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Kapitel V

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Blake

Wie sollte ich jetzt bloß schlafen können? Mein ganzer Körper war in Aufruhe, Adrenalin durchströmte mich und Schmetterlinge flogen Achterbahn in meinem Bauch. War das grade wirklich geschehen, oder hatte ich mir das nur eingebildet?

War Evelyn grade wirklich hier gewesen? Hatte sie mich grade wirklich geküsst und mir signalisiert, dass sie bereit für einen Neuanfang war? Oder waren das nur die Auswirkungen der Narkose gewesen?

Nein, das durfte nicht sein. Noch immer konnte ich ihre weichen, sinnlichen Lippen auf meinen spüren, ihren unvergleichlichen Duft riechen und ihre warme Haut spüren. Meine Zunge prickelte immer noch herrlich und mein Herz schlug schneller denn je. Es war wie das Paradies, was ich nach dem heutigen Tag und den letzten Wochen schon nicht mehr für möglich gehalten hätte.

>> Sie sollten sich ausruhen und schlafen Mr Humphrey.<< sagte eine Schwester, die plötzlich neben mir stand und bei mir nach dem Rechten sah.

>> Sagen Sie, war hier eben eine Ärztin?<< fragte ich sofort, da ich sichergehen wollte, dass ich mir das nicht eingebildet hatte.

>> Hier waren viele Ärzte, wieso?<<

>> War eine Dr. Chamberlain eben noch hier gewesen, kurz bevor Sie hereinkamen?<<

>> Ja, die war hier und hat sich vorher noch mit ihrer Mutter unterhalten, wenn ich das richtig gesehen habe. Wieso wollen Sie das wissen?<<

>> Nur so, ich war mir nicht ganz sicher, ob ich das nicht vielleicht nur geträumt habe.<<

>> Sie sind bei vollem Verstand Mr Humphrey.<< versicherte sie mir mit einem warmen Lächeln, bevor sie sich umdrehte und wieder das Zimmer verließ.

Beim Rausgehen öffnete sie wieder die Jalousien, die Evelyn eben verschlossen hatte und dessen Grund ich erst jetzt verstand. Sie hatte uns eine gewisse Privatsphäre geschaffen, sodass wir uns ohne Publikum hatten küssen können, da es sonst wahrscheinlich der nächste Tratsch hier im Krankenhaus gewesen wäre und das etwas war, was Evelyn überhaupt nicht leiden konnte.

Das Wichtigste war jedoch, dass sie mir noch eine Chance gab. Natürlich musste ich mich anstrengen und wieder ihr Vertrauen gewinnen, doch das würde ich schaffen. Die größte Hürde, dass sie überhaupt wieder mit mir sprach und es noch einmal mit mir versuchen wollte, war somit nach wochenlanger Ignoranz genommen.

>> Guten Morgen.<< begrüßte mich meine Mutter und kam gerade ins Zimmer herein, während ich immer noch auf Evelyn wartete. Ich wusste, dass sie noch Dienst hatte, aber wahrscheinlich hatte sie grade keine Zeit. Dennoch verrenkte ich mir bei jeder Ärztin mit blonden Haaren meinen Hals, um zu sehen, ob sie es vielleicht war. Die Hoffnung starb nun mal zuletzt.

Doch nun war meine Mutter da, weswegen es unhöflich gewesen wäre, wenn ich ihr nicht meine gesamte Aufmerksamkeit schenken würde.

>> Hi Mum, wie geht’s dir?<<

>> Viel besser seitdem ich weiß, dass es euch gut geht.<<

>> Es war nur ein Autounfall.<< versuchte ich sie zu beschwichtigen, wofür sie mir jedoch am liebsten einen Klapps auf den Hinterkopf gegeben hätte, so wie sie mich grade ansah.

>> Nur? Dein Auto ist ein Totalschaden. Die Werkstatt war überrascht, dass du da noch heil herausgekommen bist, da deine Seite ziemlich demoliert war.<<

Beim Gedanken daran, dass mein Wagen Schrott war, wurde mir ein wenig wehmütig zumute, da ich das Auto wirklich gern gefahren war, doch das Wichtigste war, dass uns nichts Schlimmes passiert war. Das bedeutete wohl, dass ich mir einen neuen Wagen kaufen musste, was nicht so einfach werden würde.

>> Du hast ja Recht, aber uns ist nichts weiter passiert.<<

Sie nickte nur, während sie einige Sachen für mich in die Schränke räumte, die sie anscheinend aus meiner Wohnung mitgenommen hatte.

>> Wie geht es denn Elliott?<<

>> Dem geht es blendend. Gina kümmert sich aufopfernd um ihn, während er sich ausruht, damit er schnell wieder gesund wird.<<

>> Ein gebrochenes Bein hatte er, richtig?<<

>> Genau und eine Platzwunde am Kopf, aber die ist nicht schlimm.<<

>> Zum Glück.<<

Plötzlich hielt meine Mutter beim Einräumen inne und sah mich nachdenklich an. Anscheinend hatte sie etwas auf dem Herzen, wusste aber noch nicht, ob sie es sagen sollte oder nicht.

>> Die Werkstatt...<< begann sie den Satz und überlegte wieder.

>> Was ist mit der Werkstatt?<<

>> Die... die fanden es irgendwie seltsam, dass du so in die anderen Autos hineingerast bist, dass nur deine Seite so stark beschädigt war, während die von Elliott fast unversehrt war. Normalerweise krachen die Autos wohl frontal in ein Stauende, oder in einen Unfall, so wie auch alle anderen Autos, aber nicht deins.<< gab sie mir zu bedenken und setzte sich nun, während ihr Blick immer nachdenklicher wurde.

>> Und was beschäftigt dich jetzt so?<< fragte ich sie, da ich nicht den Anfang machen wollte.

>> Naja, ich habe mich wirklich lange mit dem Sachverständigen unterhalten und als er hörte, dass du Personenschützer bist, da ging ihm ein Licht auf.<<

>> Was meinte er denn?<<

>> Dass du den Wagen absichtlich noch so gelenkt hast, um deinen Bruder zu schützen, während du in Kauf genommen hast, dass du dadurch schwerer verletzt wirst.<<

Ihre Vermutung verklang im Raum, während wir beide einander ansahen und eine unvergleichliche Stille uns umgab.

>> Stimmt seine Vermutung?<<

>> Mum, das ist nun mal mein Job. Wenn ich noch irgendwie reagieren kann, dann mache ich das und Elliott saß neben mir. Er ist Ehemann und Vater, also war es das Beste, was ich machen konnte.<<

>> Und deswegen setzt du dein eigenes Leben aufs Spiel?<<

>> Ja. Das ist eine Entscheidung von einer auf die andere Sekunde. Da denke ich nicht groß nach.<<

Sie nickte nur und ließ die Worte auf sich wirken, bis sie nach einigen Sekunden aufstand und unbeirrt mit ihrer Arbeit fortfuhr.

>> Hast du denn gestern noch mit Evelyn gesprochen?<< fragte sie plötzlich neugierig und allein bei ihrem Namen klopfte mein Herz wieder ein wenig schneller.

>> Nicht sehr viel.<<

>> Schade, ich hatte gehofft, dass ich sie erreichen und es ihr verständlich machen konnte, aber vielleicht braucht sie einfach nur noch Zeit.<<

>> Du hast sie erreicht.<< sagte ich knapp, während ich wieder auf dem Gang nachsah, ob Evelyn vielleicht langsam mal hier wäre, doch es war immer noch kein blonder Lockenkopf im weißen Kittel zu sehen.

>> Also seid ihr wieder zusammen?<< fragte mich meine Mutter euphorisch und grinste dabei über das ganze Gesicht.

>> Mhm, aber es ist noch ganz frisch und ich muss erst wieder ihr Vertrauen gewinnen.<<

>> Ach, Blake... Das freut mich so für dich.<<

Ich nickte nur und grinste, während meine Mutter strahlte und vollkommen in Gedanken versunken zu sein schien. Wahrscheinlich war sie im Geiste schon wieder bei den Hochzeitsvorbereitungen, da ich wusste, dass sie Evelyn gern mochte und sie am liebsten direkt in unsere Familie aufnehmen würde.

>> Was machst du nur für einen Mist!<< fuhr mich plötzlich eine große, braunhaarige Frau von der Tür aus an und sah mich gespielt wütend an.

>> Erin!<< begrüßte ich sie freudestrahlend und breitete sofort meine Arme aus, um sie zu begrüßen. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis wir uns auch schon in den Armen lagen und uns fest drückten, da wir uns schon lange nicht mehr gesehen hatten.

>> Verdammt, dass ist viel zu lange her, dass ich dich das letzte Mal gesehen habe.<<

>> Fast ein Jahr, oder?<< fragte ich und ging im Geiste die Zeitspanne durch.

>> Ich glaube, ja. Mum hat mich gestern angerufen und erzählt, dass du und Elliott einen Unfall hattet, also bin ich direkt hergefahren.<<

>> Das hättest du nicht machen brauchen.<<

>> Na, sag mal. Natürlich musste ich das. Du bist mein Bruder!<<

Ich musste grinsen, während sie zu unserer Mutter ging und sie begrüßte. Wir hatten uns in den letzten Jahren nicht mehr so häufig gesehen, da sie mit meinem Vater vollkommen zerstritten war und deswegen die Stadt mied. Umso mehr freute ich mich nun, dass sie hier war.

>> Wie geht’s dir denn?<< fragte sie mich schließlich, während sie sich einen Stuhl ans Bett stellte und sich neben mich setzte.

>> Mir geht’s gut. Ich hatte nur eine kleine Milzruptur, ein paar Rippen sind geprellt und ein leichtes Schleudertrauma, wobei ich glaube, dass ich gar keins habe, denn mir geht’s perfekt.<<

>> Das klingt besser, als ich es erwartet hätte. Die Bilder gestern im Fernsehen vom Highway sahen nämlich ziemlich schlimm aus.<<

>> Ich glaube, wir sind ziemlich zum Ende hin in den Unfall geraten, sodass nicht mehr viele Autos auf uns drauf gefahren sind.<<

>> Glück im Unglück.<<

Ich nickte und sah zu meiner Mutter, die endlich fertig mit dem Einräumen war und sich nun auf einen der Stühle ans Fenster setzte.

>> Setz dich doch zu uns.<<

>> Nein, alles in Ordnung. Ich lese ein wenig Zeitung. Unterhaltet ihr euch ruhig.<< entschuldigte sie sich und schlug wirklich die Zeitung auf. Wahrscheinlich wollte sie mir genügend Zeit mit meiner Schwester geben, da meine Mutter und sie sich häufiger sahen, als wir beide.

>> Was macht dein Laden?<<

>> Der läuft. Ich hatte zwischenzeitlich überlegt, ob ich noch einen zweiten eröffnen sollte, doch dann dachte ich, wofür? Ich habe genügend Umsatz und die Kunden kommen aus der ganzen Stadt zu mir, kennen mich und lieben es mit mir zu reden, was beim zweiten Standort nicht ginge, also habe ich es gelassen. Ich brauche nicht Millionen auf dem Konto, um glücklich zu sein.<< plauderte sie aus und wirkte dabei wirklich vollkommen zufrieden, was mich freute.

Nach dem Streit mit meinem Vater hatte sie die Stadt verlassen und einen kleinen Schmuckladen eröffnet, wo sie ihre eigenen Kreationen verkaufte. Sie verzichtete dabei komplett auf unser Familienerbe und hatte auch als Start keine Finanzspritze gewollt, was ich wirklich bemerkenswert fand.

>> Eine kluge Entscheidung. Vielleicht komme ich demnächst mal vorbei und kaufe eine Kette bei dir.<<

>> Für dich?<<

>> Nein. Für eine gewisse Person.<<

>> Evelyn heißt sie.<< plauderte meine Mutter aus, wobei sie noch nicht einmal von ihrer Zeitung aufblickte.

>> Du hast wieder eine Freundin?<< fragte mich meine Schwester überrascht und sah mich erwartungsvoll an.

>> Ich hoffe es zumindest. Wenn sie mir verzeiht, ja, sonst muss ich weiter kämpfen.<<

>> Was hast du denn verbockt?<<

>> Das ist eine lange Geschichte, aber es sieht ganz gut aus und das ist alles, was im Moment für mich zählt.<< erklärte ich die Situation und hoffte, dass ihr das als Begründung reichen würde.

>> Wie habt ihr euch denn kennengelernt?<<

>> Sie hat David das Leben gerettet, als er den Herzinfarkt hatte. Ich kannte sie zwar schon vorher, aber da waren wir uns nur mal flüchtig über den Weg gelaufen und als ich sie hier dann wiedersah, da hatte es dann gefunkt, wie man so schön sagt.<<

>> Also ist sie Ärztin hier?<<

>> Richtig. Sie ist Kardiologin und hat Dad auch gestern wieder erfolgreich operiert, jedenfalls in ihren Augen.<<

>> Blake!<< ermahnte mich meine Mutter und sah dabei zum ersten Mal von ihrer Zeitung mit einem strengen Blick auf.

>> Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie gestern mal einen Fehler während der Operation gemacht hätte, aber gut, soll der Wichser halt noch weiter leben.<<

>> Endlich hast du mal gesehen, wie er wirklich ist.<< sagte meine Schwester erleichtert.

>> Du wusstest von den ganzen Affären?<<

>> Nein, nur von einer, weil ich ihn mit ihr erwischt hatte und als ich ihn zur Rede stellte, erpresste er mich, damit ich ja nichts ausplauderte. Mum erzählte ich es natürlich, aber sie hatte ihm ja verziehen, weil er sich für sie entschieden hatte, aber von da an war er für mich gestorben. Ein Mann, der seine Ehefrau hinterging, eine andere schwängerte und seine eigene Tochter erpresste, war für mich kein Vater zu dem ich aufsehen und vor dem ich Respekt haben konnte, also brach ich den Kontakt ab. Hätte ich gewusst, dass er sogar vor der Ehefrau seines eigenen Sohnes keinen Halt macht, hätte ich mit dir gesprochen, aber davon wusste ich wirklich nichts.<<

>> Ich weiß, da hattest du ja auch schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm.<<

>> Halt dich, wenn es geht, von ihm fern, dann kann er auch nicht so viel Schaden anrichten.<<

Ich wollte grade etwas erwidern, als ich hinter meiner Schwester einen blonden Lockenkopf in einem weißen Kittel entdeckte, der sofort meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog.

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