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Dabei bin ich selbst ein Tollpatsch

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Als Mutter von sieben Kindern, erlebt man zwangsläufig und über all die Jahre Situationen, vor denen man sich vom Tag der Geburt seiner Babys fürchtet.

Solange sie noch klein sind – und auch da können wir einfach nicht immer alles vorausschauend im Auge haben und jede potentielle Unfallgefahr aus dem Weg räumen, außer, wir wickeln unsere Sprösslinge in Watte und sperren sie in einen gepolsterten Raum – geben wir uns selbst die Schuld, stoßen oder klemmen sie sich, fallen sie hin oder erschrecken sich, um traumatisiert in infernalisches Gebrüll zu verfallen, dem man anfangs entnehmen könnte, sie stünden für den Rest ihres Lebens unter Schock.

Minuten später sitzen die Kurzen wieder lachend beim Spiel und wir Eltern kauern zitternd in der Ecke, um uns mit Selbstvorwürfen zu foltern, nicht besser aufgepasst zu haben.

Aber wir können, ob wir es einsehen mögen oder nicht, unsere Kinder nicht vor allem beschützen. So vieles lernen sie einzig auf dem Weg, sich daran zu erproben und wenn man sämtliche potentielle Risiken von ihnen fern halten möchte, dürfte man ihnen eben keine einzige Selbsterfahrung zusprechen. Damit nähmen wir ihnen aber auch die Chancen, im Leben später souverän ihren Weg zu gehen, statt verängstigt ein Dasein in der Ecke zu führen.

Zähle ich die Stunden, die ich allein mit meinen Kindern bisher schon in Arztpraxen und Notaufnahmen saß, um haarsträubende Abläufe, die zu ihren Unfällen führten, zu erklären, denke ich mir oft, diese Zeit hätte ich lieber mit Urlaub verbracht. Und die Blicke eben jener Ärzte, die skeptisch schauend all diese Geschichten anhören, während man ihren Gesichtern ablesen kann, dass sie einem nur glauben müssen, ob sie wollen oder nicht.

Welches Kind trifft beim Rennen denn so zielgenau die Kante des Kühlschranks, dass sich eine blaue, breite und vor allem geschwollene Grenzlinie, genau mittig durch das Gesicht zieht?

Wie kann ein Kind mit so einer Wucht unaufmerksam gegen einen Brückenpfeiler laufen, dass die Nase der eines Nasenaffen gleicht oder beim Fast Food Restaurant, mit der Stirn gegen die Speisekarte scheppern, dass es wie ein Einhorn aussieht?

Ich saß bereits mit meinen Kindern in der Ambulanz des Krankenhauses, weil sie sich die Hände aufgeschnitten hatten, indem sie mit diesen durch Glastüren gingen oder sich an den Kanten eines zur Reparatur, in der hintersten Ecke des Gartens, in der sie sonst nie spielen, aufgestellten Kompostgitter, tiefe Schnittwunden zuzogen.

Eine meiner jüngeren Töchter schlug beim Laufen mit der Stirn gegen das Sofa, sprang reflexartig und brüllend auf, fiel dabei erneut hin, krachte ein zweites Mal gegen die Kante und wir saßen letztendlich einer skeptischen Ärztin gegenüber der wir den Ursprung der beiden Hörner zu erklären versuchten.

Till, mit seiner unverblümten Art, schockierte sogar einmal einen Arzt in der Notaufnahme, indem er lässig erklärte, bereits Stammgast dort zu sein und man müsste seine Akten in einem eigenem Schrank, im Archiv finden.

Wie viele Abende saßen mein Mann und ich kopfschüttelnd zusammen und versuchten zu verstehen, warum ausgerechnet unsere Kinder so tollpatschig waren, dass sie jede Gefahrenquelle mit einer solchen Präzision auszuloten wussten?

Und dann versucht man sich scherzhaft gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben, wer die Katastrophen-Gene weiter vererbt haben könnte.

Nach meiner Meinung eindeutig mein Mann!

Aber dann fallen mir all die Situationen ein, in denen ich selbst die Belastungsfähigkeit meines Körpers austestete.

So fand ich, beispielsweise, als Kind einen Haufen kleiner Glasscherben, die ich für kostbare Diamanten hielt. In der Hoffnung, unsere Familie reich zu machen, stopfte ich mir die Hosentaschen mit den Scherben voll, fuhr auf meinem Rad nach Hause, stürmte in die Küche meiner Großeltern, berichtete Oma aufgeregt von meinem Fund und nestelte nervös eine Hand voll Diamanten aus meiner Tasche, die ich ihr entgegen hielt.

„Mensch, Kind, das sind keine Diamanten!...“ schrie sie entsetzt auf, ich schaute auf meine Hand, stellte kurz fest, sie habe Recht, es handelte sich um Rubine, dann fiel ich ohnmächtig um, denn mein eigenes Blut zu sehen, war schließlich doch zu viel.

Ich war auch ziemlich abenteuerlich, spielte oft stundenlang im weiteren Umkreis meines Großelternhauses und ließ mich zum Abendbrot rufen.

So hatte ich den Nachmittag auf dem nahen Spielplatz verbracht und als die Stimme meiner Mutter durch das Tal hallte, ich möge nach Hause kommen, schwang ich mich auf meinen Tretroller. Ein etwas kompakteres Modell, als man sie in der heutigen Zeit sieht, vergleichbar mit dem Umfang eines Fahrrads, einer Bremse für das Hinterrad, großen Luftreifen und Gepäckträger.

Mit Tempo schoss ich die Straße zu meinem Zuhause hinunter, erkannte, etwas zu schnell zu sein, um in einer eleganten Kurve in die Einfahrt einzubiegen, und so trat ich reflexartig, wahrscheinlich auch etwas zu heftig, auf die Rückbremse. Der Tretroller taumelte, kam von seiner Bahn ab und um mich nicht nach vorn zu überschlagen, riss ich den Lenker in die Höhe. Beim Versuch das Gleichgewicht zu halten, muss ich dabei den Fuß von der Bremse genommen haben und so vollführte ich ein Kunststück, das uns allen bis heute schleierhaft ist, denn ich fuhr hinten auf einen geparkten VW-Käfer auf, hatte so viel Schwung, um bis auf sein Dach und vorn wieder herunter zu fahren. Gebremst hat mich dann unser Gartenzaun, vor dem ich liegen blieb.

Oft, als ich später erwachsen war, sinnierten meine Großeltern und mein Onkel, dass ich ein Kind gewesen wäre, an dem man seine Nerven erproben konnte.

Ich hatte mir den Arm an frischen Kaffee so verbrüht, dass der Nylon-Pulli sich in meinen Arm hinein schmolz. In einer Phase, später Stuntgirl zu werden, war ich kopfüber, in meiner Puppenkarre sitzen, in einem Haufen Rollsplitt gelandet und dort stecken geblieben. Nicht hören wollend, bediente ich, trotz Verbot, die Brotmaschine und schnitt mich gleich zweimal so heftig, dass auch meine Familie mit mir in die Notaufnahme musste.

Besonders der zweite diesbezügliche Unfall ließ den diensthabenden Arzt ebenfalls skeptisch gucken, denn ich hatte es geschafft, mir fast die Kuppe meines Mittelfingers an einer Brotmaschine abzuschneiden, die mit einer Kurbel, manuell, bedient wurde.

Beim Versuch, schnell, unter fließendem Wasser, einen Schneebesen abzuwaschen, bohrte ich mir einen kaputten Draht gleich einmal längs durch meinen Zeigefinger, rannte schreiend zu meiner Oma, die dann vor Schreck über den Anblick in die Knie ging. Genau neben mir, denn ich lag schon besinnungslos vor Panik am Boden.

Aber auch später sorgte ich für fulminante Unfälle.

Beim Go-Kart fahren, schoss ich über die Absperrung hinaus und parkte, samt meinem Gefährt unter dem Hintern, akkurat senkrecht nach oben, an einem Betonpfeiler klebend.

Im Wahn von Geiz, trug ich zu Hause stolz extrem günstig erstandene Flip Flops. Auch, als ich mir, kopfüber in die Wanne gebeugt, die Haare wusch.

Mit der Duschbrause in der Hand, konnte ich nicht schnell genug reagieren, als meine Flip Flops auf den Fliesen weg rutschten und so krachte ich ungebremst mit dem Oberkörper auf den Rand der Wanne, wo ich, wie ein nasses Handtuch, mit zwei angebrochenen Rippen, für gefühlte Minuten, um jeden Atemzug kämpfend, liegen blieb.

Beim Versuch, eine volle Kaffeetasse in den Garten zu balancieren, verschüttete ich nicht nur ein wenig des Inhalts, genau vor der Treppe, nein, ich rutschte gleich auch noch darauf aus, polterte in einer Slapstick reifen Szene die Treppen hinunter, verbog mir meinen großen Zeh so, dass er zum Fußgelenk zeigte und riss mir gleich noch die Außenbänder am Knöchel ab.

Im Laufe all der Jahre, hatte ich mir schon Angelhaken, Schrauben, Nägel und Glasscherben aus den Füßen ziehen müssen, in die ich getreten war. Einmal sogar einen abgebrochenen Zahnstocher.

Wie sehr ich mich auch anstrengte, an Abenden, in denen Joe und ich verzweifelt versuchte zu analysieren, wie ausgerechnet unsere Kinder so anfällig für Alltagsunfälle waren, konnte ich die Bilder meiner eigenen Pannen nicht ausblenden.

Darüber schwieg ich jedoch lieber, nickte meinem Mann selbstgefällig zu und fragte, leicht arrogant, ob er denn nicht einmal erzählen möchte, wie er als Kind so war.

Moppelchens Chaosbande ...Ehe, man!

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