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Neues vom Alten: Burgunder

Rauhes Klima, Sandboden, Regen überreichlich: Weinbaugebiet sieht irgendwie anders aus. Weil ich trotzdem von prächtigen Reben geträumt habe, waren Enttäuschungen lange reihenweise vorprogrammiert: Sorten, die unser Klima angeblich vertragen sollten, taten es mitnichten. So hatte mich die harte Heide-Realität irgendwann gelehrt, dankbar zu sein, falls sich wenigstens ein paar Blätter bis zur Herbstfärbung hielten, und weitergehende Winzer-Träume aufzugeben.

Bis der Alte kam. Genauer gesagt: Er kam nicht, ich entführte ihn. Unter dem wartenden Abrissbagger weg schaffte ich es noch, einige Ranken von einem uralten Weinstock zu bergen, der mich an der Wand eines kleinen, jahrelang leer stehenden Bauernhauses schon lange fasziniert hatte. Dort, längst tief im Schatten und inmitten von Müll und Verfall, war er als lebende Unmöglichkeit nicht nur zu einem sagenhaft üppigen und gesunden, sicher gut hundertjährigen Stock herangewachsen, der zum Schluss das ganze Haus überwucherte, sondern hatte auch noch unermüdlich Unmengen kleiner dunkelblauer Trauben getragen. Kurzum: Unter den denkbar ungünstigsten Umständen verkörperte er die größte Stärke von Vitis vinifera: diese fröhliche, schier unbezähmbare Vitalität.

Die zeigte sich auch an den Stecklingen: Alle trieben prompt aus, und bald war ich stolze Besitzerin von mehreren kräftigen kleinen Reben. Einige zogen um, um das alte Backhaus eines emsländischen Bauernhofes zu besiedeln, die anderen lieferten mir den willkommenen Grund, endlich einiges vom überalterten Vorbesitzer-Gestrüpp aus dem Revier zu verbannen. Bisher hatte ich es aus Pietät nicht angetastet, doch nun brauchte mein Nachwuchs eine Pergola, also: Rotwein statt Riesenberberitzen!

Der erste Frühjahrsaustrieb lehrte mich dann, die Neuzuwächse wirklich zu lieben: Er war von einem wunderschönen, intensiven Burgunderrosa, die Triebspitzen weiß bepudert. Schien die Sonne, funkelte die aparte Farbe regelrecht über dem frisch ergrünten Garten – ein absolut bezaubernder Effekt. Später waren die großen, rauen dunkelgrünen Blätter rund, nur leicht gekerbt und unterseits weißlich-rosa. Über mieseste Regenperioden hinweg blieben sie gesund, und die Stöcke wucherten mit genau diesem Überschwang, der die Weinrebe zum Symbol von Lebensfreude und Fruchtbarkeit gemacht hat.

Da entging mir vor Entzücken zunächst völlig, dass es mit der Fruchtbarkeit nicht weit her war: Mein sorgfältig nach Winzer-Rat gestutzter Wein blühte nicht und trug erst recht keine Früchte. Aus dem Emsland kam indessen schon die Kunde von einem ganzen Backhaus voller üppiger Trauben – Erfolgsgeheimnis: einfach in Ruhe lassen. Ich verzichtete also auf jeden Rückschnitt, und im vierten Standjahr war es so weit: Meine Weinstöcke blühten reichlich, und im Herbst baumelten von der Pergola blauschwarze Trauben gesunder Beeren, viel dicker, als sie es am Ursprungsstandort je gewesen waren. Ein Anblick, von dem ich im eigenen Garten schon längst nicht einmal mehr zu träumen gewagt hätte. Profis würden die Trauben zwar vermutlich als höchstens mittelgroß einschätzen, aber für diese Gegend ist das schon dicht am Paradies. Sie hatten derart dicke Schalen, dass sowohl Wespen als auch Vögel sie in Ruhe ließen, kein Mistwetter und kein Pilz brachten sie zum Platzen, und ihr Aroma wurde noch über den ersten Frost hinaus jeden Tag besser, sodass ich schließlich bis tief in den Herbst hinein frische Trauben ernten konnte.

Sie schmecken nach Burgunder, aber mit wem genau wir es zu tun haben, wissen wir immer noch nicht. Die Beschreibung des Schwarzrieslings, wegen des wie mehlbestäubten Austriebs auch »Müllerrebe« genannt, kommt dem Alten recht nahe, passt aber nicht ganz. Vermutlich ist es einfach eine lokale Bauerngarten-Sorte aus Kaisers Zeiten, die so robust war, dass sie sogar das raue Heide-Leben bereitwillig versüßte, und die mit dem Abriss des alten Hauses endgültig in der Vergessenheit verschwunden wäre. Vor diesem Schicksal vieler lokaler Kulturpflanzen hat ihre Vitalität sie zum Glück einstweilen bewahrt: Im Emsland hat sie – außer dem Backhaus – inzwischen eine komplette Stallwand erobert, Tendenz buchstäblich: steigend, und längst gedeiht sie auch weithin im Freundeskreis.

Selbst hier, auf dem so ärgerlich beschränkten Raum, grüble ich schon wieder, wo noch eine Pflanze mehr hinpassen könnte. Was schwer werden dürfte, denn einen Nachteil hat der wuchskräftige Beinahe-Wildling leider doch: Er hasst Einschränkungen. Muss ich die Reben hart zurückschneiden, nehmen sie das schwer übel, treiben weniger stark aus und tragen im folgenden Jahr kaum. Dürfen sie sich frei entfalten, was bedeutet: bedecken, was immer ihnen vor die Ranken kommt, hängen sie prompt voller Trauben. Also eher ein Bauernhof- als ein Minigarten-Mitbewohner, doch wo ein Wille ist, ist für eine Kletterpflanze ja bekanntlich meist auch ein Weg – nach oben. Mangelnder Wille ist wirklich das Letzte, was man dem Alten nachsagen könnte, und so wird es für ihn hoffentlich auch weiterhin heißen: Fortsetzung folgt!

Mein Garten, mein Paradies

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