Читать книгу M.A.G.I.K. (2). Das Chaos trägt Krone - tanja Voosen - Страница 10

Kapitel 6

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Romy lag mit geschlossenen Augen auf Neles Bett und hatte die Hände auf ihrem Bauch gefaltet, als würde sie beten. Selbst als Nele sich den Zeh an Romys Krone stieß, die mal wieder achtlos auf dem Boden lag, und fluchte, bewegte Romy sich kein Stück.

Nachdem Nele ihre Sachen weggelegt hatte, stellte sie sich neben das Bett.

»Hey.« Nele stupste sie an. »Machst du ein Nickerchen?«

Die Prinzessin reagierte noch immer nicht.

»Spielst du die beleidigte Leberwurst?«, versuchte Nele es weiter. »Hallo?«

Romy schielte kurz durch ein halb geöffnetes Auge zu ihr, machte es aber rasch wieder zu. Nele beugte sich über ihr Gesicht, nahm eine von ihren Haarsträhnen und begann, Romy damit an der Nase zu kitzeln. Romy verzog sofort den Mund.

»Geh weg«, flüsterte sie. »Ich leide an einer tiefentragischen Ohnmacht.«

»Aber du redest doch mit mir?«, meinte Nele.

»Das bildest du dir ein. Ich schwinde dahin, weil mein Traum geplatzt ist.«

Dahinschwinden? Nele hielt sich eine Hand vor den Mund, um nicht zu lachen.

»Schade«, sagte sie bedauernd. »Ich wollte dir was erzählen. Hab nämlich einen Weg gefunden, wie Papa dich vielleicht doch zum Casting lässt. Na ja …«

Romy schoss hoch. »Ehrlich?«

»Jup«, erwiderte Nele. »Also genug rumgechillt?«

»Ich habe nicht gechillt«, sagte Romy. »Ich bin vor Empörung über die Worte deines Vaters in eine schwere Ohnmacht gefallen und hab mir dabei sogar den Ellbogen angestoßen, weil nicht genug Platz für meine Darbietung war.«

»Funktioniert so was etwa bei deinen Eltern, damit du kriegst, was du willst?«, fragte Nele und stellte sich vor, wie Romy die Nummer im Thronsaal abzog.

»Natürlich«, sagte Romy. »Was machst du denn, um deinen Vater zu überzeugen, dass er dir unbedingt deinen sehnlichsten Wunsch erfüllen muss?«

»Mit ihm reden«, meinte Nele. »Oder betteln. Manchmal auch Tränen rausdrücken.«

Romy schnaufte. »Ich bring dir bei, wie das mit der Ohnmacht geht.«

»Ähm, vielleicht wann anders«, murmelte Nele.

»Na gut«, sagte Romy. »Was hast du denn für einen Plan?«

»Lass uns auf den Dachboden gehen, dann erklär ich’s dir.«

Romy sah verwundert aus. »Auf den Dachboden?«

Nele zog sie hoch. »Komm. Du siehst dann, was ich meine.«

Sie gingen raus in den Flur. Von der Decke baumelte die Kordel für die Dachbodenluke. Nele griff danach, zog kräftig daran und eine schmale Leiter klappte zu ihnen herunter.

»Ihhhhh!«, kreischte Romy los. »Es regnet Staubfussel!«

Die Prinzessin wedelte wild mit den Händen in der Luft herum, um die winzigen Staubflocken von sich fernzuhalten. Es sah wie ein lustig-bekloppter Tanz aus.

Tja, wenn Romy wüsste, dass da oben sicher noch ganz andere Sachen waren. Wie kleine Spinnen und Staubfäden zwischen all dem Krams …

»Müssen wir echt in das dunkle Loch da?«, fragte Romy.

»Ich geh vor und mache das Licht an«, entschied Nele. Sie griff nach einer der Leitersprossen, doch etwas hielt sie wie mit unsichtbaren Händen zurück. Es war fast, als könnte Nele die Stimme ihrer Mama plötzlich klar und deutlich hören.

Pass auf, dass du nicht abrutschst. Ich bin hinter dir.

Nele gab sich einen Ruck. Du kannst das!, sagte sie sich. Schwups war sie oben und tastete nach dem Lichtschalter. Es flackerte und surrte und dann ging mit einem Ping die Glühbirne an der Decke an. Es roch ein wenig stickig und über allem lag eine dicke Schicht Staub.

Sie sah sich weiter um. Alles wie damals …

Da waren die vielen beschrifteten Kartons, die dicke Truhe, der Spiegel mit dem schnörkeligen Metallrahmen und – die Fensterecke. Über dem Fenster hing ein schmales Regal mit Büchern, darunter lag eine alte Matratze voller Kissen und Decken. An den Dachbalken baumelte eine Lichterkette und an der Wand hingen unzählige Fotos.

»Nele? Neleeeee!«, rief Romy ängstlich. »Ist alles okay?«

»Ja, alles okay.« Nele wandte sich der Luke zu. »Komm hoch.«

Zaghaft kletterte Romy zu ihr hoch und Nele half ihr das letzte Stück nach oben.

»Was ist das alles für ein Kram?«, flüsterte Romy ehrfürchtig. Als Nele nicht sofort antwortete, zupfte Romy an ihrem Pulloverärmel. »Ist was nicht in Ordnung?«

Nele schob nervös die Finger ineinander. »Das sind Sachen von meiner Mama. Papa hat nach und nach alles hier oben in Kartons verstaut.«

»Oh«, machte Romy leise. »Deshalb hast du an der Leiter gezögert.«

Sie nickte. »Sie hat mich oft mit hier raufgenommen und gesagt, das wäre ein Geheimversteck, nur für uns beide. Ich war gern mit ihr hier.«

»Warst du, seitdem sie gegangen ist, noch mal hier?«, fragte Romy vorsichtig.

»Ein paar Mal noch. Aber es war nie dasselbe.« Nele ging zur Fensterecke und betrachtete die Fotos an der Wand.

Romy trat neben sie. »So viele Erinnerungen. Wahnsinn.«

»Meine Mama hat sehr gerne fotografiert«, erklärte Nele.

»Du warst ja total süß mit deiner Knollennase«, bemerkte Romy.

»Ich hab keine Knollennase!«, erwiderte Nele entrüstet.

»Doch, sieh mal. Wie eine dicke Kartoffel.« Romy kicherte. »Aber du hast mich nicht hergebracht, damit ich alte Baby-Knollennasen-Fotos von dir bewundere, oder?«

Nele verdrehte die Augen. Dann erzählte sie Romy von ihrem Plan.

»Was für eine tolle Idee!«, rief Romy. Mit einem Mal wurde ihre Miene jedoch ernster. »Bist du dir sicher, dass wir die Sachen hier durchgucken sollen?«

Nele wurde ganz warm ums Herz. Romy machte sich Sorgen wegen der Sache mit ihrer Mama. Aber nach der ersten Überwindung fühlte Nele sich eigentlich ganz wohl. Und neugierig war sie auch. Was sie wohl entdecken würden?

»Und ob wir das sollen! Wir finden bestimmt was Cooles, das dir passt. Hier oben sind sicherlich so einige Schätze versteckt.« Nele drehte sich um und ging zur Truhe. »Papa hat sogar ein paar meiner Kostüme selbst genäht und könnte sicher auch noch irgendetwas anpassen oder so.«

»Dein Vater?«, fragte Romy überrascht.

»Papa kann ziemlich viel ziemlich gut«, sagte Nele.

Gemeinsam stemmten sie den schweren Deckel der Truhe hoch.

»Oh, sieh mal! Ein Ritterhelm!«, staunte Romy, die sofort darin herumwühlte. Sie holte den Plastikhelm heraus und griff dann noch mal hinein. »Und ein Schwert!«

Nach diesem ersten Fund gruben sich die zwei weiter durch die Truhe voller Kostüme. Hier war mehr Zeug drin, als Nele auf den ersten Blick vermutet hatte. Von einer Hexe samt Spitzhut bis hin zum giftgrünen Tüllkleid mit Aluhaarreifen war alles dabei. Beim Durchschauen der Sachen bekam Nele richtig gute Laune.

So viele der Kostüme standen für tolle und lustige Momente mit ihren Eltern oder nur ihrem Papa. Es war schön, sich an diese Tage zu erinnern. Romy hatte recht: Nele und ihren Papa verband eine eigene Form von Magie – und der Gedanke machte Nele in diesem Moment am allermeisten glücklich.

»Wie niedlich«, sagte Romy, die gerade einen Stab mit Stern schwang, an dem bunte Glitzerbänder befestigt waren. Sie kramte in einem der Kartons und fand noch eine knallrote Plastikbrille in Herzchenform und setzte sie sich auf die Nase. »Und?«

»Hallo, Miss Hollywooddiva«, kommentierte Nele amüsiert.

Romy legte die Sachen wieder weg. »Leider keine Perücke bisher.«

»Lass uns mal dahinten nachschauen«, schlug Nele vor.

In den nächsten Minuten machten sich die zwei über einen Haufen Schachteln her, die in der Ecke gestapelt waren. Darin befanden sich Hüte, Schuhe und Seidentücher – und eine braune Perücke, die etwa dieselbe Länge wie Romys Haar hatte.

Triumphierend zog Romy sie über – allerdings falsch herum.

Nele lachte. »Du siehst aus wie Bigfoot. Oder Chewbacca.«

»Hey! Ich hab Füßchen zart wie eine Frühlingselfe, klar!«, meinte Romy, während sie sich mit der Perücke abmühte. »Und was zur Krone ist denn ein Dschu…gaga?«

»Luis würde jetzt sagen: Alle Prinzessinnen sollten wissen, was Star Wars ist«, meinte Nele. »Da gibt’s nämlich die coolste Prinzessin von allen.« Sie legte sich ein smaragdgrünes Tuch um die Schultern, schlüpfte in ein paar schwarze Stöckelschuhe mit Punkten und stakste zu Romy hinüber, um ihr zu helfen.

Romy friemelte an der Perücke herum, bis sie saß. »Tja, da irrt Luis sich wohl, denn die coolste Prinzessin bin ich. Miss Krawamkra, Romina Cassandra Eleanor Wynter, supercool und einfach umwerfend! Diese Farbe steht mir wahnsinnig gut!« Sie blinzelte selbstverliebt in den Spiegel hinein und bewunderte sich von allen Seiten.

So ging das noch eine Weile weiter – Romy probierte allerhand Sachen an, von denen nicht immer alle passten, was für so einige Lacher sorgte, und Nele ließ sich dazu hinreißen mitzumachen. Am Ende stand sie mit Blümchenhut, Vampirzähnen und zu enger Meerjungfrauenflosse neben Romy und lachte sich kringelig.

»Das hat Spaß gemacht«, sagte Nele.

»Ja«, stimmte Romy zu und lächelte sie an. »Eine Freundin zu haben ist toll!«

Nele lächelte zurück. »Und wie!«

»Euer Dachboden ist ziemlich krawamkra«, meinte Romy.

»Finde ich auch.« Aus dem Augenwinkel sah Nele etwas im Spiegel auf‌blitzen. Sie trat zu einer Kleiderpuppe, die verdeckt war, nur unten schaute schimmernder Stoff heraus. Nele zog das Tuch weg und zum Vorschein kam ein Kleid. Es bestand aus verschiedenen Lagen Stoff, in den glitzernde Sterne genäht worden waren, und hatte Ärmel, die so zart waren, dass sie an Schmetterlingsflügel erinnerten. Nele fand es wunderschön.

»Wunderschön«, sprach Romy den Gedanken laut aus.

»Du … du könntest es ja zum Casting anziehen«, meinte Nele.

Romy schüttelte den Kopf. »Nein. Das gehört dir, egal was du sagst. Für so ein Kleid kommt der passende Moment irgendwann«, verkündete sie feierlich.

»Ist das eine Prinzessinnenweisheit?«, fragte Nele.

Romys Augen funkelten. »Vielleicht. Aber du weißt doch: In jedem Mädchen –«

»– steckt eine Prinzessin, jaja«, beendete Nele ihren Satz.

Ehe die beiden die Leiter vom Dachboden, beladen mit Zeugs fürs Casting, wieder hinunterkletterten, sah Nele zum Kleid zurück. Vielleicht hatte Romy recht und Nele würde irgendwann ihren eigenen Prinzessinnenmoment haben?

Eigentlich klang das gar nicht mal so schlecht …

M.A.G.I.K. (2). Das Chaos trägt Krone

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