufbau fertig. Es folgt ein Auftritt des Hotelmanagers und die Ankündigung von Special DJ in Residence She-Star. Was DJ in Residence heiße, will ich wissen. »Die ist jetzt auf Tournee, und ein paar Tage in dem Club gebucht!« – »Das heißt, die ist gar keine richtige Hotelangestellte?«, frage ich nach. »Nein, die tritt da nur ein paar Tage auf, als Gastkünstler.«
Jössas! Was für ein Lotterleben! Ich könnte mir so ein Gattinnenleben an der Seite von so einem DJ in Residence durchaus vorstellen! Wir reisen von Club zu Club, wobei ich jetzt nicht von einem Club zum Tanzen rede. Sondern von einem All-inclusive-Urlaubsclub. In meiner Generation ist das der einzige Club, den wir so nennen. Das andere heißt bei uns immer noch Disko! Diskothek! Jetzt Auftritt She-Star. Eine sehr große, blonde, sehr schlanke Frau, die in etwa mein Alter haben dürfte, betritt die Bühne. Cooles Outfit, sexy, aber nicht bitchy. Sie trägt weiße Shorts. Hallo, wer kann bitte noch weiße Shorts tragen? Außer die 20-jährigen Influencerinnen, die noch immer eifrig mit ihren Selfies beschäftigt sind. Die haben von der Star-DJane bisher noch keinerlei Notiz genommen. Ganz im Gegensatz zu uns. Ich will ihre Figur. Der Gatte will ihren Job!
»Das wär mein Traumjob«, sagt er. »Ja frag halt, ob du auch einmal da auflegen darfst«, sag ich, und klinge dabei wie die Mutti, die ihr Kind ermutigt, die anderen Kinder zu fragen, ob es mitspielen darf. »Die ist ein Star«, sagt er und schaut jetzt in sein Handy, und ich ahne, auf wessen Website er gerade ist. »Die ist schon in Mauritius, Ibiza und Barcelona und überall auf der Welt aufgetreten!«
Mir gefällt die Vorstellung immer besser. Er tritt an diesen schönen Orten auf, und ich fahre mit und schreibe derweil in den schönsten Strandbars der Welt wunderbare Bücher. Manchmal erkennt man mich und ich signiere dann die tollen Bücher. Was für ein Leben! Nur dass halt bisher leider noch kein Buch von mir irgendwo erschienen ist.
Wenigstens ein Artikel von mir erscheint demnächst, nämlich in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Federstiel, der Mitgliederzeitschrift des steirischen Roseggerbunds. So was wie der Fanclub unseres berühmten Dichters Peter Rosegger. Vom Waldbauernbub zum gefeierten Dichter. Ich habe nach einem Ausflug in seine schöne Waldheimat darüber geschrieben und es in meinem Blog veröffentlicht. Dann habe ich mich beim Roseggerbund angebiedert und ihnen den Text zur kostenlosen Veröffentlichung angeboten. Und siehe da, er wurde angenommen. Es läuft sozusagen richtig gut. Von der Waldheimat hinaus in die weite Welt.
Der Gatte wischt weiterhin auf seinem Handy rauf und runter. »Du musst mal auf ihre Website gehen«, sagt er. »Die hat wirklich schon in den Top-Locations aufgelegt und ein eigenes Management, das die Buchungen organisiert!«
Das hast du auch, denk ich mir, nur weißt du noch nix davon …
Am nächsten Tag in der Früh schicke ich eine Nachricht an eine befreundete Wiener Familie, der zahlreiche Restaurants, Bars und Clubs in Wien gehören. »Hallo, sorry für die Störung. Aber ich bin auf der Suche nach einer Location für ein kleines Fotoshooting. Es müsste nur wie eine Disko ausschauen und einen DJ-Platz haben. Könnte ich das bei euch vielleicht untertags mal machen, wenn die Putzfrau gerade da ist oder so?«
Der Gatte wacht auf und fragt mich, was ich da mache. Nix, sage ich, Managementzeug.