Читать книгу Julie's Monsters - Susanne Sievert - Страница 7
Redwood Park
ОглавлениеAngespornt durch unseren Beschluss führen wir die Bootstour fort. Motiviert halte ich das Paddel in den Händen und strenge mich an, wie die Gruppe es in den letzten sechs Tagen nicht von mir gesehen hat. Niemand spricht ein Wort und ich sehe den anderen an, wie kraftlos und müde sie sind. Wir brauchen dringend Land unter den Füßen.
Links von uns befinden sich Felsen, es ist kein Zombie in Sicht, aber auch wenn wir sie nicht sehen können, müssen wir vorsichtig sein. Sie sind da, daran besteht kein Zweifel. Ihr Stöhnen wird vom Wind getragen, es begleitet uns und ist mittlerweile ein höchst willkommenes Geräusch für mich. Ihre Stimmen helfen mir, meine anderen Ängste auszublenden, und ich kann mich auf unser nächstes Ziel konzentrieren.
„Seht mal, dort.“ Bobby beugt sich nach vorne und zeigt in Richtung Felsen. Die Köpfe der anderen sind im Weg und ich kann nichts erkennen. Mein Herz hüpft vor Aufregung.
Ich warte gespannt, zu erfahren, was er gesichtet hat, da ruft Hank zu uns nach hinten: „Die Felsen flachen ab! Das könnte unsere Chance sein.“
„Höchste Zeit“, sagt Jules. „Nicht mehr lange und es wird dunkel. Ich habe keine Lust, noch eine Nacht unter freiem Himmel zu verbringen.“
„Dann bist du also kein Romantiker?“, fragt Judith.
Auf ihrem Hinterkopf windet sich eine grüne Schlange, ein Tattoo aus einer Zeit, in der es noch keine Zombies gab. Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung in Bobs Bar, die Zigaretten, die wir teilten und an den Kuss, den sie mir auf der Jacht gegeben hat. Der Kuss bedeutete für mich nichts und doch alles.
„Romantiker …“, wiederholt Jules und ich sehe, wie sich sein Blick für eine Sekunde trübt.
Judith wird es kaum aufgefallen sein, aber ich kenne ihn ganz genau und weiß, dass sie einen Nerv getroffen hat. Romantik ist etwas für Träumer, nicht für uns. Die gemeinsamen Stunden im Schrank haben uns etwas anderes gelehrt.
Sofort setzt mein Große-Schwester-Beschützerinstinkt ein. Doch bevor ich etwas erwidern kann, antwortet Jules gelassen: „Nee, ich bin eher der Stimmungskiller und außerdem friere ich mir nur ungern die Eier ab. Bei dem Wind und dem ewigen Geschaukel kommt bei mir nichts in Bewegung.“
Gut gemacht. Er ist ein erwachsener Mann und kann für sich selbst einstehen. Tja, Julie, daran wirst du dich wohl nie gewöhnen.
„Achtung“, ruft Bob. Er steht auf und formt mit beiden Händen ein Fernrohr. „Land in Sicht. Land in Sicht!“
„Lass den Scheiß.“ Rob zieht ihn unsanft nach unten und zischt: „Ich habe keinen Bock auf ein Empfangskomitee. Denn genau das wird passieren, wenn du deine blöde Schnauze nicht hältst.“
Bob dreht sich zu ihm um und wenn Blicke töten könnten, so wäre Rob auf der Stelle gestorben. Alle im Boot wissen, wie wichtig es ist, sich leise zu verhalten. Die Untoten reagieren auf das kleinste Geräusch und erwachen aus ihrer Starre, wenn man sich nicht an diese Regel hält.
Bis jetzt hat es niemand gewagt, so mit Bob zu reden, und ich kenne ihn schon eine ganze Weile. Wer auch immer Bob in der Vergangenheit Schaden zufügen wollte, verschwand spurlos und ich fragte damals nicht nach, was aus diesen Leuten geworden war. Die Vermisstenanzeigen an den Straßenlaternen sprachen für sich selbst.
Ich bewundere Bob. Er steht für Macht, ist in gewisser Hinsicht unantastbar und sein Motto lautet stets: Alles hört auf Bob Baker.
Zumindest bis zu diesem Moment.
Ich kann es kaum erwarten, dass er Rob die Nase bricht, ihn anspuckt oder ihm ein paar deutliche Worte an den Kopf wirft, aber er sagt und tut nichts. Er dreht sich um und damit ist die Diskussion beendet. Ich bin enttäuscht und muss das erst mal verdauen. Als ich Jules einen fragenden Blick zuwerfe, zuckt er erstaunt mit den Schultern und gibt mir wortlos zu verstehen, dass er auch mehr erwartet hat.
„Wir legen an“, befiehlt Rob, während unser alter Freund vor sich hinstarrt. Was ist bloß los mit ihm?
Robs Tonfall gefällt mir ebenfalls nicht. Will hier etwa
jemand den Anführer spielen? Die Position ist bereits vergeben, das wird Rob noch einsehen müssen. Es gibt keinen Ersatz für Bob Baker.
Das Schlauchboot trifft auf Land und das Knirschen unter unseren Füßen ist eine willkommene Abwechslung. Ich kann nicht länger warten, springe ins Wasser und gehe die letzten Schritte zu Fuß.
„Komm, ich helfe dir“, sagt Jules und reicht Olivia die Hand.
Mit krauser Stirn schüttelt sie den Kopf und springt an ihm vorbei ins Wasser.
„Hey, alles klar?“, frage ich, als sie auf mich zukommt.
Wieder zuckt Jules verwundert mit den Schultern und sein Blick sagt: Habe ich etwas falsch gemacht?
„Ja, alles gut“, antwortet Olivia und gibt mir zu verstehen, dass gar nichts gut ist und sie nicht bereit ist, darüber zu reden. „Gehen wir gleich weiter? Ich möchte nicht hierbleiben.“
„Keine Sorge.“ Hank tritt an unsere Seite und verwuschelt ihr blondes Haar.
Mit einem grinsenden „Hey“ schlägt sie seine Hand beiseite.
„Wir machen das Boot fest und verteilen die Rucksäcke. Dann geht es sofort weiter“, sagt er.
Ich nicke zufrieden, denn neben Stille ist Bewegung eine zweite wichtige Regel. Wenn wir in Bewegung bleiben, ist es schwieriger für die Untoten, unsere Spuren zu wittern. Außer, wir werden von einer Horde Zombies verfolgt. Dann sind wir auf jeden Fall am Arsch.
„Ist irgendwas?“, frage ich Hank, der gedankenverloren unsere neue Umgebung betrachtet.
Ich folge seinem Blick und sehe eine weite Wiese mit verlassenen Picknickbänken, herunter gebrannten Feuerstellen, verschiedenen Utensilien, die in Panik liegengelassen wurden und jeder Menge Müll. Es ist ein Park, der unter anderen Umständen viele Freizeitwütige angelockt hätte.
„Dieser Ort … Ich kenne ihn.“
Ich klopfe ihm auf die Schulter und schüttle den Kopf. „Schwachsinn, Hanky Boy. Der Park sieht aus wie jeder andere.“
Das stimmt natürlich nicht, aber ich mache mir Sorgen, dass mein Freund sich in eine fixe Vorstellung verrennt. Er sehnt sich nach etwas, das es nicht mehr gibt.
„Nein, sieh doch“, er zeigt an mir vorbei und läuft einfach los. Ich bin entsetzt, dass der Vernünftigste aus unserer Gruppe sich derart gedankenlos verhält.
Er rennt in Richtung des Waldes und das ist nicht nur gedankenlos, sondern auch dumm.
„Hank, bleib hier!“, zische ich.
Ich laufe ihm nach und komme an einem Steg vorbei, der schon bessere Tage gesehen hat. Die Holzlatten sind an einigen Stellen gebrochen und die getrocknete rostbraune Farbe auf dem Holz lässt erahnen, welche furchtbaren Szenen sich hier abgespielt haben müssen.
Nicht zu viel darüber nachdenken, Julie.
Ich halte kurz inne und atme den Duft der Wildblumen und den würzigen, erfrischenden Geruch der Bäume ein. Es ist eine Wohltat, etwas anderes als Kotze, Scheiße und Angst zu riechen.
Vor einem großen Schild ist Hank stehen geblieben und entfernt die Äste eines Baumes, die hineinragen.
„Du machst mich echt fertig, Hanky Boy. Ich hab mich eigentlich auf deine Vernunft verlassen und gehofft, nicht den Babysitter für dich spielen zu müssen.“ Ich bleibe neben ihm stehen und lese die Worte auf dem Schild laut vor. „Redwood Park … Nie davon gehört. Los, wir gehen wieder zu den anderen. Es ist nicht gut, sich von der Gruppe zu entfernen, wenn Zombies in der Nähe lauern könnten.“
Ich hatte gehofft, dass eine Ansage ausreichend sein würde, aber weit gefehlt. Seine Finger streichen sanft über die Buchstaben des Schildes. Für ihn ist es nicht irgendein Ort. Er kennt ihn tatsächlich.
„Ich erinnere mich noch ganz genau. Letzten Sommer habe ich mit Ruby ein Wochenende in diesem Park verbracht. Es war eine Überraschung, weißt du.“ Er zwinkert mir zu, während ich ungeduldig von einem Bein auf das andere trete. „Wir haben hier gezeltet, obwohl Ruby ein Hotelzimmer mit Wellness und einem schicken 3-Gänge-Menü vorgezogen hätte. Aber ich wollte etwas Besonderes für sie. Eine Nacht unter den Sternen, mit einem romantischen Lagerfeuer und selbst gemachtem Brot, einem schönen Stück Fleisch und Marshmallows. Die hat sie so gerne gegessen. Der Abend sollte perfekt werden.“
„Ja, ja, das klingt ganz toll.“ Auffordernd dränge ich ihn ein Stück in die andere Richtung. „Komm schon, Hank. Erzähl mir die Geschichte auf dem Rückweg.“
Mein Freund hat sich in seiner Erinnerung verloren und erzählt weiter, ohne sich zu bewegen: „An diesem Abend fragte ich sie, ob sie meine Frau werden will und sie sagte ja.“ Er lächelt mich an und ich zwinge mich, nicht mit den Augen zu rollen. „Ich würde meinen rechten Arm dafür geben, noch mal mit ihr unter den Sternen liegen zu dürfen. So ein wundervoller Ort, so eine liebevolle Frau. Wir kommen beide aus Cherryhill und man muss nicht weit fahren, um das Paradies zu finden, Julie.“
Jetzt rolle ich doch mit den Augen und gebe Hank unmissverständlich zu verstehen, dass die Geschichtsstunde hiermit beendet ist.
Aber sein letzter Satz macht mich stutzig. „Warte mal. Ihr kommt beide aus Cherryhill? Wie lange seid ihr damals gefahren?“
„Ich schätze, mit dem Auto waren wir fünf Stunden unterwegs. Die Pausen mit eingerechnet und wir haben so einige Stopps einlegen müssen.“ Er lacht und wackelt vielsagend mit den Augenbrauen.
„Willst du mich verarschen?“ Mir kommt vor Wut die Galle hoch. „Wir sind zwei Tage auf der Jacht unterwegs und sechs beschissene Tage mit dem Schlauchboot und du erzählst mir, dass wir praktisch zu Fuß nach Cherryhill zurücklaufen könnten?“
Nein, er will mich nicht verarschen und im selben Moment weiß ich auch, dass Hank am wenigsten für unsere Situation kann, aber mein Gott, das kann doch nur ein übler Scherz sein!
„Ich verarsche dich sicher nicht, wenn ich dir aus meinem Leben erzähle, Julie.“ Hank ist gekränkt. Ich habe es mal wieder geschafft.
„Ach, komm schon.“ Ich wage einen Versuch, mich zu entschuldigen. „Und sorry … Mein Beileid? Oder was willst du von mir hören?“
„Am besten hältst du die Klappe“, schimpft er. „Besser wird es offensichtlich nicht.“
Warum verhalte ich mich wie ein Arsch? Nun gut, zwischenmenschlicher Unsinn ist nicht meine Stärke, aber es gab bereits Momente, da habe ich es besser gemeistert. Ich lerne und bin stets bemüht.
Hank rennt in den Wald hinein und ich gehe ihm mit einem schlechten Gewissen hinterher.
„Können wir wenigstens in die andere Richtung laufen? Bitte?“
Hank ist so wütend, dass er sich einen Dreck um mich schert.
Es raschelt im Gebüsch und mein Herz pumpt, bevor ich überhaupt weiß, was los ist. Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr und mir wird heiß und kalt zugleich. Hank hört und sieht nichts, er ist noch völlig in seiner Wut gefangen. Egal, was es ist, ich höre auf mein grummelndes Bauchgefühl, gewinne an Tempo und rufe atemlos: „Achtung!“
Im Lauf stoße ich Hank beiseite und hoffe, dass es sich bei dem Geräusch nur um ein Eichhörnchen handelt.
Aus dem knackenden Unterholz kommen wankende Schritte, die immer schneller werden, je besser sie die potenzielle Mahlzeit wittern können. Der Untote verliert keine Zeit, stürzt sich stöhnend und knurrend auf mich und reißt mich mit seinem Gewicht zu Boden. Ich habe meine liebe Mühe, mir den Stinker vom Leib zu halten.
„Fick dich! Warum kannst du kein flauschiges Eichhörnchen sein?“, krächze ich dem Zombie ins Gesicht, das viel zu nah an meinem ist.
Schwarzes, geronnenes Blut kleckert auf mein Hemd und aus seinem Mund ergießen sich Gerüche, die ich nur mit einem Ugh beschreiben kann. Meine Hände liegen um seinen Hals und ich drücke zu, lache über mich selbst, und versuche dann lieber, ihn von mir runter zu bekommen. Der Zombie verfolgt seine eigenen Pläne und ist wild entschlossen, von meinem Fleisch zu kosten.
Sein linker Arm ist abgefressen, zu meinem Glück, denn so hat er Mühe, mich zu packen. Mit einer Hand halte ich ihn an der Kehle zurück und mit der anderen wehre ich seinen Arm ab. Mit letzter Kraft versuche ich, ihn von mir zu stoßen, aber die Nächte auf dem Boot fordern ihren Tribut. Ich weiß nicht, wie lange ich dem Zombie noch standhalten kann.
„Hank?“, rufe ich und hoffe, dass er sich beim Sturz nicht den Kopf angeschlagen hat. „Bist du noch sauer auf mich?“
Der Zombie reagiert auf meine Stimme und wird aggressiver. Sein Maul öffnet sich und ehe ich mich versehe, spuckt er mir eine gelbe Flüssigkeit ins Gesicht. Vor Ekel muss ich mich übergeben.
„Dich habe ich nicht gemeint, du Stück Dreck“, presse ich hervor und denke gleichzeitig, dass sechs Tage auf einem Schlauchboot bei Weitem nicht so schlimm sind wie das hier.
Mit einem Ruck rollt der Zombie von meinem Körper. Einen Moment bleibe ich liegen und schaue zu Hank hinauf, der einen langen Ast in Händen hält. Ich blicke zur Seite und sehe, dass das untere Ende im Kopf des Untoten steckt. Gelbe Flüssigkeit sickert aus seinem verfaulten Mund und von dem Verwesungsgeruch wird mir übel. Mit einem schmatzenden Geräusch zieht Hank den Ast heraus und streckt mir seine Hand entgegen. Bevor ich sie ergreifen kann, übergebe ich mich erneut.
„Für eine rothaarige Schlampe hast du einen ganz schön empfindlichen Magen.“
Ich lasse das unkommentiert, dazu fehlt mir im Moment die Kraft. Stattdessen sage ich schlicht: „Danke, Hanky Boy.“
Hank nickt verkniffen und nimmt mich ohne Vorwarnung in den Arm.
Sofort spüre ich, wie Panik in mir aufsteigt. Mein Körper nimmt automatisch eine Abwehrhaltung ein und versteift sich. Mit menschlicher Nähe komme ich nicht zurecht und mit Berührungen noch weniger. Ich kneife die Augen fest zusammen, halte die Luft an und zähle von drei an rückwärts.
3 - 2 - 1.
Hanks Umarmung löst sich. Gott sei Dank, sonst hätte ich ihm wehgetan und das, nachdem er mich gerettet hat.
„Um deine Frage zu beantworten: Ja, ich bin noch sauer auf dich.“ Er verzieht das Gesicht und will offensichtlich böse aussehen, aber es erinnert eher an ein dringendes Bedürfnis.
„Pass auf, dass es nicht in die Hose geht“, sage ich und Hanks Gesicht wird plötzlich rot.
„Hey, das ist der böse Blick!“, antwortet er empört. Wir lachen und er fügt hinzu: „Ich werde drüber hinwegkommen.“
Ob er unseren Streit oder den Verlust von Ruby meint, kann ich nicht sagen. Vielleicht ja beides.
„Meinst du, er war alleine unterwegs?“
„Sie sind nie alleine unterwegs.“ Ich blicke auf mein Hemd und stelle fest, dass es ruiniert ist. Überall klebt schwarzes Blut und Kotze.
Du bist am Leben, Julie Mond, nur das zählt.
Wir laufen zu den anderen zurück, die mit geschulterten Rucksäcken auf uns warten. Mir kommt es so vor, als wären wir Stunden weg gewesen, aber es waren nur ein paar Minuten. Ein paar schreckliche Minuten, die mich das letzte bisschen Kraft gekostet haben.
„Scheiße! Was ist …?“, beginnt Jules.
„Seid ihr alle ausgeruht?“, unterbreche ich meinen Bruder, um die jüngste Begegnung mit dem Zombie nicht weiter zu vertiefen. Der vertraute Geruch der Angst steigt mir in die Nase, als ich von einem zum anderen schaue. „Wir müssen weiter, und zwar schnell.“
Rob begutachtet mich von unten bis oben und sein Blick verweilt viel zu lange auf meinen Brüsten. Wie ich dieses verdammte Schwein hasse!
Unter seinem fetten Bauch lugt ein Waffengürtel hervor, daran hängen ein Holster und vier weitere kleine Taschen. Das Arschloch hat sich bestens ausgestattet, während Judith und Jules sich mit einer Pistole aus seiner Waffensammlung begnügen müssen. In diesen Zeiten wird Großzügigkeit sehr klein geschrieben.
Warum geben die, die am meisten besitzen, am wenigsten? Die Frage schwirrt in meinen Kopf herum und die Stimme meines Vaters antwortet: „Wie soll man es sonst zu etwas bringen? Macht gehört denjenigen, die sich über das Schicksal der anderen keine Gedanken machen.“
Ich schlage gegen meinen Kopf, will ihn nicht hören, aber sein Lachen weigert sich zu verstummen. Kein guter Zeitpunkt für beschissene Ratschläge. Und kein guter Zeitpunkt für längst verstorbene Stimmen!
Ich bin nicht wie du! Ich bin besser!
Hank tritt an meine Seite und legt eine Hand auf meine Schulter. Sein Mund öffnet sich, aber statt seiner Stimme höre ich die unheilvollen Worte meines Vaters: „Du bist nicht besser. Du bist wie ich.“
„Nein“, brülle ich und schreie ihn einfach fort. „Nein, nein, nein!“
„Ruhig, Püppi.“ Es ist Bob und es war noch nie so schön, seine tiefe, rauchige Stimme zu hören. „Es war ein langer Tag für uns alle, aber halt deine Gedanken zusammen, sonst sind wir ganz schön angeschissen. Ich sage, wir suchen uns einen Unterschlupf und dann sehen wir weiter.“
Bob hält seine eigene Schrotflinte im Arm. Dieser Anblick ist sehr beruhigend. Aus meiner Kindheit weiß ich, dass niemand so gut schießen kann wie Bob.
„Ja“, nicke ich matt. „Gute Idee.“
Ich lehne mich an seine Schulter und berühre die Waffe.
„Hey, hey, vorsichtig. Tu Ester nicht weh.“
„Ester?“, frage ich mit gerunzelter Stirn.
„Ja, mein Schätzchen hier“, Bob streichelt über die Flinte. „Meine Königin.“
„Warum gibst du deiner Waffe einen Namen?“
„In solchen Zeiten brauchen gute Dinge einen Namen, Püppi. Und Ester ist der beste Name, den ich kenne.“
Darüber denke ich einen Moment nach und als ich Bobs glänzende Augen sehe, ist es mir ganz egal, wie er seine Waffe nennt. Hauptsache sie tut das, wofür sie bestimmt ist.
„Ester“, wiederhole ich leise. „Ein guter Name.“
„Tja, wenn das so ist, dann muss ich den hier wohl Der Stecher nennen.“ Hank hebt den Ast in die Höhe, der vom Blut des Zombies schwarz gefärbt ist.
„Und das sagt derjenige, der einen Stock im Arsch hat“, lacht Jules und klopft Hank freundschaftlich auf die Schulter. „Du kannst ja auch witzig sein, Mr. Nacktarsch.“
„Nenn mich nicht so“, antwortet Hank und grinst dümmlich.
„Los, bewegt euch, bevor wir Gesellschaft bekommen.“ Ich störe nur ungern die aufkommende gute Laune, aber ein Zombieangriff am Tag reicht mir vollkommen. „Je länger wir warten, desto wahrscheinlicher werden wir zu einem Abendessen. Und ich möchte nicht, dass Hanks nackter Arsch das Letzte ist, woran ich vor meinem Tod denke.“
Alle außer Rob stimmen mir zu. Es ist nicht zu übersehen, dass er mir den Wahnsinn an den Hals wünscht. Damit würde ich ihm vor den anderen einen guten Grund liefern, mich abzuknallen. Ich enttäusche ihn nur zu gerne. Heute verliere ich meinen Verstand nicht, aber wer weiß schon, was uns morgen erwartet?
Wir setzen uns in Bewegung. Jules holt auf und läuft an meiner Seite.
„Schön, dass du wieder bei uns bist“, flüstert er und hinter seinem Lächeln sehe ich den Kummer, den ich zu verantworten habe. Mal wieder.
„Ich werde bleiben, so viel steht fest“, antworte ich. Meine Gedanken kreisen um die Worte Solange ich es kann. Dann wende ich mich an die Gruppe und sage: „Hank kennt diesen Ort, mit all seinen schönen Ecken, und bestimmt auch einen Platz unter den Sternen, wo wir die Nacht verbringen können, richtig Hanky Boy? Du solltest uns ab hier führen. So kommen wir schneller voran.“
Ich sehe Tränen in seinen Augen und mit einem Kloß im Hals sagt er: „Ich weiß genau, wo wir lang müssen.“
Oh, sweet Ruby, wir werden dich nie vergessen.