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Mein Märtyrer

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Ich bin stolz auf meinen Mann.

Für ihn steht die Familie und deren Wohlbefinden immer an erster Stelle und es käme ihm gar nicht in den Sinn, zuerst an sich selbst zu denken.

Und oft genoss ich auch lächelnd die fast neidischen Bewunderungen meiner Freundinnen, wenn sie mir versicherten, Joe sei eine seltene Ausnahme, was die männliche Leidensfähigkeit betrifft. Während ihre eigenen Gefährten Vorsorgevollmachten und Testament aufsetzten, zeigten sich auch nur die ersten Anzeichen eines Schnupfen, würde mein Mann selbst noch mit Lungenentzündung, am Steuerrad eines alten Segelschiffs stehen und lachend dem eisigen Sturm entgegen brüllen, ob Wetter und Meer nicht mehr zu bieten hätten, um ihn heraus zu fordern.

Ja, sie hatten recht, Joe klagte selten, zog sich bestenfalls zurück, wenn er kränkelte, aber zugeben, dass ihn ein paar Viren oder Bakterien würden umhauen können, erlebte man bei ihm nicht. In meinen Augen, war er einfach der tapferste Mann, den ich kannte.

Ich selbst ein jammerndes Elend, wie es im Buche steht, drohte auch nur eine Erkältung in mir einzuziehen, schämte mich manchmal, nicht ein wenig mehr sein zu können, wie der Mann meines Herzens.

Er machte auch kaum große Worte, wenn es um seine Gesundheit ging. Anfangs zumindest nicht. Im zunehmenden Alter zeigte sich dann langsam jedoch schon, dass seine Fähigkeit, mit körperlichen Leiden umzugehen, etwas nachließ.

Im Laufe seines Lebens hatte er lächelnd ertragen, wie man ihm, ohne Betäubung einen entzündeten Weisheitszahn zog oder eine kleine Kopfwunde nähte. Nachdem er sich mit einer Kettensäge verletzt und sich tief ins Bein geschnitten hatte, ärgerte ihn eigentlich nur, dass er die Hose, die er gern trug, nun wegwerfen müsste. Einen Ausdruck des Schmerzes, suchte man umsonst in seinem Gesicht.

Den ersten Männerschnupfen, hatte Joe dann zum Ende seines vierzigsten Lebensjahrzehnts. Zum ersten Mal, in all den Jahren, die ich ihn kannte, lag er röchelnd auf dem Sofa und versicherte uns allen immer wieder, wie sehr es ihn innerlich zerriss uns womöglich bald verlassen zu müssen. Bis ich begriff, mein Mann leidet gerade auf die sonst so oft und scherzhaft erwähnte Männerart, glaubte ich tatsächlich, sein Ableben stünde bevor. Doch später witzelten meine Schwiegermutter und ich, dass unser Joe vielleicht einfach ein Spätzünder sein könnte, wenn er erst im fortgeschrittenem Alter Männerschnupfen kennen lernen musste.

Aber auch das war für mich kein Grund, mein Ansehen ihm gegenüber, in irgendeiner Form herab zu setzen. Wusste ich doch, dass ich viel schlimmer bin und war, als er je sein könnte.

Einen großen Unterschied gab es jedoch zwischen uns: Meine Bereitschaft, fühlte ich mich kränklich und wähnte mich im Sterben liegend, nach Heilmitteln zu greifen. In Massen bitte. Hemmungslos Apotheken und Drogerien leer kaufend und selbstverständlich sämtliche Heilpflanzen von Mutter Natur, in innerlichen und äußerlichen Anwendungen verwendend.

Joe ist das ganze Gegenteil.

Nein, wenn er leidet, dann wie ein gestandener Mann. Was ihn nicht umbringt, macht ihn härter. Ein Märtyrer, dessen Körper sich ganz ohne Hilfsmittel zwischen Tod und Leben zu entscheiden hat.

Seit vielen Jahren und mit Absegnung meines damaligen Hausarztes, der ganz begeistert von meiner Rezeptur war, rühre ich für uns Erkältungssalbe an, die wir dann, bei Schnupfen und Husten, auf die Brust reiben und inhalieren. Ich war es irgendwann leid, die teuren Salben zu kaufen, deren Inhaltsstoffe, meiner Meinung nach, oft eher dürftige Unterstützung im Kampf um die Stärkung des Immunsystems boten, dafür aber preislich in stolzer Höhe lagen. So recherchierte ich über Heilpflanzen, kaufte ätherisch reine Öle und Essenzen und braute die eigene Salbe, die uns auch wirklich gut half, die Erkältungszeit zu überstehen.

Uns, meinen Kindern und mir, ja. Nicht meinem Mann. Er weigerte sich sie anzuwenden. Nicht, weil er mir misstraute, sondern weil er sie, mit seinen Worten: nicht bräuchte.

Sein Körper würde auch ohne Heilmittel wieder gesund werden.

Nun, das mochte ich auch nie bestreiten. Er hatte diesbezüglich ja hinreichende Erfahrungen gesammelt. Allerdings war es nicht gerade leicht, seine immer länger werdenden Genesungszeiten, mit Geduld zu überstehen. Zumindest, wenn er tatsächlich hin und wieder den berüchtigten Männerschnupfen bekam.

Stöhnen und keuchend, röchelnd und hustend, sich unruhig windend, wälzte er sich nachts neben mir. An Schlaf war nicht zu denken. Weder für ihn, noch für mich.

Nur unter Zwang, ließ er sich von mir mit Erkältungssalbe einreiben. Aber das auch nur gelegentlich, nach endlosen Debatten und Drohungen meinerseits, ihn auszuquartieren, wenn er sich nicht wenigstens soweit helfen ließe, dass auch wir hin und wieder ein Auge zu machen könnten.

Als Joe sich dann unbewusst einen zwei Zentimeter großen Stein, im Nierenbecken angezüchtet hatte, wand er sich monatelang unter fürchterlichen Koliken, weigerte sich aber zum Arzt zu gehen. Nicht, weil er Angst vorm Doktor hatte, sondern weil er befürchtete, vorübergehend auszufallen und die Arbeitskollegen im Stich zu lassen.

Seine Quittung folgte, als nur noch eine Reihe Operationen möglich waren, die ihn mehrfach in die Klinik und für Wochen zu Hause, ans Bett fesselten.

Sollte man glauben, er habe dadurch gelernt, vielleicht zumindest gelegentlich etwas mehr auf seine Gesundheit zu achten, kannte man Joe nicht. Er weitete teilweise sogar noch aus, auf Dinge zu verzichten, die Schutz bieten könnten. So auch auf Mückenabwehr.

Nach einem sehr regnerischen Frühjahr, folgte ein besonders heißer Sommer und das ganze Land litt unter, besonders nächtlichen, Mückenplagen. Unsere Jüngste, Tara, sah nach zwei Nächten aus, als hätte sie die Windpocken und wir zählten am Körper der Zweijährigen mehr als einhundertneunzig Mückenstiche, die sie juckend quälten.

Auch die restliche Familie glich einem Zuchtlabor für Blattern. Überall waren die wirksamsten Mittel gegen Mücken ausverkauft und auch elektronische Abwehr kaum erhältlich. So beschloss ich, wie damals schon, bei der Erkältungssalbe, eine eigene Abwehr anzurühren.

Ich versetzte Bodylotion mit ätherischen Ölen, deren Geruch von Mücken angeblich als unangenehm empfunden werden, Dezent duftete es, roch nicht einmal unangenehm für uns und ab dem ersten Abend, an dem wir uns einrieben, hatten wir ruhige Nächte.

Nur nicht Joe.

Der lobte die Idee mit der Mückenabwehr, betonte erfreut immer wieder, dass er stolz auf meinen Einfall sei, wenn er sich die nun nicht mehr zerstochenen Kinder ansah. Aber selbst rieb er sich nicht ein.

Jeden Morgen stand er auf, verzweifelt das sich Kratzen unterdrückend und mit jedem Tag schlimmer aussehend, bald kaum noch eine Körperstelle ohne Stiche, dafür auf die kleinen Blutsauger schimpfend und sie verwünschend.

Riet ich ihm, sich doch mit der Mückenabwehr einzureiben, versicherte er mir, das am Abend auch auf jeden Fall zu tun.

Er ging wieder ohne unser Mückenschreck ins Bett, wälzte sich, unter dem hellen Summen der Insekten, hin und her, schlug rhythmisch um sich und brummelte im Schlaf seine Flüche.

Mit dem kühlen Herbst verschwanden die Mücken allmählich und die Erkältungssaison begann. Im Kreis meiner Freundinnen fielen die ersten Opfer unter den Männern und wir saßen bei einem gemütlichen Kaffeeklatsch zusammen.

Wieder drehte sich das Thema um die daheim vor sich hin sterbenden Gatten und irgendwann fiel er wieder, dieser Spruch: „Ach Silia, so gut, wie Du es mit Deinem Mann getroffen hast, hätte ich es auch gern einmal!“

Moppelchens Chaosbande ...Ehe, man!

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