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Die Kutsche rumpelte über den ausgefahrenen Weg. Es war rasch dunkel geworden. Ein leichter Wind trieb ein paar Wolken über den Himmel. Im Wageninneren war es heiß und stickig. Gilberte hätte gern ein wenig frische Luft hereingelassen. Aber dann würde die Herzogin erwachen, und im Augenblick war Gilberte froh, daß ihre Herrin schlief und sich nicht mit ihr unterhalten wollte.

Gilberte fand es schöner, still dazusitzen und an Paris zurückzudenken. An das Leben am Hofe König Karls IV., die Feste und Turniere und die prächtigen Säle des königlichen Palastes. Ein Jammer, daß diese Zeit vorüber war und man nun nach Schloß Beaumont zurückkehrte, wo die Tage so träge und monoton dahinflossen. Wenigstens empfand es Gilbertes neunzehnjährige Jugend so.

Der Kutscher ließ ein paarmal seine Peitsche über die vier Pferderücken sausen. Außer ihm saßen noch zwei Männer auf dem Bock, kräftige Gestalten in weiten Mänteln, die Gesichter braungebrannt. Sie gehörten zu den insgesamt zehn Bogenschützen, die die Herzogin nach Paris begleitet hatten. Die anderen waren heute morgen mit dem übrigen Gefolge nach Beaumont vorausgeritten, um die Ankunft Johanna von Valances zu melden.

Die Kutsche schwankte nun einen Hohlweg hinunter. Jeannot stieß plötzlich einen zornigen Fluch aus. Die Pferde wieherten und versuchten, zur Seite auszubrechen.

Die Herzogin schreckte aus dem Schlaf hoch. »Was ist los?«

Im gleichen Augenblick ging ein harter Ruck durch das Gefährt, und es legte sich schräg auf die Seite. Knirschend brach ein Rad. Jemand schrie: »Herunter vom Kutschbock, aber schnell, wenn euch euer Leben lieb ist!«

»O Madame«, flüsterte Gilberte zitternd. »Ein Überfall! Das sind Banditen!«

Johanna von Valance blickte aus dem Fenster. Sie gewahrte sechs, nein, acht schattenhafte Gestalten, die aus dem dichten Strauchwerk zu beiden Seiten auf die Straße sprangen. Quer über dem Weg lag ein Baumstamm. Der Kutscher Jeannot kletterte als erster vom Bock. Einer der Banditen versetzte ihm einen Faustschlag. Jeannot taumelte zur Seite. Er hatte noch seine Peitsche in der Hand und hob sie, um seinem Angreifer einen Schlag zu versetzen. Ein anderer fiel Jeannot in den Arm. Eine stählerne Klinge blitzte auf, dann stieß Jeannot einen gurgelnden Schrei aus und stürzte.

Das Folgende ging sehr rasch. Die acht Banditen fielen über die beiden Bogenschützen her. Es gab ein wildes Handgemenge. Die Leute der Herzogin wehrten sich wakker, aber die Übermacht war zu groß. Robert fiel als erster, ein Messer zwischen den Rippen. Dann warf Bastien plötzlich die Arme hoch. Er versuchte vergeblich, auf den Füßen zu bleiben, und brach zusammen.

Gilberte schrie gellend auf, als nun die Tür der Kutsche aufgerissen wurde und rohe Männerfäuste sie ins Freie zerrten. Die Wolken hatten den Mond freigegeben. Sein Licht beschien die drei Toten, die auf dem Boden lagen. Zwei der Banditen waren gleichfalls verletzt worden. Einer blutete aus einer Wunde am Arm, der andere lehnte abseits an einem Baumstamm und hielt sich stöhnend die Seite.

Alle acht waren verwegen aussehende Gestalten in abgerissener Kleidung. Ihre Gesichter waren maskiert.

Die Herzogin war ebenfalls aus der Kutsche geholt worden. Jemand hatte ihr die Haube heruntergerissen. Zwei andere nahmen ihr johlend den Schmuck ab: die Ringe, den goldenen Gürtel, der mit Edelsteinen besetzt war, die Ohrgehänge und Ketten. Sogar die perlenverzierten Diamantagraffen an den Schuhen wanderten in die Taschen der Straßenräuber. Ein Bandit mit braunem Lederkoller und einem großen schwarzen Schlapphut spannte die Pferde aus. Aus der Kutsche wurde die Truhe mit den Kleidern geholt und die Schatulle, in der die Herzogin Geld und noch mehr Schmuck aufbewahrte.

»Los, zieh das aus«, befahl einer der Banditen und griff nach Gilbertes blauem Kleid. Sie wehrte sich, und der dünne Stoff zerriß unter den rohen Fäusten.

Die Männer lachten. »Seht euch mal die Kleine an. Ein niedlicher Happen!«

Gilberte wollte davonlaufen, aber ein großer Mann mit halblangen schwarzen Haaren hielt sie fest. Seine Augen funkelten unter den schmalen Schlitzen der Larve. »Hier geblieben, mein Täubchen! So was wie dich hat mir gerade noch gefehlt!«

Angstvoll versuchte sie, seinen frechen Händen auszuweichen. Da tauchte der Bandit mit dem Lederkoller auf, der zuvor die Pferde ausgespannt hatte. Er riß Gilbertes Angreifer zurück. »Dafür haben wir keine Zeit. Los jetzt!« Seine Stimme klang befehlsgewohnt. Offenbar war er der Anführer der Bande.

Der Schwarzhaarige murrte: »Wir können sie doch mitnehmen. Und die Alte auch. Vielleicht gibt’s noch ein zusätzliches Lösegeld. Sie soll doch eine Herzogin sein. Ich habe gehört, wie du gestern mit Grand Jacques darüber . . .«

Weiter kam er nicht. Der Mann mit dem Lederkoller versetzte ihm eine gewaltige Ohrfeige. »Lösegeld? Genauso gut können uns auch die Soldaten des Königs wie die Hasen jagen und am nächsten Baum aufknüpfen. Wir verschwinden, habe ich gesagt!«

Und sie verschwanden tatsächlich. Sie nahmen die Pferde mit, den Schmuck, das Geld – alles, was nur irgendwie von Wert erschien, selbst die Überkleider der Herzogin. Johanna von Valance hatte zwar heftig protestiert, als sie sich ihres mit Perlen und Goldfäden bestickten Gewandes aus schilfgrüner Lyoneser Seide entledigen mußte – aber genützt hatte es nichts.

»O Madame«, sagte Gilberte schluchzend, nachdem die Schritte der Banditen und das Trappeln der Pferdehufe in der Nacht verklungen waren, »was haben wir für Glück gehabt. Ich dachte, ich sterbe vor Angst, noch bevor diese Lumpen Hand an mich legen konnten.«

Die Herzogin näherte sich den drei am Boden liegenden Gestalten, beugte sich zu ihnen hinunter und untersuchte sie flüchtig. »Tot«, murmelte sie. »Alle drei . . .«

Gilberte weinte heftiger. »Der arme Jeannot. Er war immer so fröhlich. Und Bastien . . .«

»Schweig!« sagte die Herzogin. »Zum Jammern ist es zu spät. Laß uns lieber überlegen, wie wir hier fortkommen. Am besten warten wir den Sonnenaufgang ab.«

»O nein«, flüsterte Gilberte zitternd. Sie warf einen scheuen Blick zu den Toten hinüber. »Ich fürchte mich, Madame . . .«

»Unsinn. Die Lebenden, die uns etwas hätten tun können, sind fort. Und die Toten können uns nichts anhaben.«

Dessen war Gilberte freilich nicht so sicher. Sie hatte zu viele schreckliche Geschichten gehört von den Geistern der Verstorbenen, die des Nachts umherirrten, weil sie keine Ruhe fanden. Wahrscheinlich würden das auch Jeannot und die beiden Bogenschützen tun, nachdem sie auf so schreckliche Weise umgekommen waren! Es sei denn, sie hatten selbst im Tode noch zu viel Respekt vor ihrer Herrin, so daß sie es nicht wagten, ihr als Geister unter die Augen zu treten.

Dieser Gedanke beruhigte Gilberte ein wenig.

Zauberhafte Isabelle

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