Читать книгу Predictive Analytic und die Haftung für fehlerhafte Ergebnisse gegenüber betroffenen Einzelpersonen - Susanne Mentel - Страница 50
I. Zur Fehlerhaftigkeit von Wahrscheinlichkeitsaussagen
ОглавлениеAusgangspunkt und Motivation für die Untersuchung der Haftung von Predictive Analytic sind die Konsequenzen, die entstehen können, wenn der ermittelte Vorhersagewert zu Ungunsten der analysierten Person von der Wirklichkeit abweicht. Von der Realität abweichende Vorhersageergebnisse führen nicht nur zu einem verfälschten Bild für die Nutzer solcher Analysen, sondern können auch fatale Auswirkungen151 auf die fehlerhaft eingestuften Einzelpersonen – im Folgenden: die Betroffenen – haben. Derartige Abweichungen werden in dieser Arbeit als fehlerhafte Ergebnisse bezeichnet, gleichwohl es dem Wesen einer Vorhersage entspricht, dass sie nicht richtig oder falsch ist. Ausgehend von der Höhe des Wertes trifft eine Vorhersage immer nur eine Aussage darüber, ob es wahrscheinlicher ist, dass eine bestimmte Situation oder ein Verhalten eintritt oder nicht. Nichtsdestotrotz ist es das Ziel einer jeden Vorhersage, die im Einzelfall bestehende Ungewissheit durch möglichst treffsichere Ergebnisse zu beseitigen. Eine Vorhersage kann deshalb auch „fehlerhaft“ sein, nämlich dann, wenn sich die anhand des Vorhersagewertes vorgenommene Kategorisierung nicht mit der Realität deckt. Eine Möglichkeit, Abweichungen der Vorhersage von der Wirklichkeit einzuordnen, entstammt den Grundlagen von Hypothesentests.152 Dabei wird die Güte des Modells bzw. der Klassifikation in vier verschiedene Fälle eingeordnet: richtig positiv, falsch positiv, richtig negativ und falsch negativ.153 Die Güte der bereits oben als Beispiel herangezogenen Hypothese „Der Kunde ist kündigungsbereit“ kann diesen Kategorien folgendermaßen zugeordnet werden:
– Richtig positiv: Der Kunde ist kündigungsbereit und das Modell hat dies richtig vorhergesagt.
– Falsch positiv: Der Kunde ist kündigungsbereit, das Modell hat den Kunden aber (fälschlicherweise) als nicht kündigungsbereit eingestuft.
– Richtig negativ: Der Kunde ist nicht kündigungsbereit und das Modell hat dies richtig vorhergesagt.
– Falsch negativ: Der Kunde ist nicht kündigungsbereit, das Modell hat ihn aber (fälschlicherweise) als kündigungsbereit eingestuft.
Stimmt die Vorhersage mit der Realität überein und ist das Ergebnis richtig (richtig positiv oder richtig negativ), kann nicht von einer fehlerhaften Vorhersage gesprochen werden. Weicht die Vorhersage jedoch wie im Falle falsch positiver oder falsch negativer Ergebnisse von der Realität ab, werden diese Fälle in der weiteren Untersuchung als fehlerhafte Predictive Analytic-Ergebnisse bezeichnet. Um eine Vorhersage als zutreffend oder fehlerhaft einzuordnen, bedarf es eines Einblickes in die realen Verhältnisse oder Verhaltensweisen der analysierten Person. Ein derartiger Nachweis ist zwar nicht immer, aber doch in vielen Fällen ex post möglich.