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HILFE UND SELBSTHILFE

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Ohne Frage ist es gut, wenn ich mir selbst helfen kann. Wenn ich es mir zugestehe, bestimmte Bedürfnisse zu haben, wenn ich herausfinde und ein Verständnis dafür entwickle, was genau eigentlich diese Bedürfnisse sind und wie ich sie in welcher Situation am besten einordnen und befriedigen kann. Aber, kleine Erinnerung, das ist absolut und total individuell. Was mir hilft, muss nicht zwangsläufig auch dir helfen. Und was dir hilft, das wirst genau du am besten wissen oder in Erfahrung bringen können – dafür brauchst du keinen Guru, keinen vermeintlichen Supercoach, keine selbst ernannte Heilerin und vielleicht nicht einmal ein Buch.

Allerdings sollte sich selbst zu helfen niemals als ein Ersatz für ärztliche oder therapeutische Hilfe und Betreuung betrachtet werden. Kombinierbar ist das alles auf jeden Fall! Wir alle haben aber immer die Möglichkeit, uns die Unterstützung von außen dazuzuholen, die wir brauchen – ob nun von Psycholog*innen, Vertrauenspersonen oder in Selbsthilfegruppen –, denn manchmal kann es leichter fallen, nicht mit ausgebildetem Fachpersonal zu sprechen, sondern sich mit Menschen zu vernetzen und auszutauschen, die ähnliche oder die gleichen Erfahrungen gemacht haben wie wir selbst.

Grundsätzlich gilt: Unter gewissen Umständen reicht es nicht aus, wenn wir uns selbst ganz auf uns allein gestellt helfen wollen. In diesem Fall ist es ein erster Schritt auf dem Weg der Selbstfürsorge, diese Tatsache anzuerkennen und uns Hilfe zu suchen. Uns Freund*innen anzuvertrauen, eine*n Ärzt*in um Rat zu bitten, eine*n Therapeut*in zu suchen. Wenn du dir einen Knochen brichst, versuchst du das ja auch nicht allein in den Griff zu kriegen. Oder Zahnstein! Den lässt du dir doch auch von einer Person entfernen, die das professionell beherrscht. Wir brauchen schlicht und ergreifend manchmal Hilfe, das ist einfach ein Fakt. Und sie in Anspruch zu nehmen, ist niemals ein Zeichen von Schwäche, sondern ganz im Gegenteil: eins von Stärke.

Ich weiß aber natürlich, dass sich die gesellschaftlich in uns hineingepflanzte Scham, die wir mit der Inanspruchnahme von Hilfe verbinden, nicht einfach ausknipsen lässt. Wir sollten uns also keine Vorwürfe machen, wenn es uns trotzdem schwerfällt, nach Hilfe zu fragen. Allein das – uns deswegen keine Vorwürfe zu machen – ist ein wichtiger Schritt, so winzig und banal er uns auch vorkommen mag. Ein weiterer Schritt kann es dann sein, uns bewusst zu machen, dass nicht wir das Problem sind – die Normen und Strukturen unserer Gesellschaft sind das Problem. Erinnere dich daran, immer wieder aufs Neue: Du bist nicht das Problem! Oder auch: Du magst zwar nicht genug für … sein, aber das ist nicht deine Schuld. Und: Du. Bist. Nicht. Das. Problem.

Egal wie schlecht es dir geht, wie mies du dich fühlst, wie sehr du auf Hilfe angewiesen sein magst – du bist weder »kaputt« noch »beschädigt« oder »gestört«, sondern normal. Ein Mensch. Und Menschen brauchen eben hin und wieder Hilfe. Was jedoch nicht normal ist oder es zumindest nicht sein sollte, ist eine Gesellschaft, die uns eintrichtert, um Hilfe zu bitten, sei ein Zeichen von Schwäche – und die Schwäche an sich sowieso zum Allerschlimmsten überhaupt auserkoren hat. Da liegt der Fehler. Nicht bei dir.

Radikale Selbstfürsorge. Jetzt!

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