Читать книгу Julie's Monsters - Susanne Sievert - Страница 8

Peng! Peng!

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Es wird alles andere als ein gemütlicher Spaziergang. Wir hetzen quer durch den Park, dicht hinter Hank, der mit seinem Stecher abwechselnd nach links und rechts zielt. Das Unterholz knackt und die Stinker kommen plötzlich von allen Seiten auf uns zu. Ihr Röcheln, Knurren und Fauchen ist überall und ich weiß nicht, wohin ich meine Aufmerksamkeit zuerst richten soll. Ich bleibe dicht bei den anderen, halte Olivias schwitzende Hand und hoffe, dass Hank das Ziel kennt. Momentan sieht es leider nicht so aus.

Bei jedem Schuss höre ich, wie einer der Stinker zu Boden geht. Es dämmert und auf Jules’ Shirt erkenne ich schwarzes Blut. Er hebt die Waffe, brüllt mir etwas zu, aber ich kann ihn nicht verstehen. Meine Ohren beginnen zu klingeln, als Jules in meine Richtung zielt und einen Stinker erledigt, der gerade seine Zähne in mein saftiges Fleisch schlagen will. Gottverdammt, ich pinkle mir noch in die Hose! Seit wann ist mein Bruder ein so guter Schütze und warum halte ich keine verfluchte Waffe in den Händen?!

Ich stolpere über den Untoten und reiße Olivia mit, die mit einem Schrei auf mir landet. Für Entschuldigungen bleibt keine Zeit, denn drei weitere Zombies haben uns gewittert und steuern schlurfenden Schrittes auf uns zu. Hektisch zerre ich Olivia von mir runter, helfe ihr auf und ramme dem ersten Untoten meine Faust ins Gesicht. Mein Schlag drückt die Hälfte seiner hässlichen Visage ein und er fällt zu Boden. Von meiner Hand tropft Zombieschleim, aber den Ekel verschiebe ich auf später, denn das Adrenalin pumpt durch meinen Körper und mit einem heftigen Tritt gegen das Knie stürzt der zweite Stinker. Ich stelle mir vor, sein Kopf wäre ein Fußball und kicke mit Schwung gegen seine Schläfe, als ginge es um die Weltmeisterschaft. Dieser Zombie wird nicht mehr aufstehen, so viel steht fest.

Es ist eine Gruppe von ungefähr zehn Zombies, die uns angreift und für meinen Geschmack sind das zu viele auf einmal. Ich brülle Judith zu: „Los, knall sie ab!”

Peng, peng, peng! Drei weitere Zombies gehen zu Boden und wir rennen um unser Leben. Olivia stört sich nicht am Schleim, ergreift meine Hand und drückt sie so fest, dass ich kein Gefühl mehr in der Rechten verspüre. Egal, wir müssen hier weg.

„Haaaaaank“, rufe ich und entdecke ihn ein paar Schritte vor uns.

Sein Ast ist zerbrochen. Der Stecher hat leider nicht lange gehalten, aber das war zu erwarten. Ich schaue mich nach allen Seiten um und sehe Jules, Bob, Judith und Rob, die uns den Weg freischießen.

Wir laufen, schießen, laufen, fluchen und laufen noch mehr, bis wir endlich ein großes Gebäude entdecken.

Fuck, das wurde aber auch langsam Zeit, denke ich und zusammen mit Olivia renne ich noch schneller auf das Gebäude zu. Je näher wir kommen, desto deutlicher sehe ich den Zaun, der das Grundstück eingrenzt. Ein verdammt hoher Zaun. Die Situation wird immer verzwickter, denn ich kann genauso gut werfen wie klettern, außer es handelt sich um einen Baum mit vielen tief hängenden Ästen.

Hank hechtet als Erster über den Zaun, gefolgt von Judith und Jules, die das Hindernis mit erschreckender Behändigkeit bewältigen. Auch Bobby und Rob machen eine gute Figur. Sie sind nicht ganz so schnell, aber auch für sie ist der Zaun kein Problem. Ich helfe Olivia und gebe ihr einen Schubs, den sie überhaupt nicht benötigt. Sie klettert wie eine kleine Spinne hinauf und auf der anderen Seite sicher wieder hinab. Super, ich bin die Letzte, die auf der falschen Seite des Zauns steht, und das Stöhnen, Ächzen und Sabbern der Untoten rückt immer näher.

„Julie, worauf wartest du?“, brüllt Jules und winkt mich heran. „Nun mach schon. Mach schon!“

Meine Hände greifen in das Gitter und ich versuche, mich hochzuziehen. Meine Beine finden keinen Halt. Verdammt, wie haben die anderen das gemacht? Es sah so leicht aus, aber ich komme keinen Schritt voran. Meine Arme beginnen zu zittern und mit der Angst im Rücken werde ich immer hektischer.

„Julie! Beeil dich doch!“, aus Bobs Stimme höre ich einen nervösen Unterton heraus. Das kann nur bedeuten, dass ich echt in der Klemme stecke und mich besser nicht umdrehen sollte. Das ist auch nicht nötig. Ich kann den schlechten Atem der Zombies bereits riechen.

„Ich bin gleich da“, antworte ich und hänge wie ein nasser Sack am Gitter.

Können Zombies denken? Im Grunde ist das egal. Ich präsentiere mich hier so offensichtlich, dass die Untoten nicht denken müssen.

Frisches, abgehangenes Fleisch. Bitte zugreifen!

„Julie, Julie, Julie!“

Alle brüllen meinen Namen. Vielen Dank für eure Unterstützung, aber davon klettere ich auch nicht geschickter. Ich versuche es immer wieder, doch meine Füße finden keinen Halt. Von mir bekommen sie keine Antwort, denn ich möchte, dass meine Freunde mich in guter Erinnerung behalten. Würde ich jetzt etwas sagen, wären meine letzten Worte „Haltet die Fresse, ihr Arschgesichter!“

„Das ist doch nicht zu fassen!“, ruft Jules.

Mit zwei Sätzen springt er auf die andere Seite, packt beherzt meinen Hintern und drückt mich nach oben. Ich begehe den Fehler, mich umzudrehen. Da stehen sie, keine fünf Schritte von uns entfernt, mit grauen, bleichen Augen und sehr hungrig.

„Bist du blöd? Ich schaff das“, maule ich meinen Bruder an, der schnaubend den Kopf schüttelt.

„Oh ja und wie“, pflichtet er mir bei. „Aber nicht mehr heute, Schwesterherz. Du warst auch schon besser in Form. Geh mal trainieren! Das hier ist die verdammte Apokalypse und dir wird gleich der Arsch abgebissen!“

„Halt die Fresse!“ Ups, jetzt habe ich es doch gesagt.

„LECK MICH!“ Ein letzter, kraftvoller Schubs und ich sitze auf dem Zaun.

Ich schwinge das zweite Bein rüber, verliere den Halt und plumpse wie ein nasser Sack auf den Boden. Das war alles andere als elegant und dazu noch schmerzhaft. Alle blicken auf mich herab, aber niemand sagt etwas.

In letzter Sekunde rettet auch Jules sich auf die andere Seite. Faulige Finger greifen durch das Gitter und über das Stöhnen, Fauchen und Gurgeln vergesse ich den Schmerz und laufe mit der Gruppe zu dem Gebäude.

„Danke.“ Ich hole auf und renne neben Jules. „Und Entschuldigung, kleiner Bruder.“ Meine Hand greift nach seiner.

„Lauf lieber, ich trag dich nämlich nicht.“ Er grinst und drückt meine Hand.

Hank ist als erster vor Ort, öffnet das Tor und einer nach dem anderen hechtet hinein. Als alle drin sind, schließen Hank und ich den Eingang und sinken völlig außer Atem zu Boden.

Ich klopfe ihm auf die Schulter. „Gut gemacht, Hanky Boy. Tut mir leid, um deinen Stecher. Er war mir ganz sympathisch“, sage ich hechelnd.

„Scheiß drauf“, antwortet er. „Ich finde einen Besseren.“

Der Geruch von Heu steigt mir in die Nase und als ich mich umblicke, stelle ich fest, dass Hank uns in eine Scheune geführt hat. Ein Traktor parkt mitten im Raum und zu allen Seiten erkenne gleichförmige Boxen. Eine Leiter führt auf den Heuboden.

Der Gedanke, hier eine ruhige Nacht zu verbringen, würde mir gefallen, wenn da nicht dieses vage Gefühl wäre. Das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmt.

„Was ist los?“, fragt Jules und geht vor mir in die Hocke. Ich lege einen Finger auf den Mund und lausche.

Robs unzufriedenes Grummeln, Olivias zittriges Atmen und die raschelnden Schritte von Bob und Judith sind zu hören, aber nicht das Ächzen und Stöhnen der Untoten. Ein Hoch auf den beschissenen Zaun, bei dem Jules fast sein Leben verloren hätte, weil er mich gerettet hat.

Judith greift nach einer Öllampe, als sich aus der hintersten Ecke ein Schatten erhebt. Ein Klicken durchbricht die Stille und eine Stimme, die nicht zu unserer Gruppe gehört, fragt: „Hey, wer ist da?“

Ich hasse es, wenn mein Bauch recht behält. Immerhin ist auf ihn Verlass.

Bevor wir wissen, wer der Fremde ist und was er will oder nicht will, richtet sich Jules auf, hebt seine Waffe und schießt. Es poltert, der Fremde fällt und die Stille, die sich ausbreitet, drückt beklemmend auf meine Brust. Niemand rührt sich und so stehe ich als erste auf, gehe an Jules vorbei, dessen linker Arm unkontrolliert hin und her schaukelt und bewege mich auf den Schatten zu. Obwohl gerade die letzten Strahlen der Sonne durch die Ritzen der Scheune fallen, sehe ich deutlich die Blutlache, die sich um den Kopf des Mannes ausbreitet. Scheiße, ein sauberer Kopfschuss. In der einen Hand hält er eine Taschenlampe und in der anderen ein Feuerzeug, das vermutlich das klickende Geräusch verursacht hat.

Und noch mal Scheiße, verdammt! Ich nehme beides an mich, kontrolliere seine Taschen, atme tief durch und gehe zu den anderen zurück.

„Er ist tot“, sage ich und schaue zu Jules.

Seine Augen sind weit aufgerissen. Er begreift langsam, was er gerade getan hat. Er hat einen Menschen getötet. Einen unschuldigen Menschen, der keine Waffe bei sich trug. Damit wird er nicht leben können, das weiß ich, denn ich kenne die Leere danach. Ich weiß um die Schuldgefühle, die immer da sein werden, egal, wie viel Zeit vergeht. Er ist ein Mörder. Ich bin eine Mörderin. Und es liegt jetzt bei mir, wie sich Jules in Zukunft fühlen wird.

„Ich hab die Waffe genommen“, sage ich und klopfe auf mein Shirt, unter dem die Taschenlampe steckt. „Außerdem habe ich das hier gefunden.“

Ich reiche Judith das Feuerzeug und sie zündet die Öllampe an. Das fahle Licht erreicht die Leiche und ein Raunen geht durch die Gruppe. Bobby klopft Jules auf die Schulter, aber er reagiert nicht. Er glotzt auf den toten Mann, bis ich seinen zitternden Arm ergreife und an mich drücke. Mit jedem weiteren Atemzug beruhigt er sich, bis nur noch ein leichtes Beben zurückbleibt.

„Du hast das Richtige getan.“ Meine Stimme kratzt.

Ich habe so einen Durst. Während einer Apokalypse zu trinken ist nicht gerade die beste Idee, aber genau das wäre jetzt das Richtige. Mit jedem Schluck käme ich näher ans süße Versprechen des Vergessens. Kacke, da muss ich durch.

Olivia weint und es ist Bob, der die Initiative ergreift: „Wer hilft mir, die Leiche in die Box zu schaffen?“

„Ich“, meldet sich Rob, „aber zuerst will ich die Waffe sehen, die Julie unter ihrem Hemd versteckt.“

Er spricht das Wort aus, als hätte ich etwas zu verbergen – was auch stimmt – und ich frage mich, was er damit bezwecken möchte. Mein Herz pocht und die Wut verknotet meinen Magen.

„Ich verstecke gar nichts, Arschloch!“, antworte ich und pfeife auf meinen eigenen Rat, die nächsten Worte sorgsam auszuwählen. „Halt deine blöde Fresse und schaff den toten Mann weg. Lass. Uns. In. Ruhe.“

Angepisst zeige ich ihm den Stinkefinger.

„Ich will die Waffe sehen“, beharrt Rob und kommt mir verdächtig nahe. „Und wenn ich dich dafür selbst ausziehen muss. Wäre mir ein Vergnügen.“

Er grinst und fasst sich lässig in den Schritt. Ich wünsche mir so sehr eine Waffe, aber auch mit einer Taschenlampe kann man jemandem den Schädel einschlagen, richtig?

„Du hast es noch nicht begriffen, alter Mann.“ Meine Stimme ist ruhig und nur Jules weiß, wie gefährlich die Situation werden kann.

Ein Wort zu viel und ich springe Rob an seinen beschissenen, fetten Hals. Doch dazu kommt es nicht. Hank und Judith treten an meine Seite und ich bin zunächst irritiert, dann erstaunt und am Ende tief berührt, als mir bewusst wird, dass ich dem Monster nicht allein gegenüberstehe. Es ist ein erhebendes Gefühl, zum ersten Mal im Leben wahrhaftige Unterstützung zu erfahren. Die Zeiten der Hilflosigkeit sind vorbei. Endgültig vorbei! Ihre Anwesenheit macht mich stark. Ich werde nicht zurückweichen. Niemals mehr.

„Von mir kriegst du nichts weiter zu sehen, als meine Faust in deiner hässlichen Fresse. Versuch dein Glück, Rob. Komm her und hol dir die Waffe.“

Er betrachtet die Wölbung unter meinem Hemd und für einen Moment hoffe ich, er würde es tatsächlich probieren, aber er grinst nur dümmlich, dreht sich um und packt die Füße der Leiche. Zusammen mit Bob schafft er den Toten in eine der hintersten Boxen und bedeckt den Körper mit Heu. Ich atme tief durch, wische mir die Tränen aus dem Gesicht und wende mich an meine Freunde.

„Danke.“

„Was für ein beschissener Tag“, sagt Judith. „Aber besser wird es wohl erst mal nicht. Kommt, lasst uns ein paar Stunden schlafen. Mein Kopf braucht Ruhe von dem ganzen Mist.“

„Ist das dein Ernst?“, fragt Hank. „Hier unten liegt eine Leiche und ich soll ein Nickerchen halten?“

„Sei nicht so eine Pussy, Hanky Boy.“ Ich streiche mir über die Augen. Ein Schläfchen lasse ich mir mit Sicherheit nicht entgehen. „Dort draußen laufen etliche Leichen herum und du kannst sicher sein, dass die hier nicht wieder aufstehen wird. Jules hat ihr einen sauberen Kopfschuss verpasst.“

Mein Freund grummelt was wie „Sehr beruhigend“ und steigt die Leiter hinauf.

„Guter Plan, ich übernehme mit Bobby Bear die erste Wache.“ Jules ist endlich aus seiner Starre erwacht und zeigt ein schwaches Lächeln.

Judith überreicht ihm die Öllampe und zusammen mit Olivia bewegen wir uns die Leiter hinauf. Als Letzter keucht Rob die Sprossen nach oben und mit seinem bösen Blick weist Hank ihn direkt ans andere Ende des Heubodens.

„Ist das einer von diesen romantischen Plätzen?“, frage ich und gähne herzhaft, umgeben von Heu und meinen Freunden.

„Oh ja“, antwortet Hank nicht weit von mir entfernt.

Sofort entstehen Bilder in meinen Kopf, in denen Hank und Ruby sich nackt durch das Heu wälzen. Bumsköpfe, so hatte ich sie zuletzt genannt. Hach, das waren noch Zeiten.

„Erzähl mir aber nicht, es handelte sich um einen stürmischen Tag und ihr suchtet in dieser Scheune Schutz vor dem Regen, um euch hemmungslos zwischen Heu und Mäusen auf dem Dachboden zu lieben.“

Hank lacht und sagt: „Genauso war es, Julie.“

„Spinner“, antworte ich und nehme Olivia in den Arm. Ihr Atem berührt meine Wange und mir wird ganz warm.

„Wenn nicht sofort Ruhe ist, setze ich euch beide vor die Tür.“ Judith war mal Barfrau im Baker’s Pub und hat schon Männer, die doppelt zu schwer wie sie waren, vor die Tür gesetzt. Da widerspricht man besser nicht.

Das Heu riecht wunderbar und während ich mein Gesicht in Olivias weiches Haar drücke und wir uns gegenseitig halten, schlafe ich zum ersten Mal mit einem guten Gefühl ein.

Julie's Monsters

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