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1.3. ESSEN. ZWISCHEN 5000 KALORIEN UND SALAT PLUS TEE – NORMAL GABS NICHT

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Kannst du dich noch an mein Frühstück vom FAT FRIDAY erinnern? 1,5 Liter Cola Light und zwei Schokoriegel. Natürlich war ich dick, weil ich falsch gegessen hatte. Essen tat ich oft. Viel. Falsch. Dazu habe ich mich wenig bewegt. So kann man es zusammen­fassen. Die Frage ist nur: Warum? Konnte ich damit aufhören?

Ein typischer Ess-Tag aus der fetten Zeit sah so aus:

Frühstück: ließ ich meist ausfallen. Mit dem trüge­rischen Gefühl, „leicht“ in den Tag zu starten. Fatal für Dicke: Wer morgens hungert, wird abends dick.

Ich hatte morgens keinen Hunger. Kein Wunder, nahm ich doch den Löwenanteil meiner Kalorien abends und nachts zu mir – wieder so eine „Kleinig­keit“, die ich erst später begriff.

Körperliche Signale wie Hunger, Durst oder Sättigung spürte ich schon längst nicht mehr. Ich kam damals mit einem halben Liter Flüssigkeit aus. Mehr trank ich nur, wenn es eine Light-Limo war, weil ich der Werbung glaubte, dass mir das gut tat – erfrischend und kalorienfrei. Heute weiß ich, dass Schweine mit künstlichen Süßstoffen gemästet werden. Ein bisschen Saccharin ins Futter und sie fressen unkontrolliert drauf los. Das ist bei Menschen nicht anders. Schaut euch die Statistik an: Wer hat sein Gewicht seit Assugrin-Zeiten reduziert? Niemand. Die Menschheit wird immer dicker und light ist keine Lösung. Also, meistens startete der Tag ohne Frühstück.

Mittagessen: Kantinenessen – ein Hauptgericht, Nachtisch, manchmal auch der Pudding der schlanken Kollegin, die ihn mir wortlos herüberreichte und dazu 1 Glas Cola Light. Das waren trotz allem die vernünf­tigsten Mahlzeiten! Jemand anders bestimmte hier die Menge auf meinem Teller. Dafür war ich zwei Stunden nach dem Essen wieder hungrig.

Snack: 1 Tafel Schokolade. Meist heimlich Stück für Stück aus der Büroschublade. Ein Genuss war das nicht – so heimlich, so nebenbei – und gemerkt hab ich oft erst an der leeren Verpackung, dass die Tafel schon wieder alle war. Da greift der Arm wie fern­gesteuert in die Schublade und trifft nur auf raschelnde, leere Alufolie. Auch das kennen viele Dicke – die Dose Nüsse am Abend ist überraschend schnell leer und man ist sich nicht bewusst, wieviel man gegessen hat. Krimi und Nüsse passen gut zu­sammen. Ich sollte mal recherchieren, ob die Krimi­autoren direkt am Umsatz von Knabbereien beteiligt sind. Na, jedenfalls trieb der Zucker am Nachmittag meine Insulinausschüttungen in den Himmel. Wieder so ein kleines, wichtiges Detail, das ich damals nicht kannte.

Abends: 1 Pizza, 1 Schokoriegel, 1 Glas Limo. Light-Limo, die den nächtlichen Snack unweigerlich nach sich zog und so 500-800 Kalorien zusätzlich brachte – bei den lächerlichen 60 Kalorien, die ich einsparte, weil ich mir keinen Fruchtsaft gönnte.

Nachts: ½ Dose Nüsse. Oder 2 Schoko-Riegel. Oder ein Familienbecher Eiscreme.

Natürlich habe ich mich kaum bewegt und er­nährungstechnisch so ziemlich alles falsch gemacht. Ab und zu hab ich geweint, aber Tränen wiegen nichts, helfen nicht beim Abnehmen, sondern führten höchstens zu einem weiteren Schokoriegel. Die Ent­scheidung, mal wieder mit dem Abnehmen anzu­fangen, kam immer nach so einem Tag. Vollgefressen, fast unbeweglich auf der Couch mit der TV-Fern­bedienung in der Hand und auf einmal taucht auf dem Bildschirm eine schöne Frau auf, in die der Held sich verliebt. Schon war sie da, die Motivation. Stark, leuch­tend, wohltuend. Morgen wollte ich anfangen. Morgen – der Tag, an dem die meisten Diäten beginnen. In der Zwischenzeit hatte ich den Familienbecher Eiscreme ausgelöffelt, manchmal noch mit einem halben Glas Nutella als Schokosoße darüber und geweint, warum mein Leben und ich so schwer waren. Die Frage hab ich mir wirklich gestellt und mir tut es heute noch leid um die dicke, unglückliche Frau auf dem Sofa, die so viele Fehler machte und so wenig wusste.

Motivation ist eines. Von der Zucker-Industrie verarscht zu werden, ist was anderes. Das ist ein ganz wichtiges und sehr großes Thema und deshalb gibt es dazu später das Kapitel 5.2 „Im Griff der Zucker-Mafia“. Viele Fressattacken wären vermeidbar gewesen, wenn ich Insulin, Leptin, Zucker und deren Wechselwirkungen verstanden hätte.

Natürlich habe ich nicht jedes Mal nach so einem Fresstag mit einer Diät angefangen. Es gab mehr Fresstage als Diättage in meinem dicken Leben. Warum? Wo war sie hin, die nächtliche Motivation? Das drückende Gefühl des Magens auf das Herz – ja, dir wird das Herz schwer, wenn du zu dick bist, weil sich der Magen Richtung Herz ausbreitet und von innen auf die Organe drückt – dieses Gefühl ver­schwindet nachts. Du wachst ausgeruht auf und das Gefühl von gestern ist vorbei. Morgens in der Küche fragte ich mich, warum denn mein Mann zum Früh­stück Nutella-Brötchen bekommt, während ich eine strenge Diät durchziehen sollte.

Tja… aber mein Mann hat eben nicht die Familien­packung Eis leergefuttert, die doch nach ein paar Löffelchen zurück in den Kühlschrank sollte. Wenn ich mir mittags fettfreie Salzkartoffeln kochte, schnupperte ich sehnsuchtsvoll über die Gartenmauer zum Nachbarn, wo es Schweinebraten gab. Aber die Nachbarn sind ja neulich nach der Party ohne Fress­paket nach Hause gegangen, während ich die kom­plette Mousse au Chocolat ausgelöffelt habe, damit das Geschirr gespült werden konnte. „Wie nett, Tanja, danke dir.“ sagte dann die Gastgeberin. Tatsächlich gab es Zeiten, in denen ich Essensreste „in mich entsorgt“ habe, anstatt sie in den Müll zu werfen. Tanja, der Reste-Mülleimer.

Der Schmerz ist irgendwann groß genug und die Hoff­nung auf ein schlankes Leben stirbt nie ganz. So sehr kannst du dich gar nicht abschotten, dass dich keine Werbung mehr erreicht, keine schlanke Freundin dich motivieren will oder ein neues Diätbuch dich animiert, es mal mit Apfelessig-Drinks auf nüchternen Magen zu probieren.

Apfelessig. Jahrzehntelang gab es den in meiner Küche. Meist fristete er ein Schattendasein weit hinten im Vorratsschrank. Aber alle Jubeljahre mal hatte er wieder seinen großen Auftritt: 1 großes Glas lau­warmes Wasser, 3-4 Esslöffel Apfelessig einrühren und auf nüchternen Magen trinken. In der WG konnte ich das nicht lange machen. Meine Mitbewohner teil­ten mir mit, dass ich in Apfelessig-Zeiten nach muffigen Socken roch und schlechte Laune hatte. Sie wollten mich lieber glücklich und nach Apfelshampoo duftend. Juchu – schon wieder eine Ausrede, mit den lästigen Dingen aufzuhören – zurück mit dem Apfel­essig in den Schrank. Ich hatte eh kaum abgenommen. Klar stimmte es, dass die Fettverbrennung angekurbelt wird. Aber wenn du 50 Gramm reines Fett in Form von 100 Gramm Erdnüssen zu dir nimmst, kann so ein bisschen Apfelessig-Schorle nicht wirklich etwas ausrichten.

Wenn sie mal da war, die Hoffnung und die Freude auf ein schlankes Leben, setzte ich allerlei Tricks ein. Ich habe von kleinen Kuchentellern gegessen, weil die Menge dann größer aussieht. Das Essen wurde mit einer Dessert-Gabel gegessen statt mit normalem Be­steck. Es gab keine Lebensmittel, für die ich einen Ess­löffel brauchte – zu schnell sind zu viele Kalorien auf einem großen Löffel.

Eine halbe Stunde vor jedem Essen gab es einen Liter stilles Wasser. Auf ex. Das sollte den Magen füllen und die Verdauung anregen. Ich hatte keine Probleme mit der Verdauung, aber jetzt auf einmal mit dem Pinkeln. Weil ich jahrelang nicht genug getrunken hatte, war meine Blase winzig. Eine Blase ist ein Muskel und kann trainiert werden. Aber in der ersten Zeit bin ich 6-8 Mal pro Stunde zum Pinkeln gelaufen. In der Stadt hangelte ich mich an Adressen entlang, wo man gratis pinkeln konnte: vom Fastfood Laden über die Stadt­bücherei zum Rathaus in die Kirchengemeinde, im Kino nochmal schnell reinspringen und dann zum Kunstmuseum. Es nützt ja nichts, für einen Kaffee in eine Bar zu gehen und dort zu pieseln. 10 Minuten später musst du zusätzlich den Kaffee loswerden.

Der menschliche Körper besteht zu 70 % aus Wasser. Ich kam mir in diesen Tage wie eine undichte Gieß­kanne vor. Was für eine Erleichterung, als ich las: Du musst nicht viel trinken. Du kannst deine benötigte Flüssigkeit essen. Nimm einfach Lebensmittel, die 70 % oder mehr Wasser beinhalten. Sofort versuchte ich, den Tag mit Melone, Gurke, Salat, fettfreier Suppe und haufenweise Tomaten zu überstehen. Ich liebe Tomaten – auf einer Bolognese-Pizza und mit Käse überbacken. Da ging es mir wie vielen Fleischessern: Veganes Essen ist ja so lecker! Ein bisschen Hack­fleisch dazu, mit Käse überbacken – ein Traum!

Tomaten pur schmecken ganz anders. Würzöle habe ich mir verkniffen und schon bald konnte ich die roten Dinger nicht mehr sehen. Der Tipp mit der Flüssigkeit stimmte aber. Ich brauchte nicht mehr einen Liter stilles Wasser auf ex vor den Mahlzeiten trinken. Ab­genommen habe ich auch. Aber um welchen Preis!

Ich war ständig hungrig, hatte fürchterliche Laune und war eine Zumutung für meine Mitbewohner, meine Angestellten, für Freunde und Familie. Meist dauerte es nur wenige Tage und jemand schlug vor, gemeinsam zum Essen zu gehen, damit ich wenigstens einmal wieder lächeln würde. „Komm, Tanja, jetzt warst du so streng zu dir – das hast du dir verdient!“ Schon war wieder alles vorbei. Weil ein einziges „normales“ Essen konnte mich zurückkatapultieren in die alten Ess- und Fressgewohnheiten. Das Belohnungsessen war nie die Ausnahme, als die es geplant war, sondern immer der Startschuss zum Abbrechen der Diät. Wenn nicht am gleichen Tag, so spätestens am nächsten.

Mit dem häufigen Besuch diverser Imbiss-Ketten landete ich im Fress-Teufelskreis. Das Essen war zu viel, zu fett, zu süß und ohne nennenswerten Anteil an Nährstoffen. Das hat den Effekt, dass man zwar satt ist, der Körper aber schnell wieder Hunger meldet, weil er nicht die erforderlichen Vitalstoffe bekommt. Folglich isst man weiter/wieder. Durch die fehlende Bewegung wird zusätzlich der Stoffwechsel gedrosselt und alles setzt schneller an. Es ist also wirklich mög­lich, mit wenig Essen, wenn es nur das Falsche ist, auf einem hohen Gewicht zu stagnieren. Ich kenne Dicke, die mit 1500 Kalorien in Form von Pizza und Schoko­lade locker ihr Gewicht von über 100 Kilo halten. Dicke sind dick, weil sie zu viel oder das Falsche essen. Diäten machen nicht schlank, sondern dick. Ein neues Verhalten ins eigene Leben einzubauen, gelingt mit Psychologie und Motivation, nicht mit strengen Regeln. Wer etwas ändern will, muss sich selbst ändern. Erst im Fühlen und Denken, dann im Handeln. Nicht umgekehrt. Noch war ich nicht so weit. Es folgte eine Phase, in der ich mein Gewicht hielt – auf dem hohen Niveau von circa 120 Kilo – und versuchte, mich in diesem dicken Leben gut einzurichten. Die frechen Sprüche konnte ich ja schon, jetzt kamen Ausdrücke mit ein bisschen Humor hinzu wie „Lieber durchs Leben gerollt als durchs Leben geklappert.“ In dieser „ich-bin-rund-na-und-Phase“ habe ich mich von der schlank-machenden Farbe schwarz verabschiedet. Ab sofort war meine Lieblingsfarbe BUNT, dazu witzige, riesige Ohrringe, mit denen ich auffiel. Mit 120 Kilo bist du sowieso nirgends unsichtbar. Also lieber laut, grell und lustig!


Foto Nr. 5 - Unsichtbar geht ja leider nicht. Dann ruhig in Lieblingsfarbe bunt!

Gewicht HALBIERT!

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