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Noch mal

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Das Warten auf weitere Untersuchungen zermürbt. Eine Biopsie soll Klarheit bringen, und bis dahin mühen wir uns, die Alltagsroutine aufrechtzuerhalten. Aufstehen. Frühstücken. Spielen. Kochen. Mittagsschlaf. Spielen. Wäschewachen. Kuscheln. Putzen. Toben.

Die Sommersonne lockt uns ins Freie, und wir schleppen Decken, Getränke und Spiele nach draußen. Thomas tobt mit den Kindern. Er wirft Eduard in die Luft und ruft: „Engelchen, flieg!“

Der Einjährige juchzt: „Noch mal!“

Thomas packt ihn erneut, geht in die Knie und wirft ihn nach oben. Die blonden Haare wehen und die Arme und Beinchen baumeln. Kaum hält der Vater seinen Sohn im Arm, ruft der: „Noch mal! Noch mal!“

Es ist ein Spiel voller Vertrauen und eine Lektion über Loslassen und Gehaltenwerden.

Ich sitze auf einer Decke im Gras. Eduard tapst mir entgegen, rudert mit den Armen, schwankt und landet auf dem Po. Er krabbelt vorwärts, drückt dann seine Beinchen durch und versucht sich aufzurichten. Immer wieder und wieder stellt er sich der Kraft von 9,81 Meter pro Quadratsekunde entgegen. Es sieht spielerisch und kinderleicht aus.

Mich hingegen nagelt die Schwerkraft auf der Picknickdecke fest. Wenn ich erst einmal sitze oder liege, wird aufstehen mühsam. Jeden Morgen kämpfe ich gegen die 9,81 Meter pro Quadratsekunde, um aus dem Bett zu kommen. Meine Beine fühlen sich an, als steckten sie im Wüstensand. Jeder Schritt kostet mich Anstrengung. Auf dem Mond beträgt die Schwerkraft nur 1,62 Meter pro Quadratsekunde. Wie würde mein Alltag mit 84 % weniger Schwerkraft aussehen? Ich schwebe ins Haus und hole Apfelsaft. Ich schwebe zur Waschmaschine, und die feuchte Wäsche gleitet wie von selbst auf die Leine. Ich schwebe mit dem Kleinkind ins Bad, und im Nu hat es eine strahlend weiße Windel an. Aber ich lebe nicht auf dem Mond, sondern auf der Erde. Eduard streckt seine Arme aus und ich rufe: „Komm, Engelchen, komm!“ Er lässt sich fallen und landet auf meinem Schoß.

„Klingling?“, fragt er und ich nicke.

Meine zehn Finger verwandeln sich in Figuren, spazieren über Eduards Oberkörper, berühren seine Ohren und tippen rhythmisch an seine Stirn. „Geht ein Mann die Treppe hoch, klingling, klopfklopf“, singe ich. Er kichert und zieht seine Schultern hoch, weil er das Zupfen an seinem Ohrläppchen erwartet. Meine Finger marschieren über den kleinen Körper.

„Noch mal!“

Und wieder tippeln meine Finger über Arm, Schulter und Kopf. Sie legen Zentimeter um Zentimeter zurück. Es ist ein Langstreckenlauf aus Reimen und Berührungen.

Egal, was wir tun, er ruft: „Noch mal!“

Ich nehme ein Pappbuch und gemeinsam schlagen wir die dicken Seiten auf. Sofort steckt Eduard seinen Finger durch die Löcher, die die Raupe Nimmersatt in den aufgezeichneten Früchten hinterlassen hat. Haben wir die letzte Seite zugeschlagen, öffnet er sie wieder und ruft: „Noch mal?“

Der Kleine tönt ständig: „Noch mal!“ Der Große hingegen beharrt: „Das kann ich alleine.“

Alleine zieht er sich aus und gemeinsam entwirren wir das Geknuddel von auf links gedrehten Hosenbeinen. Alleine zieht er die Sandalen an, hat aber die Schuhe an den Füßen vertauscht.

„Du musst deine Schuhe noch einmal ausziehen. Schau, das ist der rechte für den rechten Fuß.“

„Alleine“, plärrt er und ich lotse seine Füßchen ins passende Schuhwerk. Alleine kraxelt er die Rutsche hoch oder hangelt sich am Klettergerüst entlang. Ich zügle meinen Impuls, ihm zu helfen, während Thomas ruft: „Toll, das kannst du schon ganz alleine. Schaffst du es noch weiter?“

Und er klettert noch höher, während ich mich zwischen Kletterstreben quetsche, meine Arme ausbreite und bereit bin, ein herunterplumpsendes Kind aufzufangen.

Auch das ist ein Spiel voller Vertrauen und eine Lektion über Loslassen und Gehaltenwerden.

Meine Reise durch das Trauerland

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