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Kapitel IV

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Evelyn

Schnell ging ich nach draußen, wo die Rettungswagen hielten, um einen der Verletzten entgegenzunehmen und zu helfen. Neben mir standen etliche andere Ärzte, die sich alle bereithielten und sich auf das Schlimmste gefasst machten.

>> Dr. Chamberlain für Sie kommt die wahrscheinliche Unfallverursacherin herein. Sie hatte wohl einen Herzinfarkt während der Fahrt und hatte dann keine Kontrolle mehr über ihr Fahrzeug.<<

>> In Ordnung.<< antwortete ich dem Oberarzt, als auch schon die ersten Rettungswagen eintrafen.

Einer nach dem anderen wurde reingeschoben, als ich plötzlich auf zwei Paar Schuhe blickte, die ich kannte.

>> Moment mal bitte.<< stoppte ich den Arzt und sah in Blakes blutiges Gesicht, als hinter ihm auch schon Elliott zu uns geschoben wurde.

>> Scheiße.<< fluchte ich, während mein Herz sich schmerzhaft zusammenzog und ich ihn schockiert ansah.

>> Kennen Sie ihn Dr. Chamberlain?<<

>> Ja, das ist Blake Humphrey und hinter ihm ist sein Bruder Elliott Humphrey.<<

>> Sollte ich etwas über die beiden wissen? Allergien, Unverträglichkeiten, Krankheiten?<<

>> So gut kenne ich sie nicht.<<

Der Oberarzt nickte und schob Blake in die Notaufnahme, während ich mir Sorgen um ihn machte, weiterhin dumm herum stand und auf meinen Patienten wartete. Als ich schon hineingehen und nach Blake sehen wollte, kam endlich der Rettungswagen, der für mich bestimmt war und öffnete seine Türen.

>> Was haben wir?<<

>> Eine Frau, 34, schwanger in der 29. Woche. Klagte über starke Schmerzen in der Brust, die bis in den Arm strahlten.<<

>> Wurde schon ein EKG gemacht?<<

>> Ja, war aber nicht eindeutig.<<

>> Ok, ich übernehme.<<

Ich nahm ihr das Klemmbrett aus der Hand, während sie mir alles über die Patientin berichtete und schob meine Patientin zu einem freien Platz, wo ich sie ungestört untersuchen konnte.

>> Ich brauche sofort ein Ultraschallgerät.<<

Während ich darauf wartete, sah ich noch schnell nach, ob Allergien, Vorerkrankungen, oder Unverträglichkeiten bestanden, als die Schwester mir endlich das Gerät in die Hand drückte.

>> Piepen Sie bitte schon mal jemanden aus der Perinatalmedizin an.<<

Ich legte den Kopf des Ultraschallgeräts auf ihre Brust und suchte das Herz ab, das zwar weiterhin schlug, allerdings nicht richtig arbeitete.

>> Evelyn! Wo ist Evelyn? Ich lass mich nur von Dr. Chamberlain behandeln!<< schrie Blake weiter hinten, da er wohl gerade wach geworden war.

>> Beruhigen Sie sich!<< befahl ihm der Oberarzt und drückte ihn wieder herunter, als ich kurz zu ihm sah und ihn betrachtete.

>> Dr. Chamberlain muss sich gerade um einen anderen Patienten kümmern. Haben Sie Allergien oder Unverträglichkeiten Mr Humphrey?<<

>> Ich... Nein... Evelyn!<< schrie er schließlich wieder, woraufhin er sediert wurde und es ruhiger wurde. Ich atmete tief durch, versuchte ihn in eine stille Ecke zu verbannen und konzentrierte mich schließlich wieder auf meinen Ultraschall, da davon zwei Menschenleben abhingen.

>> Wir brauchen sofort einen OP. Die Patientin hat einen Thrombus in einem Gefäß des Herzens und fordern Sie auch sofort Hebammen an, falls wir das Baby holen müssen. Dr. Harper, Sie assistieren mir, also machen Sie sich bereit.<<

Ich rannte mit den Schwestern zum OP, wo ich mich sofort mit Dr. Harper fertig machte und mit der OP begann. Neben mir standen Hebammen und ein Geburtshelfer für den Notfall bereit, falls wir das Kind holen mussten. Doch bisher war das Kind noch gut versorgt, weswegen sie still stehen blieben und einfach nur warteten.

Es dauerte eine Weile bis ich an den Thrombus herankam und ihn erfolgreich entfernt hatte, als sie plötzlich einen Herzstillstand erlitt und ich sie versuchte wiederzubeleben. Hinter mir wurden die Ärzte nach einigen Sekunden unruhig, bis ich schließlich den Grund für den Herzinfarkt fand.

>> Scheiße, da ist noch ein Thrombus. Schnell Klemme.<<

>> Dr. Chamberlain, wir holen jetzt das Kind.<< hörte ich irgendwann neben mir, während ich weiterhin aufs Herz blickte.

>> Können Sie nicht noch kurz warten? Ich habe die Ursache gefunden, dauert nur einen kleinen Moment.<<

>> Nein, tut mir Leid. Wir haben schon sehr lange gewartet, aber die Werte werden immer schlechter. Es muss sein.<<

Ich achtete nicht darauf, was neben mir passierte, während ich den zweiten Thrombus entfernte und das Blut schließlich wieder floss.

>> Los schlag endlich.<<

Ich half dem Herzen ein wenig nach, bis es endlich wieder anfing zu pumpen und neben mir ein leichtes Wimmern zu hören war.

>> Wie geht es dem Baby?<<

>> Sie sieht gut aus und scheint stark zu sein. Wir bringen sie gleich auf die Intensivstation für Neugeborene und halten Sie auf dem Laufenden.<<

>> In Ordnung. Danke.<<

>> Dann machen wir sie jetzt wieder zu. Dr. Harper möchten Sie das übernehmen?<< fragte ich sie, da sie im zweiten Jahr war und es somit eine gute Übung für sie war.

>> Gerne.<< antwortete sie und begann damit die Patientin zu verschließen, während ich sie beobachtete und ihr Tipps gab, die sie umzusetzen versuchte. Es dauerte ein wenig länger, doch das war in Ordnung, da sie es noch lernte und es sehr gewissenhaft gemacht hatte.

Als ich sie ein wenig später auf die Intensivstation verlegte und mit dem Gynäkologen die Heparindosis abgesprochen hatte, damit ihr Blut nicht weiter verklumpte, sah ich Mr Humphrey in seinem Zimmer liegen und dachte direkt an Blake und Elliott.

Sofort rannte ich wieder in die Notaufnahme, die inzwischen schon von unzähligen Angehörigen belagert wurde.

>> Haben wir hier schon jemanden, der eine schwangere, 34 jährige Frau sucht?<< fragte ich die Schwester und sah auf den Berg von Akten und Papier.

>> Wir konnten noch nichts sortieren. Wir mussten erst mal die Patienten versorgen.<<

>> Ist gut.<<

Ich drehte mich um, stieg auf einen Stuhl und verschaffte mir Gehör. Als es leiser wurde, fing ich schließlich an zu sprechen.

>> Ist hier jemand unter Ihnen, der eine 34 jährige, schwangere Frau sucht, die in der 29. Woche war? Braune schulterlange Haare, grüne Augen?<<

>> Ja ich. Meine Frau ist das.<<

Ich nickte und stieg wieder herunter, als ich mit ihm in eine ruhigere Ecke ging und ihm alles von der Operation erzählte, ebenso wie von der Geburt seiner Tochter. Zum Schluss erklärte ich ihm noch, wo er sie finden konnte, als Mrs Humphrey zu mir kam.

>> Wissen Sie, was mit Blake und Elliott ist?<<

>> Ich weiß es nicht Mrs Humphrey, ich habe sie nur kurz gesehen und musste dann selbst in den OP, aber ich schaue gleich mal nach.<<

>> Danke.<<

Ich drehte mich schnell um und ging zu den Patienten, wo immer noch eine Menge zu tun war. Allerdings waren die meisten relativ gut versorgt, weswegen ich den Oberarzt suchte.

>> Wie geht es ihrer Patientin Dr. Chamberlain?<< fragte er mich, als er mich sah und grade eine Wunde versorgte.

>> Ich konnte beide Thromben aus dem Herzen entfernen, allerdings musste ihre Tochter während der Operation geholt werden, die auch gut versorgt wurde. Den Vater habe ich schon zu ihnen geschickt.<<

>> Sehr gut. Ihr Bekannter wird gerade operiert.<<

>> Welcher?<< hakte ich nach, da sowohl Blake, als auch Elliott eingeliefert worden waren.

>> Der, der nach ihnen gerufen hat.<<

>> Was hat er für Verletzungen?<<

>> Zwei geprellte Rippen, eine Milzruptur, eine Platzwunde und ein leichtes Schleudertrauma.<<

>> Und sein Bruder?<<

>> Den habe ich nicht behandelt, aber er müsste noch weiter hinten liegen. Im Moment sind alle versorgt, also gehen Sie ruhig gucken und schauen Sie, wo Sie helfen können.<<

>> In Ordnung.<<

Ich suchte die Betten nach Elliott ab und fand ihn schließlich hinter einem abgetrennten Vorhang.

>> Hi.<< begrüßte ich ihn und sah die Schwester neben ihm an.

>> Muss Mr Humphrey noch behandelt werden?<<

>> Er wartet noch auf einen Gips für sein Bein und die Platzwunde am Kopf müsste noch genäht werden.<<

>> Ich übernehme das.<<

Sie nickte und schob mir das Material hin, während ich neben ihm Platz nahm und mir die Platzwunde ansah.

>> Wurde es schon betäubt?<<

>> Ja.<<

>> Gut, dann wollen wir mal.<<

>> Weißt du, wie es Blake geht?<< fragte er mich sofort und hielt still, während ich den ersten Stich setzte.

>> Ich habe nur kurz mit dem Oberarzt sprechen können. Er wird wohl grade operiert. Er hat zwei geprellte Rippen, eine Platzwunde wie du, eine Milzruptur und ein leichtes Schleudertrauma.<<

>> Ist das schlimm?<<

>> Ich weiß nicht welchen Schweregrad die Milzruptur hat, aber die schaffen das schon.<<

Ich drehte seinen Kopf noch ein wenig, damit ich einen besseren Winkel für den nächsten Stich hatte, als er weiterredete.

>> Es tut mir Leid, dass ich damals so etwas Dummes zu dir gesagt habe.<<

>> Kein Problem Elliott.<<

>> Ich hatte einfach Angst, dass meinem Vater etwas zustoßen könnte, aber da wusste ich ja auch noch nicht, was für ein mieser Kerl er eigentlich ist.<<

Ich sagte nichts dazu und verknotete lieber den letzten Faden, woraufhin ich mich seinem Bein widmete und vom Thema ablenkte.

>> Deine Mutter wartet draußen und hat schon nach dir gefragt. Ich werde sie gleich zu dir schicken, wenn ich dein Bein eingegipst habe.<<

Er nickte nur und beobachtete mich dabei, wie ich sein Bein vorbereitete.

>> Er liebt dich über alles Evelyn und würde alles dafür geben, um das ungeschehen zu machen.<<

>> Ich weiß, aber das kann er nicht.<<

>> Du lässt es ihn ja noch nicht einmal erklären.<<

>> Elliott... ich denke, dass ist eine Sache zwischen Blake und mir.<<

>> Aber ich sehe mir nicht länger an, wie er sich kaputt macht.<<

Ich seufzte und holte die Gipsverbände aus einer hinteren Schublade, als Laura zu uns kam und mich mitfühlend ansah.

>> Eve, lass mich das machen. Geh nach oben. Blake wird gleich aus dem OP gebracht.<<

>> Ich weiß, aber ich habe grade einen Patienten.<< wies ich sie ab und arbeitete weiter ohne sie zu beachten.

>> Und um den kümmere ich mich jetzt. Eve geh zu Blake!<<

>> Wir sind kein Paar mehr Laura. Sag seiner Mutter Bescheid, dann kann sie zu ihm gehen.<<

Wütend packte sie mich am Arm und zog mich den Gang entlang, weg von den Patienten, bis wir uns in einen Abstellraum verkrochen und sie mich wütend anfunkelte.

>> Hör endlich auf mit dem Mist.<<

>> Laura!<<

>> Wie stolz kann man eigentlich sein? Du liebst ihn doch.<<

>> Ich habe ihn geliebt, aber...<<

>> Nein Eve, ich kenne dich und ich weiß, dass du ihn immer noch liebst. Er hat ziemlich viel scheiße gebaut, ja. Aber was hast du mir immer wieder gesagt, wenn ich Probleme mit Typen hatte?<<

Ich sah sie verwirrt an, bis sie sich schließlich selbst die Antwort gab.

>> Dass jeder eine zweite Chance verdient hätte. Er war immer für dich da, hat immer Verständnis und Geduld für dich gehabt und dann macht er einen Fehler und du wirfst die komplette Beziehung weg? Wenn du ihm nicht wenigstens zuhörst und jetzt für ihn da bist, wenn er aufwacht, dann war es das mit unserer Freundschaft.<<

>> Laura was...<<

>> Das meine ich ernst Eve und jetzt geh in den zweiten Stock, ich mache den Gips.<<

Sie knallte die Tür hinter sich zu, während ich kurz allein in diesem miefigen Raum stehen blieb und überlegte, was ich machen sollte, bis ich es nicht mehr aushielt und nach oben ging. Im Wartebereich traf ich auf Mrs Humphrey, die sofort zu mir kam.

>> Haben Sie etwas von Elliott gehört?<<

>> Elliott geht es gut. Er hat nur eine Platzwunde am Kopf und ein gebrochenes Bein, was aber unkompliziert ist und nur eines Gipses bedarf.<<

>> Gott sei Dank. Die Ärzte waren grade da. Blake hat auch alles gut überstanden und wird grade auf sein Zimmer gebracht.<<

Ich nickte und entschuldigte mich kurz, als ich zu den Schwestern ging und nach dem Zimmer fragte. Hinter einer Glaswand sah ich ihn schließlich und sprach seinen behandelnden Arzt an, der grade mit einer Assistenzärztin redete.

>> Guten Morgen Dr. Philips.<<

>> Ah, guten Morgen Dr. Chamberlain. Was führt Sie denn hier her?<<

>> Ihr Patient Blake Humphrey. Wie geht es ihm?<<

>> Ich gebe nur seiner Familie Auskunft. Tut mir Leid Dr. Chamberlain, aber das ist nicht ihr Fachgebiet und nicht ihr Patient.<<

>> Aber sie gehört zur Familie.<< funkte Mrs Humphrey dazwischen, die inzwischen neben mir stand und ihn freundlich ansah.

>> Wenn das so ist Mrs Humphrey. Ihm geht’s gut. Er hatte eine Milzruptur dritten Grades, die nun aber wieder behoben und gut verlaufen ist, also hatte er auch nur eine leichte Narkose. Seine Rippen sind leicht geprellt, sodass sie noch einige Tage schmerzen werden und er hat eine kleine Platzwunde am Kopf, ebenso wie ein leichtes Schleudertrauma.<<

Ich nickte und sah zu Blake, der noch schlief, als seine Mutter sich auf einen freien Stuhl setzte.

>> Vielen Dank Dr. Philips.<<

Er verschwand mit der Assistenzärztin wieder aus dem Zimmer, sodass ich nun mit Blakes Mutter allein dort war.

>> Ich möchte das gar nicht schön reden, was er Ihnen angetan hat, er war wirklich schrecklich, widerlich und gemein zu Ihnen und trotzdem haben Sie sich noch die Nacht um ihn gekümmert, was ich Ihnen hoch anrechne, aber wenn ich ihn so da liegen sehe...<< sprach sie eher zu sich selbst, weswegen ich mir einen Ruck gab und mich zu ihr setzte. Sie konnte immerhin nichts dafür, was zwischen Blake und mir passiert war, außerdem mochte ich sie und anscheinend brauchte sie grade jemanden zum Reden.

>> Er wird wieder gesund Mrs Humphrey.<<

>> Ich weiß.<< seufzte sie, ergriff meine Hand und sah mich nun direkt an.

>> Ich habe gehört, Sie haben heute meinen Mann operiert?<<

>> Richtig.<<

Sie nickte nachdenklich, während ihr Blick weiterhin auf Blake ruhte.

>> Nach unserem Gespräch damals im Aufzug wusste ich, dass er zu seiner alten Affäre fahren wollte. Ich wusste von ihr, da ich die beiden vor Jahren mal zusammen erwischt hatte. Ich stellte ihn damals vor die Entscheidung. Entweder sie, oder ich. Mit mir war er seit Jahren verheiratet, wir hatten vier Kinder zusammen und er konnte sich einen Skandal in der Presse nicht leisten, also entschied er sich für mich, anstatt für seine Affäre, die schwanger war von ihm. Ich dachte, dass er sich danach wirklich verändert hätte, aber das hat er wohl nicht. Blake ist später am Tag ins Büro meines Mannes gegangen und hat danach gesucht, wo wir ihn finden könnten, damit wir ihn wieder in die Reha schicken konnten, als er...<<

>> Von den vielen Affären erfuhr?<< fragte ich sie, woraufhin sie mich entgeistert ansah.

>> Sie wussten davon?<<

>> Nicht ganz, ihr Mann und Blake haben heut morgen nur so etwas angedeutet.<< erklärte ich, als sie auch schon nickte und fortfuhr.

>> Er hat alles mögliche gefunden. E-Mails von etlichen von Frauen. Nicht nur die eine von der ich gewusst hatte. Leider fand er da auch viele Mails von Kelly, seiner verstorbenen Frau und meinem Mann. Sie hatten ebenfalls eine Affäre gehabt, von der wir nichts gewusst hatten und er fand Videos, die die beiden bei ihren Taten zeigten. Zu sehen, wie die eigene Frau einen betrogen hat, muss schon schlimm sein Liebes, aber zu sehen wie sie es mit dem eigenen Vater treibt... Von zwei Menschen gleichzeitig so verletzt zu werden, die einem eigentlich so nahe stehen. Das hat ihn vollkommen fertig gemacht.<< klärte sie mich auf, während ich den Mund nicht mehr zu bekam. Seine verstorbene Frau hatte eine Affäre mit seinem Vater gehabt? Hinter seinem Rücken und er hatte nichts davon gewusst? Kelly, die sonst anscheinend immer so perfekt und lieb gewesen war, hatte ihn so hintergangen? Und dann hatte er auch noch alles gesehen? Hatte Videos der beiden entdeckt?

Ich konnte es nicht fassen und brauchte einige Sekunden, um die neuen Informationen irgendwie verarbeiten zu können, während ich Blake fassungslos ansah und mein Magen sich vor Mitleid zusammenzog.

>> Wussten Sie, dass Blake keine Kinder zeugen kann?<< fragte sie mich nach einiger Zeit in der wir stumm nebeneinander gesessen hatten und in unsere Gedanken vertieft gewesen waren.

>> Nein, darüber haben wir nie geredet.<<

>> Er hatte als Kind Mumps, was bei ihm eine Entzündung der Hoden verursacht hatte und schließlich zur Zeugungsunfähigkeit geführt hatte. Kelly lag ihm immer mit ihrem Kinderwunsch in den Ohren, doch er war zu stolz ihr zu erzählen, dass er ihr diesen Wunsch nicht erfüllen könne. Sie dachte einfach nur, dass er noch keine Kinder wollte und hasste es, dass er immer auf ein Kondom bestand, was er zur Tarnung benutzte, damit sie nicht stutzig wurde. In den Mails an meinen Mann hatte sie dann davon geschrieben, dass sie hoffe, dass mein Mann ihr ein Kind schenken könne, da es ja so gesehen in der Familie bleiben würde und Blake sich schon freuen würde, wenn sie denn erst mal schwanger wäre. Immerhin könnten Kondom ja auch mal versagen.<<

>> Weiß ihr Mann denn nicht, dass Blake zeugungsunfähig ist?<<

>> Nein, dass hat Blake mir damals im Vertrauen gesagt.<<

>> Ich verstehe nur nicht, was das alles mit mir zu tun hat Mrs Humphrey.<< gab ich ein wenig irritiert zu, da mich das alles ziemlich überforderte, woraufhin sie nickte und es erklärte.

>> Blake hat das alles herausgefunden und ist dann zu Ihnen gefahren, weil er vollkommen fertig war. Für ihn war eine Welt zusammengebrochen. Seine Frau, die er immer als heilig angesehen hatte, war in Wirklichkeit eine hinterhältige und widerliche Person gewesen, genauso wie sein Vater. Sie hat ihn betrogen, hinter seinem Rücken und er hatte nichts davon mitbekommen. Sie wäre sogar so weit gegangen, das Kind eines anderen auszutragen, weil er es ihr nicht erfüllen wollte, oder konnte und dann fährt er zu Ihnen, sieht Sie mit diesem Mann, wie sie lachend und vertraut mit einem Baby das Haus verlassen. Wie sie im Park und auf dem Spielplatz, wie eine Familie wirken, sich immer wieder an ihn drücken und kuscheln. Er hat da überreagiert und sich zusammengesponnen, dass Sie eine Affäre mit ihm hätten, ebenso wie Kelly damals und dann auch noch das Kind Evelyn. Ihm war bewusst geworden, dass er Ihnen das niemals geben könnte. Eine eigene Familie. Er würde Sie nie so glücklich machen können wie an diesem Tag mit dem anderen Mann und dem Baby.<<

Erst jetzt begriff ich das ganze Ausmaß des Tages damals und hatte Mitleid mit Blake. Dieser Tag war wirklich mehr als beschissen für ihn gelaufen und ich hatte da unwissentlich noch eine ordentliche Schippe drauf getan.

>> Mum hör auf!<< nuschelte Blake plötzlich neben uns, woraufhin sie sofort aufstand und zu ihm ging.

>> Du bist wach. Wie geht’s dir?<<

>> Gut. Was ist mit Elliott?<<

>> Dem ist nichts Schlimmes passiert, nur ein gebrochenes Bein. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.<<

>> ... musst du nicht.<<

>> Du bist halt mein Jüngster. Ich habe mir immer schon am meisten Sorgen um dich gemacht.<<

>> Nicht weinen Mum.<<

Er ergriff ihre Hand und drückte sie ein wenig, bevor er zu mir sah und seinen Blick nicht mehr von mir löste. Sofort spürte ich wieder dieses Ziehen in meinem Bauch, spürte die Sehnsucht in mir nach ihm, die stärker war, als je zuvor und den Drang zu ihm zu gehen und ihn zu küssen.

>> Ich glaube, ich sehe jetzt mal nach Elliott.<< sagte sie, als sie bemerkte, dass wir etwas klären mussten.

>> Bring Elliott nach Hause und kümmere dich um ihn.<<

>> Das mache ich. Morgen früh komme ich wieder zu dir, also ruh dich aus.<<

Sie nickte noch mal in meine Richtung, als sie auch schon den Raum verließ und wieder eine unheimliche Stille herrschte. Ich dachte an den Tag damals und an all die miesen Dinge, die er mir an den Kopf geworfen hatte, die ich nun alle verstand, wenn ich sie auch trotzdem nicht gut hieß.

Ich wusste, dass ich mit Charly sehr vertraut umging und dass er da vielleicht etwas Falsches hineininterpretiert hatte, war für mich verständlich. Auch die Tatsache, dass seine Tochter Emily bei ihm Wunden aufgerissen hatte, konnte ich nachvollziehen. Die innere Ohrfeige, die er mir verpasst hatte, indem er behauptete, er hätte bei mir zu wenig und zu schlechten Sex bekommen, interpretierte ich so herum, dass er das eventuell von sich selbst annahm, da Kelly sonst keinen Grund gehabt hätte eine Affäre mit seinem Vater zu haben.

Das war allerdings absurd und einfach nur idiotisch, weil ich wusste, wie gut er im Bett war und die Behauptung, dass ich nur hinter seinem Geld her gewesen wäre, war wahrscheinlich genau so wie mit der Sex Sache, um mich einfach noch mal ordentlich zu verletzen, weil ich die Einzige an diesem Tag gewesen war, an der er sich hatte abreagieren können.

Ich atmete noch einmal tief durch und hielt seinem Blick stand, als er die Stille plötzlich durchbrach.

>> Evelyn du kannst ruhig gehen. Meine Mutter ist weg, also brauchst du nicht mehr so zu tun, als ob dir irgendwas an mir liegt. Geh einfach, du bist mir nichts schuldig.<< forderte er mich auf, was mir wieder einen Stich ins Herz versetzte, da es so negativ und verletzend war.

Ich sagte nichts, schaute ihn noch eine Weile an und stand dann auf. Mein Blick löste sich von seinem und sah zu den Schwestern, die ins Zimmer schauten, weswegen ich zur Tür ging, wo man die Jalousien bedienen konnte.

>> Es tut mir Leid, dass ich heute so ein Arschloch war und ich hoffe für dich, dass der Typ, mit dem du heute getanzt hast, dich glücklich macht.<< sagte Blake, da er wahrscheinlich dachte, dass ich jetzt gehen würde, stattdessen verdunkelte ich den Raum, damit die Schwestern kein Kino mehr hatten und setzte mich auf die Seite seines Bettes.

>> Alex ist schwul Blake und ja, du hast dich wirklich wie ein Arschloch aufgeführt, bei deinem Vater, bei Alex und bei mir.<<

>> Ich weiß. Es... Es tut mir Leid, aber wenn es um dich geht, dann...<< sagte er nachdenklich, bevor er verstummte und die Augen schloss.

>> Hast du Schmerzen?<< fragte ich ihn daher, da es danach aussah und zog die Bettdecke ein wenig nach unten, um mir die Wunde anzusehen.

>> Nein, das geht schon.<<

Ich nickte, sah auf sein Six-Pack und musste mir vor Verlangen auf die Lippe beißen, da es mich dermaßen scharf machte. Allerdings brachte es nichts, denn im nächsten Moment strich ich sanft mit den Fingerkuppen meiner linken Hand über seinen muskulösen Oberkörper bis hin zu seinen Schultern, als seine Hand sich auf meinen Oberschenkel legte und mich leicht drückte.

>> Evelyn bitte lass es, wenn du...<< sagte er flehentlich, während ich mich herunterbeugte und ihn mit einem Kuss zum Schweigen brachte, der mein ganzes Innerstes zum Kribbeln brachte und meinen Pulsschlag in die Höhe trieb. So lange hatte ich mir diesen Moment vorgestellt und gewünscht, doch nicht mehr für möglich gehalten. Seine Lippen fühlten sich so weich an, als wir uns zärtlich küssten und unsere Zungen zaghaft und vorsichtig miteinander spielten, doch dann löste ich mich auch schon wieder von ihm und sah ihm tief in seine blauen Augen.

>> Ich liebe dich Evelyn.<< seufzte er und spielte mit seiner rechten Hand mit meinen Locken.

>> Ich weiß.<< sagte ich und deckte ihn wieder zu, bevor ich mich erhob und ihn ansah.

>> Du solltest dich jetzt ausruhen und schlafen. Immerhin wurdest du eben operiert.<<

>> Was sollte das grade bedeuten? War der Kuss aus Mitleid, oder gibst du mir noch eine Chance, sind wir wieder zusammen, was...?<< fragte er mich verwirrt und sah mich panisch an, da er anscheinend Angst hatte, dass ich jetzt ging.

>> Ich weiß es noch nicht Blake. Du weißt, was ich für dich empfinde, aber du musst erst mal mein Vertrauen wieder gewinnen und jetzt versuch zu schlafen. Ich schaue nachher noch mal nach dir.<<

Mit diesen Worten verließ ich schweren Herzens den Raum und ging zurück in die Notaufnahme. Inzwischen war es schon vier Uhr morgens und relativ ruhig, weswegen ich zurück auf meine Station ging und nach der Frau sah, die ich vorhin operiert hatte. Sie war weiterhin stabil und auch Mr Humphrey ging es gut, weswegen ich mich dazu entschloss mit Laura zu reden und mich bei ihr zu entschuldigen. Wir setzten uns in eine ruhige Ecke auf ihrer Station und aßen Obst, während ich ihr die ganze Geschichte von Blake erzählte.

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