Читать книгу Zieht euch warm an, es wird heiß! - Sven Plöger - Страница 49

Fridays for Future – die junge Generation

Оглавление

Die ältere Generation unterschätzt die junge, das war noch nie anders. Der heutigen Jugend wurde oft vorgeworfen, sie interessiere sich für nichts, das über den Bildschirm ihres Handys hinausgeht. Weit gefehlt, und so staunen viele nicht schlecht, wie schnell eine Jugend politisch werden kann, wenn sie ein Thema wirklich betrifft. Die jungen Leute wissen, dass sie den Folgen des Klimawandels, den ihre Eltern und Großeltern ausgelöst haben, am längsten und stärksten ausgesetzt sein werden. Und sie sehen, dass der Großteil der Menschen trotz dieses Wissens nichts verändert – im Gegenteil, wie mehrfach schon gezeigt – und dass die Politik sich immer noch zu wenig bewegt.

Um darauf aufmerksam zu machen, stehen sie nun gemeinsam (!) auf der Straße oder versammeln sich im Zuge der Coronakrise im Internet. Und zwar sinnvollerweise an einem ihrer Arbeits-, also Schultage. Arbeitnehmer führen ihre Streiks auch nicht in der Freizeit durch. Wen sollte so etwas beeindrucken? Und die Jugend beeindruckt wirklich, denn nur sie ist es, die derzeit in der Politik den Anstoß gibt, das Thema Klimawandel mit vorne auf die Agenda zu setzen. Und einiges passiert ja auch, aber es darf und muss eben viel mehr werden.

Als ich den Vorgänger dieses Buches, Gute Aussichten für morgen, schrieb, formulierte ich den Satz, der Klimaschutz brauche eine Ikone. Heute haben wir sie – in Gestalt einer jungen Frau aus Schweden namens Greta Thunberg, die übrigens um einige Ecken mit dem Chemienobelpreisträger Svante Arrhenius verwandt ist, der 1896 erstmals auf die Treibhauswirkung des Kohlendioxids hinwies. Ein Problem sah Arrhenius im Temperaturanstieg damals jedoch noch nicht, sagte er doch sinngemäß, dass man sich in Zukunft darauf freuen dürfe, in einer wärmeren und stabileren Umwelt leben zu können.

Wie beim Zusammenbruch der DDR, muss die Zeit für etwas reif sein und so war es auch bei Greta. Anstatt weiter zur Schule zu gehen, machte sie mit einem Plakat vor dem Parlament auf die Klimakrise aufmerksam und wurde dabei wirklich beachtet. Der Grund: Durch die Haptik des Klimawandels, also die spürbaren Wetterveränderungen, war eben die Zeit für das Thema gekommen … und in Schweden standen Wahlen an. Hätte sie zwei Jahre vorher in gleicher Weise dort gesessen, hätte mutmaßlich alles ein jähes Ende gefunden. Mit einem Klassenbucheintrag und einer Standpauke.

So aber versammelt sich die Jugend der Welt hinter ihr und erreicht durch ihre Authentizität und Klarheit direkten Zugang zur internationalen Politik. Dabei mischt sich Greta nie in die Politik ein, sondern sagt im Grunde nur einen einzigen und sehr vernünftigen Satz: »Politiker dieser Welt, hört auf die Wissenschaft und handelt danach.« Auf dem großen Parkett hört man ihr zu, lobt sie, klatscht und … tut trotzdem noch viel zu wenig, wie auf der Klimakonferenz 2019 in Madrid zu sehen war. Die Gründe dafür wurden bereits erläutert. Die Jugend hat, so sie denn wirklich etwas erreichen will, noch viele Hürden zu nehmen und es ist wichtig, dass die oben genannte Authentizität und Klarheit ihrer Ikone erhalten bleibt. Dabei ist es wichtig, den Einfluss der PR-Leute zu begrenzen. Denn die schwirren ganz automatisch wie Satelliten um bedeutende Persönlichkeiten herum und haben mit ihren meist gut gemeinten Ideen schon so manches ursprünglich gute Image ruiniert.

Erfreulich ist, dass sich hinter den jungen Leuten auch Wissenschaftler als Scientists for Future versammeln. Sie spielen eine wichtige Rolle, muss das Thema doch – auch für die sichere Argumentation gegenüber Zweiflern – inhaltlich gut unterfüttert sein. Mindestens genauso wichtig ist, dass sich Teile der älteren Generation unter Namen wie Parents for Future oder Grandparents for Future anschließen, denn einen Generationenstreit vom Zaun zu brechen ist das Sinnloseste, was wir tun können. Das würde nur Zeit und Energie verschwenden und ob wir uns streiten oder nicht, ist dem Planeten und seiner Physik bekanntlich vollkommen schnuppe. Gerade hier sei nochmals der eingangs schon erwähnte und von Professor Schellnhuber erdachte »Klima-Corona-Vertrag« ins Spiel gebracht.

In diesem Kapitel ging es vor allem um unser Verhalten und die Begründungen, warum wir als Masse fast immer das Gegenteil von dem tun, was wir sagen und wollen. Bei aller Zustimmung zu den so wichtigen Protesten der Jugend: Natürlich ist auch sie selbst nicht davor gefeit, in die »Gegenteil-Falle« zu geraten. So fällt es jungen Menschen, die weder Auto noch Führerschein besitzen, logischerweise leichter, gegen Autos zu protestieren. Einen Bereich ausfindig zu machen, wo man auch selbst einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, ist jedoch wichtig für die eigene Glaubwürdigkeit. Schauen wir also auf das geliebte Smartphone – fast jeder Jugendliche, wie fast jeder Erwachsene auch, hat solch ein Gerät, dessen Herstellung bereits kein Ruhmesblatt für den Umgang mit der Natur ist. Aber entscheidend ist vor allem das Nutzerverhalten. Gerade junge Menschen versenden täglich Dutzende von Fotos oder streamen reichlich Filme und Serien. All diese Bilder und Filme fliegen aber nicht einfach so durch die Luft, sondern Tausende Server müssen dafür auf Hochtouren arbeiten, verbrauchen massenweise Strom und emittieren so große Mengen an CO2. Die Größenordnung der Emissionen des Internetsurfens ist wahrlich beeindruckend, mehr dazu im Kapitel »Stromfresser Internet«. Ohne Umschweife und Ausrede formuliert macht also jeder Jugendliche, der streamt, ein bisschen das Gegenteil von dem, wofür er auf die Straße geht. Jetzt kommt natürlich wieder die Erkenntnis mit dem Addieren und der nötigen Klärung der Frage, was Streamen kosten müsste. Das alles gilt natürlich für Erwachsene gleichermaßen.

Und noch ein durchaus entscheidender Gedanke: Wie soll es mit Fridays for Future weitergehen? Ist es möglich, die jungen und auch älteren Menschen »ewig« bei der Stange zu halten, wenn sie doch immer wieder sehen, dass die Politik bei der Umsetzung ihrer Forderungen oft meilenweit hinterherhinkt? Oder einfacher gefragt: Kann es nicht sein, dass der ganzen Bewegung bald die Luft ausgeht und sie wieder in der Versenkung verschwindet? Diese Gefahr besteht und führt, den Kreis schließend, geradewegs zum Gang durch die bestehenden Institutionen unserer Demokratie. Stellen Sie sich vor, alle Protestierenden, die das nötige Alter erreicht haben, gehen nicht auf die Straße, sondern in die Politik. Sie könnten mit einer Vielzahl Gleichgesinnter und letztlich einer demokratischen Mehrheit bisherige Entscheider überstimmen: selbst direkt politischen Einfluss nehmen, statt dafür zu protestieren, dass andere die Dinge für einen verändern. Denken Sie nur an die Bewegung, aus der später die Grünen wurden: Sie haben sich in die Institutionen und ins Parlament begeben und dadurch nicht nur dauerhaft »überlebt«, sondern mit den Jahren auch massiv an Bedeutung gewonnen. Der Anschub auf der Straße ist nötig, aber dann muss er mit einem konkreten Ziel verbunden werden …

Fazit: Der Anteil jedes einzelnen Menschen am Klimaproblem scheint winzig und ist für das Auge unsichtbar, aber in der Summe zerstören wir mit diesen kleinen Beiträgen unsere Lebensgrundlagen. Deswegen müssen wir etwas ändern. Jetzt. Und weil wir jeden Tag beweisen, dass wir das freiwillig nicht schaffen – aus Bequemlichkeit im Privaten und Mutlosigkeit im Politischen – brauchen wir neben umweltfreundlicher Technologie auch neue Regeln, die unser Verhalten austricksen oder es robust korrigieren und die wir von der Politik einfordern oder selbst politisch erarbeiten müssen. Wir würden einen kleinen Teil unserer Freiheiten zurückschrauben und unseren Vertretern das Mandat übertragen, den großen Rahmen so zu setzen, dass uns allen – besonders auch unseren Kindern – weiterhin ein gutes und sicheres Leben möglich ist. Was wir brauchen, ist eine Art neuer Gesellschaftsvertrag mit einem Lebensstil, der zu diesem Satz passt: Der Planet braucht uns nicht, sondern wir brauchen ihn!

Zieht euch warm an, es wird heiß!

Подняться наверх