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Namenstattoo

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Ich habe es wahr gemacht!

Das gute, alte Moppelchen hat sich ein neues Tattoo gegönnt. Nicht mein erstes, denn am Oberkörper habe ich ja schon welche. An den Armen und eine selbstgemachte Jugendsünde am Bauch, die, nach einigen Jahrzehnten und Schwangerschaften jetzt bestenfalls wie die Landkarte von Peter Pan wirkt.

Niemals, so schwor ich mir einst, würde ich mir den Namen meines Partners tätowieren lassen. Wie sieht das denn aus, wenn die Beziehung in die Brüche geht und ein neuer Mann ins Leben tritt? Kommt dann ein dicker Balken und der neue Name darunter? Und wenn dieser Mann auch nicht der richtige fürs Leben war, sieht man bald aus, wie ein Telefonbuch.

Nun, gut, ich werde älter, wählerischer und da ich mir absolut sicher bin an der Seite meines Traummannes alt werden zu können, war es zuerst nur ein spontaner Gedanke, den ich immer wieder verwarf, schob er sich verschämt kichernd in meinen Kopf.

Doch immer öfter stahl sich der Gedanke meine Zeit und ein bisschen wehmütig seufzte ich dann doch schon, bei der Vorstellung, mit seinem Namen, auf meinem Körper, zu zeigen, wem mein Herz, auf alle Ewigkeit, gehört.

Es sollte symbolisch sein, dezent, dennoch auffällig. Mystisch, zeitlos und für meine Liebe stehen.

Die erste Aufgabe war, mir zu überlegen, an welcher Körperstelle es gut zur Geltung kommen würde, eben sichtbar und doch wie ein dezenter Schmuck.

Welch schadenfrohe Macht mir auch im Geheimen zu geflüstert hatte, ideal sei die Region, um meinen linken Knöchel, sie muss sich herzlich amüsiert haben, als ich ihr zustimmte.

Aber in dem Moment schien es mir, als die perfekte Stelle. Leicht zu bedecken oder zu betonen, schmückend, vor allem im Sommer, auf der Seite meines Herzens. Nein, einen bessern Platz gäbe es wohl kaum. Außerdem musste ich an die Folgen des Alterns denken. Ich bin schließlich kein Benjamin Button, der sich immer weiter verjüngt. Mein Körper wird an so vielen Partien weicher, fürsorglicher, durch immer mehr Falten, die sich wärmend um mich legen wollen, wie eine lockere Decke und insgesamt huldigt die Haut der Mutter Erde indem sie sich ihr entgegen neigt. Nicht aber am Knöchel, der straff, wie eh und je, auch noch die nächsten Jahre relativ knitterfrei bleibend zu versprechen schien.

Nachdem ich also wusste, wohin ich das Tattoo haben wollte, ging es daran, das Motiv zu finden und zu entwerfen. Geheimnisvoll sollte die Schrift sein, umrankt von Efeu, das für mich Beständigkeit und Kraft symbolisiert. Und dann fasste ich mein Mütchen an der Hand, um es zum Tätowierer zu schleppen, mit dem ich alle Details besprach, meine Anzahlung leistete und den Termin bekam.

Heute war es schließlich soweit.

Vor Aufregung hatte ich kaum geschlafen und mein Mann beobachtete mich mit zunehmender Skepsis. Er ahnte, dass ich ein Geheimnis hatte, doch nicht welches. Und das rührte auch eine kleine Dosis Misstrauen. Mich störte es nicht einmal. Im Gegenteil, denn ich war überzeugt davon, umso überraschter würde er staunen, käme ich mit dem Tattoo, zu Ehren meiner Liebe zu ihm, nach Hause.

Nervös betrat ich das Studio. Hatte ich etwa Angst? Natürlich nicht! Es war doch nicht mein erstes Tattoo und ich wusste, dass es zwar nicht sonderlich angenehm würde, aber durchaus aushaltbar. Was sollte ich, die mehrere Kinder geboren hatte, schon fürchten? In weniger als 3 Stunden, trüge ich mein neues, mich lebenslang begleitendes Schmuckstück stolz heim. Das musste einfach nur übergroße Vorfreude sein, aber ganz sicher keine Angst.

Ich saß auf der Liege, erst noch den Fuß auf einen Hocker gestützt, damit der Tätowierer die Schablone auftragen konnte. Was würde das schön werden! Ich grinste, dass meine Mundwinkel sich am Hinterkopf trafen. Das tat ich auch noch, als es endlich losging, ich mich entspannt hinlegte, das Surren der Maschine begann und ich die Hand des Tätowierers an meinem Bein spürte.

Und dann begann der Albtraum, die Folter, die unendlich langsam verstreichenden Momente grauenvoller Tortur, bei der der Tätowierer – ich habe es genau gesehen, als ich für einen winzigen Moment meine Tränen unterspülten, fest zusammen gekniffenen Augen öffnen konnte – den diabolisch verzerrten Gesichtsausdruck eines Höllensadisten hatte.

Die Pause, die wir nach einer Stunde kurz machten, wollte ich bereits zur Flucht nutzen, sah aber, durch meine verquollenen Augen nicht einmal mehr die Ausgangstür. Zu diesem Zeitpunkt steckten meine Fingernägel längst - ohne mich - in der Unterseite der Liege. Als kühle sich meine Haut ab, wurde der Schmerz für einen Moment erträglicher und da ich eh nicht flüchten konnte, ergab ich mich meinem Schicksal zur zweiten Runde, bei der der Tätowierer noch einmal das ganze Repertoire seiner Folterfähigkeiten unter Beweis stellte.

Es war fast wie bei einer Geburt. Kam der Moment, in dem man fluchend schwor, dies alles überhaupt nicht mehr zu wollen, jetzt einfach zu gehen und alle zusehen zu lassen, wie sie allein weitermachen konnten, war es vorbei. Aber um das zu merken, musste mich der Tätowierer erst einmal aus meinem Trauma rütteln, unter dem ich, noch immer meine Finger in die Liege krallend und mit zu einer Faust verzogenem Gesicht, völlig erstarrt dalag.

Ich verfluchte innerlich alle. Meinen Mann, der eindeutig die Schuld an meinem Schmerz trug, denn wäre er nicht er selbst, hätte ich nie solche Liebe empfunden, die mich in die Verstümmlung trieb. Meine Schwiegereltern, meinem Mann keinen kürzeren Namen gegeben zu haben und überhaupt, dass sie ihn zu dem gemacht hatten, den ich lieben musste.

Zugegeben, das Ergebnis konnte sich sehen lassen, aber das hätte ich in dem Moment, nicht eingestehen wollen. Ich wollte einfach nur nach Hause, ins Haus stürmen und meinen Mann anschreien, um ihm vorzuwerfen, nicht unliebsamer zu sein, denn das hätte mich nie verleiten können, mir dies hier anzutun.

Die erste Wut bekam jedoch der Tätowierer ab, der mich lächelnd ansah und meinte, das Nachstechen sei selbstverständlich kostenlos.

„Am Arsch!“ raunzte ich ihn an „Du kommst nie wieder an meine Haut, Dämon!“

Sein dröhnendes Lachen hörte ich noch, bis ich draußen im Auto saß, zu dem ich mich humpelnd geschleppt hatte.

Zu Hause wartete Joe und sah mich abwartend an. An meinem Gesichtsausdruck erkannte er auch meine Laune, schwieg deshalb, beobachtete mich jedoch weiter. Natürlich war ich mir dessen bewusst und mit jeder Minute, wurde der Zorn ersetzt von Verzweiflung.

Mein Huf pochte und brannte, als wäre er mit Säure übergossen worden. Ich schielte zur Streitaxt, die als Deko am Gebälk hing und fragte mich, ob sie wohl Knochen durchtrennen und meinen sicherlich bereits toten Fuß von mir entfernen könnte. Den Blick meines Mannes auf mir spürend, rollte schließlich eine Träne über meine Wangen, die ich krampfhaft zurück zu halten versucht hatte. Im Nu war Joe bei mir, versicherte, was auch immer ich ihm nun erzählen würde, es gäbe nichts, wofür er nicht Verständnis hatte.

Und dann brach es aus mir heraus.

„Verständnis?“ jaulte ich „Der hat mich so gequält! Joe, lass nie wieder zu, dass ich so etwas mit mir machen lasse!“ Dann heulte ich richtig los.

Mein Mann sprang auf, schnaubte, sein Kopf verfärbte sich in grenzenloser Wut, dann brüllte er los: „Wer ist das Schwein? Den mach ich platt. Ich reiß dem das Bein raus und schlag ihm damit den Schädel ein!“

Und so langsam wurde mir bewusst, dass Joe ja gar nichts von meinem Fuß wissen konnte, wahrscheinlich ganz andere Gedanken im Kopf hatte und nun glaubte, meine Ehre verteidigen zu müssen.

Irgendwie fand ich das nun wieder auch süß von ihm und bevor er noch etwas tun konnte, was er bereute – obwohl ich kurz darüber nachdachte, ihm erst alles zu erzählen, wenn er den Tätowierer durch das Studio geboxt hätte – fasste ich nach seiner Hand, zog ihn zurück auf das Sofa und grinste schief. Dann zog ich das Hosenbein hoch, entfernte die Folie und hielt ihm meinen Fuß entgegen.

Sprachlos starrte er darauf, musste erst einmal begreifen, was ich getan hatte, las seinen Namen, schaute mir in die Augen, riss mich an sich und versicherte mir, wie sehr er auch mich liebe.

Sein nächster Satz versöhnte mich dann auch schon wieder etwas mit den Qualen: „Maus, da müssen wir aber morgen auch los und Dir richtig hübsche, neue Schuhe kaufen!“

Ich dachte nach, nickte und als wir zwei Tage später dann mit den neuen Schuhen nach Hause fuhren, flüsterte ein kleines Teufelchen auf meiner Schulter schon wieder, dass ich doch sicherlich auch über neue Unterwäsche nicht unglücklich wäre, wenn ich mir das Portrait meines Mannes auf die Brust stechen lassen würde.

Diesmal jedoch, blieb ich eisern.

Moppelchens Chaosbande ...Ehe, man!

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