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Das Fest

Die Vorbereitungen liefen auf vollen Touren. Nicht nur die Kinder sprühten vor freudiger Erwartung.

Die Männer brachen schon in den frühen Morgenstunden zur Jagd auf. Raclette, Jeans Jagdhund, sprang voller Begeisterung auf dem Hofplatz umher. Sie gingen alle zu Fuß. Auch Jean gesellte sich zu den Laufenden, da sein großer Hengst viel zu unruhig für die Jagd war.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie völlig entkräftet, aber stolzen Blickes zurückkamen. Ein gewaltiges Wildschwein wurde an Holzstangen von den vier erwachsenen Männern gewuchtet. Die Jüngeren trugen Fasane und Kaninchen herbei.

Erwartungsvoll waren ihnen die Frauen entgegengelaufen. Jetzt war es an ihnen, für die weitere Zubereitung zu sorgen. Das Rupfen und Säubern, die Füllung mit in Bier eingelegtem Brot, vermischt mit frisch gesammelten Kräutern.

Cathline kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Misstrauisch hatte sie dem ganzen Treiben anfangs gegenübergestanden. Die zusätzlichen Arbeiten hielten sie alle bis zum Umfallen gefangen. Irgendwann hatte sie beschlossen, sich von der Spannung mitreißen zu lassen, und nun war auch sie voller Vorfreude auf das Fest.

Cathline und Molette hatten sich ein paar der kleineren Kinder zum Backen der Brotfladen geschnappt. Mit mehlverschmierten Gesichtern arbeiteten sie nun unter heftigem Geplapper der Kinder im wohltuenden Schatten der großen Linde.

„Fang auf, Marie!“ Cathline hatte ihr liebevoll eine große Hand voll Teig zugerollt. Juchzend griff sie mit ihren kleinen Händen danach.

„Und nun musst du fest kneten.“ Cathline legte sich mit ihrer ganzen Körperkraft ins Zeug, um Laib für Laib durchzukneten. Auch die vier anderen Mädchen waren mit Feuereifer dabei. Sie hatten sich vorgenommen, für jedes Kind einen extra kleinen Brotlaib zu formen. Molettes rundliche Formen wippten im Takt zu ihren selbst erfundenen Melodien. Hin und wieder fiel ihr auch ein passender Vers dazu ein, der sie beide herzlich zum Lachen brachte. Cathline trat vor Anstrengung der Schweiß auf die Stirn. Ihr Kopftuch hatte sie sich im Nacken zusammengebunden. Vorwitzige Strähnen, die sich nicht bändigen lassen wollten, schlüpften heraus und kringelten sich durch das Schwitzen. Cathline richtete sich auf, legte sich die Hände ins Kreuz und bog ihren schmerzenden Rücken durch. Mit ihren Ärmeln versuchte sie wiederholt sich den Schweiß abzuwischen.

Molette grinste munter zu ihr herüber.

„Schau dich nur an, siehst nicht besser aus als die Kinder.“ Cathline lachte erleichtert mit. Molette brachte sie mit ihrer fröhlichen Art stets zum Lachen. Wie gut ihr das doch tat!

„Heute fallen wir todmüde ins Bett. Meine Arme sind schwer wie Blei!“ Rasch formten sie zu zweit die letzten Laibe, denn die Kleinen waren nach der anfänglichen Begeisterung längst fortgesprungen.

„Geschafft!“ Molette ließ einen zufriedenen Seufzer hören. Gemeinsam legten sie ein frisches Leinen über die Laibe.

„Die Mittagswärme wird sie schön aufgehen lassen. So, und in dieser Zeit haben wir uns eine Pause verdient!“ Ächzend ließ sie sich auf den Boden sinken. Cathline tat es ihr lachend nach. Auch sie war vollkommen erschöpft und brauchte dringend eine Pause. Doch schon nach wenigen Minuten richtete sie sich wieder auf und stupste Molette mit den Zehenspitzen in die Seite.

„Komm auf, wir haben noch so viel zu tun. Du willst doch wohl nicht, dass ich alles alleine machen muss.“

Nur widerwillig öffnete Molette ihre Augen.

„Du hast ja so recht“, murmelte sie und ließ sich von Cathline in die Höhe ziehen. Molette hängte sich bei Cathline unter.

„Es ist schön, dich hier zu haben!“ Vergnügt grinste sie Cathline auf ihrem Weg zur Küche an.

Der neue Tag brach frühsommerlich schön an.

Nach dem Frühstück waren sie alle schnell aufgesprungen, um die Arbeiten im Stall zu erledigen und die letzten Vorbereitungen zu treffen.

Nicolas rief drei der älteren Jungen zu sich, zu denen auch einer seiner Söhne zählte.

„Kommt mal zu mir her!“ Die drei wechselten fragende Blicke untereinander, keiner wagte es jedoch, der Anweisung des Älteren zu widersprechen. So schlenderten sie betont langsam zu Nicolas hinüber.

„Ihr seid heute dafür verantwortlich, dass zu jeder Zeit genügend Brennholz zur Verfügung steht. Von euch hängt es nun ab, ob alle genügend zu essen bekommen!“, erklärte Nicolas mit wichtiger Stimme und schaute jeden streng an.

„Seid ihr euch der Wichtigkeit eurer Aufgabe bewusst?“, prüfte er, ob er sich auf sie verlassen konnte.

„Wir brauchen vier Bratfeuer. Ihr müsst also genügend trockenes Holz im Wald sammeln, dass die Feuer mehrere Stunden nicht ausgehen. Nehmt den Handwagen und schichtet alles dort auf.“ Gewissenhaft folgten sie der Richtung seines Fingers.

Alle nickten ihm eifrig zu und stoben in den Schuppen, um nach dem Wagen zu suchen. Kurz darauf zogen sie johlend los, indem zwei zogen und sich der Jüngste hinten hineingestellt hatte und mit einem Seil die beiden Freunde anspornte, schneller zu ziehen. Zufrieden schaute ihnen Nicolas hinterher.

Um die Mittagszeit war genug Holz aufgestapelt und das erste große Feuer wurde entfacht. Nicolas und Jean schulterten das aufgespießte Wildschwein und konnten sich, von den kreischenden Kindern umringt, kaum bis zum Feuer hindurcharbeiten. Dort waren kräftige Eisenstangen in die Erde eingerammt und mit einem letzten Kraftakt wuchteten die beiden das schwere Tier darauf. Schweißperlen standen ihnen auf der Stirn.

„So, nun liegt alles Weitere in deinen Händen!“ Nicolas übergab die Regie an Françoise, die bereits mit einem großen Ölkrug in der Hand neben ihm bereitstand.

„Ja, geh nur, du bist uns ja doch nur im Weg“, scheuchte sie ihn mit einer Handbewegung fort. Im nächsten Augenblick schnappte sie sich bereits zwei Jungen, die sich ihr widerstrebend ergaben.

„Jetzt ist es ganz wichtig, dass ihr immer schön gleichmäßig dreht! Ihr werdet die erste Stunde übernehmen.“ Es war eine mühsame Arbeit, bei der Hitze des Feuers zu stehen, bis einem beinahe die Arme abfielen.

„Ihr könnt sofort beginnen. Auf, auf! Aber doch nicht so, Kinder! Ihr müsst in verschiedene Richtungen drehen. Ja, gut so. Und du, ja genau. So ist es richtig.“ Erst als sie zufrieden mit deren Arbeit war, begann sie das Schwein einzuölen. In großen Tropfen zischte das gewürzte Öl in der rot glimmenden Glut auf. Zufrieden bestaunte sie das große Schwein. Solch einen leckeren Braten bekamen sie nur einmal im Jahr. Der verlockende Duft ließ ihr bereits jetzt das Wasser im Mund zusammenlaufen.

„Ihr dreht fleißig weiter. Und wehe, ich ertappe euch dabei, wie ihr eine Pause macht.“ Drohend erhob sie ihren Zeigefinger. Françoise ging weiter, um den anderen Frauen Anweisungen zu geben, die sich um die Fasane und Hasen kümmerten.

Alle Knechte und Mägde beteiligten sich jetzt an den Vorbereitungen ihres Festes. Jeder verfügbare Tisch und jede Bank wurde herangeschleppt. Nicolas und Jean hatten aus den Kellergewölben ein großes Fass Bier heraufgezogen. Nun rollten sie es vorsichtig herbei.

„Ihr seid sehr großzügig, Seigneur. Das Gesinde wird es Euch ehrlich danken.“ Nicolas war sonderbar erstaunt. Das kostspielige Fassbier war sonst nur für die hohen Herrschaften. Weitaus mehr überraschte es ihn jedoch, mit welchem Eifer Jean in diesem Jahr an den Vorbereitungen teilnahm. War es doch ein Gesindefest!

Cathline betrachtete staunend das rege Treiben, während sie mit Françoise über den Hof lief. Beide hatten sie alle Hände voll mit dem gerupften Federvieh.

„Ist das nicht außergewöhnlich?“, raunte sie der älteren Frau zu.

„Von solch einem Fest habe ich noch nie gehört! Die Mägde und Knechte dürfen ein eigenes Fest feiern.“

„Tja, der Herr Vater von unserem jungen Seigneur war mit dem Gesinde eng verbunden! So mancher Fremde hat in ihm nicht den Herrn des Hauses erkannt. Und der junge Herr gleicht ihm in diesem Punkt allzu sehr. Aber der Herrin Constance war dies immer ein Dorn im Auge, wie er sich auf unseren Stand herabließ.

Das Fest wurde deshalb schon immer im frühen Sommer gefeiert, denn dann waren die großen Bälle in der Stadt und die Herrin oft für Monate fort. Für den seligen Seigneur ein Gräuel! Er ließ sie meist allein ziehen, verbrachte seine Zeit lieber hier draußen in der Abgeschiedenheit. Während die Herrin in der Stadt auf edlen Bällen tanzte, kam er zu uns heraus unter den freien Himmel. Er ließ sich nicht davon abhalten mitzutanzen. Vielmehr noch bereitete es ihm die größte Freude, allerlei verschiedene Instrumente zu spielen. Der junge Jean war ebenso gern mit dabei, wenn er mal nicht bei seiner Mutter bleiben musste. Doch seit dem Tod von Monsieur de Prey hat sich der junge Herr nie mehr richtig auf dem Fest gezeigt, hat sich allzu sehr zurückgezogen, der Junge. Schade um ihn!“

Sie waren inzwischen bei den anderen angekommen und ihr Gespräch brach ab. Jetzt galt es das Wild zu grillen.

Als die Sonne den Zenit überschritten hatte, wurde das Brot in großen Körben herangetragen. Krüge und Köstlichkeiten wurden auf den Tischen verteilt, die für alle eine Seltenheit waren: Pilztaschen, Beerenkuchen und gestampfte Butter mit frischen Kräutern.

Es war Jacques, der das Fest als Ältester eröffnete. Alle hatten sich um das große Feuer in der Mitte versammelt, von dem ihnen der köstliche Duft des Wildschweinbratens in die Nase stieg. Cathline kannte sie inzwischen alle bei ihren Namen: da waren Jacques und Francoise, die guten Seelen dieser Herde. Daneben Nicolas, der in seiner großen Erscheinung seiner Aufgabe als Verwalter alle Ehre machte. Ebenso als Vater seiner fünf Kinder. Giselle und Molette genossen die Aufmerksamkeit unter den jungen Knechten. Und dann gab es noch die zwei Familien von Eduard und Arnaud, deren Kinder bereits aus dem Kindesalter heraus waren. Sie alle vervollständigten den Bund des Gesindes.

Plötzlich wurde es still in ihrer Runde. Sie traten beiseite, um den Gang für Jean freizumachen, der sich zwischen Jacques und Nicolas dazugesellte. Jacques faltenüberzogenes Gesicht leuchtete mit einem breiten Grinsen auf.

„Nun, da wir alle vollständig versammelt sind, habe ich die Ehre, unser alljährliches Fest zu eröffnen. Unser seliger Seigneur de Prey hat vor mehr als zehn Jahren erstmals diesen ungewöhnlichen Wunsch an mich herangetragen. Ihm war daran gelegen, dass auch das Gesinde einen Tag der Gemeinschaft feiern soll. ,Warum nur die hohen Herrschaften, die doch nichts gemeinsam haben. Wie viel mehr ihr, die wir voneinander abhängig sind und Tag für Tag ein Leben in Verbundenheit führen.‘

So sagte es Euer Vater damals.“ Sein Blick suchte und fand den Jeans.

„Von diesem Tag an aß er, wann immer es ihm möglich war, zusammen mit uns Knechten und Mägden. Und Ihr, Jean, lebt weiter in dieser Tradition. Im Namen von uns allen danke ich Euch für das Vorrecht, Teil dieser Familie zu sein.“

Cathline schauderte bei den Worten Jacques. In jedem anderen Gut wäre er für solche Worte sofort vom Hof gejagt worden. Vielmehr noch war aber jeder Gutsbesitzer unter seinesgleichen verpönt, wenn er mit dem Gesinde in freundschaftlichem Verhältnis stand.

Cathlines Gedanken wurden unterbrochen, als Françoise Jacques das große Messer reichte und er konzentriert zum ersten Schnitt ansetzte. Ein lautes Johlen begleitete den scharfen Schnitt. Sicher legte er die dicken dampfenden Fleischscheiben auf die hingereichten Holztabletts.

Voll beladen trugen die Mädchen das köstliche Fleisch zu den langen Tischreihen, an denen man sich in der Zwischenzeit dicht zusammendrängte, damit jeder Platz fand. Cathline beeilte sich, beim Aufschneiden der Brotlaibe zu helfen. Einem jeden wurde eine dicke Scheibe gereicht, worauf wiederum das Fleisch gelegt wurde. Wieder oblag es Jacques das Dankgebet zu sprechen, und er tat es aus voller Inbrunst.

„Großer, herrlicher Gott. Wir danken dir für die Fülle an Gaben, die du uns das ganze Jahr hindurch geschenkt hast. Segne du unseren Herrn, der uns ein Leben in Frieden ermöglicht!“ Tränen standen ihm in den Augen. Seine Stimme schwankte. Das Essen hoch emporhebend, gab er einen ehrfürchtigen Anblick ab. Niemand wagte zu sprechen, bis er den ersten Bissen abgerissen hatte. Dann aber prosteten sich alle zu und es begann ein großes Schlemmen. Cathline hatte sich bis zuletzt am Rand der Tafel aufgehalten, bis auch der Letzte mit einer Brotscheibe versorgt war. Sie hatte Jacques im Stehen beobachtet und damit war ihr Blick frei über die Sitzenden geglitten. Dort saßen sie einer neben dem anderen, die ihr zu einer großen Familie geworden waren. Cathline gesellte sich zu Giselle und Molette.

Das gedämpfte Murmeln, währenddem sie alle ihr Essen genossen, verlor sich rasch, als der erste mächtige Appetit gestillt war, und wich fröhlichem Gejohle.

Ein paar der Männer waren unbemerkt aufgestanden und hatten ihre Instrumente herangeholt. Mit Geige, Laute und Flöte versuchten sie rasch eine gemeinsame Melodie zu finden. Bald schon hatten sich die drei aufeinander eingespielt und sie spielten ruhige Weisen. Nun fiel auch eine der Mägde mit ihrer sanften Stimme in das Stück mit ein. Verzaubert lauschten sie ihrem Gesang. Die Welt um sie herum mit allen Mühen und Sorgen war in dieser Zeit vergessen.

Als die drei Musiker eine schwungvolle Melodie anschlugen, standen die Jungen auf.

„Los auf, steht alle auf und tanzt mit!“ Man reichte sich die Hände und nun ging es im fröhlichen Reigen los. Lachend und juchzend tanzten sie um die Tafel, zogen einen weiteren Kreis um die Kochfeuer und kreisten schließlich um das große Feuer. Glückselig reihte sich Cathline in die Reihe der Tanzenden ein. Wie schön doch das Tanzen mit den anderen war! Alle Sorgen waren verschwunden. In diesem Augenblick war nur Musik, Bewegung und Lachen. Wie gut ihr das tat!

Schnell wechselten ihre Tanzpartner ab. Nicolas war an ihrer Seite, dann schon im nächsten Augenblick ein anderer. Frauen und Männer hatten sich in zwei Kreisen aufgestellt. Den inneren Kreis bildeten die Frauen und Mädchen. Ein jeder Mann nahm nun die vor ihm im Kreis stehende Frau, die sich bei ihm unterhakte und sie einer Polka gleich um sich selbst wirbelten, dann zog man weiter zum Nächsten. Schon war Nicolas wieder an Cathlines Seite. Beim Wechsel ließ er Cathline nicht gehen. Sein strahlender Blick hing an ihr und ließ sie nicht los. Und immer schneller und wilder ging es mal links, mal vor und wieder zurück. Laut auflachend versuchte Cathline die fremden Schritte zu finden. Auch wenn es ihr nicht immer gelang mitzuhalten, so spielte das in diesem Moment keine Rolle.

„Oh, Nicolas, verzeih. Ich kenne diese Schritte nicht. Wie oft bin ich dir schon auf die Füße getreten?“, lachte Cathline Nicolas entgegen. Frohen Herzens warf sie sich in den Arm, der sich ihr bot.

„Ich fürchte, ich bin ebenso ungeschickt.“ Womit er durchaus recht haben könnte, denn Cathline war bereits der Verdacht gekommen, dass nicht immer sie die falsch Tanzende war.

Inmitten dieses fröhlichen Reigens wurde sie allmählich gewahr, dass sie beobachtet wurde. Geblendet vom Schein des Feuers erkannte sie zunächst nicht die Gestalt, die dort auf der anderen Seite des Feuers gebannt an ihr hing. Mehr spürte sie seinen Blick, als dass sie ihn sah. Nicolas und sie tanzten weiter um das Feuer. Doch ihre Aufmerksamkeit war geteilt. Was hatte er eben gesagt?

„Cathline, willst du eine Pause machen?“ Unmerklich zuckte sie zusammen und kam völlig aus dem Takt. Auch Nicolas hatte innegehalten.

„Ist dir schwindlig, möchtest du etwas trinken?“, fragte er besorgt und umfing sie, fester als es eigentlich notwendig war.

„Nein, nein, lass uns noch ein wenig weitertanzen“, bemerkte sie in Gedanken versunken. Denn dort stand Jean, scheinbar in ein Gespräch mit Jaques vertieft, der sie unablässig beobachtete. Nur kurz konnte sie seine gelösten Züge erkennen. Dann war er aus ihrem Blickfeld verschwunden. Nun, da sie sich von ihm beobachtet wusste, fiel es ihr schwer, sich dem Tanz mit Nicolas hinzugeben. Eins ums andere Mal trafen sich ihre Blicke durch das Feuer hindurch.

Erschöpft hielten die Musiker inne, während die Tanzenden begeistert Beifall klatschten, auch ihnen war eine Erfrischung nicht ungelegen. Cathline senkte ihren Kopf und wandte sich ab. Sie konnte sich ihren plötzlichen Stimmungsumschwung nicht erklären. Warum fühlte sie sich denn nun derart traurig? Hatte sie nicht gerade noch im Hoch eines nie gekannten Glücksgefühls mit den anderen im Kreis getanzt? Nicolas war ihre plötzliche Verlegenheit nicht entgangen. Schnell ging er ihr einen Schritt nach und legte ihr wie selbstverständlich seinen Arm um. Sachte drehte er sie zu sich herum.

„Bist du wirklich in Ordnung?“, fragte er mit aufrichtig besorgter Miene.

Dankbar nahm sie seine ehrliche Frage wahr. Ganz warm wurde es in ihrem Inneren, und tatsächlich war ihr damit wieder viel wohler und so konnte sie ihm wahrheitsgemäß erwidern: „Ja, danke Nicolas. Du hast wunderbar getanzt! Aber“ – kurz hielt sie inne und konnte ihm nicht offen ins Gesicht schauen – „ich möchte kurz allein sein.“ Fragend spürte sie seinen Blick auf ihr.

„Soll ich dich nicht doch ein Stück begleiten?“ Sehnsucht lag in seiner Stimme. Cathline schüttelte energisch ihren Kopf. „Nein!“ Sie löste sich aus seiner Umarmung, drehte sich ab und verschwand in der angebrochenen Dämmerung. Wohl wissend, dass er nun verletzt sein würde.

Noch unschlüssig, wohin sie sich zurückziehen könnte, ließ sie ihren Blick langsam über alle schweifen. Dort bei der großen, alten Linde spielten die Kleinen. Sie liefen auf ihren wackeligen Beinchen um die Wette, ein jeder wollte den kleinen ledernen Ball für sich haben. In dem Getümmel aus Ärmchen und Beinchen entdeckte sie Marie. Wie klein und verletzlich sie aussah, und da, schon stolperte sie und lag lang gestreckt im Staub. Zuerst blieb sie reglos liegen. Cathlines Herzschlag erhöhte sich abrupt und eilig lief sie auf ihr gestürztes Kind zu. So wie sie Marie kannte, würden ihr lautlos Tränen über die Wangen laufen, von allen unbemerkt. Selten schrie sie laut. Eilig strebte sie auf ihre Kleine zu, um sie in die Arme zu nehmen und zu trösten. Doch noch bevor sie Marie erreichte, hatte ein anderer ihren stillen Kummer gesehen und sie sachte emporgehoben.

Liebevoll wurden ihr die Tränen abgewischt, und da stahl sich doch tatsächlich wieder ein zaghaftes Lächeln über ihr schmutziges Gesichtchen. Als sie erkannte, wer Marie dort auf dem Arm hatte, hielt sie mitten in ihrem Schritt inne. Kurz blieb sie ratlos stehen. Sollte sie einfach unbemerkt zurück? Doch da hatte Marie sie entdeckt: „Maman, Maman!“, rief sie auf und begann zu zappeln. Er ließ sie sogleich auf den Boden gleiten, und noch bevor sich Marie in ihre Arme gestürzt hatte, hatte er sich nach ihr umgedreht.

„Bist du wieder in Ordnung, Schatz?“, und damit nahm sie sie hoch.

„Hmm“, nickte sie, und schon strampelte sie wieder und wollte heruntergelassen werden. So schnell sprang sie zu den anderen Kindern, als wäre nichts gewesen und ließ Jean und Cathline verdattert und verlegen zurück.

Beide hörten sie die näher kommenden Schritte. Jean nickte ihr knapp zu und schon ging er Richtung Haus davon.

„Was war das denn?“, flüsterte sie vor sich hin. Die Verwirrung schien aber auch gar kein Ende nehmen zu wollen. Je mehr sie über das gerade Vorgefallene nachdachte, umso mehr spürte sie die Hitze, die ihr in den Kopf gestiegen war. Unbeweglich stand sie auf die Kinder starrend da. Jetzt nur mit niemandem reden müssen, hoffte sie inständig, als die Schritte noch immer zu hören waren. Doch das Knistern auf dem steinigen Untergrund entfernte sich wieder. Langsam löste sie sich aus ihrer Starre. Unmerklich hatte sie den Atem angehalten und ein Keuchen entfuhr ihr.

Marie schien den Trubel noch immer zu genießen.

„Hey, Marie.“ Im Vorbeispringen schnappte sie nach dem kleinen Wirrkopf.

„Marie, bist du nicht müde?“ Ein heftiges Kopfschütteln, und mit all ihrer Kraft versuchte sie sich gleich wieder loszureißen.

„Na, gut, dann spring halt noch ein Weilchen“, sagte sie mehr zu sich selbst, denn schon stand sie wieder allein da.

Unschlüssig, was sie nun tun sollte, drehte sie sich wieder zu der Festgruppe. Im fackelnden Schein des Feuers schienen alle eins zu sein, kaum unterscheidbar. Tief holte sie Luft, dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und ging zurück. Diesen schönen Abend wollte sie sich nicht nehmen lassen, von keinem ihrer wilden Gedanken, noch sonst jemandem.

Giselle sah sie kommen und hakte sie gleich unter.

„Versuch mal das Bier!“ und drückte ihr dabei einen schweren Krug in die Hand. Der herbe Geschmack rann durch ihre Kehle und sie fiel in das vertraute Lied mit ein, das gerade gesungen wurde.

Eine eigenartige Ruhe ließ auch die beiden innehalten.

„Ist irgendwas?“, fragte Cathline, an Babette gewandt.

„Keine Ahnung! Ich weiß auch nicht, warum alle aufgehört haben zu spielen.“ Suchend versuchten sie den Grund der Störung herauszufinden.

Ein Stoß in die Seite ließ Cathline aufhorchen.

„Autsch, was denn?“

„Da, schau!“ Giselle wies mit dem Kopf Richtung der Musiker. Cathline folgte ihrem Blick, aber sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.

„Das gab es schon seit dem Tod des Seigneurs nicht mehr!“, murmelte Giselle ehrfürchtig.

„Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst. Sag doch endlich, was los ist“, warf ihr Cathline ungeduldig entgegen.

„Ja siehst du denn nicht? Der junge Seigneur hat diese große Flöte des Alten herausgeholt. Hat schon als Junge gut gespielt. Du musst wissen, er und sein alter Herr waren früher immer voll mit dabei! Hatten ne Menge Spaß bei uns einfachen Leuten.“

Cathline war sprachlos.

Verlegen schauten sich die Musiker an. Sie hatten Jean Platz gemacht. Auch ihm war eine gewisse Unsicherheit anzumerken. Vorsichtig blies er hinein, ließ seine Finger über die Löcher gleiten, als suchten sie nach längst vergangenen Tönen. Dann stimmte er eine alte Melodie an, sanft, irgendwie traurig. Doch da wurde sie mutiger, voller. Nun setzten auch die anderen nacheinander ein, hatten sich gefunden und ergaben eine herrliche Sinfonie, die sie alle verzauberte.

„Oh, wie schön!“, hauchte Cathline. „Ich wusste gar nicht, dass er spielen kann.“

Giselle schielte süffisant lächelnd von der Seite nach ihr. Ihr Blick verriet Heiterkeit.

Cathline lauschte gebannt der Musik und vergaß alles um sie her. Diese Töne führten sie in den Traum eines Lebens voller Freude, von dem sie geglaubt hatte, er habe aufgehört zu existieren.

Jean ließ sich in der entstehenden Musik mittragen in einen Rausch, der seine Gefühle beinahe zur Explosion brachte. Cathline beim Tanz mit Nicolas zu sehen, machte ihn eifersüchtig. Er wollte es sein, der nach ihrer Hand griff und sie in den Reigen führte. Wie sehr wünschte er sich, er hätte sich Mut gefasst und wäre auf die andere Seite des Feuers gegangen. Zu ihr. Während die Töne um ihn in sein Herz drangen, sah er, während er spielte, Cathlines Lächeln vor sich, das ihn über alles verzauberte. Wie gerne würde er ihr sagen: „Du wunderschöne Cathline. Ich wundere mich, ob du ein Engel bist. So wie du strahlst und in mir ungeahnte Gefühle der Sehnsucht entfachst.“

Seit Wochen ertappte er sich bei dabei, wie er seiner Fantasie freien Lauf ließ. Er sehnte sich danach, Seite an Seite mit ihr zu arbeiten. Er spürte die freudige Erregung, die ihm neuen Antrieb gab. Das Lied endete und brachte ihn in die Wirklichkeit zurück.

Das Bekenntnis

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