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1.2 WortakzentWortakzent

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Die überwiegende Mehrzahl deutscher Wörter ist in der Grundform oder in flektierter Form zweisilbig und entspricht dem trochäischen Betonungsmuster (betont – unbetont). Für morphologisch komplexe Wörter gilt die StammbetonungStammbetonung, vgl. (1) und (2). Das bedeutet, der WortakzentWortakzent ist nicht festgelegt auf eine bestimmte Silbenposition. Er wird daher auch als freier Wortakzentfreier Wortakzent bezeichnet.

(1) 'lauf
'lau.fen
ver.'lauf
ver.'lau.fen
ver.'lau.fen.de
(2) 'Haus
'häus.lich
'Häus.lich.keit
'Häus.lich.keit.en

Einen festen WortakzentWortakzent weisen zum Beispiel Tschechisch (Erstsilbenakzent), Polnisch (Akzent auf vorletzter SilbeSilbe) und Französisch (Letztsilbenakzent) auf (Roelcke 2011: 36). Auch im Türkischen liegt der Wortakzent – wie in (3) zu sehen – auf der letzten Silbe.

(3) 'ev Haus
ev – 'ler Häuser
ev – ler – 'im meine Häuser
ev – ler – im – 'de in meinen Häusern

Der sprachtypische Rhythmus und die sprachspezifischen Betonungsmuster prägen den Erstspracherwerb von Anfang an. Sie helfen den Kindern zunächst, den Lautstrom ihrer Umgebungssprache zu segmentieren, und etwas später auch dabei, sich die Wortstruktur zu erschließen. So nutzen deutsche Kinder die Betonung als Hinweis auf den Wortanfang, türkische Kinder hingegen auf das Wortende (Bredel 2013: 379). Während deutsche Kinder Betontheit mit lexikalischem und Unbetontheit mit grammatischem Material assoziieren, nutzen türkische Kinder hierfür Unterschiede im Vokalismus: Vokalische Stabilität dient ihnen als Indikator für lexikalisches Material und vokalische Varianz (durch die den Regeln der VokalharmonieVokalharmonie folgende Assimilation der Suffixe, vgl. evim 'mein Haus' vs. grubum 'meine Gruppe'), als Indikator für grammatisches Material (ebd. 379). Darüber hinaus bewirkt die finale Akzentposition, dass im Türkischen (anders als im Deutschen) an den StammStamm angefügte grammatische Morpheme betont werden. Sie sind damit der Wahrnehmung stärker zugänglich. Gewöhnt an diese prosodischen Markierungen ist der Erwerb des Deutschen, dessen grammatische Morpheme meist unbetont (und oftmals phonologischen Reduktionsprozessen ausgesetzt) sind, kein leichtes Unterfangen. Das SchriftsystemSchriftsystem kann hier aber ausgleichend wirken und sollte im Lernprozess von Beginn an gezielt genutzt werden, um Flexive und Derivationsaffixe leichter wahrnehmbar zu machen (s. Kap. 3). Einen weiteren Grund, das Medium Schrift konsequent zum Lernen der zielsprachlichen Betonungsmuster einzubeziehen, liefern Forschungsbefunde, denen zufolge Sprecher einer Sprache mit festem WortakzentWortakzent zum Teil Schwierigkeiten damit haben, den freien Wortakzent überhaupt wahrzunehmen (ebd. 379). Für eine entsprechende Sensibilisierung ist zu empfehlen, bei morphologisch komplexen Wörtern die StammbetonungStammbetonung zu visualisieren (z. B. wohn- → 'woh.nen, ge.'wohnt, 'wohn.lich, 'Woh.nung, Be.'woh.ner).

Aufgaben

 1.* Erklären Sie, wann und warum man beim Deutschen von einem freien WortakzentWortakzent sprechen kann.

 2.** Wählen Sie aus einem DaZ/DaF-Lehrwerk (A1-A2) einen kurzen Text aus und überlegen Sie, durch welche Markierungen / Hervorhebungen Sie den Lernenden zu einer zielsprachlichen Betonung verhelfen könnten.

Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit

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