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»… während du eifrig andere Pläne machst«: Scharbockskraut

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»Das Leben«, hat John Lennon gewusst, »ist das, was dir passiert, während du eifrig andere Pläne machst.« Die Einsicht, wie recht er damit hatte, wuchs mir letztes Frühjahr buchstäblich zu – und das ausgerechnet, nachdem ein Plan so grandios aufgegangen schien: Ich hatte es tatsächlich geschafft, eine beträchtliche Menge Giersch zu kompostieren. Spurlos und ohne dass er, wie von Nachbarn mit diesem genüsslich katastrophenträchtigen Unterton vorhergesagt, schon beim Versuch den ganzen Garten überrannte.

Das dominante Doldengewächs – eine der wenigen Pflanzen, deren Eroberungszügen militärische Terminologie absolut angemessen ist – hatte im vorhergehenden Frühsommer von seinem Rückzugsgebiet unter den alten Sträuchern aus unerfreulich breitflächige Geländegewinne verzeichnet und war dabei dicht an einige Pflanzen vorgerückt, auf deren Anwesenheit ich deutlich mehr Wert lege. Also grub ich eine stattliche Giersch-Menge aus und hatte ein Problem: Das üppige Laub und die viele anhängende Erde waren viel zu schade zum Wegwerfen, aber schon beim bloßen Gedanken, alle – alle! – weißen Würzelchen penibel auslesen zu müssen, spürte ich ein unterschwelliges nervöses Kribbeln. Dann lieber komplett kompostieren – unter verschärften Sicherheitsbedingungen, versteht sich.

Aus einem Schnellkomposter konstruierte ich so etwas wie einen Spezialknast für besonders gefährliche Pflanzen: Standort auf offenem Boden, damit ich jeden Ausbruch im Keim ersticken konnte, dickes Sackleinen zuunterst, darauf Strauchwerk, dann halbreifer Kompost. Dann erst kam der Giersch, mit reichlich Pferdemist unterfüttert, durchmischt und zugedeckt, damit er schleunigst möglichst hoch erhitzt wurde. Es klappte bestens: Der Giersch verging in seiner Hitzepackung so schnell, dass ihm nicht einmal mehr Zeit blieb, letzte Fluchtversuche durch die Ritzen des Komposters zu starten. Alles fiel rasant in sich zusammen, massenhaft Würmer fanden sich ein, und ich konnte auf jeder Gartenrunde mit tiefer Genugtuung den Deckel heben, um mich am rapiden Wandel des grünen Eroberers in besten Dünger zu weiden. So etwas mag Nicht-Gärtnern zwar kindisch klingen – aber Triumphe über Aegopodium podagraria sollte man wirklich mit vollem Herzen auskosten: Sie sind selten genug.

Im Herbst war alles waldduftende Erde, die ich im Hochgefühl einer gemeisterten Herausforderung über den ganzen Garten verteilte. Zurück blieb ein Rest, mit dem ich im Frühjahr die Kübelpflanzen verwöhnen wollte. So der Plan, doch es kam anders: Anfang April war der braune Hügel plötzlich dunkelgrün, flächendeckend von glänzenden herzförmigen Blättchen überzogen. Überall dort, wo ich beim Verteilen gekrümelt hatte, zogen sich ebenfalls saftig grüne Bahnen. Das konnte doch nicht etwa …? Doch. Es war Scharbockskraut – und zwar in Massen. Dass es an einigen Stellen den Giersch durchzog, hatte ich im Sommer, in dem es längst eingezogen hatte, schlicht vergessen, und damit, dass seine Brut- und Wurzelknöllchen so absolut kochfest sind, hätte ich ohnehin niemals gerechnet. So hatte mich hinterrücks das botanische Leben eingeholt: Das Scharbockskraut hatte bestens überstanden, was sogar dem Giersch den Garaus gemacht hatte, und meinen Rundum-Verbreitungsservice unverzüglich genutzt: Überall glänzten bald die typischen dunklen Blätterherzchen.

Es war die totale Niederlage, denn über viele Jahre hinweg hat es mich reichlich Handarbeit gekostet, das vermehrungsfreudige Grünzeug auf den einzigen Platz zu beschränken, auf dem es willkommen ist: auf eine dünn mit Erde bedeckte alte Betonplatte. Hier, wo – außer dem Giersch natürlich – alles andere aufgibt, öffnet es im zeitigen Frühjahr mit jedem Sonnenstrahl seine unzähligen Sternchen in einer intensiv dottergelben Leuchtfarbe, die mir normalerweise viel zu krass wäre. Nach einem langen, düsteren Winter aber ist sie nicht nur für die massenhaft anfliegenden Insekten, sondern auch für die entzugsgeplagte Gärtnerseele so etwas wie Balsam. Leider denkt etwas derart Konkurrenzkräftiges natürlich nicht daran, sich kampflos domestizieren und einschränken zu lassen, und in meiner Anfänger-Naivität hielt ich die gelben Sternchen überall zunächst auch noch für eine nette Bereicherung. Seit ich aber reichlich kraftlos um Hilfe winkende Mitgewächse aus den erstickenden grünen Teppichen befreien musste, weiß ich’s besser und schränke die wuchernde Wildpflanze rigoros ein. Entgegenkommenderweise verrät sie sich ja über eine kurze Zeitspanne durch dieses unübersehbare Gelb, leicht zu ziehen ist sie dann auch, und so kamen wir alles in allem ganz gut miteinander aus.

Bis jetzt: Diesen Frühling werde ich wohl rekordverdächtig jäten müssen, wenn nicht alles flächendeckend unter Scharbockskraut verschwinden soll, denn letztes Jahr dürfte mir während der kurzen Vegetationsperiode ein guter Teil der selbstverursachten Invasion entwischt sein. Immerhin reichlich Gelegenheit, in Ruhe darüber nachzudenken, wie sehr John Lennons weise Erkenntnis auch auf das Gärtner-Leben zutrifft!

Mein Garten, mein Paradies

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