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Füreinander einstehen
ОглавлениеEiner trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
GALATER 6,2
Heute feiern wir in der Gemeinde Abendmahl. Wir stellen uns in kleinen Gruppen zusammen und teilen unter uns das Brot und den Wein. Leise Musik läuft im Hintergrund und untermalt das feine Gemurmel – Worte der Ermutigung und Verheißungen, die wir uns gegenseitig zusprechen. Selten empfinde ich die Gemeinschaft und unsere Zusammengehörigkeit so stark wie beim Abendmahl. Bei aller Unterschiedlichkeit stehen wir füreinander ein, gehören zusammen, sind ein Leib. Als ich mich umsehe, bleibt mein Blick an einer Frau hängen, die sich nicht zu einem dieser Kreise gestellt hat, sondern an ihrem Platz sitzen geblieben ist. Ich weiß auch, warum. Sie lebt, wie man in frommen Kreisen zu sagen pflegt, in Sünde. Leidet selbst daran, kämpft, kann nicht loslassen. Hinkt auf beiden Seiten und geht daran kaputt. Will vertrauen und schafft es nicht. Weiß, dass die Wege, die sie geht, nicht gut sind, aber verlässt sie trotzdem nicht. Deshalb ist sie sitzen geblieben und nicht zum Abendmahl gekommen. Mit versteinertem Gesicht und Tränen in den Augen sitzt sie da. Ausgeschlossen, allein, ohne Worte der Ermutigung und der Verheißung. Mir zerreißt es schier das Herz. Wenn jemand hier in diesem Raum ein Stück von Jesus braucht, dann sie. Ohne weiter zu überlegen, nehme ich das größte Stück Brot, das ich finden kann, vom Teller und reiße es entzwei. Während alle anderen in tiefer Andacht versunken sind oder fröhlich ihr Brot vor sich hinmümmeln, husche ich schnell zu ihr hinüber, reiche ihr das Stück Brot und flüstere ihr zu: »Hier, ich geb dir was von meinem Brot ab – das reicht für uns beide.« Kurz nehme ich sie in den Arm, genauso kurz wiege ich sie einen Moment hin und her, bevor ich wieder auf meinen Platz zurückkehre.
Wenn sie schon der Vergebung nicht glauben kann, dann soll sie meinen Glauben an die Vergebung haben. Wenn sie schon die Freiheit im Moment nicht ergreifen kann, dann soll sie meine Freiheit haben. Wenn sie schon nicht vertrauen kann, dann gebe ich ihr von meinem Vertrauen ab. Wenn sie im Moment nicht die Kraft zu Gehorsam und Konsequenz findet, dann soll Jesus eben meinen Gehorsam nehmen.
Ich gebe ihr, was sie nicht hat, und hoffe, dass es für uns beide reicht. Für einen Moment bleibe ich andächtig und mit gesenkten Augen stehen. Dann wage ich aber doch einen vorsichtigen Blick in Richtung Jesus. Er sieht etwas verwirrt aus (kein Wunder, das Ganze ging ja auch so was von schnell), dann guckt er etwas ungläubig, und um seine Mundwinkel beginnt es verräterisch zu zucken. Ich glaube, wenn wir jetzt nicht im Gottesdienst wären, würden wir beide in schallendes Gelächter ausbrechen …
In dieser Woche will ich darauf achten, ob es Menschen in meinem Umfeld und in meiner Gemeinschaft gibt, die ich mit meinem Glauben und mit meinem Gebet unterstützen kann. Ich will ihnen abgeben von dem, was ich empfangen habe, und ihnen zur Verfügung stellen, was sie im Moment nicht zur Verfügung haben. Vielleicht hilft ihnen das über eine Durststrecke hinweg.
Vielleicht bin ich aber im Moment auch selbst der Bedürftige, der von jemand anders in der Gemeinschaft mitversorgt werden muss. Dann will ich Scheu und Scham ablegen, mich mitteilen und dankbar annehmen, dass jemand anders seinen Glauben und seine Beziehung zu Jesus mit mir teilt und sich schützend vor mich stellt. So lange, bis ich wieder auf eigenen Füßen stehen kann.
Zum Thema Füreinander einstehen finde ich in der Bibel folgende Texte: 2. Mose 17,8 - 13; Psalm 133; Sprüche 17,17; Römer 15,1 - 3; 2. Korinther 8,13 - 14; Galater 6,2; Hebräer 13,16.