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1.5. JETZT REICHT´S! ICH STELLE MICH DER HERAUSFORDERUNG UND WERDE SCHLANK.

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Meine langjährige Beziehung war kaputt gegangen. Wir beide hatten uns auseinander gelebt und obwohl es schmerzhaft war, war es – rückwärts betrachtet – die richtige Entscheidung, sich zu trennen. Wir haben das Wunder einer friedlichen Trennung geschafft und standen uns noch viele lange Jahre sehr nah.

Nun war ich alleine und ich bin nicht gerne alleine. Meinen Job hatte ich noch, meine Wohnung und Freunde auch. Aber mir fehlte ein Partner, mir fehlte die Zweisamkeit. Wem sollte ich denn erzählen, was auf der Arbeit los war, wie toll das Buch ist, dass ich gerade lese und wem zeige ich die vielen lustigen Katzenfotos? Instagram gab es noch nicht und Freude ist nur dann schön, wenn sie geteilt wird. Schmerz kann man schon mal alleine aushalten, aber für Freude braucht es ein Gegenüber. Wem gebe ich einen Gute-Nacht-Kuss, wer streichelt mich? Mit wem mache ich nächstes Jahr Urlaub? Wer will mich denn überhaupt, wem war ich noch wichtig? Von einem Tag auf den anderen war ich einsam. Sogar heute, während ich das schreibe, fast 20 Jahre später, fange ich wieder an zu weinen und fühle die Einsamkeit.

Viel mehr als vorher wurde mir in der Situation mein Gewichtsproblem bewusst. Mit einem Schlag war mir klar, dass ich etwas ändern musste.

Ich hatte die Schnauze voll!

Nicht mit Essen – das natürlich auch – nein, ich wollte so nicht mehr leben. Die ersten Tage der Trennung habe ich wie in Trance verbracht. Gegessen, geschlafen, geweint. Irgendwann waren die Schoko­ladenvorräte aufgegessen und der Kühlschrank leer. Statt einzukaufen, habe ich die Kohlsuppen-Diät ausprobiert. Die machte damals jeder.

Klar ging das nur ein paar Tage gut, aber es war ein Anfang. Zusätzlich hab ich mit dem Joggen begonnen. Low impact. Das ist die nette Umschreibung für 10 Schritte gehen, 10 Schritte langsam joggen. Es war erstaunlich, wie schnell sich meine Kondition erhöhte. In nur einer Woche verlängerte ich meine Strecke um das Doppelte. Klingt klasse, gell?

Es war die Steigerung von 2 Minuten auf 4 Minuten.

Aber nach einem Monat war ich bei 30 Minuten joggen – ohne gehen dazwischen – nur joggen! Ich hatte ein Runners High, ein Hochgefühl, als wenn ich fliegen könnte. Mittlerweile hatte ich darüber gelesen und wusste, dass ich mir das nicht eingebildet habe. Sowas gibt es wirklich und ich wollte mehr davon. Ich wollte mich wieder verlieben und wünschte mir einen Partner an meiner Seite, der mich auf meinem Weg begleiten und bestärken sollte.

Noch weit weg von einem normalen Gewicht, aber mit der guten Jogging-Erfahrung und dem positiven Gefühl, da ich wegen der Kohlsuppe wieder etwas abgenommen hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem Mann.

Das war nicht einfach. Ein Dating-Portal wollte ich nicht bezahlen und die Männer auf der Arbeit kamen für mich nicht in Frage. So suchte ich im Internet und per Kleinanzeige. Ach du meine Güte, was tummeln sich dort für Typen. Das wäre glatt ein eigenes Buch wert.

Andreas zum Beispiel, der einen großen Hund hatte. Ein riesiges Viech, was nach nassem Fell stank und ständig seiberte. Andreas trug immer ein Stoff-Taschentuch mit sich herum, um dem Hund die Schnauze abzuwischen. Als der Hund sich schüttelte, flogen lange Schleimfetzen auf meine Jacke. Angeekelt drehte ich mich weg und er meinte nur: Ja, ist ein bisschen komisch. Das ist eine Züchtung, die haben das alle.

Thomas, der nächste Kandidat, wohnte noch bei Mama. Ich dachte, sowas gibt’s nur im Kabarett. Aber nein! Es ist ein sehr weit verbreitetes Klischee und beruht wohl auf den Geschichten von Tausenden solcher Männer. Thomas entsprach so sehr dem Klischee, dass ich mich nach einer halbe Stunde ver­abschiedete. Von ihm und seiner Mama.

Gerd machte ganz komische Geräusche beim Sex. Ich war völlig überrascht, starrte ihn mit weit geöffneten Augen an, stand dann aus dem Bett auf und kochte Tee. In der Küche wollte ich mir in Ruhe überlegen, was ich sagen könnte. Das hat ihm nicht gefallen. Er zog sich an, war in zwei Minuten zur Tür raus und ließ mich alleine in seiner Küche stehen. Es gab kein zweites Treffen.

Meist hat sich das Kennenlernen bei einem kurzen Treffen im Café schon erledigt. Es ist erstaunlich, wie gut sich manche Männer darstellen können, was sie für wunderbare Anzeigen verfassen und tolle Emails schreiben. Dann triffst du sie und weißt nach einer Minute: Das wird nichts.

Klar war es auch mal umgekehrt. Da kam jemand in die Bar, trat an meinen Tisch und sagte: Mein Freund steht draußen. Er ist mit dir verabredet, hat dich durchs Fenster gesehen und will jetzt nicht rein­kommen. Es sagt, das wird nichts mit euch.

Hatte ich das nötig? Ich wollte nicht mehr diese komischen Typen treffen oder mich nach einem kurzen Blick durchs Fenster abkanzeln lassen – ohne Chance darauf, mich überhaupt vorstellen zu dürfen. Die Selbstzweifel kamen mit Macht zurück. Ist es so, wenn du dick bist, dass du jemanden nehmen musst, der dir nicht gefällt – nur, um nicht einsam zu sein?

Aber noch wollte ich nicht aufgeben. Ich vergrößerte den Radius bei den Kleinanzeigen, schrieb auch Männer an, die nicht in der gleichen Stadt wohnten wie ich. So fand ich Peter. Was für ein Mann! Witzig in der Anzeige, locker beim ersten Telefonat und mit viel Charme und Esprit bei allen Gesprächen, die zum ersten Treffen führen sollten. Peter schwärmte von Frauen. Er sagte, er liebe Frauen, ihren Duft, ihre Körper, ihre Weiblichkeit. Es wäre ihm egal, ob die Frauen alt oder jung, dick oder dünn seien. Er liebe alle weiblichen Formen.

Mit ist gar nicht aufgefallen, dass er nicht von mir sprach, sondern von Frauen im Plural. Ich hörte nur „egal, ob dick oder dünn“ und meine Skepsis, was unbekannte Männer betraf, schmolz wie Eis in der Sonne. Schon am nächsten Tag fuhr ich die 100 Kilo­meter in seine Heimatstadt und wir trafen uns. Nach weniger als einer Stunde waren wir in seinem Bett und da blieben wir für ein paar wirklich aufregende Stunden.

Leider hat auch diese Story kein Happy End. Peter rief mich direkt am nächsten Tag an und sagte: „Tanja, es war toll mit dir – danke für diese Erfahrung. Du bist wirklich etwas Besonderes. Jetzt suche ich mir wieder eine schlanke Frau und dann auch nochmal eine Ältere – boah, ihr seid alle so aufregend – ich liebe Frauen!“

WAAAS?


Foto Nr. 7 - Dieses nette Foto erhielt ich zur Aufmunterung von meinem Bruder.

Ok. Keine Kleinanzeigen mehr und kein Treffen mit (fast) Unbekannten. Einmal wollte ich es noch probieren und wenn es dann nicht klappte, lieber alleine leben. Ich hatte zu der Zeit noch nichts von „The Secret“ gehört, keiner sagte mir, dass ich meine Wirklichkeit selbst erschaffe und das Buch „Bestellungen ans Universum“ war noch nicht erschienen. Oder ich kannte es damals nicht.

Also setze ich eine Anzeige im Internet auf, bekam richtig viel Post und traf IHN. Wochenlang haben wir jeden Tag telefoniert, mehrmals am Tag Emails hin- und hergeschickt und uns gründlich kennengelernt. Auch Fotos haben wir ausgetauscht, Portraitfotos, keine Ganzkörperfotos. Er fühlte sich an wie mein Hauptgewinn.

An einem Montag trafen wir uns zum Essen. Ja, so sicher fühlte ich mich, dass ich mich in einem Restaurant verabreden wollte und nicht nur in einem Café. Wir saßen uns gegenüber, prosteten uns zu und gerade, als der Kellner sich dem Tisch näherte, um die Essens-Bestellung aufzunehmen, sagte er feierlich: „Nimm´s mir nicht übel. Aber du bist sooo dick – da krieg´ ich keinen hoch.“ Er stand auf und ging. Weinen konnte ich in dem Moment nicht.

Ich habe tapfer die Rechnung bezahlt – es waren ja nur zwei Getränke – und bin, ganz alleine und aufgebrezelt in meiner Abendgarderobe, zu McDonalds gefahren. Nach einem Umweg über den Bahnhof, wo man Tag und Nacht einkaufen konnte und ich mich mit viel Schokolade eindeckte, fuhr ich nach Hause und da kamen endlich die Tränen. Dann also ein Leben ohne Partner. So erniedrigen lassen wollte ich mich nie wieder.

Das ganze Leben ist schwierig mit Übergewicht. Mode, Gesundheit, Partnersuche, einfach alles. Ob Schlank-Sein die Lösung war? Würde ich dünn andere Männer anziehen als jetzt? Ach, das war so eine utopi­sche Frage… Mit der Kohlsuppen-Diät hatte ich mir mühsam 7 Pfund heruntergehungert. Jetzt waren gerade 8 Kilo wieder drauf. Ja, Kilo, nicht Pfund.

Das Thema Partnersuche war für mich vorerst be­endet.

Eine gute Freundin, die als Paartherapeutin arbeitete, riet mir: Mach etwas Neues in deinem Leben. Such dir ein Hobby, fang wieder mit dem Joggen an und denk nicht mehr an Männer. Wenn es dir selbst gut geht, wird dein Traumprinz dich finden. Er wird dich attrak­tiv finden, weil du dir selbst gefällst. Du musst weg von deiner Idee, dass dich jemand auf deinem Weg be­gleitet und dich unterstützt. Ein Mann ist nicht dazu da, deine Probleme zu lösen. Das musst du schon selbst erledigen. Ja sicher ist das schwierig. Aber wenn du das geschafft hast, wirst du eine so tolle Ausstrah­lung haben, dass du von innen leuchtest, dass du lächelst, dass die Menschen mit dir zusammen sein wollen und sie kommen auf dich zu – dann brauchst du nicht zu suchen. Du wirst sehen, in einem Jahr, spätestens in zwei könntest du verheiratet sein. Wenn du aufhörst zu suchen und deinen eigenen Weg gehst.

Oh, das klang so schön! Verheiratet sein. Geliebt werden. Strahlend durchs Leben gehen. Sie war sehr erfolgreich, die Annette, also glaubte ich ihr. Außer­dem war sie viele Jahre älter als ich, hatte unglaublich viel erlebt und Erfahrungen von anderen habe ich schon immer vertraut. Jetzt wollte ich meine eigenen guten Erfahrungen machen. Ich wollte ihr glauben und ich machte alles, was sie vorgeschlagen hat. Neues Hobby, neue Frisur, joggen ging ich auch wieder und zum ersten Mal in meinem Leben nahm ich in einer Gruppe Gleichgesinnter ab. Das ging zwar viel lang­samer als mit der Kohlsuppe, aber es gab richtige Sachen zu essen und es schmeckte.

Ich beschäftigte mich erneut mit der Ursachen­forschung. Es hieß doch, deine Ängste und de­pressiven Stimmungen kannst du nur auflösen, wenn du auch diese Teile deines Charakters annimmst. Bevor du glücklich sein kannst, schau dir deine eigenen Dämonen an. Dämonen? Naja, wenn alle das sagen… Also suchte ich Dämonen.

Konnte ich herausfinden, was meine Essgelüste aus­löste? Wenn ich verletzt wurde, reagierte ich traurig, nicht zornig. Schokolade war mein bester Freund, ver­lässlich und stets zur Hand. War also meine Traurigkeit mein Dämon oder eher der nicht ausgelebte Zorn? Aber ich war ja bei weitem nicht jeden Tag unglück­lich! Was genau passierte in mir, dass ich immer wieder zum Essen griff und Anfangserfolge zunichtemachte?

Ich vertrödelte meine Zeit damit, herauszufinden, was die Ursachen waren. Seitenlang schrieb ich in meine Tagebücher, stundenlang telefonierte ich mit dicken Freundinnen. Wir hatten eine Selbsthilfegruppe gegründet, um aus dem Schlammassel heraus zu kommen. Natürlich haben wir immer wieder bestimmte Themen gefunden (Verletzungen in der Kindheit, Beleidigungen, Stress, Umzüge, früher Verlust der Mutter, Tod der Katze). Jede von uns hatte ein anderes Gewicht, eine andere Figur und eine andere Geschichte. Niemand hatte große Aha-Erleb­nisse; was uns verband, war das gemeinsame Essen nach der Gruppensitzung. Wir steckten fest in der „Wenn-es-mir-gut-geht-werde-ich-von-alleine-abneh­men-Phase“.

Nach ein paar Wochen trennte ich mich von der Gruppen. Von der Selbsthilfegruppe und auch von der Abnehm-Gruppe. Ich hatte keine Dämonen gefunden, dafür aber noch zwei weitere Kilos zugenommen. Das war nicht der richtige Weg für mich.

Damit legte ich die psychologische Deutung meines Übergewichts zu den Akten. Nebenbei hatte ich gelernt, dass ich nicht genug über Essen wusste. Über Nährstoffdichte, Ballaststoffe und Hormone, die Hunger und Appetit steuerten. Vor lauter Psychologie ließ ich die Biologie komplett außen vor. Ich nahm mir vor, meine Ernährung nicht mehr psychologisch zu verbrämen. Nicht das Warum war wichtig, sondern das Wie. Wie geht Abnehmen? Das habe ich ab sofort erforscht.

Gewicht HALBIERT!

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