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Einer geht immer: Efeu

Typisch Februar: Sobald die Sonne schon steigt, der Frühling aber noch hoffnungslos weit weg scheint, übersteigt mein gärtnerischer Frustpegel regelmäßig den Intelligenzquotienten. Die Weihnachts-Gartenbücher sind längst gelesen, die Kataloge sowieso, und immer noch zieht sich der Winterrest dermaßen zähe, dass ich in einem Anfall akuten Grünentzugs sogar schon im Schuppen die Werkzeuge geölt habe. Ich will endlich wieder raus, aber was kann ich da bloß machen?

Als die Sonne zum ersten Mal mühsam über die Nachbarsfichten geklettert war und es frühlingshaft warm zu werden schien, fiel mein gartengieriges Auge auf ein paar alte Blätter hinter dem Birnbaum. Normalerweise hätte ich die nicht mal registriert und gern den Regenwürmern überlassen. Aber es war eben nicht normal, es war Februar. Ich war fast ein Vierteljahr lang nur noch in dickem Regenzeug durchs Revier gehuscht, hatte höchstens mal Schneematsch räumen dürfen und die Nase voll vom Winter. Also schnappte ich mir die Fächerharke und stürzte mich mit vollem Frühlings-Elan auf die Blätter – nur um dann festzustellen, dass sie allesamt am Boden angefroren waren.

Während dieses slapstickverdächtigen Leerlauf-Harkens zupfte mich jemand unablässig an Haar und Jackenkragen: Der Efeu am Birnbaum reckte schon wieder kecke Ranken in die Luft. Hedera helix ist so ziemlich der Einzige hier, dem nicht nur die Jahreszeiten beneidenswert egal zu sein scheinen, sondern der sich im immer tieferen Fichtendunkel auch uneingeschränkt wohlfühlt. Einst haben ihn die Vögel mitgebracht, und seine Anfänge waren zart und täuschend niedlich: apart geschnittene und gemusterte Blättchen, die sich bescheiden in den Schatten duckten. Allerdings nicht lange. Inzwischen gilt: Wo ich dem Efeu keinen Platzverweis erteile, gehört alles ihm.

»Es gibt kaum ein treueres Grün«, begeistert sich ein Gartenbuch aus Kaisers Zeiten, »eine idealere Blattform, eine herrlichere Liane als den Efeu.« »Treu« ist hier allerdings ein absolutes Understatement. Was der Efeu hat, das hat er. Seine Festklammer-Fähigkeit grenzt an Magie, und wie schwer es ist, die vitale Liane auch nur einigermaßen im Zaum zu halten, brauche ich niemandem zu erklären, der mit Hedera helix ein kleineres Revier teilen muss als eine zünftige Burgruine.

Neuaustriebe, denen man zum zigsten Mal die Einbruchsversuche durch jede Fensterritze verwehren will, knicken dabei ständig ganz kurz ab, bis die Fingernägel brechen, und bei alten Ranken gibt im Zweifelsfall zuerst der Putz nach. Anschließend folgt der Magie zweiter Teil: Hat man endlich freigelegt, was der Efeu nicht haben soll, braucht man ihm nur den Rücken zu drehen, und er ist sofort wieder da.

Was im Sommer eher entnervend wird, kommt für Februar mehr als recht: Wenn im Garten sonst nichts geht, Efeubändigen geht eigentlich immer: Die erlaubte Hauswandhöhe war schon längst wieder deutlich überschritten, von den nächsten Einsteigversuchen gar nicht zu reden. So zerrte, kratzte und riss ich alles, was sich schon wieder zwischen Mauerwerk und Fenster zu mogeln versuchte, in Ministücken von der Hauswand. Während ich die gemauerten Fensterbretter freilegte, ließ der reichlich mitkommende Fünfzigerjahre-Mörtel die Ruinen-Vorliebe von Hedera helix in einem ziemlich düsteren Licht erscheinen: Offenbar lässt er auch hier nichts unversucht, um sich ein artgerechtes Biotop zu erschaffen.

Nach diesem Aufwärmen kamen Apfel- und Birnbaum an die Reihe, die mit ihren knapp mannshohen grünen Pullovern gewöhnlich sehr adrett aussehen, ganz zu schweigen davon, dass ihr Efeupelz ein beliebtes Weinbergschnecken- und Zaunkönigdomizil ist. Im Moment war da allerdings nichts mehr mit adrett: Die beiden erinnerten eher an indignierte alte Damen, die erschrocken aus einem heftig ausfransenden Spitzenkragen spähten, so energisch strebte der Efeu schon wieder kronenwärts. Der Uralt-Apfelbaum hatte deutlich unter seiner malerischen Umklammerung gelitten, denn beim Efeu-Abreißen kam nicht nur die Rinde in ganzen Stücken mit, vielmehr sah das Freigelegte auch noch unerfreulich modrig aus. So verordnete ich Malus kurzerhand eine Efeupause zum Erholen, sprich: Ich legte den Stamm und seine Umgebung so weit frei, dass der Wucherer einige Zeit für den Rückweg brauchen würde. Dass dabei für mich endlich auch richtige Gartenarbeit raussprang, war der Vorteil am Rande: Das Ziehen der langen Triebe war anstrengend und daher wunderbar befriedigend, und die Belohnung folgte buchstäblich auf dem Fuße: auf dem des Apfelbaums nämlich. Überall rundum kamen jetzt die ersten zaghaften Spitzen der Krokusse zum Vorschein, die ich unter mehreren Schichten Efeu längst vergessen hatte. Während ich wie ein wandernder, tentakelgeschmückter Riesenbusch einen Schwung Endlosranken nach dem anderen kompostwärts beförderte, genoss ich die allerbeste Saisonauftakt-Laune dabei von Herzen: Zum ersten Mal nach all den dunklen Monaten konnte ich wirklich glauben, dass selbst im fiesen Februar der Frühling eigentlich schon um die Ecke wartet.

Mein Garten, mein Paradies

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