Читать книгу Networking für Trainer, Berater, Coachs - Svenja Hofert - Страница 14
3. NETWORKING-GESETZE
ОглавлениеVor einigen Jahren rief mich eine junge Personalentwicklerin an, nennen wir sie Claudia. Claudia arbeitete in einer der größten Werbeagenturen Deutschlands und wollte sich selbstständig machen. Sie hatte meine Nummer von einer Bekannten aus einem Netzwerk, die mich in den höchsten Tönen gelobt hatte, und bat mich sogleich um ein Treffen. Ich sollte ihr Fragen zur Existenzgründung beantworten. Da ich ja selbst erfolgreich sei im Karrierecoaching, sehe sie in mir den idealen Gesprächspartner. Es war klar, dass sie nicht zu zahlen gedachte. Ich dachte an die Wichtigkeit von Marktforschung und dass ich diese in meiner Beratung immer betone. Nun gut, wenn ich zu einer effektiven Wettbewerbsanalyse beitragen könnte, in dem ich einige Fragen beantworte und helfe, ein durchdachtes Geschäftskonzept zu entwickeln. Wer weiß außerdem, was mir dieses Treffen noch so an neuen Erkenntnissen bringen könnte?
Geben und nehmen
Ich zögerte trotzdem, denn immerhin verdiene ich mit dem Coaching von Trainern und Beratern mein Geld. Aber dann sagte ich, weil sie freundlich darum bat, doch ja. Vielleicht würde ich ja durch sie neue Kontakte in die Werbebranche bekommen, dachte ich bei mir. Einen Ansprechpartner, den ich fragen könnte. Vielleicht würde ich durch sie auch einfach Interna erfahren, die mir bei einem Beratungsfall helfen könnten. Oder auch einfach nur einen interessanten Menschen treffen.
Wir trafen uns in der Nähe von meinem Büro. Sie kam mit einem weißen 80 000-Euro-Cabrio, das sie mitten auf der Straße parkte. Das irritierte mich, weil es so sehr dem Klischee entsprach. Wir setzten uns in ein Café und bestellten Latte Macchiato. Dann fragte sie mich unumwunden aus. Sie bettete ihre Fragen nicht mal weich in Small Talk. Ich fühlte mich wie im Verhör. Ob ich die Preise wirklich durchsetzen könnte, wie viele Kunden ich hätte, was meine Erfolgsrezepte wären, wie viel Gewinn und wie viel Umsatz ich hätte und wie sich das entwickelt habe. Sie war sehr viel jünger als ich und ich fühlte mich wie ihr Mentor – aber trotzdem unwohl. Ihre stecknadelgroßen Pupillen fixierten mich – sympathisch war sie nicht.
Vor allem erschien mir das alles viel zu distanzlos. Immerhin kannte ich die Dame ja gar nicht. Doch der Höhepunkt kam noch: Nach rund einer Stunde Verhör musste ich ihre Latte Macchiato mitbezahlen. Sie hatte kein Geld dabei. In dem Moment war sie bei mir ganz tief unten angekommen und ich bereute dieses Treffen. Ich machte eine ironische Bemerkung zum vergessenen Portemonnaie und ihrem Wagen.
Drei Tage später brauchte ich eine Info zur internen Struktur in einer Werbeagentur. Da dachte ich an sie. Schließlich war sie Personalentwicklerin bei einer der größten Werbeagenturen Deutschlands. Ich sprach auf Ihren Anrufbeantworter und bat um Rückruf. Als dieser nicht erfolgte, schickte ich eine E-Mail. Keine Reaktion.
Regelverstöße
Claudia hatte gleich mehrere Regeln verletzt. Die erste: die Grenzüberschreitung, mich um Informationen zu bitten, ohne mich zu kennen. Die zweite: das Auto. Präsentiere nie einem »Ranghöheren« einen Luxuswagen! Das ist wie das Dolce & Gabbana-Kostüm auf einer Visitenkartenparty oder der Boss-Anzug bei der Bewerbung um einen Trainingsauftrag in der IT-Abteilung eines mittelständischen Betriebes: Offen nach außen getragene Statussymbole machen zum Außenseiter. Gegen all das wäre ich noch relativ unempfindlich gewesen, aber das Ausfragen ging dann doch zu weit. Kann jemand im Ernst erwarten, dass ich einer wildfremden Person Umsatz- und Gewinnverhältnisse erläutere? Regelverstoß Nummer vier war, dass sie mich die Rechnung bezahlen ließ. All das hätte möglicherweise durch einen hohen Nutzwert ausgeglichen werden können, den ich aus dem Netzwerk hätte ziehen können. Doch die Dame hatte kein Interesse, mir einen Gegenwert zu bieten. Damit hat sie gegen den obersten Paragrafen im »Networking- Law« verstoßen: »Du sollst erst geben und dann nehmen.«
Ehernes Gesetz
Sie stehen nirgendwo geschrieben und doch sind sie ein ehernes Gesetz: die Regeln beim Netzwerken. Wer sie nicht kennt, kommt über den Status einer losen Bekanntschaft nie hinaus. Wenn Sie andere unterstützen, werden diese Ihnen auch helfen. Dabei gilt es jedoch für beide Seiten das richtige Maß zu finden. Die Unterstützung darf nicht in der kostenlosen Bereitstellung der eigenen Dienstleistung liegen – diese sollte beim Geben immer tabu sein.
Kontakte, Links, Tipps, Hinweise, ein Anruf, eine Empfehlung: Solches Geben ist erlaubt. Wenn Sie hingegen die erste kostenlose Beratung durchführen, ist ein unausgesprochener Grad überschritten – mit Networking hat dies nichts mehr zu tun. Auch Sie sollten dies beherzigen und von anderen nicht zu viel verlangen: Vom Arzt keine Abenddiagnose, vom Computerfachmann keinen Hausbesuch – und vom Coach kein kostenloses Coaching.
Wer die Regeln des Networkings nicht kennt, kommt über den Status einer losen Bekanntschaft nie hinaus.